OGH 7Ob596/84

OGH7Ob596/8412.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Kuderna, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Jeannée, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N*****‑Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Kreibich, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 250.000 US‑Dollar, 138.273,58 DM und 36.576,20 S sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 9. April 1984, GZ 1 R 98/84‑26, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 17. November 1983, GZ 14 Cg 656/82‑22, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00596.840.0712.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 32.760,97 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten 7.200 S Barauslagen und 2.323,72 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

 

Begründung:

Die klagende Partei hatte Gußrohre für eine Pumpstation in den Irak zu liefern. Die Versendung besorgte die beklagte Partei. Die klagende Partei behauptet, einen Speditionsvertrag mit der beklagten Partei und der Firma M*****gesellschaft mbH ***** (im Folgenden nur Firma M*****) abgeschlossen zu haben. Sie begehrt von beiden zur ungeteilten Hand den Ersatz des ihr anlässlich der Versendung entstandenen Schadens. Über das Vermögen der Firma M***** wurde nach Klagseinbringung am 16. März 1983 der Konkurs eröffnet. Zur Begründung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gegen die beklagte Partei beruft sich die klagende Partei auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 JN und auf eine Gerichtsstandsvereinbarung.

Die beklagte Partei wendet mangelnde inländische Gerichtsbarkeit und örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein.

Das Erstgericht erklärte sich nach abgesonderter Verhandlung über die Prozesseinreden zur Entscheidung der Rechtssache gegen die beklagte Partei für unzuständig und wies die gegen diese gerichtete Klage zurück. Nach seinen Feststellungen lud die klagende Partei verschiedene internationale Speditionen zur Anbotstellung ein. Ein von der beklagten Partei im Jänner 1982 gemachtes Anbot lag preislich zu hoch. Am 5. 2. 1982 sollte über die Auftragsvergabe entschieden werden. Während der Vergabegespräche machte die beklagte Partei ein mit 5. 2. 1982 befristetes Anbot mit verbesserten Konditionen, nach dem die Auftragsvergabe offiziell an eine von der beklagten Partei noch zu benennende österreichische Partnerfirma erfolgen sollte. Aufgrund dieses Anbots erteilte die klagende Partei noch am 5. 2. 1982 telefonisch den Auftrag an die beklagte Partei. Mit Fernschreiben vom 10. 2. 1982 bestätigte die beklagte Partei der klagenden Partei, dass diese den mit dem österreichischen Partner der beklagten Partei abzuschließenden Speditionsvertrag auszuarbeiten hat. Sie ersuchte um fernschriftliche Durchgabe des Vertragsentwurfs. Sie werde den Vertrag prüfen und nach Übereinstimmung unterzeichnen. Sie wies ferner darauf hin, dass bei Abfassung des Vertrags die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) heranzuziehen sind und der Gerichtsstand Salzburg sein muss. Die klagende Partei bereitete im Sinne der mit der beklagten Partei getroffenen Vereinbarung die Vertragsurkunde vor. Darin waren als Vertragsgrundlage die AÖSp, als Gerichtsstand Salzburg und die Anwendung des österreichischen Rechts vorgesehen. Diese Urkunde wurde nach der bereits am 12. 2. 1982 erfolgten Verschiffung der ersten Ladung von 800 bis 1.000 Tonnen, von der klagenden Partei am 16. 2. 1982 und vom Geschäftsführer der Firma M***** am 23. 2. 1982 unterfertigt. An diesem Tag unterfertigte auch der Gesamtprokurist der beklagten Partei ein von der Firma M***** stammendes Schreiben, wonach diese bei dem Geschäft nur eine treuhänderische Funktion als Agent der beklagten Partei ausübt. Eventuelle Risiken sollten zu Lasten der beklagten Partei gehen und diese die Firma M***** aus dem Geschäft klag‑ und schadlos halten. Die klagende Partei erkundigte sich nie über die Leistungsfähigkeit der Firma M*****. Sie hätte dieser Firma auch ohne vorherige Erkundigungen nie den Auftrag erteilt. Der beklagten Partei traute sie eine klaglose Durchführung des Auftrags zu. Der klagenden Partei und der beklagten Partei war am 5. 2. 1982 klar, dass die beklagte Partei den Auftrag durchführen wird. Die Firma M***** sollte nur wegen der Österreichischen Kontrollbank, die für einen Teil der Lieferung die Ausfallshaftung übernommen hatte, als österreichische Firma offiziell im Speditionsvertrag aufscheinen. Aus diesem Grunde wurde auch vereinbart, dass die klagende Partei die Rechnungen nicht von der beklagten Partei, sondern von der Firma M***** bekommt. Die Tätigkeit der Firma M***** beschränkte sich auf den Abschluss der SVS‑Versicherung und die Ausstellung der Spediteurübernahmsbescheinigungen. Die Firma M***** sollte aus dem Speditionsvertrag auch nichts verdienen.

