Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat dem Beklagten die mit 3.193,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 268,50 S Umsatzsteuer und 240 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der am 2. 10. 1981 zu Protokoll gegebenen Klage beantragte die Klägerin die Scheidung ihrer am 26. 3. 1976 mit dem Beklagten geschlossenen Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Als Scheidungsgründe werden mehrfache Eheverfehlungen iSd § 49 EheG geltend gemacht. Beide Streitteile waren vor der Eheschließung verwitwet. Die Klägerin ist nunmehr 70 Jahre, der Beklagte 72 Jahre alt.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. In der Folge erhob er eine Widerklage und beantragte die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Klägerin, weil diese die im Einzelnen dargestellten Eheverfehlungen begangen habe.
Das Vorbringen der Widerklage wurde von der Klägerin bestritten und diesbezügliche Klagsabweisung beantragt.
Das Erstgericht verband die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und sprach schließlich die Scheidung aus beiderseitigem, gleichteiligen Verschulden der Streitteile aus.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin und Widerbeklagten mit dem Antrage auf Abänderung dahin, dass die Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden, in eventu aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
In seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte und Widerkläger, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Dem angefochtenen Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Ehe der Streitteile verlief von Anfang an nicht harmonisch. Sie waren beide bereits in Pension und teilten sich die Haushaltsarbeiten. Der Beklagte ging einkaufen, räumte die Wohnung auf und wusch die Wäsche; die Klägerin kochte und bügelte. Sie bewohnten eine relativ kleine Wohnung. Die Klägerin räumte diese derart mit Schachteln, Koffern und Gegenständen voll, dass sich auf und neben den Möbeln Gegenstände in großer Zahl befanden und der geringe Raum in unzumutbarem Ausmaß verstellt war. Schon vom Beginn der Ehe an „entwickelte die Klägerin einen Ekel gegen den Beklagten“, weil er die Gewohnheit hatte, in der Nase zu bohren. Wegen seiner geringen Körpergröße verspottete sie ihn auch mit den Ausdrücken wie „Rumpelstilzchen“ und „Zwerg“. Nach einer bereits eingetretenen gewissen Entfremdung kam es ab dem 16. 8. 1980 zwischen den Ehegatten „zum vollständigen Bruch“. An diesem Tage verschuldete der Beklagte einen Verkehrsunfall, bei welchem sich die Klägerin einen Arm brach und vorübergehend bettlägrig war. Der Beklagte erhob sodann den Vorwurf, sie habe bei der Polizei derart ungünstig über den Unfall ausgesagt, dass er bestraft worden sei. Tatsächlich kannte er den Inhalt ihrer Aussagen nicht, sondern stützte sich auf Vermutungen. Wegen dieses Verhaltens kam es zwischen den Streitteilen zunächst zu einer weiteren Entfremdung. Nach ihrer Wiedergenesung verweigerte die Klägerin dem Beklagten den Geschlechtsverkehr und kochte auch nicht mehr für ihn. Hierauf stellte er seine wöchentlichen Zahlungen von 200 S ein. Am 26. 3. 1981 entstand wegen der vom Beklagten in Zusammenhang mit ihrer polizeilichen Aussage erhobenen Vorwürfe ein Streit, welchen die Klägerin zum Anlass nahm, den Beklagten die Scheidung der Ehe vorzuschlagen. Sie empfand zu diesem Zeitpunkt die Ehe bereits derart zerrüttet, dass sie eine Sanierung nicht mehr für möglich hielt. Der Beklagte verbrachte hierauf seine Freizeit außerhalb der Wohnung und ohne die Klägerin. Dieses Verhalten empfand die Klägerin nicht als ehestörend, sondern als Erleichterung. In der Folge nahm der Beklagte auch ehewidrige Beziehungen zu einer anderen Frau auf. Im Dezember 1981 schenkte er seiner Schwester einen - von seiner verstorbenen ersten Frau stammenden - Persianermantel, den er vorher schon der Klägerin geschenkt gehabt hatte. Diese äußerte sich gegenüber seiner Schwester, sie werde ihn „fertigmachen“.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass beide Streitteile durch ihr Verhalten ihre Verpflichtung zur anständigen Begegnung in der Ehe verletzt hätten und zwar die Klägerin durch ihre widerholten Verspottungen, der Beklagte durch die Verdächtigung, die Klägerin habe, um ihm zu schaden, für ihn ungünstig über den Unfall ausgesagt. Soweit sich die Klägerin durch abstoßende Angewohnheiten des Beklagten gestört gefühlt habe, hätte sie zumindest versuchen müssen, darüber eine Aussprache herbeizuführen um ihm Gelegenheit zur Besserung zu geben. Den Unterschied der Körpergröße zum Anlass von Verspottungen zu nehmen, stelle jedenfalls eine grobe Lieblosigkeit dar, umgekehrt aber auch das Verhalten des Beklagten, der der durch den Unfall schwer verletzten Klägerin unbegründete Vorwürfe gemacht habe. In der Folge habe beiden Ehegatten offensichtlich bereits jeder Wille zu einer Versöhnung gefehlt. Stelle man die gegenseitigen Eheverfehlungen gegenüber, so ergebe sich, dass keinem der beiden Ehegatten ein überwiegendes Verschulden an der Ehescheidung angelastet werden könne.
