OGH 5Ob63/84

OGH5Ob63/8423.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshof Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karin B*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ministerialrat Dr. Peter Z*****, vertreten durch Dr. Manfred Hintersteininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 128.000 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. Mai 1984, GZ 41 R 355/84-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 9. Februar 1984, GZ 42 C 235/82-21, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, die beklage Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von 128.000 S samt 4 % Zinsen seit 24. 5. 1979 zu bezahlen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 33.160,19 S bestimmen Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten 5.230 S an Barauslagen und 2.289,69 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 2. 4. 1982 beim Erstgericht eingelangten Klage stellte die Klägerin das aus dem Spruch ersichtliche Begehren. Sie brachte vor: Sie habe am 31. 5. 1979 die Wohnung top Nr 43/44 im Hause ***** gemietet. Diese den Bestimmungen des Mietengesetzes bzw des Mietrechtsgesetzes unterliegende Wohnung sei im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes mangelhaft ausgestattet gewesen, weil sie über kein WC im Inneren verfügt habe. Bei der Vermietung sei von ihr eine Ablöse von 150.000 S verlangt und auch bezahlt worden; eine Empfangsbestätigung habe sie jedoch nur über 128.000 S erhalten. Die Unzulässigkeit der Ablöseforderung sei ihr bei deren Zahlung nicht bekannt gewesen.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete ein: Die von der Klägerin gemieteten Wohnungen top Nr 43 und 44 seien zusammengelegt worden und hätten im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes eine Standardwohnung gebildet. Nach der im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses gegebenen Rechtslage sei eine freie Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses nach § 16 Abs 1 Z 2 MG zulässig gewesen. Selbst wenn eine Ablöse ohne Gegenleistung vorläge, würde dies daher eine zulässige Form der Mietzinszahlung darstellen. Eine allfällige Unzulässigkeit der Ablöseforderung sei der Klägerin bei der Zahlung bekannt gewesen, sodass der Rückforderungsanspruch wegen Ablaufs der einjährigen Verjährungsfrist verjährt wäre.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Am 31. 5. 1979 mietete die Klägerin von Blanka Z*****, deren Erbe der Beklagte ist, die im Hause ***** gelegene (aus drei Zimmern, Küche, Vorraum, Bad, Garderobe und WC bestehende) Wohnung top Nr 43/44 gegen einen (wertgesicherten) monatlichen Hauptmietzins von 1.700 S zuzüglich der anteiligen Betriebskosten (und laufenden öffentlichen Abgaben), nachdem sie die Wohnung am 17. 5. 1979 und ein zweites Mal wenige Tage vor Mietvertragsabschluss mit einem Angestellten des Realbüros H*****, dessen sie (offenbar gemeint: Blanka Z*****) sich bei Vermietung der Wohnung bediente, besichtigt hatte. Während das WC der Wohnung am 26. 2. 1979 noch über Spülkasten und Klosettmuschel in gebrauchsfähigem Zustand verfügt hatte, waren diese Gegenstände bei der Wohnungsbesichtigung durch die Klägerin nicht mehr vorhanden. Als die Klägerin fragte, warum im Mietvertrag Bad und WC angeführt seien, wenngleich diese Räumlichkeiten nicht mit den erforderlichen Einrichtungsgegenständen ausgestattet seien, wurde ihr erklärt, die Bezeichnung im Mietvertrag beziehe sich auf die Räumlichkeiten und nicht auf die Ausstattung. Die von der Klägerin gemietete Wohnung war durch Zusammenlegung der Wohnungen top Nr 43 und 44 unter Schaffung einer Toilette und eines Badezimmers (in welch letzterem eine Badewanne nicht aufgestellt wurde) geschaffen worden, nachdem das Bestandverhältnis mit den Vormietern im November 1978 bzw Jänner 1979 beendet worden war. Die Kosten für die Wohnungszusammenlegung, das heißt für die bauliche Herstellung einer über 90 m² großen Wohnung mit Bad und WC innen aus zwei Substandardwohnungen, betrugen insgesamt 162.500 S. Als der Klägerin bekanntgegeben wurde, sie habe zur Erlangung eines Mietvertrags 150.000 S zu bezahlen, versuchte sie zunächst, einen Zuschuss zu den von ihr ergänzend durchzuführenden Installationen zu erhalten. Dies wurde durch die Gebäudeverwaltung K***** abgelehnt. Deren Zustimmung zur Erlangung eines Althaussanierungskredits konnte die Klägerin aber erwirken. Bei den Verhandlungen über die Bedingungen des gegenständlichen Mietvertrags wurde der Klägerin nicht erklärt, der Betrag von 150.000 S werde als Ersatz für einwandfreie Installationen oder Baukosten begehrt. Dieser Betrag wurde auch nicht als Mietzinsvorauszahlung motiviert. Man erklärte der Klägerin lediglich, wenn sie die Wohnung zu mieten wünsche, habe sie den Betrag zu bezahlen. Bei Vertragsunterfertigung und Hingabe der 150.000 S war die Klägerin aufgrund von Erzählungen von Bekannten der Meinung, dass es üblich und unvermeidlich sei, bei Anmietung einer Wohnung größere Beträge zu erlegen. Kenntnis von der (angeblichen) Unzulässigkeit der Ablöseforderung erlangte die Klägerin erst durch die Diskussion über das Mietrechtsgesetz. Den Erhalt von 128.000 S bestätigte das Realbüro H*****.

Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlichen Beurteilung:

Gemäß § 43 Abs 2 MRG sei eine vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossene Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses nach den bisher in Geltung gestandenen Vorschriften zu beurteilen. Erweise sich eine Vereinbarung als rechtsunwirksam, so seien diesbezüglich die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften weiter anzuwenden. Der Rückforderungsanspruch sei somit nach § 17 MG zu beurteilen, der bestimme, dass Vereinbarungen, wonach der neue Mieter dafür, dass der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgebe oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem früheren Mieter oder einem anderen etwas zu leisten habe, verboten seien. Gemäß § 17 Abs 2 MG könne das, was entgegen den Bestimmungen der §§ 2 bis 16a MG oder den Bestimmungen des § 17 Abs 1 MG geleistet werde, samt gesetzlichen Zinsen zurückgefordert werden. Der Rückforderungsanspruch verjähre, soweit er sich auf Leistungen aus Vereinbarungen nach § 17 Abs 1 MG beziehe, in einem Jahr. Die Verjährungsfrist beginne mit der Zahlung zu laufen, jedoch nur dann, wenn in Kenntnis der Unzulässigkeit gezahlt worden sei. Sei die Zahlung infolge eines Irrtums geleistet worden, so sei die 30-jährige Frist des § 1478 ABGB anzuwenden (Zingher, MG17, Anm 1 zu § 17 Abs 2). Aus den Feststellungen gehe hervor, dass sich die Klägerin bei Hingabe des Ablösebetrags in Unkenntnis dessen befunden habe, dass es sich um eine unzulässige Ablöse handle. Nach der Rechtsprechung schlössen jedoch weder Unentschuldbarkeit des Irrtums noch Rechtsirrtum die Rückforderung des Ablösebetrags aus (MietSlg 33.246). Auch der Verjährungseinrede des Beklagten komme daher Berechtigung nicht zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten in der Hauptsache nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte zur Rechtsrüge des Beklagten aus:

Bei Beurteilung der Zulässigkeit einer freien Mietzinsvereinbarung und ihres Ausmaßes gemäß § 16 Abs 3 MG sei grundsätzlich der Zustand der Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags unter Berücksichtigung der Vereinbarungen betreffend Art und Umfang etwa beabsichtigter baulicher Veränderungen an den Bestandräumlichkeiten und damit die Beschaffenheit des Bestandobjekts selbst maßgebend. Es brauche demnach die nach dem Parteiwillen vorzunehmende Umgestaltung des Bestandgegenstands zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrags noch nicht vollendet gewesen zu sein, wenn nur die Fertigstellung nachträglich erfolgen solle (vgl MietSlg 33.300). Im vorliegenden Falle sei der übereinstimmende Parteiwille nicht auf die Fertigstellung des WC (durch die Vermieterin) gerichtet gewesen. Auch habe die Klägerin infolge der vom durch den Hausverwalter beauftragten Vermittler bei Vertragsabschluss abgegebenen Erklärung, „unter WC und Bad seien nur die Räume zu verstehen“, mit Recht nicht mehr daran geglaubt, dass der Vertrag auch die Einrichtung umfasse. Auf die genannte Erklärung habe sie auch zu Recht vertraut. Ausgehend davon, dass die WC- und Badezimmereinrichtung nicht vom Vertrag umfasst sei, sei ein Verlangen gegenüber dem Hauseigentümer auf Erfüllung des Vertrags schon deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin auf die Einrichtung des WC und Badezimmers aus dem Vertrag keinen Anspruch gegenüber dem Hauseigentümer gehabt habe. Es brauche daher nicht geprüft zu werden, ob die Klägerin eine Mängelbehebung vom Hauseigentümer begehrt habe. Entgegen der Meinung des Beklagten genüge es aber für eine Standardanhebung im Sinne des § 3 Z 10 Stadterneuerungsgesetz nicht, dass der für das WC vorgesehene Raum innerhalb der Wohnung nur über die in der Mauer verlegten Zu- und Ableitungen verfüge, nicht aber über Spülkasten und Muschel. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Aufwand für die Einrichtung des WC gegenüber den übrigen Aufwendungen eine geringe Größe habe. Zu Recht sei das Erstgericht demnach zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem eingeklagten Betrag um eine unzulässige Ablöse handle, die von der Klägerin im Hinblick auf ihren Irrtum über die Zulässigkeit einer solchen Ablöse auch nach Ablauf der einjährigen Frist des § 17 Abs 2 MG zurückgefordert werden könne. Da zur Brauchbarkeit eines WC im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, sei die Revision gemäß § 500 Abs 3 (§ 502 Abs 4 Z 1) ZPO zulässig.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klageabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revison nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den Erwägungen des Berufungsgerichts zulässig; sie ist auch berechtigt.