Das Erstgericht war der Auffassung, dass die Firma M***** nur infolge eines Scheingeschäfts in die Vertragsbeziehung zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei eingebunden worden sei, das eine materielle Streitgenossenschaft nicht begründen könne, und eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nicht vorliege.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluss im Sinne einer Abweisung der Prozesseinreden ab. Es verneinte das Vorliegen eines Scheingeschäfts. Die Parteien hätten sich auch nach dem Auftreten von Schwierigkeiten nicht auf einen Scheinvertrag berufen. Der Firma M***** sei ein, wenn auch nur eingeschränkter Aufgabenkreis zugekommen. Entscheidend sei, dass zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei derselbe Vertrag zu gelten habe, wie zwischen der klagenden Partei und der Firma M*****. Demnach gelte zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei auch die Gerichtsstandvereinbarung. Die klagende Partei könne sich auch auf Urkunden berufen, aus denen sich der Beitritt der beklagten Partei zur Gerichtsstandvereinbarung ergebe. Eine die Annahme der inländischen Gerichtsbarkeit rechtfertigende, intensive Inlandsbeziehung sei durch die Einschaltung der Firma M*****, die ihren Sitz im Inland habe, und durch die Wahl des österreichischen Rechts gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhobene Revisionsrekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erstellte die beklagte Partei das Anbot vom 5. 2. 1982 im eigenen Namen. Aufgrund dieses Anbots wurde ihr auch noch am 5. 2. 1982 von der klagenden Partei telefonisch der Auftrag erteilt. Es war zwischen den Vertragspartnern klar, dass den Auftrag nur die beklagte Partei durchführen wird. Die klagende Partei hatte auch nicht die Absicht, mit der Firma M***** zu kontrahieren, weil sie deren Leistungsfähigkeit nicht kannte. Die Firma M***** sollte lediglich nach außen hin wegen der Ausfallshaftung der Österreichischen Kontrollbank in dem schriftlichen Speditionsvertrag als Vertragspartner aufscheinen. Durch das Zusammenwirken aller drei Vertragsparteien sollte demnach bei einem Dritten der Anschein erweckt werden, Vertragspartner der klagenden Partei sei (nur) die Firma M*****, was aber der Absicht der Parteien widersprach. Insoweit wurden damit aber die entsprechenden Willenserklärungen nur zum Schein abgegeben, weil sie einverständlich nicht die aus der Sicht des objektiven Dritten als gewollt erscheinenden Rechtsfolgen auslösen sollten (vgl Rummel in seinem Kommentar zum ABGB Rdz 1 zu § 916). Der Beurteilung des schriftlichen Speditionsvertrags zwischen der klagenden Partei und der Firma M***** als Scheingeschäft insoweit, als dadurch die Stellung der beklagten Partei als wahrer Vertragspartner des Speditionsgeschäfts verdeckt werden sollte, steht es nicht entgegen, dass die Firma M***** Nebenleistungen erbracht hat, weil einem Rechtsgeschäft auch nur teilweise der Charakter eines Scheingeschäfts zukommen kann. Wenn ein Teil des Geschäfts wirklich gewollt, ein Teil nur zum Schein abgeschlossen wurde, gelten die Regeln über die Teilnichtigkeit ( Rummel aaO Rdz 2). Da im vorliegenden Fall nur die Stellung der beklagten Partei als wahrer Vertragspartner der klagenden Partei verdeckt werden sollte, kann sich die beklagte Partei nicht darauf berufen, nicht Vertragspartner der klagenden Partei geworden zu sein. Auf die Rechtsbeziehungen zwischen den wirklichen Vertragspartnern sind auch die Bestimmungen des mit dem vorgeschobenen Vertragspartner abgeschlossenen Rechtsgeschäfts anwendbar, soweit diese für das beabsichtigte Rechtsgeschäft gewollt waren (vgl Rummel aaO Rdz 3). Dies trifft – soweit es im derzeitigen Verfahrensstadium von Interesse ist – jedenfalls auf die Erhebung der AÖSp zum Vertragsinhalt, auf die Rechtswahl des österreichischen Rechts und auf die Gerichtsstandvereinbarung zu, weil diese Bestimmungen dem erklärten Willen der wahren Vertragsparteien entsprachen und keine zwingende Folge der Vorgabe eines anderen Vertragspartners waren. Aus der Urkunde Beilage E, deren Echtheit und Richtigkeit von der beklagten Partei zugestanden wurde (AS 56), ergibt sich das Einverständnis der beklagten Partei zum Inhalt des schriftlichen Speditionsvertrags Beilage D.

Ist die inländische Gerichtsbarkeit nicht durch Staatsverträge oder ausdrückliche Vorschriften des inländischen Rechts abgegrenzt, so ist für die Beurteilung der Entscheidungskompetenz österreichischer Gerichte in Fällen mit Auslandsbeziehung ausschlaggebend, ob eine ausreichende Inlandsbeziehung besteht. Die Parteidispositionen sollen das Fehlen jeglicher Inlandsbeziehung nicht ersetzen. Eine gegebene Inlandsbeziehung kann aber jedenfalls durch Parteienvereinbarung oder Akte prozessualer Disposition, die für das Vorhandensein der inländischen Gerichtsbarkeit erforderliche Intensität erlangen ( Schwimann in JBl 1984, 9 f; JBl 1983, 542). Im vorliegenden Fall konnte wohl die auch ohne Parteiendisposition vorhandene Inlandsbeziehung die inländische Gerichtsbarkeit nicht rechtfertigen. Durch die Vereinbarung der Geltung der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen, durch die Wahl österreichischen Rechts und die Gerichtstandsvereinbarung Salzburg wurde aber die geringe Inlandsbeziehung in einem für die inländische Jurisdiktion ausreichenden Grad ergänzt (vgl Schwimann aaO S 12).

Die Gerichtsstandvereinbarung nach § 104 JN muss zwar nicht schriftlich getroffen werden, sie muss aber urkundlich nachgewiesen werden. Dieser Nachweis kann auch noch bis zur Beschlussfassung über die Unzuständigkeitsreinrede nachgetragen werden (SZ 54/10). Der Nachweis muss nicht durch eine Urkunde erbracht werden, es reichen auch inhaltlich getrennte, aber aufeinander abgestimmte Erklärungen der Parteien in Schriftform aus (8 Ob 291/70; Fasching I 504). Das Erfordernis der Unterfertigung der Urkunde ist dann entbehrlich, wenn die Echtheit der Urkunden anerkannt wurde, weil dann klargestellt ist, dass die in den Urkunden enthaltenen Erklärungen auch von der Partei stammen, der sie zugeschrieben werden. Die Gerichtsstandvereinbarung zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei ergibt sich aus den Urkunden Beilagen D und E, die jeweils entsprechende Erklärungen der beiden Vertragsparteien enthalten und deren Echtheit anerkannt ist. Damit ist auch der urkundliche Nachweis erbracht. Zu Recht hat daher das Rekursgericht die Prozesseinreden der beklagten Partei abgewiesen. Demgemäß ist dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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