OGH 5Ob75/84

OGH5Ob75/8423.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Edward B*****, vertreten durch Michael Auer, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, Wien 5., Siebenbrunnenfeldgasse 15, wider die Antragsgegner 1. Katharina N*****, und 2. Hans N*****, vertreten durch Dr. Rudolf Holzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8, § 43 Abs 2 MRG in Verbindung mit § 16 Abs 3 MG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. Juni 1984, GZ 41 R 299/84‑9, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 19. Jänner 1984, GZ 43 MSch 55/83‑6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00075.840.1023.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag auf Feststellung, die Antragsgegner hätten als Vermieter gegenüber dem Antragsteller als Mieter der Wohnung Nr 5, *****, durch Vorschreibung von monatlich 2.112 S zuzüglich 8 % Umsatzsteuer unter Hauptmietzins zu den Zinsterminen 1. 4. 1980 bis einschließlich 1. 10. 1982 und von monatlich 2.426,50 S zuzüglich 8 % Umsatzsteuer unter Hauptmietzins zu den Zinsterminen 1. 11. 1982 bis einschließlich 1. 2. 1983 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um monatlich 1.776 S zuzüglich 8 % USt im erstgenannten Zeitraum und um monatlich 2.090,50 S zuzüglich 8 % Umsatzsteuer im zweitgenannten Zeitraum, sohin insgesamt um 63.418 S zuzüglich 8 % USt, überschritten, abgewiesen wird.

Der Antragsteller ist schuldig, den Antragsgegnern die mit 120 S bestimmten Barauslagen des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 27. 3. 1980 mietete der Antragsteller in dem den Antragsgegnern gehörenden Haus ***** die aus zwei Zimmern, Vorzimmer, Wohnküche, Badezimmer und WC bestehende sowie eine Nutzfläche von 84 m2 aufweisende Wohnung top Nr 5 ab 1. 4. 1980 auf unbestimmte Zeit. Es wurde ein wertgesicherter monatlicher Hauptmietzins von 2.112 S vereinbart. Der Antragsteller bestätigte laut § 4 Abs 1 des Mietvertrags, den Mietgegenstand in gutem, brauchbarem Zustand übernommen zu haben. Das Mietverhältnis wurde am 30. 4. 1983 einverständlich beendet. Die Antragsgegner schrieben dem Antragsteller vom 1. 4. 1980 bis 1. 10. 1982 einen monatlichen Hauptmietzins von 2.112 S und vom 1. 11. 1982 bis 1. 2. 1983 einen solchen von 2.426,50 S je zuzüglich 8 % USt zur Zahlung vor, der Antragsteller bezahlte vorschreibungsgemäß.

Ohne zuvor ein Herabsetzungsbegehren an die Antragsgegner gerichtet zu haben, brachte der Antragsteller am 22. 2. 1983 bei der Schlichtungsstelle den Antrag auf Feststellung ein, um welchen Betrag die Antragsgegner durch die Einhebung eines überhöhten Hauptmietzinses seit 1. 4. 1980 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten hätten. Er begründete diesen Antrag damit, dass die Wohnung in die Ausstattungskategorie D einzustufen sei, weil Bad, WC und Heizung nicht benützbar gewesen seien. Dieser Antrag wurde Lucie N*****, der Vertreterin der Antragsgegner, am 20. 6. 1983 zugestellt. Die Antragsgegner beantragten die Abweisung des Antrags.

Gegen die den Antrag abweisende Entscheidung der Schlichtungsstelle rief der Antragsteller fristgerecht das Erstgericht an.

Im erstgerichtlichen Verfahren ergänzte der Antragsteller sein Vorbringen dahin, dass er die Antragsgegner nicht davon verständig habe, dass das WC infolge Verstopfung mit Zement nicht funktionsfähig gewesen sei. Die Antragsgegner wendeten ein, dass das WC vor der Vermietung der Wohnung an den Antragsteller voll funktionstüchtig gewesen sei, gestanden aber zu, dass das Badezimmer nicht eingerichtet gewesen sei; nach Abschluss des Mietvertrags hätten sie dem Antragsteller allerdings die Montage von Wasserhähnen angeboten.

Außer Streit steht, dass im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses, sofern es sich bei der gegenständlichen Wohnung nicht um eine Substandardwohnung gehandelt haben sollte, die Voraussetzungen für den Abschluss einer freien Mietzinsvereinbarung vorlagen.

