Normen
KO §25
KO §25
Spruch:
Bei Ausübung des Kündigungsrechtes nach § 25 Abs. 1 KO ist der Masseverwalter nur an die gesetzliche oder eine etwa vereinbarte kürzere Kündigungsfrist gebunden, nicht aber auch an einen gesetzlichen oder vereinbarten Kündigungstermin
OGH 25. 9. 1984, 4 Ob 89/84 (LG Feldkirch Cg a 1/84; ArbG Feldkirch Cr 241/83)
Text
Der Kläger war vom 16. 10. 1972 bis 25. 1. 1983 im Betrieb der N-KG im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Mit Wirkung vom 20. 1. 1983 wurde zu S 3/83 des LG Feldkirch über das Vermögen dieser Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Der Kläger hat am 25. 1. 1983 gemäß § 25 KO seinen sofortigen Austritt erklärt.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger, den Masseverwalter schuldig zu erkennen, den Anspruch des Klägers auf Urlaubsentschädigung, Abfertigung und Kündigungsentschädigung im Betrag von 501 633 S sA anzuerkennen und nach Maßgabe der Masse zu befriedigen. Hinsichtlich der Kündigungsentschädigung, die allein noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, habe der Masseverwalter für die Zeit bis 25. 4. 1983 den Anspruch des Klägers anerkannt. Da der Kläger auf Grund der Dauer seiner Beschäftigung jedoch nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende, also zum 30. 6. 1983, hätte gekundigt werden können, stehe ihm auch für die Zeit vom 26. 4. 1983 bis 30. 6. 1983 ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung zu. Diese mache 88 041 S aus, auf welchen Betrag sich der Kläger das im gleichen Zeitraum erzielte Erwerbseinkommen von 38 165 S anrechnen lassen müsse; es stehe ihm daher der Differenzbetrag von 49 876 S zu.
Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete bezüglich der Kündigungsentschädigung ein, daß der Kläger für deren Berechnung zu Unrecht nur die Provisionen der letzten drei Monate, die unverhältnismäßig hoch gewesen seien, zugrunde gelegt habe; richtigerweise hätte der Durchschnittswert der letzten zwölf Monate herangezogen werden müssen.Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der Urlaubsentschädigung und der Abfertigungsansprüche von zusammen 451 757 S statt und wies das die Kündigungsentschädigung betreffende Mehrbegehren von 49 876 S ab. Hinsichtlich letzterer vertrat es die Rechtsansicht, der Masseverwalter sei bei Ausübung seines außerordentlichen Kündigungsrechtes nach § 25 Abs. 1 KO nicht an die vorgesehenen Kündigungstermine gebunden. Einem gemäß § 25 Abs. 1 KO austretenden Arbeitnehmer stehe aber ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung nur für jenen Zeitraum zu, der bei einer außerordentlichen Kündigung des Masseverwalters verstrichen wäre.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge. Es teilte zur Frage der Kündigungsentschädigung die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Masseverwalter nach § 25 Abs. 1 KO nur an die gesetzliche oder eine vereinbarte kürzere Kündigungsfrist, nicht aber an vorgesehene - andere - Kündigungstermine gebunden sei und daß der Masseverwalter bei Auflösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitnehmer nicht schlechtergestellt werden könne, als wenn er selbst das Dienstverhältnis nach § 25 Abs. 1 KO aufgelöst hätte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Frage, ob der Masseverwalter, der vom Kündigungsrecht nach § 25 Abs. 1 KO Gebrauch macht, nur an die gesetzlichen und die etwa vereinbarten kürzeren Kündigungsfristen oder auch an sonstige Kündigungstermine, insbesondere nach § 20 Abs. 2 AngG, gebunden ist. Daß dem Arbeitnehmer dann, wenn er gemäß § 25 Abs. 1 KO vorzeitig austritt, nur jene Ansprüche zustehen, die ihm im Fall der Kündigung durch den Masseverwalter zustunden, wird vom Kläger in der Revision nicht mehr bekämpft (s. dazu RdA 1978, 39; ZAS 1983, 107 ua.).
