OGH 2Ob638/84

OGH2Ob638/8430.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. Günther A*****, gegen die Antragsgegnerin Katarina H*****, vertreten durch Dr. Helmut Grazer, Dr. Herbert Harlander, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Benützungsregelung, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 23. August 1984, GZ 33 R 80/84-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 25. November 1983, GZ 1 Nc 44/83-10, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Peter H***** und seine frühere Ehegattin, die Antragsgegnerin, waren je zur Hälfte Eigentümer eines Zweifamilienhauses. Dieses besteht aus Keller, erstem und zweitem Obergeschoss sowie ausgebautem Dachgeschoss. Die Wohnung im ersten und zweiten Obergeschoss sind je 86 m2 groß. Die ursprünglich vermietete Erdgeschosswohnung ist seit 1. 6. 1983 frei. Die Ehe der Antragsgegnerin mit Peter H***** wurde mit Urteil vom 21. 1. 1981 geschieden. Aufgrund des im Ehescheidungsverfahren abgeschlossenen Vergleichs übernahm die Antragsgegnerin die in dem den Ehegatten gehörenden Haus gelegene Ehewohnung. Peter H***** verzichtete darauf, im Haus Wohnung zu nehmen; für den Fall der Not wurde ihm jedoch ein Mansardenzimmer zur Verfügung gestellt. Vereinbart wurde außerdem, dass sämtliche „dort befindliche“ Fahrnis - mit Ausnahme der Einrichtung des erwähnten Mansardenzimmers - im Eigentum der Katharina H***** stehe, dass aber das Werkzeug auch vom Beklagten benutzt werden könne. Weiters, dass die Fertigstellung des Hauses von den Streitteilen gemeinsam getragen werde und die finanziellen Aufwendungen, die sich aus behördlichen Anordnungen im Zusammenhang mit der Aufschließung der Liegenschaft ergeben, zu 2/3 von der Klägerin getragen werden, hingegen laufende behördliche Vorschreibungen für die Liegenschaft von den Miteigentümern je zur Hälfte und die Betriebskosten von jenen getragen werden, die die Liegenschaft bewohnen. Aufgrund des Tauschvertrags vom 23. 3. 1983 übertrug Peter H***** das Eigentumsrecht an seinem Hälfteanteil dem Antragsteller. Im Tauschvertrag ist festgehalten, dass der Antragsteller den wesentlichen Inhalt des zwischen der Antragsgegnerin und Peter H***** abgeschlossenen Vergleichs kennt. Der Antragsteller ist berechtigt, den Tauschvertrag rückwirkend zur Auflösung zu bringen, wenn nicht bis spätestens 1. 9. 1983 zwischen ihm und der Antragsgegnerin im Wege einer Benützungsregelung eine Vereinbarung getroffen werde, dass ihm bestimmte Räume des Hauses zur Verfügung stehen. Für den Fall einer gerichtlichen Benützungsregelung wurde die Frist bis zur Rechtskraft der Gerichtsentscheidung verlängert.

Der Antragsteller beantragte, ihm (im Antrag im Einzelnen genau angeführte) bestimmte Räume zur Benützung zuzuweisen. Er führte aus, die zwischen Peter H***** und der Antragsgegnerin geschlossene Benützungsvereinbarung sei für ihn als Einzelrechtsnachfolger nicht verbindlich.

Die Antragsgegnerin beantragte mit der Begründung die Abweisung des Antrags, sie habe mit Peter H***** eine Benützungsvereinbarung getroffen, wonach ihr die gesamte Liegenschaft mit Ausnahme der vermieteten Parterreräumlichkeiten zur Verfügung stehe. Die Parterrewohnung sei vermietet worden, der halbe Mietzins komme der Antragsgegnerin zu. Diese Benützungsregelung sei dem Antragsteller bekannt gewesen, sie sei für ihn bindend.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es führte aus, Verträge zwischen Miteigentümern über die Regelung der Benützung hätten grundsätzlich nur obligatorische Wirkung, Einzelrechtsnachfolger seien ohne Unterwerfung daran nicht gebunden. Mit dem Tauschvertrag habe der Antragsteller den Hälfteanteil so übernommen, wie Peter H***** diesen bisher benützt oder zu besitzen und benützen berechtigt gewesen sei. Peter H***** habe dem Antragsteller seinen Anteil daher mit allen Beschränkungen übergeben, die ihm im Scheidungsverfahren, den der Antragsteller gekannt habe, auferlegt worden seien. Aus dem Vertragstext werde deutlich, dass sich der Antragsteller bewusst gewesen sei, in die Benützungsregelung einzutreten. Er begehre nun eine Abänderung der Benützungsregelung, die jedoch nur im streitigen Verfahren erfolgen könne.

