Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat den beklagten Parteien die mit 7.998,57 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 639,87 S USt und 960 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 27. 3. 1980 wurde die damals rund 2 ½ Jahre alte Klägerin, welche sich unbeaufsichtigt am Gehsteigrand in der Fornacherstraße in Frankenmarkt aufgehalten und schließlich die Fahrbahn zu überqueren versucht hatte, von dem vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Kennzeichen ***** erfasst und schwer verletzt.
Die Unterinstanzen erachteten das von der Klägerin mit pflegschaftsbehördlicher Genehmigung (Beschluss des Bezirksgerichts Frankenmarkt, P 161/82 vom 22. 10. 1982) in der Höhe von 1 Mio S begehrte Schmerzengeld übereinstimmend als mit 800.000 S angemessen.
Im vorliegenden Revisionsverfahren beantragt die Klägerin den Zuspruch des Restbetrags, wogegen sich die beklagten Parteien in ihrer Revisionsbeantwortung aussprechen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Den unterinstanzlichen Entscheidungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin erlitt durch den Unfall einen Rückenmarkabriss bei D 5 = in der Höhe des 5. Brustwirbels, welcher eine Querschnittläsion zur Folge hat, weiters beiderseitige Serienrippenbrüche (rechts 4. bis 8. Rippe, links 3. bis 7. Rippe mit teilweiser Verschiebung), eine Lungenquetschung rechts, einen Hemothorax und links einen Haemopneumothorax = Blutgasbrust, streifenförmige Abschürfungen an der Stirn, eine Gehirnerschütterung (allenfalls auch Gehirnquetschung) sowie einen schweren Schock. Die Behandlung und der Krankheitsverlauf, der zahlreiche stationäre Aufenthalte in verschiedenen Krankenhäusern mit einer Gesamtdauer von 562 Tagen erforderte, waren kompliziert. Der Zustand war anfangs lebensbedrohlich, es mussten mehrere operative Eingriffe vorgenommen werden, in der Folge kam es zu Lungenentzündungen, mehrmals zu Bronchitis und Pneumonie sowie auch immer wieder zu Harnweginfekten. Nunmehr (Untersuchungszeitpunkt 27. 5. 1983) sind keine besonderen Folgen der Gehirnerschütterung mehr gegeben im EEG ist jedoch links temporal ein kleiner Herd vorhanden. Der Brustkorb der Klägerin ist wieder annähernd symmetrisch, jedoch besteht eine rezidivierende Bronchitis, welche die Durchführung einer Atemgymnastik erfordert. Die Rippenbrüche sind fest verheilt, links ist jedoch eine Rippenfellschwarte entstanden, weiters sind nach der Brustdrainage an der Brust zwei Narben und nach dem Luftröhrenschnitt am Hals eine Narbe vorhanden. Im Vordergrund steht die komplette Anästhesie von der 4. Rippe abwärts sowie eine schlaffe Lähmung der Beine, eine Störung der Harn- und Stuhlentleerung, wobei stuhlfördernde Maßnahmen ergriffen werden müssen und bezüglich des Harnlassens eine Reflexblase besteht, sodass die Harnentleerung durch Beklopfen der Blasengegend alle vier Stunden erfolgt und Windeln getragen werden müssen. Die Klägerin bewegt sich mittels eines Rollstuhls oder eines Stützapparates fort. Es besteht eine Areflexie und eine Spitzfußstellung, und zwar rechts mehr als links. Eine Besserung des Zustands ist nicht zu erwarten, Rückfälle im Sinne von Lungenentzündungen, Harnweginfekten und Wundliegen sind möglich. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt 100 %. Bei Querschnittgelähmten ist die Lebenserwartung in der Regel um ein Drittel bis ein Viertel herabgesetzt und weitgehend von der Pflege und Versorgung abhängig. Bei der jungen Klägerin ist allerdings ein gewisses Anpassungsphänomen möglich. In ihrer künftigen Lebensentfaltung ist sie erheblich beeinträchtigt. Bei der Untersuchung war sie psychisch auffallend stabil, nett und freundlich mit einer guten psychischen Kondition, die Verletzungsfolgen zu verkraften. Insgesamt erlitt die Klägerin unfallsbedingt starke Schmerzen durch zwei Monate, mittelstarke Schmerzen durch 9 bis 10 Wochen und leichte Schmerzen durch ein Jahr, wobei hierin die künftigen körperlichen Schmerzen, ausgenommen solche durch weitere Komplikationen wie Lungenentzündungen, Harnweginfekte und Druckgeschwüre, sowie der Umstand der verringerten Lebenserwartung, berücksichtigt sind.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die dargestellten bisherigen körperlichen und seelischen Schmerzen sowie die bereits überschaubaren künftigen psychischen Schmerzen und Unlustgefühle der Klägerin ein Schmerzengeld von 800.000 S rechtfertigen. Im Einzelnen führte es ua aus, der Klägerin werde erst in Zukunft das Ausmaß ihrer Behinderung durch die Querschnittlähmung und die daraus hervorkommende Einschränkung ihrer Entfaltungsmöglichkeiten bewusst werden, insbesondere dahin, dass sie sich, was die körperliche Beweglichkeit anlange, mit ihren Altersgenossen nicht messen könne, dass sie kaum Möglichkeiten habe, eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, schließlich, dass sie in der Partnerwahl sehr erheblich eingeschränkt erscheine.