In der Frage, ob der nach § 25 Abs. 1 KO kundigende Masseverwalter auch an die in verschiedenen Bestimmungen vorgesehenen Kündigungstermine gebunden ist, hat der OGH in ständiger Rechtsprechung eine solche Bindung verneint (SZ 46/73; RdA 1980, 219; ZAS 1981, 49; ZAS 1983, 107; 4 Ob 1/84). Die Ausführungen in der Revision bieten keinen Anlaß, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen.
In der neueren Lehre wurde der Rechtsprechung des OGH teils zugestimmt, teils wurde sie abgelehnt. Zustimmend äußerte sich dazu vor allem ausführlich Rechberger (ZAS 1981, 49). Den Entscheidungen wurde auch von Tutschka (Handbuch des österr. Arbeitsrechts 521), Bartsch-Heil (Grundriß des Insolvenzrechts[4] Rdz. 244), Winkler (ZAS 1979, 127 FN 56) und Martinek-Schwarz (AngG[5], 530), jeweils allerdings ohne nähere Begründung, zugestimmt. Den gleichen Standpunkt nahmen bereits Wachter (ZAS 1972, 83, bes. 89) und Kryda (SozSi 1977, 135, bes. 141) jeweils ohne nähere Erörterung des Problems ein. Die gegenteilige Auffassung wird - allerdings ebenfalls ohne eingehende Begründung - von Floretta (in Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht[2] I 187), Holzhammer (Österr. Insolvenzrecht[2], 22) und Schwarz-Holzer-Holler (Das Arbeitsverhältnis bei Konkurs oder Ausgleich 243) sowie von Holzer (RdA 1978, 39) und Kropf (RdA 1975, 252, bes. 255) vertreten. Schon zuvor wurde dies auch von Mayer-Grünberg (Kommentar zum Handlungsgehilfengesetz 270) gelehrt. Eingehend haben sich mit diesem Problem vor allem Spielbüchler (Insolvenz- und Arbeitsrecht, RdA 1982, 273 und ZAS 1983, 107) und Hemmer (RdA 1980, 219) auseinandergesetzt. Die beiden zuletzt genannten Autoren leiten aus der Entwicklungsgeschichte des § 25 Abs. 1 KO und dem seinerzeitigen Sprachgebrauch, dem die heute übliche scharfe Unterscheidung zwischen Kündigungsfrist und Kündigungstermin nicht bekannt gewesen sei, ab, daß der Gesetzgeber unter dem Begriff der Kündigungsfrist auch den heute so genannten Kündigungstermin verstanden habe. In gleicher Weise argumentiert vor allem unter Hinweis auf die Ausführungen von Spielbüchler nunmehr auch der Kläger in seiner Revision.