Ob der von der Klägerin der Rechtsvorgängerin des Beklagten bei Abschluss des Mietvertrags vom 31. 5. 1979 geleistete Betrag von 128.000 S als gesetzlich zulässige Mietzinszahlung iSd § 16 Abs 1 MG (SZ 43/11, MietSlg 28.264, 29.291, 32.304, 35.508 ua) oder als ungültige und verbotene und demnach rückforderbare Ablösezahlung iSd § 17 MG zu beurteilen ist, hängt - angesichts dessen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs 1 Z 2 MG, die Höhe des im Mietvertrag mit 1.308 Kronen angeführten Jahresmietzinses für 1914 sowie das Vorhandensein einer Wasserentnahmemöglichkeit innerhalb der Wohnung nicht strittig sind - davon ab, ob die Wohnung, wie sie nach dem Parteiwillen Gegenstand des Mietvertrags vom 31. 5. 1979 war, deshalb als eine iSd § 3 Z 10 Stadterneuerungsgesetz - auf welche Bestimmung sich § 16 Abs 3 MG bezieht - mangelhaft ausgestattete Wohnung anzusehen ist, weil in dem als WC bestimmten und mit den hiefür erforderlichen Zu- und Ableitungen versehenen Raum der Spülkasten und die WC-Muschel fehlten. Dazu ist zu erwägen:

Im Sinne des § 3 Z 10 Stadterneuerungsgesetz geltend - im Gegensatz zu Wohnungen mit Wasserentnahme und WC innerhalb des Wohnungsverbands - als mangelhaft ausgestattete Wohnungen mit Wasserentnahme oder Abort außerhalb derselben. Der Gesetzgeber nahm damit auf jene Wohnungen Bezug, die nach den Ergebnissen der Auswertung der Häuser- und Wohnungszählung 1971 durch das Österreichische Statistische Zentralamt in die Ausstattungskategorien (Ausstattungstypen) IV und V fielen (Bujatti-Kazda, Stadterneuerungsgesetz und Bodenbeschaffungsgesetz 11 Anm 4 zu § 3; Meinhart in ImmZ 1974, 296; vgl auch die Gesetzesmaterialien zum Stadterneuerungsgesetz [135 BlgNR 13. GP 19] sowie zur Mietengesetznovelle 1974 [1261 BlgNR 13. GP 3]. Für die Zuordnung zu diesen Ausstattungskategorien bzw -typen war nur maßgebend, ob sich die für die betreffende Wohnung bestimmte Wasserentnahme und/oder der für diese bestimmte Abort innerhalb oder außerhalb der Wohnung befand(en), nicht aber - zum Unterschied von der Regelung des § 16 Abs 2 Z 4 MRG - die Brauchbarkeit der genannten Einrichtungen. Der Oberste Gerichtshof gelangt daher (zumindest) für Fälle wie den vorliegenden, in dem eine (aus der Zusammenlegung zweier Substandardwohnungen hervorgegangene) Wohnung mit Wasserentnahme und WC innen vermietet/gemietet wurde und zur (nach dem Parteiwillen von der Antragstellerin auf eigene Kosten vorzunehmenden) Brauchbarmachung lediglich die Anbringung von Spülkasten und Klosettmuschel fehlte, zu dem Ergebnis, dass Gegenstand des (zwischen dem 1. 8. 1974 und dem 1. 1. 1982 abgeschlossenen) Mietvertrags nicht eine iSd § 3 Z 10 Stadterneuerungsgesetz mangelhaft ausgestattete Wohnung und demnach die Vereinbarung einer (zusätzlichen) Mietzinszahlung (auch) in Form einer Ablöse sehr wohl zulässig war. Es war daher schon deshalb der Revision Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden, ohne dass es noch erforderlich gewesen wäre, auf die weiteren Revisionsausführungen einzugehen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auch auf § 50 ZPO. Der begehrte Ersatz der Widerspruchskosten konnte mangels der Voraussetzungen des § 442a Abs 2 ZPO nicht zuerkannt werden (vgl Fasching, ZPR, S 281; Meier in ÖJZ 1981, 92 FN 44).

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