Das Erstgericht entschied gemäß dem aus dem Spruch ersichtlichen Antrag und trug den Antragsgegnern gemäß § 37 Abs 4 MRG auf, dem Antragsteller je zur Hälfte den Betrag von 63.418 S zuzüglich 8 % USt samt 4 % Zinsen seit 20. 6. 1983 binnen 14 Tagen zurückzuzahlen. Es legte seiner Entscheidung nachstehende weiteren Feststellungen zugrunde:

Im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses am 27. 3. 1980 befand sich in der Wohnung ein WC, das nicht benützbar war, weil der Abfluss des WC mit Zement verstopft war. Der Schaden wurde nach Übernahme des Mietgegenstands auf Veranlassung des Antragstellers durch einen Installateur behoben. Die Wasserleitungen für Bad und Küche waren verlegt; an diesen waren jedoch keine Wasserhähne angebracht. Es waren keinerlei sanitäre Einrichtungsgegenstände im Bad, in der Küche oder sonst in der Wohnung vorhanden, insbesondere keine Wasserhähne. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wurden auch Vereinbarungen über die Anbringung von Wasserhähnen und dazugehörigen Einrichtungen nicht getroffen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:

Durch die Mietengesetznovelle 1974 sei die Mietzinshöhe für Substandardwohnungen in der Weise beschränkt worden, dass im Falle eines Mietvertragsabschlusses nach dem 1. 8. 1974 der höchstzulässige Hauptmietzins 4 S je m2 Nutzfläche betrage. Eine Substandardwohnung im Sinne des § 3 Z 10 Stadterneuerungsgesetz 1974 sei eine Wohnung mit Wasserentnahme oder Abort außerhalb derselben. Sei das im Wohnungsverband liege WC ‑ wie im gegenständlichen Fall infolge einer behebbaren Verstopfung ‑ nur vorübergehend unbrauchbar, so sei eine Standardwohnung Gegenstand des Mietvertrags (MietSlg 32.313). Im vorliegenden Falle müsse die vermietete Wohnung aber dennoch als Substandardwohnung qualifiziert werden, weil es am Erfordernis der Wasserentnahmestelle fehle. Von einer Wasserentnahmestelle könne nämlich dann nicht gesprochen werden, wenn zwar die Wasserleitungen installiert seien, aber weder Wasserhähne noch Waschbecken oder sonstige sanitäre Einrichtungsgegenstände angebracht seien, weil ohne diese Einrichtungsgegenstände für den Mieter noch keine den höheren Mietzins rechtfertigende Verbesserung der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit der Wohnung eingetreten sei (MietSlg 28.444). Die Bestimmung des § 16 Abs 3 MG sei zwingender Natur; kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung seien freie Vereinbarungen über diesem Höchstbetrag hinaus rechtlich unwirksam. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Mieter den Zustand der Wohnung gekannt habe. Ausgehend von einer Nutzfläche von 84 m2 ergebe sich daher ein höchstzulässiger monatlicher Hauptmietzins von 336 S zuzüglich 8 % USt. Da der Mietvertrag vor Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes abgeschlossen worden sei, sei gemäß § 43 Abs 2 MRG die Beschränkung des § 16 Abs 3 MG weiterhin anzuwenden.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluss und erklärte den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge der Antragsgegner aus:

Bei Beurteilung der Zulässigkeit einer freien Mietzinsvereinbarung und ihres Ausmaßes gemäß § 16 Abs 3 MG sei grundsätzlich der Zustand in der Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags unter Berücksichtigung der Vereinbarungen betreffend Art und Umfang etwa doch vorzunehmender baulicher Veränderungen an den Bestandräumlichkeiten und damit die Beschaffenheit des Bestandobjekts selbst maßgebend. Es brauche demnach eine nach dem Parteiwillen zu schaffende Umgestaltung des Bestandgegenstands zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrags noch nicht abgeschlossen gewesen zu sein, wenn nur die Fertigstellung nachträglich habe erfolgen sollen (MietSlg 33.300). Im vorliegenden Fall sei der übereinstimmende Parteiwille nicht auf die Fertigstellung der Wasserentnahmestelle innerhalb der Wohnung gerichtet gewesen. Es komme daher nicht darauf an, ob die Antragsgegner die Fertigstellung der Wasserentnahmestelle nachträglich angeboten hätten. Welchen Einfluss das Unterlassen der Meldung des verstopften WC‑Abflusses gehabt habe, brauche hier deswegen nicht näher geprüft zu werden, weil eine Wasserentnahmestelle im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes nicht vorhanden gewesen sei. Die Einhebung eines 4 S je m2 Nutzfläche übersteigenden Mietzinses sei daher unzulässig gewesen. Da der Oberste Gerichtshof bisher die Wasserentnahmestelle im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes noch nicht definiert habe, sei der Revisionsrekurs gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG für zulässig zu erklären gewesen.

