OGH 3Ob588/84

OGH3Ob588/8414.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Pflegeschaftssache der am 20. Mai 1968 geborenen mj Susanne H*****, infolge Revisionsrekurses des Franz und der Gertraude H*****, beide vertreten durch Dr. Josef Vesely, öffentlicher Notar in Korneuburg, und der Dr. Silvia M*****, gegen den Beschluss des Kreisgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 11. September 1984, GZ 5 R 269/84-7, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom 3. August 1984, GZ P 53/84-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit einem in Form eines Notariatsakts des Dr. Josef V*****, öffentlichen Notars in K*****, geschlossenen Übergabsvertrag vom 9. 4. 1984, GZ 59/1984, übergab Hildegard A***** der damals durch ihre ehelichen Eltern Franz und Gertraude H***** gesetzlich vertretenen Minderjährigen, ihrer Nichte, ihr Haus in K*****, EZ ***** KG *****, bedang sich aber auf ihre Lebensdauer das unentgeltliche Wohnungsrecht im übergebenen Haus, sowie Pflege, Treue und Wartung in gesunden und kranken Tagen, Waschen, Reinigen und Ausbessern ihrer Kleidung und Wäsche und die Instandhaltung der Ausnahmswohnung aus, wobei diese Leistungen bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Minderjährigen von deren Eltern, danach von der Übernehmerin selbst übernommen wurden. Weiters wurde für die Übergeberin auf deren Lebensdauer ein (obligatorisches) Belastungs- und Veräußerungsverbot vereinbart.

Dieser Übergabsvertrag wurde vom Erstgericht mit Beschluss vom 7. 5. 1984, P 53/84-2, pflegeschaftsbehördlich genehmigt.

Am 30. 7. 1984 beantragten Franz und Gertraude H***** beim Erstgericht die pflegschaftsbehördliche Genehmigung eines zwischen ihnen und der durch Dr. Silvia M***** „vertretenen“ Minderjährigen geschlossenen „Übereinkommens“ vom 9. 4. 1984 (Tag der Errichtung des vorerwähnten Notariatsakts), in dem die Minderjährige ihren Eltern auf deren Lebensdauer ein grundbücherlich sicherzustellendes Belastungs- und Veräußerungsverbot gemäß § 364c ABGB einräumt und eine diesbezügliche Verbücherungserklärung abgibt. Die Einschreiter behaupteten, dass dieser Vertrag nicht nur zu einem Vorteil, sondern auch zum Schutz der Minderjährigen abgeschlossen worden sei.

Das Erstgericht versagte diesem „Übereinkommen“ die pflegeschaftsbehördliche Genehmigung, weil es die Minderjährige nur belaste und daher nicht in deren Interesse liege. Dieser Beschluss wurde unter anderem auch Dr. Silvia M***** zugestellt.

Dagegen erhoben nur Franz und Gertraude H***** Rekurs, in dem sie darlegten, aus welchen Gründen das Belastungs- und Veräußerungsverbot auch im Interesse der Minderjährigen liege, weshalb sie die Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses im Sinn der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung beantragten.

Das Gericht zweiter Instanz gab diesem Rekurs aus den für zutreffend erachteten Gründen des Erstgerichts nicht Folge. Die Rekursentscheidung wurde unter anderem Dr. Silvia M***** zugestellt.

Dagegen richtet sich der von Franz und Gertraude H***** „als Eltern und gesetzliche Vertreter für die Minderjährige“ und von Dr. Silvia M***** erhobene außerordentliche Revisionsrekurs wegen offenbarer Gesetzes- und Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung des das Belastungs- und Veräußerungsverbot betreffenden „Übereinkommens“ abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Franz und Gertraude H***** haben nach § 144 ABGB das Vermögen ihrer minderjährigen ehelichen Tochter Susanne zu verwalten und ihr Kind - soweit erforderlich - (gesetzlich) zu vertreten.