Das Berufungsgericht verwies auf die in der Rechtsprechung für die Bemessung des Schmerzengelds nach § 1325 ABGB herausgearbeiteten Grundsätze und erklärte unter Hinweis auf Vergleichsfälle, dass vorliegendenfalls weder für eine Erhöhung noch für eine Herabsetzung des vom Erstgericht zuerkannten Schmerzengelds Anlass bestünde.
In der Revision bringt die Klägerin vor, in dem vom Berufungsgericht zitierten Vergleichsfall der Entscheidung ZVR 1982/392 seien die Unfallsfolgen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinesfalls schwerer gewesen als in ihrem Fall, wozu noch komme, dass die inzwischen eingetretene Kaufkraftminderung zu berücksichtigen sei. Darüber hinaus sei im besonderen Maße darauf Bedacht zu nehmen, dass sie keine Heiratsaussichten habe und keine Kinder bekommen werde, also keine Familie gründen könne. Verglichen mit dem der Entscheidung 7 Ob 25/78 (= SZ 51/63) zugrundeliegenden Fall, in welchem ein Schmerzengeld von 900.000 S zugesprochen worden sei, erscheine ihre Schmerzengeldforderung im Hinblick auf den zwischenzeitigen Kaufkraftverlust jedenfalls gerechtfertigt.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
In der Entscheidung des Berufungsgerichts wurden die für die Bemessung des Schmerzengelds maßgebenden Grundsätze ausführlich dargestellt und es wurde unter Heranziehung der in der letzten Zeit entschiedenen Vergleichsfälle auch zutreffend dargetan, warum das vom Erstgericht festgesetzte Schmerzengeld den Umständen dieses Falls Rechnung trägt. Wenngleich das Schicksal der im Kindesalter stehenden Klägerin als äußerst tragisch zu bezeichnen ist, kann doch nicht übersehen werden, dass in den von der Revision zur Stützung ihrer Ansicht bezeichneten beiden Vergleichsfällen insoweit jedenfalls noch gravierendere Folgen vorlagen, als es sich dort nicht nur, wie bei der Klägerin, um eine Lähmung der unteren Gliedmaßen handelte, sondern auch der Gebrauch der Arme und die Funktionsfähigkeit der Hände nicht gegeben bzw weitestgehend herabgesetzt war. Ebenso verhielt es sich aber auch in den übrigen vom Berufungsgericht als schwerer eingestuften Fällen. Der Entscheidung 8 Ob 245/92 lag eine zusätzliche völlige Lähmung der Ellbogengelenke und Hand- und Fingergelenke zugrunde, im Falle der Entscheidung 8 Ob 194/83 war ein neunjähriger Bub überhaupt völlig bewegungsunfähig und konnte sich nur durch Zwinkern äußern bzw Antworten geben, war sich seines furchtbaren Schicksals allerdings nicht voll bewusst. Auch im Falle der Entscheidung 8 Ob 157/81 vom 10. 9. 1981 waren die Arme und Hände nur teilweise brauchbar, es wurde damals, also vor drei Jahren, ein Schmerzengeld von 800.000 S zuerkannt. In der jüngst ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 23/84 wurde bei zusätzlicher Bewegungseinschränkung auch der oberen Gliedmaßen unter Bedachtnahme auf die zwischenzeitige Geldwertminderung ein Schmerzengeld von 900.000 S zuerkannt.
Somit steht aber das der Klägerin, welcher durch die volle Gebrauchsfähigkeit ihrer Arme und Hände immerhin wesentliche Möglichkeiten aktiver Lebensführung verblieben sind, durchaus im Einklang mit der Judikatur. Die von der Revision weiters angeführte beschränkte Möglichkeit der Klägerin hinsichtlich einer Familiengründung traf zB auch auf die 18-jährige Landwirtstochter des Verfahrens 2 Ob 25/78 und die 19-jährige Büroangestellte des Verfahrens 8 Ob 157/81 zu.
Insgesamt betrachtet stehen bei der Bemessung des Schmerzengelds der nunmehr siebenjährigen Klägerin die aus ihrer Querschnittlähmung in Zukunft hervorgehenden psychischen Leiden im Vordergrund; die Perioden der von ihr bereits ausgestandenen und voraussichtlich noch auszustehenden körperlichen Schmerzen sind gewiss sehr erheblich, wurden von den in den beiden von der Revisionswerberin zitierten Vergleichsfällen vorgelegenen diesbezüglichen Schmerzperioden jedoch noch übertroffen und rechtfertigen ebenfalls nicht die beantragte Erhöhung.
Der Revision war demgemäß ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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