OGH 2Ob49/84

OGH2Ob49/8425.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred B*****, vertreten durch Dr. Alois Kitzmüller, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagte Partei V*****, vertreten durch Dr. Heinrich Hofrichter, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen 306.762,76 S sA und Zahlung einer Rente (Streitwert 162.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. Mai 1984, GZ 7 R 17/84-69, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichts Leoben vom 5. Dezember 1983, GZ 8 Cg 517/82-61, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es insgesamt zu lauten hat:

„1.) Die beklagte Partei hat der klagenden Partei 266.480,39 S samt 4 % Zinsen aus 210.192,97 S seit 16. 5. 1981, aus 11.076,55 S seit 4. 11. 1982 und aus 45.210,87 S seit 7. 11. 1983 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2.) Die beklagte Partei hat der klagenden Partei ab 1. 12. 1983 eine monatliche Rente von 4.110 S und zwar die bis zur Rechtskraft dieses Urteils fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen, die in Zukunft fällig werdenden Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein zu bezahlen.

3.) Das Mehrbegehren von 40.282,37 S sA und das Rentenmehrbegehren von 390 S monatlich werden abgewiesen.

4.) Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 104.064,58 S bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei haftet dem Kläger für dessen Schaden aus einem Verkehrsunfall vom 16. 5. 1981, bei dem der Kläger schwer verletzt wurde. Von den vom Kläger erhobenen Teilansprüchen (Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Sachschaden, Verdienstentgang für die Zeit vom 1. 6. 1981 bis 30. 11. 1983, Zahlung einer monatlichen Rente von 4.500 S ab 1. 12. 1983 und Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden) ist nur mehr der Verdienstentgang vom 1. 4. 1983 bis 30. 11. 1983 und die Rente Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Das Erstgericht sprach dem Kläger insgesamt 239.455,39 S sA (darin enthalten ein Verdienstentgang für die Zeit vom 1. 4. 1983 bis 30. 11. 1983 von 6.672 S) und eine monatliche Rente von 834 S zu und wies das Mehrbegehren von 67.307,37 S sA, sowie das Rentenmehrbegehren von 3.666 S ab.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil unter Zugrundelegung eines höheren fiktiven Arbeitsübereinkommens des Klägers ab 1. 1. 1984 dahin ab, dass es dem Kläger insgesamt 248.504,39 S sA (darin enthalten ein Verdienstentgang für die Zeit vom 1. 4. 1983 bis 30. 11. 1983 von 15.704 S) und eine monatliche Rente von 1.963 S zuerkannte. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nur hinsichtlich des das Ersturteil bestätigenden, das Klagebegehren hinsichtlich eines Teilbetrags von 17.176 S und das Rentenbegehren hinsichtlich eines Betrages von monatlich 2.147 S abweisenden Teil zulässig, im Übrigen dagegen nicht zulässig sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers, aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne eines weiteren Zuspruchs von 25.176 S und der Zuerkennung der Rente in der begehrten Höhe.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision des Klägers ist nur zum Teil berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Unbestritten ist, dass der Kläger ohne den Unfall ab 1. 1. 1983 einen monatlichen Nettoverdienst von 7.750 S erzielt hätte. Nach den für das Revisionsverfahren noch relevanten Feststellungen der Vorinstanzen ist der Kläger wegen der Unfallsfolgen in seinem erlernten Beruf eines Mechanikers arbeitsunfähig. Seit 1. 4. 1983 unterzieht er sich auf Anordnung der PVA einer beruflichen Umschulung im beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum in Linz (im Folgenden nur Rehabiltationszentrum). Er erhält von der PVA eine monatliche Rente von 3.640 S. Das Landesarbeitsamt Oberösterreich (im Folgenden nur Landesarbeitsamt) gewährt ihm seit 1. 4. 1983 aufgrund des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG) eine Beihilfe zur Deckung seines Lebensunterhalts von monatlich 2.147 S. Das Landesarbeitsamt überweist ferner an das Rehabilitationszentrum, in dem der Kläger Verpflegung und Unterkunft erhält, eine Beihilfe zu den Unterkunfts- und Verpflegungskosten von täglich 190 S. Für die Fahrten nach Hause über das Wochenende entstehen dem Kläger Fahrtkosten von 142 S je Fahrt. Vom Landesarbeitsamt erhält der Kläger einen Fahrtkostenzuschuss von monatlich 260 S.

Das Erstgericht vertrat die Auffassung, dass sich der Kläger die von ihm selbst erhaltenen Barleistungen des Landesarbeitsamts als Vorteil bei Berechnung seines Verdienstentgangs anrechnen lassen müsse, hiebei jedoch die ihm entstehenden Fahrtkosten von 1.000 S monatlich zu seinen Gunsten in Anschlag zu bringen seien.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichts nur hinsichtlich der Anrechenbarkeit der Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts von monatlich 2.147 S. Der Kläger habe zwar nach § 23 des AMFG auf diese Beilhilfe keinen Rechtsanspruch. Die Entscheidung über die Gewährung einer solchen Beihilfe habe jedoch nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde zu erfolgen. Der Zweck dieser Beihilfe könne nicht eine Entlastung des Schädigers sein, sie diene aber nach ihrer Widmung der Deckung des Lebensunterhalts und habe daher Einkommenscharakter.

Gegen die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision mit den Argumenten, dass es sich bei der Beihilfe des Landesarbeitsamts um eine freiwillige Leistung handle, dass ihr nach dem Zweck, für den sie gewährt werde, kein Einkommenscharakter zukomme; sie diene vielmehr der Deckung eines zusätzlichen Aufwands. Insbesondere aber spreche der Umstand, dass der Schädiger dadurch nicht entlastet werden soll, gegen die Anrechnung dieser Zuwendung. Dem ist im Ergebnis beizupflichten.

Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Frage der Vorteilsausgleichung bei Zuwendungen von dritter Seite eine teleologische Betrachtungsweise zugrundezulegen. Die Anrechnung eines Vorteils muss dem Zweck des Schadenersatzes entsprechen und soll nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen. Es ist also nicht schlechthin jeder Vorteil anzurechnen, der dem Geschädigten aus dem vom Schädiger verursachten Ereignis zufließt, sondern es kommt immer auf die ganz besondere Art des erlangten Vorteils und den Zweck der Leistung des Dritten an (SZ 53/58 mwN). Der Zweck der Zuwendung ergibt sich aus dem Willen des Normsetzers, wenn die Zuwendung durch das Gesetz angeordnet wird, sonst aus dem Willen des Zuwendenden (Koziol, Haftpflichtrecht2 I 207).

Die hier strittige Zuwendung beruht auf den §§ 19 und 20 des AMFG. Danach können zur Erlangung eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes oder zur Sicherung einer Beschäftigung oder Ausbildung Beihilfen gewährt werden, um unter anderem eine Ein-, Um- oder Nachschulung zu erleichtern (§ 19 Abs 1 lit b). Beihilfen können unter anderem an oder für Personen gewährt werden, die aufgrund einer Minderung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit eine Erwerbstätigkeit nicht ohne solche Beihilfe aufnehmen oder beibehalten können (§ 19 Abs 2 lit f). Die Beihilfe kann in einem Zuschuss zur Deckung des Lebensunterhalts bestehen (§ 20 Abs 2 lit c). Darüber hinaus enthalten die Bestimmungen der §§ 19 f (Abschnitt IV) des AMFG ein weit gespanntes System von Beihilfen. Die moderne Arbeitsmarktverwaltung beschränkt sich nicht mehr auf die Aufgaben der Berufsberatung und der Arbeitsvermittlung. Sie strebt eine Förderung der Funktion des Arbeitsmarkts mit dem Ziel der Erreichung eines optimalen Wirtschaftswachstums und einer Vollbeschäftigung an. Zweck der im Abschnitt IV des AMFG geregelten Beihilfen ist es, die finanziellen Lasten von unter dieser Aufgabenstellung arbeitsmarktpolitisch erwünschten Verhaltensweisen von Dienstgebern und Dienstnehmern abzugelten oder zumindest zu mildern. Bezogen auf die im vorliegenden Fall gewährte Beihilfe soll insbesondere die Wiederaufnahme einer volkswirtschaftlich nützlichen Erwerbstätigkeit gefördert werden (Danimann-Steinbach Arbeitsmarktförderungsgesetz 19 und 145 f). Ist das arbeitsmarktpolitische Voraussetzung einer solchen Beihilfe gegeben, soll sie nicht deshalb verweigert werden, weil dadurch die Voraussetzungen für die Weitergewährung anderer Leistungen, etwa nach einem Landesbehindertengesetz oder aufgrund fürsorgerechtlicher Bestimmungen, wegfallen würden, auch wenn es nicht der Sinn des Arbeitsmarktförderungsgesetzes ist, anderen Kostenträgern Leistungen zu ersparen. Diese Auffassung wird dadurch gestützt, dass § 16 zusätzlich gerade für den Personenkreis der Behinderten der Arbeitsmarktverwaltung eine besondere, durch eine Verordnung näher umschriebene und keinesfalls an die Leistung anderer Stellen geknüpfte Betreuungspflicht auferlegt (Danimann-Steinbach aaO 170). Der Zweck der hier strittigen Zuwendung ist somit nicht darauf gerichtet, dem Geschädigten einen Verdienstausfall zu ersetzen oder zu mildern und dadurch den Schädiger zu entlasten. Der Zweck der Zuwendung ist vielmehr arbeitsmarktpolitischer und volkswirtschaftlicher Natur. Dieser spezifische Zweck der Zuwendung steht dann aber nach den oben dargelegten Grundsätzen einer Anrechnung im Wege einer Vorteilsausgleichung entgegen. Die Anrechnung einer Beihilfe der vorliegenden Art würde auch zu einer sachlich ungerechtfertigten Begünstigung des Schädigers führen. Die Beihilfe, insbesondere aber deren Höhe, ist vom Einkommen des Beihilfenwerbers abhängig (vgl Danimann-Steinbach aaO 330). Der Schädiger könnte durch Verzögerung des Ersatzes des Verdienstentgangs auf die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe oder auf deren Höhe positiv Einfluss nehmen und sich dann auf den dadurch erlangten Vorteil des Geschädigten berufen. Durch die Nichtanrechnung der Beihilfe mag rückschauend betrachtet der Geschädigte einen Vorteil erlangen, der ihm bei früherer Zuerkennung des Verdienstentgangs nicht oder nicht in dieser Höhe zugekommen wäre. Dies ist jedoch eine Folge der notwendigen Prozessführung bei Streit über den Anspruch des Geschädigten und betrifft lediglich dessen Verhältnis zum Dritten.