In Geschäften, welche - wie das „Übereinkommen“ vom 9. 4. 1984 - zwischen Eltern und einem minderjährigen Kinde ... vorfallen, muss nach § 271 ABGB das (Pflegschafts-)Gericht angegangen werden, für die Minderjährige einen besonderen Kurator, sogenannten Kollisionskurator, zu ernennen.

Dies ist ein Anwendungsfall des § 269 ABGB, wonach demjenigen, der seine oder einzelne seiner Angelegenheiten nicht gehörig zu besorgen vermag, soweit er nicht durch einen Elternteil oder Vormund gesetzlich vertreten ist oder vertreten werden kann, ein Kurator oder Sachwalter zu bestellen ist.

Diese Kuratorbestellung kann nicht nur auf Antrag, sondern muss auch von Amts wegen erfolgen (JBl 1969, 93; Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu §§ 271 und 272; Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 42; Wentzel-Piegler in Klang 2 I/2 497).

Die Bestellung muss ausdrücklich erfolgen (SZ 38/163; Pichler am zuletzt angeführten Ort; Bydlinski, JBl 1965, 368; Knell aaO 247; Wentzel-Piegler aaO 311).

Der Wirkungsbereich des Kurators scheidet aus dem des sonst Vertretungsbefugten aus (EFSlg 42.167, 38.456; SZ 36/163; SZ 25/242; Pichler aaO).

Ist die Beiziehung eines Kollisionskurators unterblieben, obwohl der Abschluss des Vertrags zwischen dem Minderjährigen und dessen gesetzlichen Vertreter einen solchen erfordert hätte, kommt ein Vertrag nicht zustande (EFSlg 38.455; EFSlg 13.557; Wentzel-Piegler aaO 499).

Die Eltern des hier pflegebefohlenen Kindes waren daher nur berechtigt, das Pflegschaftsgericht im Sinne des § 271 ABGB um die Bestellung eines Kollisionskurators „anzugehen“. Da sie mit ihrem minderjährigen Kind einen Vertrag schließen wollen, können sie dieses insoweit nicht mehr vertreten und waren daher auch nicht mehr berechtigt, für das Kind die pflegschaftsbehördliche Genehmigung des „Übereinkommens“ vom 9. 4. 1984 zu beantragen. Auch als Vertragspartner des Pflegebefohlenen sind die Eltern nicht Beteiligte des Genehmigungsverfahrens (vgl MGA VerfAußStr2 E 100 zu § 9 ua).

Die Eltern waren daher auch nicht legitimiert, für ihre mj Tochter oder im eigenen Namen als deren Vertragspartner gegen den ihren unzulässigen Antrag auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung des „Übereinkommens“ vom 9. 4. 1984 abweisenden Beschluss des Erstgerichts/Rekurs zu erheben (EFSlg 42.167 ua). Sie sind auch nicht berechtigt, den ihrem Rekurs nicht Folge gebenden Beschluss der zweiten Instanz weiter zu bekämpfen.

Ihr unzulässiger Rekurs war daher zurückzuweisen.

Auch soweit das Rechtsmittel von Dr. Silvia M***** erhoben ist, die von dem das „Übereinkommen“ vom 9. 4. 1984 aufnehmenden öffentlichen Notar als künftige Kollisionskuratorin vorgesehen wurde, ist es unzulässig, weil die Genannte noch nicht zur Kollisionskuratorin der Minderjährigen bestellt wurde und daher nicht berechtigt ist, diese im pflegschaftsgerichtlichen Verfahren zu vertreten.

Daraus folgt, dass die Minderjährige weder beim „Übereinkommen“ vom 9. 4. 1984, noch in dem über dessen pflegschaftsgerichtliche Genehmigung von den Vorinstanzen durchgeführten Verfahren durch einen erforderlichen, vom Pflegschaftsgericht bestellten Kollisionskurator vertreten war.

Das Pflegschaftsgericht wird daher iSd § 271 ABGB über die Bestellung eines Kollisionskurators zu entscheiden und aufgrund eines allfälligen Antrags dieses Kurators über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines von ihm namens der Minderjährigen geschlossenen Vertrags mit den Eltern zu entscheiden haben.

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