Das Berufungsgericht hielt den gerügten Feststellungsmangel, der Beklagte habe im Jahr 1983 mit Emilie Z***** geschlechtlich verkehrt, nicht für entscheidungswesentlich und die Rechtsrüge auch im Übrigen nicht für gerechtfertigt. Es verwies auf die Judikatur, wonach für den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens eines Gatten an der Ehescheidung ein erheblich schwereres Verschulden desselben erforderlich sei und dass auch einem Ehebruch nicht mehr außergewöhnliches Gewicht zukomme, wenn er nach einer bereits eingetretenen unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangen worden sei. Vorliegendenfalls habe der Beklagte seine Beziehungen zu Emilie Z***** erst zwei Jahre nach der völligen Zerrüttung der Ehe der Streitteile aufgenommen. Zu dieser Zeit habe die Klägerin sein Fernbleiben von ihr bereits als Erleichterung empfunden und ihm den Geschlechtsverkehr verweigert. Selbst wenn es im Rahmen der vorgenannten Beziehungen zum Ehebruch gekommen sei, worüber es an einer erstgerichtlichen Feststellung mangle, hätte ein solcher im Hinblick auf die Haltung der Klägerin, welche die Ehe längst für unheilbar zerrüttet empfunden und schon zwei Jahre vorher die vorliegende Klage eingebracht gehabt habe, auf die Verschuldensaufteilung keinen entscheidenden Einfluss.
In der Revision wird vorgebracht, die Ehe der Streitteile sei trotz vorangegangener beiderseitiger Eheverfehlungen erst im Zusammenhang mit dem Unfall vom 16. 2. 1980 beziehungsweise durch den auf die ungerechtfertigten Vorwürfe des Beklagten zurückzuführenden Streit vom 26. 3. 1981 unheilbar zerrüttet worden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könne ein Ehebruch aber auch nach bereits eingetretener unheilbarer Zerrüttung der Ehe nicht milder beurteilt werden, weil er grundsätzlich die schwerste Eheverfehlung überhaupt darstelle. Bei seiner Feststellung müsse vorliegendenfalls zumindest vom überwiegenden Verschulden des Beklagten an der Ehescheidung ausgegangen werden.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Nach den unbekämpften Feststellungen verlief die Ehe der Streitteile - die Klägerin war bei deren Abschluss 62 Jahre und der Beklagte 64 Jahre alt - von Anfang an nicht harmonisch. Die Klägerin überfüllte die kleine Ehewohnung mit Schachteln und Gegenständen und verspottete den Beklagten, der wiederum die für sie ekelerregende Angewohnheit des Nasenbohrens hatte. Nach der solcherart eingeleiteten Entfremdung der Ehegatten führte schließlich der Vorwurf des Beklagten, seine Bestrafung müsse auf eine ungünstige Aussage der Klägerin zurückzuführen sein, zu einem völligen Verlust ihrer ehelichen Gesinnung. Sie verweigerte dem Beklagten den Geschlechtsverkehr, kochte nicht mehr für ihn, schlug ihm schließlich im März 1981 die Scheidung der Ehe vor und brachte ein halbes Jahr danach im Oktober 1981 die vorliegende Scheidungsklage ein. Nach den eigenen Angaben der Klägerin in ihrer Parteienvernehmung (AS 65) hatte der Beklagte erst viel später, während des Scheidungsstreits, nämlich im Februar 1983, „damit begonnen, von zu Hause wegzubleiben“ und hat dies die Klägerin „überhaupt nicht gestört“, weil sie ja ohnehin geschieden sein wollte. Im Frühjahr 1983 nahm der Beklagte sodann nach seinem eigenen Zugeständnis (AS 76 ff) ehewidrige Beziehungen zu Emilie Z***** auf und hatte mit ihr auch Geschlechtsverkehr.
Nach ständiger Judikatur ist bei der Verschuldensabwägung von ausschlaggebender Bedeutung, wodurch die Zerrüttung der Ehe unheilbar geworden war (EvBl 1961/428; EF 7.027; 1 Ob 540/81; 7 Ob 693, 694/82; 3 Ob 515, 516/84 ua). Es kommt also nicht allein auf die Schwere der Eheverfehlungen, so einen Ehebruch, sondern eben besonders auch darauf an, in welchem Umfang die Verfehlung zur Zerrüttung beigetragen hat (5 Ob 247/61, 8 Ob 197/66, 7 Ob 747/82, 2 Ob 525/83 ua).
Vorliegendenfalls ist davon auszugehen, dass die ehewidrigen Beziehungen des Beklagten und der von ihm zugestandene Geschlechtsverkehr mit Emilie Z***** auf die Zerrüttung der Ehe tatsächlich keinen entscheidenden Einfluss mehr haben konnten, weil diese auch nach Angabe der Klägerin ja schon seit März 1981 unheilbar zerrüttet gewesen war und sie - das Scheidungsverfahren lief bereits zwei Jahre - ohnehin geschieden sein wollte. Damit ist dem Berufungsgericht aber entgegen den Revisionsausführungen darin beizupflichten, dass hier unter Bedachtnahme auf das jeweilige Gewicht der vorangegangenen gegenseitigen Eheverfehlungen der Streitteile und deren Ursächlichkeit für die Ehezerrüttung ein lange nach Eintritt dieser unheilbaren Zerrüttung begangener Ehebruch des Beklagten - der Scheidungsgrund des § 47 EheG wurde im Übrigen nicht geltend gemacht - nicht zu einem erheblich schwereren Verschulden seinerseits an der Ehescheidung führen würde. Dies wäre aber Voraussetzung für den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Beklagten (5 Ob 247/61, 6 Ob 650/82, 1 Ob 838/82, 2 Ob 525/83 uva).
Demgemäß war der Revision der Klägerin ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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