Gegen den Sachbeschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag, den angefochtenen Beschuss im Sinne der Antragsabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsteller hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Da der Antragsteller von den Antragsgegnern vor Anrufung der Schlichtungsstelle eine Ermäßigung des Hauptmietzinses gemäß § 44 Abs 3 MRG nicht begehrt hat und sein an die Schlichtungsstelle gerichteter Antrag der Vertreterin der Antragsgegner erst am 20. 6. 1983 zugestellt wurde, hängt die Entscheidung im gegenständlichen Verfahren schon deshalb ‑ wie die Vorinstanzen im Ergebnis richtig erkannt haben ‑ nur davon ab, ob es sich bei der Wohnung, wie sie nach dem Parteiwillen Gegenstand des Mietvertrags vom 27. 3. 1980 war, um eine Substandardwohnung im Sinne des § 3 Z 10 Stadterneuerungsgesetz ‑ auf welche Bestimmung der gemäß § 43 Abs 2 MRG hier noch anzuwendende § 16 Abs 3 MG Bezug nimmt ‑ gehandelt hat, weil das WC mit Zement verstopft war und die Wasserleitungen in Bad und Küche keine Hähne und sonstigen dazugehörigen Einrichtungen aufwiesen. Dazu ist zu erwägen:

Im Sinne des § 3 Z 10 Stadterneuerungsgesetz gelten ‑ im Gegensatz zu Wohnungen mit Wasserentnahme und WC innerhalb des Wohnungsverbands ‑ als mangelhaft ausgestattet Wohnungen mit Wasserentnahme oder Abort außerhalb derselben. Der Gesetzgeber nahm damit auf jene Wohnungen Bezug, die nach den Ergebnissen der Auswertung der Häuser‑ und Wohnungszählung 1971 durch das Österreichische Statistische Zentralamt in die Ausstattungskategorien (Ausstattungstypen) IV und V fielen (Bujatti‑Kazda, Stadterneuerungsgesetz und Bodenbeschaffungsgesetz 11 Anm 4 zu § 3; Meinhart in ImmZ 1974, 296; vgl auch die Materialien zum Stadterneuerungsgesetz [135 BlgNR 13. GP 19] sowie zur Mietengesetznovelle 1974 [1261 BlgNR 13. GP 3]). Für die Zuordnung zu diesen Ausstattungskategorien bzw ‑typen war nur maßgebend, ob sich die für die betreffende Wohnung bestimmte Wasserentnahme und/oder der für diese bestimmte Abort innerhalb oder außerhalb der Wohnung befand(en), nicht aber ‑ zum Unterschied von der Regelung des § 16 Abs 3 Z 4 MRG ‑ die Brauchbarkeit der genannten Einrichtungen. Der Oberste Gerichtshof gelangt daher (zumindest) für Fälle wie den vorliegenden, in dem eine Wohnung mit Wasserentnahme und WC innen vermietet/gemietet und zur Brauchbarmachung des WC lediglich die Behebung einer Verstopfung derselben durch Zement (der Antragsteller selbst schätzte im Zuge seiner Parteiaussage die Kosten des zu diesem Zweck erforderlichen Ersatzes des untersten Teils unter der WC‑Muschel mit 150 S; AS 15) und zur Brauchbarmachung der Wasserentnahme lediglich die Anbringung von Hähnen und dazugehörenden Ablaufeinrichtungen fehlte, zu dem Ergebnis, dass Gegenstand des Mietvertrags nicht eine im Sinne des § 3 Z 10 Stadterneuerungsgesetz mangelhaft ausgestattete Wohnung war (ebenso schon betreffend ein WC im Inneren der Wohnung, dessen Brauchbarmachung bloß die Anbringung von Spülkasten und Klosettmuschel erforderte, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 23. 10. 1984, 5 Ob 63/84).

Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Antrag abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG in Verbindung mit §§ 41, 50 ZPO.

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