OGH 7Ob653/84

OGH7Ob653/8418.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Johanna A*****, vertreten durch Dr. Gerhard Zukriegel, Rechtsanwalt in Salzburg, wider den Antragsgegner Johann A*****, vertreten durch DDr. Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 9. August 1984, GZ 33 R 455/84‑24, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 29. März 1984, GZ 21 F 5/81‑18, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00653.840.1018.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Streitteile haben ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die zwischen den Streitteilen am 19. 9. 1963 geschlossenen Ehe wurde mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 7. 11. 1980, 9 Cg 134/80, aus dem Verschulden des Antragsgegners geschieden. Der Ehe entstammen die drei Kinder Gabriele, geboren 1961, Robert, geboren 1963 und Christian, geboren 1964. Diese drei Kinder befinden sich bei der Antragstellerin.

Außer verschiedenen Fahrnissen, deren Aufteilung bereits rechtskräftig erfolgte (Punkt 7. des erstgerichtlichen Beschlusses), ist in die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens eine Liegenschaft mit einem Haus einzubeziehen, die einen Wert von ca 2 Millionen S hat. Das Haus hat sowohl im 1. Stock als auch im Erdgeschoss je eine Wohnung. Die Erdgeschosswohnung ist derzeit vermietet, soll jedoch noch 1984 frei werden. Die Stockwohnung diente seinerzeit als Ehewohnung und wird von der Antragstellerin und den Kindern bewohnt. Diese Wohnung benötigt die Antragstellerin zur Befriedigung ihres Wohnbedarfs. Der Antragsgegner ist bereits vor Jahren aus dem Haus ausgezogen und wohnt seither mit einer anderen Frau zusammen in einer Mietwohnung. Um zwei vollkommen von einander getrennte gleichwertige Wohneinheiten zu schaffen, müssten Umbaumaßnahmen mit einem Aufwand von ca 106.000 S vorgenommen werden.

Die Antragstellerin ist und war nur halbtags beschäftigt, wobei sie derzeit ca 4.000 S bis 5.000 S netto im Monat verdient, während der monatliche Verdienst des Antragsgegners ca 10.000 S bis 11.000 S beträgt. Keiner der Streitteile ist in der Lage und bereit, dem anderen Teil einen erheblichen Betrag für die Übertragung seines Miteigentumsanteils zu leisten. Jeder von ihnen ist zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft.

Das Erstgericht hat in Punkt 1 seines Beschlusses ausgesprochen, dass das Hälfteeigentum der Streitteile aufrecht bleibt. In den Punkten 2. bis 6. hat es der Antragstellerin die Stockwohnung und dem Antragsgegner die Erdgeschosswohnung je zur alleinigen sowie beiden Teilen Nebenräume zur gemeinsamen Benützung zugewiesen. Außerdem hat es den Antragsgegner schuldig erkannt, die näher bezeichneten, für die Schaffung voneinander unabhängiger Wohneinheiten erforderlichen Arbeiten auf seine Kosten vornehmen zu lassen. In Punkt 7. erfolgte schließlich die Zuweisung der Fahrnisse, die, wie bereits erwähnt, unbekämpft blieb.

Die Antragstellerin hat die Punkte 2. bis 6. des erstgerichtlichen Beschlusses bekämpft, wobei sie die Zuweisung des gesamten Hauses an sie zur alleinigen Benützung anstrebt. Vom Antragsgegner wurde lediglich die Zuweisung von Kellerräumen zur gemeinsamen Benützung bekämpft. Diesbezüglich beantragte der Antragsgegner diese Räume ihm allein zuzuweisen.

Das Rekursgericht hat dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge gegeben. Im Übrigen hat es die Punkte 2. bis 6. des angefochtenen Beschlusses aufgehoben und den Revisionsrekurs für zulässig erklärt.

Beide Vorinstanzen gingen davon aus, dass nach § 83 Abs 1 EheG bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens Billigkeitserwägungen anzustellen seien. Nach Tunlichkeit sei hiebei gemäß § 84 EheG darauf Bedacht zu nehmen, dass sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten möglichst wenig berühren. Das Erstgericht zog aus diesen Erwägungen den Schluss, ein gewisser Kontakt der geschiedenen Ehegatten müsse für die Zukunft dann in Kauf genommen werden, wenn dies die einzige Möglichkeit für eine billige Aufteilung darstelle. Im vorliegenden Fall sei eine andere Art der Aufteilung nicht möglich, weil die Antragstellerin nicht in der Lage sei, dem Antragsgegner für die Überlassung seines Anteils an der Liegenschaft ein halbwegs angemessenes Entgelt zu zahlen.

Das Rekursgericht vertrat den Standpunkt, bei den anzustellenden Billigkeitserwägungen sei auch auf das Verschulden an der Ehezerrüttung Bedacht zu nehmen. Dem schuldlosen Teil müsse das Recht zugebilligt werden, eine Wahl bezüglich der weiteren Benützung einer gemeinsamen Liegenschaft zu treffen. Hiebei sei darauf Bedacht zu nehmen, dass in Zukunft ein Kontakt zwischen den geschiedenen Eheleuten vermieden werde. Dies führe aber dazu, dass im vorliegenden Fall die gesamte Liegenschaft der Antragstellerin zuzuweisen sei. Es müsse daher geprüft werden, welches Entgelt die Antragstellerin dem Antragsgegner aufgrund billiger Erwägungen zu zahlen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Antragsgegner gegen den Beschluss des Rekursgerichts erhobene Revisionsrekurs ist zum überwiegenden Teil gerechtfertigt.