Das Rekursgericht hob den Beschluss des Erstgerichts auf. Es führte aus, der zwischen den Ehegatten geschlossene Vergleich sei keine bloße sachenrechtliche Benützungsregelung von Miteigentümern, sondern eine mit Vergleich vorgenommene teilweise Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im Sinne der §§ 81 ff EheG (§§ 81, 85, 97 EheG). Denn auch die Ehewohnung gehöre zum ehelichen Gebrauchsvermögen und sei gemäß § 82 Abs 2 EheG Gegenstand der Aufteilung. Während Verträge zwischen Miteigentümern über die Benützung des gemeinsamen Eigentums grundsätzlich nur obligatorische Wirkungen hätten und aus wichtigen Gründen vorzeitig gelöst werden könnten, habe Peter H***** mit dem anlässlich der Scheidung geschlossenen Vergleich die tatsächliche Verfügung über die Ehewohnung endgültig aufgegeben. Die auf Eherecht gegründete Aufteilung der Ehewohnung gehe dem auf das bloße Eigentum gestützte Benützungsrecht vor. Da eine Benützungsregelung die Verfügbarkeit des Objekts voraussetze und dem Antragsteller der Vergleich bekannt gewesen sei, finde sein Antrag auf gerichtliche Benützungsregelung jedenfalls am Umfang der von der Antragsgegnerin übernommenen ehelichen Wohnung seine Grenze. Peter H***** habe durch den Vergleich darauf verzichtet, nach der Scheidung als schlichter Miteigentümer einen Anspruch auf Benützung der Ehewohnung zu erheben und habe daher alles zu unterlassen, was die Benützung der Ehewohnung durch die Antragsgegnerin beschränken könnte. Diese Verpflichtung habe der Antragsteller gekannt. Der Umfang der ehelichen Wohnung sei aus dem Scheidungsvergleich jedoch nicht zu entnehmen, er werde im Zuge der Beweisaufnahme zu klären sein. Die vom Antragsteller begehrte Benützungsregelung erwecke von vornherein nicht den Eindruck, als ob sie in den Umfang der ehelichen Wohnung eingriffe. Da die Antragsgegnerin auch behauptet habe, auf den Scheidungsvergleich seien weitere Benützungsvereinbarungen erfolgt, sei auch auf die Frage der Benützungsvereinbarung einzugehen. Der Einzelrechtsnachfolger sei an eine Benützungsregelung nur gebunden, wenn er sie ausdrücklich oder stillschweigend übernommen habe. Dem Tauschvertrag könne nicht entnommen werden, dass sich der Antragsteller der Benützungsvereinbarung unterworfen habe. Die vom Erstgericht angeführte Vertragsklausel sei nur im Zusammenhang mit den dinglichen Belastungen zu verstehen. Aus dem Tauschvertrag gehe der offenkundige Wille des Antragstellers hervor, eine andere Benützungsregelung herbeizuführen. Dies zeige deutlich, dass es nicht sein Wille gewesen sei, sich einer bestehenden anderen Benützungsregelung zu unterwerfen. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren die Parteien und den Zeugen Peter H***** zu vernehmen haben, insbesondere über den Vertragswillen der Ehegatten hinsichtlich des Punkts 3 des Vergleichs und den Umfang der nach dem Willen der Vergleichsparteien von der Antragsgegnerin übernommenen ehelichen Wohnung, ferner darüber, inwieweit zwischen Peter H***** und dem Antragsteller Benützungsregelungen erörtert worden seien und vom Antragsteller übernommen werden sollten. Sollte sich ergeben, dass die Parteien des Tauschvertrags eine Benützungsregelung nicht überbinden wollten und die beantragte Benützungsregelung die ausschließliche Verfügung der Antragsgegnerin über die eheliche Wohnung nicht verletze, werde der Antrag sowohl über die Benützung als auch über die vom Antragsteller begehrten Veränderungen nach den herrschenden Grundsätzen über die Benützungsregelung inhaltlich zu beurteilen sein.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers. Er bekämpft die Rechtsmeinung des Gerichts zweiter Instanz, die im Ehescheidungsvergleich getroffene Benützungsvereinbarung binde auch ihn. Diese Ansicht sei rechtsirrig, die Vereinbarung habe keine stärkere Wirkung als eine Benützungsvereinbarung, die nur zwischen reinen Miteigentümern getroffen worden sei. Aus den Bestimmungen der §§ 82 Abs 2 und 86 Abs 1 EheG sei nichts gewonnen, weil der Familienrichter nicht nur dingliche sondern auch obligatorische Rechte begründen könne. Er sei nur ausnahmsweise befugt, in Rechte Dritter einzugreifen. Würde man die Ansicht des Rekursgerichts teilen, müsse alles, worüber familienrechtlich verfügt worden sei, für alle Zeiten außer Verfügung des Eigentümers bleiben. Dies wäre völlig unzumutbar. Da selbst eine Vereinbarung über die Fortsetzung der Gemeinschaft nach ständiger Rechtsprechung nur obligatorisch wirke und auf den Singularsukzessor nur durch ausdrückliche Überbindung oder durch spätere Unterwerfung übergehe, sei das Erstgericht zur Regelung der Benützung der gesamten Liegenschaft unter Beachtung der inzwischen eingetretenen Änderungen verpflichtet, wobei lediglich eine Schranke im Recht der Antragstellerin bestehe, die Ehewohnung im Rahmen ihrer persönlichen Bedürfnisse zu benützen. Aus der Vereinbarung der Ehegatten H***** über die Fertigstellung des Objekts und das Maß der Tragung der Kosten aus der Liegenschaft für die Zukunft, sei deutlich zu erkennen, dass Peter H***** der Antragsgegnerin keineswegs die volle Nutzung des gesamten Grundstücks überlassen, sondern sich die Verfügung im Rahmen seines Hälfteeigentums vorbehalten wollte. Dabei sei durch Anführung des Alters und der Lebensumstände der gemeinsamen Söhne im Vergleich klargestellt, dass diese bereits der „Ehewohnung“ entwachsen seien bzw bald sein würden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss ist, obwohl der Antragsteller nicht die Aufhebung des Beschlusses des Erstgerichts bekämpft, sondern lediglich die dem Erstgericht erteilten Aufträge und Bindungen anficht, im Sinne der ständigen Rechtsprechung zulässig (5 Ob 37/75, 7 Ob 545/82 uva). Er ist jedoch nicht berechtigt.

Wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, handelt es sich bei dem von den Ehegatten H***** im Ehescheidungsverfahren geschlossenen Vergleich um einen solchen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens. Aufgrund dieser Vereinbarung war Peter H***** verpflichtet, der Antragsgegnerin die Benützung der Ehewohnung zu überlassen. Die Antragsgegnerin hatte gegenüber Peter H***** ein dementsprechendes Recht. Aus diesem Grund war Peter H*****, auch wenn er der Antragsgegnerin kein dingliches Recht an seinem Liegenschaftsanteil eingeräumt hatte, nicht berechtigt, seinen Hausanteil zu veräußern, ohne dem Erwerber die Verpflichtungen aus dem Vergleich mit der Antragsgegnerin zu überbinden. Gegenüber einem gutgläubigen Erwerber hätte die Antragsgegnerin ihre nur obligatorischen Rechte zwar nicht durchsetzen können. Der Antragsteller war aber nicht gutgläubig, er hatte Kenntnis von dem zwischen den Ehegatten geschlossenen Vergleich und somit auch von der Verpflichtung des Peter H*****, der Antragsgegnerin die Benützung des Hauses in der im Vergleich vorgesehenen Form zu ermöglichen. Peter H***** verletzte diese Pflicht durch Übertragung des Eigentums an den Antragsteller, ohne ihm die mit der Antragsgegnerin getroffenen Vereinbarung zu überbinden. Da ein Dritter im Bewusstsein der wahren Sachlage nicht an einem Vertragsbruch bewusst zum Nachteil eines Gläubigers mitwirken darf (vgl 5 Ob 544/82; 7 Ob 505/83; SZ 50/24; Bydlinski in Klang 2 IV/2, 115 ff; Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte 161 f; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II, 44 ff), ist der Antragsteller an das im Vergleich festgelegte Benützungsrecht der Antragsgegnerin an der Ehewohnung gebunden. Auch eine Änderung der Wohnbedürfnisse der Antragsgegnerin ermöglicht ihm kein Abgehen von der im Vergleich getroffenen Regelung.

Die Ausführungen im Revisionsrekurs über Eingriffe in Rechte Dritter sind nicht zielführend. Da zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses das Haus den Ehegatten je zur Hälfte gehörte, wurde in die Rechte Dritter nicht eingegriffen.

Entscheidend ist im vorliegenden Fall, welchen Inhalt die zwischen Peter H***** und der Antragstellerin geschlossenen Vereinbarungen hatten, insbesondere, was unter „Ehewohnung“ zu verstehen war. Dies wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben. Auch allfällige nach der Ehescheidung getroffene weitere Vereinbarungen, wie sie von der Antragsgegnerin behauptet wurden, könnten die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse betreffen, zumal - wie auch das Rekursgericht ausführte - im Vergleich nur eine teilweise Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens vorgenommen wurde. Auch an derartige allfällige weitere, das Haus betreffende Vereinbarungen, wäre der Antragsteller gebunden, falls sie ihm bekannt waren. Im fortgesetzten Verfahren muss daher auch geklärt werden, welche weiteren Vereinbarungen zwischen der Antragsgegnerin und Peter H***** über das Haus getroffen wurden, und ob der Antragsteller hievon Kenntnis hatte.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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