Der Verdienstentgang des Klägers beträgt somit für die Zeit vom 1. 4. 1983 bis 30. 11. 1983 32.880 S. Unter Berücksichtigung der übrigen Teilansprüche von 310.192,79 S des Verdienstentgangs bis 31. 3. 1983 von 78.127,60 S abzüglich der Haushaltsersparnis von 4.720 S und der Teilzahlungen von 150.000 S ergibt sich somit ein Anspruch des Klägers von 266.480,39 S und eine monatliche Rente von 4.110 S. Hiebei wurde der dem Erstgericht unterlaufene Rechenfehler (AS 245: statt 310.392,79 S richtig 310.192,79 S, vgl AS 243), der vom Berufungsgericht übernommen wurde und der dem Berufungsgericht unterlaufene Rechenfehler (vgl AS 310 = S 6 der Revision: statt 248.504,39 S richtig 249.504,39 S unter Berücksichtigung des erstgerichtlichen Rechenfehlers aber richtig 249.304,39 S) berichtigt.

Beizupflichten ist dem Berufungsgericht darin, dass der Kläger einen Anspruch auf Ersatz von Fahrtkosten nicht geltend machte. Sein Vorbringen im Schriftsatz vom 21. 11. 1983 (ON 59) diente nur der Abwehr der Einrede der Vorteilsanrechnung der beklagten Partei. Da eine solche nicht stattzufinden hat, ist auch die Replik des Klägers gegenstandslos.

Demgemäß ist der Revision teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1 und 2 und auf § 50 ZPO. Bei Beurteilung des Kostenersatzanspruchs des Klägers ist die Teilabweisung der Verunstaltungsentschädigung zugunsten des Klägers zu vernachlässigen (MGA ZPO13 § 43 Abs 2/14 f), sodass der Kläger im Verfahren erster Instanz nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Gesamtanspruchs als unterlegen anzusehen ist, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlasste. Der Kläger hat daher Anspruch auf Ersatz der gesamten Verfahrenskosten erster Instanz. Bei der Berechnung dieser Kosten ist jedoch die verspätete Berücksichtigung der Teilzahlungen von zweimal 50.000 S (vgl AS 199) zu beachten, weil insoweit der dadurch verursachte erhöhte Kostenaufwand nicht einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente. Im Rechtsmittelverfahren hat der Kläger entsprechend dem Verhältnis von Prozesserfolg und Prozessverlust folgenden Kostenersatzanspruch: für die Berufung 75 % für die Berufungsverhandlung 78 % und für das Revisionsverfahren 60 %. Für die Berufungsbeantwortung gebührt kein Kostenersatz, weil die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt worden war und ein Vorbringen iSd § 482 Abs 2 ZPO nicht erstattet wurde (2 Ob 52/82 ua). Die Verfahrenskosten erster Instanz betragen 90.444,76 S (darin enthalten 6.640 S Barauslagen und 6.207,76 S USt). Die Kosten der Berufung betragen 4.560,20 S (darin enthalten 1.280 S Barauslagen und 298,20 S USt); 75 % hievon = 3.420,15 S. Die Kosten der Berufungsverhandlung machen 7.816 S aus (darin enthalten 160 S Barauslagen und 696 S USt); 78 % hievon = 6.096,48 S. Im Revisionsverfahren entstanden dem Kläger Kosten von 6.838,65 S (darin enthalten 1.920 S Barauslagen und 447,15 S USt); 60 % hievon = 4.103,19 S.

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