Richtig ist, dass nach § 84 EheG die Aufteilung so vorgenommen werden soll, dass sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten künftig möglichst wenig berühren. Dies schließt aber nicht grundsätzlich weitere Kontakte der geschiedenen Eheleute aus. Entsprechend den durch § 83 Abs 1 EheG vorgeschriebenen Billigkeitserwägungen muss ausnahmsweise ein gewisser Kontakt der Geschiedenen auch für die Zukunft dann in Kauf genommen werden, wenn ohne ihn dem Billigkeitsgebot nicht entsprochen werden könnte (SZ 54/114, RZ 1983/16 ua). Der Gesetzgeber hatte vor allem Fälle im Auge, in denen ein Benützungsrecht eines Ehegatten an dem anderen Ehegatten gehörigen unbeweglichen Sachen angestrebt wird. Derartige Benützungsrechte sollen nur ausnahmsweise eingeräumt werden (Beil 916, XIV. GP S 15). Keinesfalls darf jedoch die Aufteilung derart erfolgen, dass sie zu einer Billigkeitserwägungen geradezu widersprechenden praktischen Enteignung des einen Teils führt. Inwieweit das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens überhaupt eine Rolle spielen kann, muss hier im Detail nicht erörtert werden. Die vorzunehmende Aufteilung darf jedenfalls nicht zur Strafmaßnahme für ehewidriges Verhalten ausarten. Jene Judikatur, die das Rekursgericht selbst zitiert, billigt dem schuldlosen Ehegatten lediglich ein gewisses Aufgriffsrecht insofern zu, als sie ihm die Wahl überlässt, ob er eine gemeinsame Liegenschaft zur Gänze übernehmen oder ob er dafür eine Ausgleichszahlung leisten will. Im vorliegenden Fall hat jedoch die Antragstellerin nicht eine Aufteilung der gemeinsamen Liegenschaft dahin angestrebt, dass sie entweder den Anteil des Antragsgegners ablöst oder diesem ihren Anteil entgeltlich überträgt. Nur wenn derartiges angestrebt worden wäre, könnte man von einem entsprechenden Wahlrecht der Antragstellerin ausgehen. Diesfalls müsste das für den übertragenen Liegenschaftsanteil festzusetzende Entgelt unter Berücksichtigung von Billigkeitsgrundsätzen geprüft werden.

Die Antragstellerin hat jedoch die Aufrechterhaltung des beiderseitigen Miteigentums nicht bekämpft, ja sie offensichtlich sogar angestrebt. Dies führt aber dazu, dass nach Rechtskraft des diesbezüglichen Punkts des erstgerichtlichen Beschlusses die Leistung einer Ausgleichszahlung für die Überlassung des Miteigentumsanteils des einen Teils an den anderen nicht in Frage kommt. Der Antragsgegner bleibt also weiterhin Eigentümer der zweiten Liegenschaftshälfte. Er erhält hiefür kein Entgelt. Würde man nun der Antragstellerin die gesamte Liegenschaft zur alleinigen Benützung zuweisen, hätte der Antragsgegner einen halbwegs annehmbaren Ausgleich nur dann, wenn die Antragstellerin ein außergewöhnlich hohes Benützungsentgelt zu zahlen hätte. Hiezu ist sie weder gewillt, noch in der Lage. Mit einem Benützungsentgelt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Antragstellerin steht, könnte aber dem Antragsgegner nicht annähernd ein Ausgleich für die gänzliche Überlassung seines Anteils zur Benützung geboten werden. Durch eine solche gänzliche Überlassung an die Antragstellerin zur Benützung wäre dem Antragsgegner auch praktisch die Möglichkeit irgendeiner Verwertung seines Miteigentumsanteils genommen. Dies zeigt also, dass eine der Billigkeit entsprechende Regelung nur durch die Zuweisung der Benützung eines Teils des Hauses an den Antragsgegner erreicht werden kann. Es liegt also hier einer jener Ausnahmsfälle vor, in denen ein gewisser Kontakt der geschiedenen Eheleute im Interesse eines billigen Ausgleichs in Kauf genommen werden muss. Dass mit Hilfe verschiedener Umbauten zwei voneinander getrennte Wohneinheiten geschaffen werden können, ergibt sich aus den erstrichterlichen Feststellungen. Im Hinblick darauf, dass die dem Antragsgegner zugewiesenen Räume im Umfang kleiner sind, als die der Antragstellerin überlassenen und dass dem Antragsgegner die nicht unbeträchtlichen Kosten des Umbaus auferlegt werden, erscheint die vom Erstgericht vorgenommene Aufteilung billig. Allerdings war dem Begehren des Antragsgegners auf Zuweisung von Kellerräumlichkeiten an ihn allein nicht zu entsprechen. Der Antragsgegner macht hier nur geltend, er beabsichtige wieder zu heiraten und ein Kind seiner künftigen Ehegattin in seinen Haushalt aufzunehmen. Derartige Umstände sind aber bei den Billigkeitserwägungen nicht zu berücksichtigen, weil hiebei nicht auf die Bedürfnisse von Kindern abzustellen ist, die von keinem der geschiedenen Ehegatten stammen. Für die Bedürfnisse des Antragsgegners selbst reichen aber die ihm zugewiesenen Räume auch dann aus, wenn man berücksichtigt, dass er mit einer Partnerin einziehen will.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG. Im Hinblick auf die Erfolglosigkeit der Rechtsmittel der Antragstellerin war es nicht vertretbar, ihr Kosten für das Rechtsmittelverfahren zuzuerkennen. Andererseits sprechen die sonstigen Umstände, insbesondere die bessere finanzielle Situation des Antragsgegners, gegen eine Belastung der Antragstellerin mit Rekurskosten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte