OGH 1Ob18/84

OGH1Ob18/8411.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Frieda D*****, vertreten durch Dkfm. DDr. Waldemar Buchberger, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagten Parteien 1.) Franz F*****, 2.) Maria F*****, und 3.) Dkfm. Dr. Alfred O***** alle vertreten durch DDr. Siegfried Mitterhammer, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Feststellung und Unterlassung infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Berufungsgericht vom 29. Februar 1984, GZ R 700/83-16, womit das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 28. Juni 1983, GZ 2 C 541/82-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 3.069,18 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 257,20 S Umsatzsteuer und 240 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ***** (EZ ***** Katastralgemeinde K*****). Die dort entspringende Quelle war schon im Jahre 1960, als die Klägerin das Grundstück gemeinsam mit ihrem Ehegatten erworben hat, in einem kleinen Holzbecken gefasst; das Wasser wurde schon damals durch ein in der Erde verlegtes Rohr zum Anwesen des Max H***** (Grundstück *****) geleitet, dessen Eigentümerin nun Erna W***** ist. Der Voreigentümer teilte der Klägerin bei Abschluss des Kaufvertrags mit, dass Max H***** aufgrund eines mündlichen Dienstbarkeitsbestellungsvertrags zum Bezug des Quellwassers berechtigt sei; dieser betrieb damals eine Landwirtschaft mit etwa fünf bis sechs Stück Vieh. Als er auf dem Grundstück ***** ein Auszugshaus errichtete, gestattete ihm die Klägerin auf sein Ersuchen die Wasserentnahme auch für dieses Haus; erst dann ließ er einen Anschluss an die bestehende Wasserleitung herstellen. Mit Notariatsakt vom 25. August 1969 (samt Nachtrag vom 15. April 1971) schenkten die Eheleute Max und Aloisia H***** ihrer Tochter Maria E***** die durch Grundstücksteilung geschaffenen Grundstücke ***** (das später weiter in die Grundstücke ***** und das Restgrundstück ***** geteilt wurde) und *****; sie räumten ihr und ihren Rechtsnachfolgern das Recht ein, einen Anschluss an die Wasserversorgungsanlage für das Haus G***** das jetzt Erna W***** gehört, herzustellen und das Wasser mittels einer unter Tag verlegten Rohrleitung auf das übergebene Grundstück zu leiten. Die Eheleute H***** hatten von der Klägerin vorher nicht die Einwilligung zur Herstellung der Anschlussleitung eingeholt. Maria E***** ließ in der Folge die Anschlusswasserleitung verlegen, was der Klägerin und deren Sohn, die ihr Grundstück nur selten aufsuchen, nicht aufgefallen ist. Nach dem Tod Max H*****s erhielt seine Tochter Erna W***** die Grundstücke ***** und *****, während das Auszugshaus (Grundstück *****) und die weiteren Grundstücke ***** und ***** seiner Tochter Friederike P***** und deren Ehegatten zufielen, die als Rechtsnachfolger Max H*****s das Quellwasser weiterhin mitbeziehen. Die Quelle liefert je nach Niederschlag eine unterschiedliche Wassermenge und versiegt bei länger dauernder Trockenheit. Um eine ausreichende Wasserversorgung sicherzustellen, errichteten Erna W***** und Franz P***** an der Nordgrenze des Grundstücks ***** ein Auffangbassin, das etwa 4 bis 5 m2 Wasser fasst, und ersetzten die bisherige Leistung durch eine Druckleitung, die über die Grundstücke ***** in südlicher Richtung zum Haus G***** führt. Vor diesem Haus - jedoch auf dem Grundstück ***** - befindet sich ein weiteres Auffangbecken, aus dem das Haus mit Trink- und Nutzwasser versorgt wird. Noch auf dem Grundstück ***** gabelt sich die Druckleitung; der östliche Ast führt zum Haus der Eheleute P***** (dem ehemaligen Auszugshaus Max H*****s) auf dem Grundstück *****.

Maria E***** verkaufte die ihr von ihren Eltern übergebenen Grundstücke ***** im Jahre 1978 an Regina V*****, die ihrerseits das Grundstück ***** mit Vertrag vom 19. Februar 1981 an den Erst- und die Zweitbeklagte weiterverkaufte. Zu diesem Zeitpunkt war der Wasseranschluss (für die Maria E***** gehörigen Grundstücke) bereits hergestellt. Erna W***** war der Meinung gewesen, sie sei aufgrund des Notariatsakts vom 25. August 1969 verpflichtet, diesen Anschluss herstellen zu lassen. Sie schloss deshalb mit Regina V***** und mit dem Erst- und der Zweitbeklagten den Dienstbarkeitsbestellungsvertrag vom 23. März 1981 ab, mit welchem sie für sich und ihre Rechtsnachfolger als Eigentümer der Grundstücke ***** dem Erst- und der Zweitbeklagten und deren Rechtsnachfolgern als Eigentümern des Grundstücks ***** und Regina V***** und deren Rechtsnachfolgern als Eigentümern des Grundstücks ***** das Recht einräumte, das Wasser aus ihrer Wasserversorgungsanlage zu beziehen und mit einer unter Tag verlegten Rohrleitung zu ihren Grundstücken zu führen. Gleichzeitig berechtigten der Erst- und die Zweitbeklagte Regina V*****, das Wasser über das Grundstück ***** in westlicher Richtung zu ihrem Grundstück ***** zu leiten. In der Folge wurde das Grundstück ***** in das Grundstück ***** einbezogen; mit Vertrag vom 9. November 1981 verkaufte Regina V***** dieses Grundstück dem Drittbeklagten, nachdem sie die erwähnte Wasserleitung hatte herstellen lassen. Die Beklagten haben das Wasser bisher nur für den Bau der auf diesen Grundstücken aufgeführten, jedoch noch nicht fertiggestellten Häuser bezogen. Erna W***** hat ihren Wohnsitz in Attnang-Puchheim und benützt das Haus G***** nur als Zweitwohnung. Sie hält dort kein Vieh mehr; dementsprechend ist der Wasserbedarf gering. Auch die Klägerin hält auf ihrem Grundstück kein Vieh mehr; ihr Sohn beabsichtigt jedoch Schafe zu halten, wodurch sich der Wasserbedarf wieder erhöhen wird. Es blieb ungeklärt, ob mit dem Quellwasser der Bedarf der Anwesen W*****, P***** und der Streitteile selbst bei der in Hinkunft zu erwartenden Steigerung gedeckt werden kann.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass den Beklagten die Dienstbarkeit des Wasserbezugs aus der auf dem Grundstück ***** entspringenden Quelle zur Versorgung ihrer Grundstücke ***** und ***** nicht zustehe, sowie die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung des Wasseranschlusses beim Haus Erna W***** sei berechtigt gewesen, ihnen das Recht zum Wasserbezug einzuräumen; eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit sei damit nicht verbunden. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Dienstbarkeit dürfe durch die Teilung des herrschenden Grundstücks nicht erweitert werden. Zweck des Wasserbezugsrechts sei die Versorgung des Anwesens G***** gewesen; die Eheleute H***** seien deshalb nicht berechtigt gewesen, das Wasserbezugsrecht auf die ihrer Tochter Maria E***** übergebenen Grundstücke auszudehnen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands sowohl im Verfahren gegen den Erst- und die Zweitbeklagte als auch gegen den Drittbeklagten zwar 60.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Das Wasserbezugsrecht gründe sich auf einen mündlichen Vertrag zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin und Max H*****, dem die Klägerin außerdem den Anschluss einer Wasserleitung zu seinem Auszugshaus gestattet habe. Die Liegenschaft Max H*****s sei in der Folge mehrfach geteilt worden, bis schließlich Teile davon in das Eigentum der Beklagten gelangt seien. Wenn auch die Dienstbarkeit nicht einverleibt sei, könne sie doch auch gegen die Rechtsnachfolger des Bestellers geltend gemacht werden, wenn sie entweder vom Bestand des Rechts Kenntnis hatten oder die Dienstbarkeit offenkundig ist. § 484 ABGB überlasse zwar die Art der Ausübung der Servitut dem Belieben des Berechtigten, schränke sie jedoch auf Natur und Zweck der Bestellung ein. Die gegenständlichen Interessen seien in ein billiges Verhältnis zu setzen. Das Recht, Wasser aus einer auf fremden Grund entspringenden Quelle zu beziehen, sei eine Felddienstbarkeit, so dass eine das dienende Grundstück immer mehr belastende Benützung grundsätzlich unzulässig sei. Eine solche unzulässige Ausdehnung der Servitut sei anzunehmen, wenn die Erweiterung des Benützungskreises zu einer erheblichen Mehrbelastung des dienenden Grundstücks führe; nur unbedeutende Änderungen müsse der Belastende hinnehmen. Die Vertragspartner des mündlich abgeschlossenen Dienstbarkeitsbestellungsvertrags hätten das Wasserbezugsrecht nie so verstanden, dass es auf neu errichtete Häuser ausgedehnt werden dürfe. Das sei nicht zuletzt daraus zu erschließen, dass Max H***** die Einwilligung des Beklagten zum Anschluss einholte, als er sein Auszugshaus mit Wasser aus der Quelle versorgen wollte; daraus könne im Wege der Vertragsauslegung nur gefolgert werden, dass sich das Wasserbezugsrecht nur auf die Landwirtschaft erstreckt habe. Der Erweiterung der Servitut zur Versorgung neuer Häuser mit dem Quellwasser stehe demnach schon der erwähnte mündliche Vertrag entgegen. Überdies würde diese Ausdehnung eine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstücks mit sich bringen. Müsse nun der Wasserbedarf von vier anstelle von bisher zwei Häusern gedeckt werden, liege darin ganz augenscheinlich eine Mehrbelastung, so dass es der Feststellung des konkreten Mehrbedarfs nicht bedürfe. Schon die Erweiterung der Betriebseinrichtungen, Kulturänderungen oder Änderungen der Betriebsart bewirkten eine Erweiterung der Dienstbarkeit; daraus lasse sich kein Anspruch auf eine der geänderten Betriebsart entsprechende ausgedehntere Benützung ableiten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Strittig ist lediglich das Ausmaß der vom Rechtsvorgänger der Klägerin den Eheleuten Max und Aloisia H***** bestellten, nicht verbücherten Dienstbarkeit. Während die Beklagten ins Treffen führen, die Servitut bestehe nach der Teilung des herrschenden Grundstücks zugunsten aller Teile fort, steht die Klägerin auf dem Standpunkt, durch die Ausdehnung des Wasserbezugs auf die neu errichteten Häuser der Beklagten werde die Dienstbarkeit in unzulässiger Weise erweitert.

Das Recht, Wasser aus der auf fremden Grund entspringenden Quelle zu beziehen beziehungsweise auf den eigenen Grund zu leiten, ist eine Felddienstbarkeit im Sinne der §§ 496, 497 ABGB, über deren Bestand und Umfang die Gerichte zu entscheiden haben (SZ 50/18 und 89 ua; vgl Krizizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 45, 65). Das Ausmaß einer solchen Servitut und der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse richtet sich nach dem Inhalt des Titels, dessen Auslegung vor allem Natur und Zweck der Dienstbarkeit zur Zeit ihrer Einräumung zugrundezulegen sind (JBl 1983, 646; SZ 53/149; 1 Ob 774/83 uva; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 484; Klang2 II 564). Nach den jeweiligen Verhältnissen soll dem Berechtigten der angestrebte Vorteil (§§ 472 f ABGB) ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie nur möglich geschadet werden (EvBl 1966/277; Petrasch aaO). Dem Titel - dem mündlichen Dienstbarkeitsbestellungsvertrag Max H*****s mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin - kann nur entnommen werden, dass ersterer zum Wasserbezug aus der Quelle berechtigt war. Bei ungemessenen Dienstbarkeiten, deren Inhalt durch den Titel nicht eindeutig bestimmt ist, richtet sich der Umfang zwar nicht nach den Bedürfnissen des herrschenden Gutes im Zeitpunkt der Bestellung, sondern nach seinen jeweiligen Bedürfnissen, doch bilden der ursprüngliche Bestand und die ursprüngliche Bewirtschaftungsart die Schranken ihrer Auswirkungen (SZ 54/154; MietSlg 30.053 uva; Klang aaO). Der Belastete muss nur unbedeutende Änderungen der Widmungsart, nicht aber Mehrbelastungen infolge Kultur- und Widmungsänderungen (RZ 1981/17) oder sonstige erhebliche oder gar unzumutbare Erschwernisse hinnehmen (EvBl 1966/277 ua; Petrasch aaO).

Diesen Grundsätzen folgend haben die Vorinstanzen die Beurteilung des Ausmaßes der ursprünglich mündlichen eingeräumten Wasserbezugs- und leitungsservitut zu Recht auf den Bedarf des landwirtschaftlichen Anwesens der Eheleute H***** zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung abgestellt; Zweck des Wasserbezugsrechts war es, das landwirtschaftliche Anwesen G***** so, wie es damals bewirtschaftet wurde, mit Trink- und Nutzwasser aus der Quelle auf dem Grundstück der Klägerin zu versorgen. Max H*****, der als Berechtigter über den Zweck der Dienstbarkeit naturgemäß am besten Bescheid wusste, hat deshalb auch die Klägerin um Gestattung des Anschlusses einer (weiteren) Wasserleitung zu seinem später errichteten Auszugshaus ausdrücklich ersucht; das lässt nur den Schluss zu, dass er selbst damals überzeugt war, er sei zuvor lediglich zur Versorgung seines Anwesens G***** mit dem Wasser aus der Quelle berechtigt gewesen. Das herrschende Gut wurde in der Folge durch Abschreibung von Grundstücken und Grundflächen geteilt; später sind diese zum Teil durch Verkauf in das Eigentum der Beklagten gelangt. Gemäß § 844 ABGB bestehen zwar Grunddienstbarkeiten bei Teilung des herrschenden Gutes zugunsten aller Teilgrundstücke fort, doch darf die Servitut hiedurch weder erweitert noch für das dienende Grundstück beschwerlicher werden. Eine Mehrbelastung durch eine sich den jeweiligen Bedürfnissen des herrschenden Gutes anpassende ungemessene Dienstbarkeit ist im Falle der Teilung nur zulässig, wenn an sie schon bei der Bestellung der Servitut gedacht oder nach den Umständen zu denken war (JBl 1983, 646 ua; vgl Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 10 zu § 844; Klang2 III 1135). Solche Umstände haben die insoweit (§ 523 ABGB; SpR 27) beweispflichtigen Beklagten nicht einmal behauptet; die von Max H***** erbetene Gestattung des Anschlusses lässt vielmehr auf das Gegenteil schließen. Dass der Rechtsvorgänger der Klägerin schon im Hinblick auf die begrenzte Wasserschüttung der Quelle, die bei Trockenheit versiegt, mit einer Ausweitung des Benützerkreises nicht einverstanden sein konnte, folgt auch aus der Erwägung, dass damit seine eigene Wasserversorgung - auch die Klägerin hat das Grundstück anfangs noch als Weidefläche benützt - gefährdet werden könnte; er musste damals auch noch keineswegs damit rechnen, dass das landwirtschaftlich genutzte herrschende Gut durch Parzellierung in eine größere Anzahl von Baugründen, deren Eigentümer nun auch die Wasserversorgung der Quelle in Anspruch nehmen wollen, geteilt werden werde. Dass die Quelle durch den Anschluss von zusätzlichen Wasserleitungen für weitere bewohnte Anwesen einer sehr erheblichen Mehrbelastung unterworfen wird, liegt auf der Hand. Zutreffend haben daher die Vorinstanzen angenommen, dass die Dienstbarkeiten durch die Anschlusswasserleitungen für das dienende Gut (erheblich) beschwerlicher würde; dagegen konnte sich die Klägerin mit Klage erfolgreich zur Wehr setzen (JBl 1957, 591; SZ 25/202 ua). Dem Einwand der Beklagten, ihnen müsse auch zugute kommen, dass die Klägerin derzeit auf dem dienenden Grundstück keinen Wasserbedarf habe (festgestellt ist allerdings, dass ihr Sohn dort Schafe züchten und somit auch tränken will), steht schon der im § 484 ABGB verankerten Grundsatz des Dienstbarkeitsrechts, Servituten dürften nicht eigenmächtig erweitert werden, entgegen. Ein (derzeit mangelnder) Bedarf des dienenden Gutes kann schon deshalb zur Rechtfertigung einer Dienstbarkeitserweiterung nicht ins Treffen geführt werden.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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