Bei Auslegung dieser Bestimmung ist zunächst in erster Linie vom objektiven Zweck der Regelung und erst danach von der Absicht des historischen Gesetzgebers auszugehen. Bei länger dauernder Geltung einer gesetzlichen Vorschrift ist diese im Rahmen der gegenwärtig geltenden Rechtsordnung auszulegen (Koziol-Welser[6] I 19 f.; Bydlinski in Rummel, ABGB, I Rdz. 26 zu § 7; Larenz, Methodenlehre 334; SZ 28/136; SZ 48/15 ua.). Zweck der Bestimmung des § 25 Abs. 1 KO ist aber die Erweiterung und Erleichterung der Kündigungsmöglichkeit des Masseverwalters im Konkurs des Arbeitgebers. Dieser Zweck spricht gegen eine über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehend ausdehnende Auslegung des Begriffes der Kündigungsfrist auch auf Kündigungstermine. Dazu kommt insbesondere, wie die Entstehungsgeschichte des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982 zeigt, daß auch der heutige Gesetzgeber eine Bindung des Masseverwalters an Kündigungstermine verneint. In der Regierungsvorlage (3 BglNR 15. GP 10) war nämlich folgende Neufassung des § 25 Abs. 1 KO vorgesehen: "Ist der Gemeinschuldner Arbeitgeber und ist das Arbeitsverhältnis bereits angetreten worden, so kann es innerhalb dreier Monate vom Tag der Konkurseröffnung vom Arbeitnehmer durch vorzeitigen Austritt, wobei die Konkurseröffnung als wichtiger Grund gilt, gelöst werden. Der Masseverwalter kann das Arbeitsverhältnis innerhalb dieses Zeitraums unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen und unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder der zulässig vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist zu den für den Arbeitgeber geltenden Kündigungsterminen mit der Maßgabe lösen, daß das Arbeitsverhältnis, sofern es nur zum Ablauf eines Kalendervierteljahres oder eines späteren Zeitpunktes gekundigt werden könnte, auch mit jedem anderen, dem Ablauf der Kündigungsfrist folgenden Monatsletzten gelöst werden kann." Begrundet wurde dies damit, daß die Neufassung eine alte Forderung der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer insoweit erfülle, als der Masseverwalter nun grundsätzlich an den Kündigungstermin gebunden werde. Die Interessenvertretungen hätten allerdings eine Begrenzung dieser Bindung insoweit als richtig angesehen, als weit entfernte Kündigungstermine nicht einbezogen werden sollten, damit eine nicht wünschenswerte Überlastung der Masseverbindlichkeiten durch Forderungen bereits gekundigter Arbeitnehmer unterbleibe (3 BlgNR 15. GP 47). Diesem Antrag sind jedoch der Justizausschuß - allerdings ohne nähere Begründung (1147 BlgNR 15. GP 20) - und das Plenum des Nationalrates nicht gefolgt. Wenn Spielbüchler (ZAS 1983, 110) in diesem Zusammenhang meint, es lasse sich nicht sagen, der Gesetzgeber habe sich die Meinung der Regierung, das geltende Recht schreibe die Beachtung der Kündigungstermine nicht vor, zu eigen gemacht, es werde vielmehr am ursprünglichen Sinn der Vorschrift weiter festzuhalten sein, kann ihm nicht beigepflichtet werden. Im Zeitpunkt der Beschlußfassung im Justizausschuß (22. 6. 1982) lagen bereits eine Reihe von Entscheidungen des OGH zu dieser Frage vor, und die Diskussion in der Lehre war in vollem Gange. Abgesehen davon, daß nicht unterstellt werden kann, dem Justizausschuß und dem Plenum des Nationalrates sei die Judikatur und die Unterscheidung zwischen Kündigungsfrist und Kündigungstermin fremd gewesen, konnte der Hinweis in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, die Neufassung erfülle eine alte Forderung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer, nur so verstanden werden, daß die bisherige Rechtspraxis den Masseverwalter nicht an den Kündigungstermin binde und dies geändert werden solle. Wenn unter diesen Umständen der Gesetzgeber die vorgeschlagene Änderung nicht vornahm, obwohl er dem § 25 Abs. 1 KO mit Wirkung vom 1. 1. 1983 (also auf den gegenständlichen Fall anwendbar) eine neue Fassung gab, die den gesamten Text dieser Gesetzesstelle wiederholte, und dabei wieder nur von der Kündigungsfrist sprach, kann dies nur bedeuten, daß der Gesetzgeber an der bestehenden Rechtsprechung nicht rütteln wollte und die bis dahin vorgenommene Auslegung auch seinen Intentionen entsprach; anderenfalls hätte er bei der Beschlußfassung, die den gesamten Text des § 25 Abs. 1 umfaßte, in Kenntnis der Unterscheidung von Kündigungsfristen und Kündigungstermin nicht wiederum nur die Bindung an die Kündigungsfrist aussprechen dürfen.
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