OGH 3Ob59/84

OGH3Ob59/844.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kunigunde W*****, vertreten durch Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Ingeborg O*****, vertreten durch Dr. Hans Primus, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 108.053,30 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 2. März 1984, GZ 1 R 545/83-24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 13. September 1983, GZ 15 C 400/83-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 4.918,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 447,15 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Klägerin steht aufgrund eines Übergabsvertrages ein Ausgedinge an der Liegenschaft EZ ***** KG ***** zu. Diese Liegenschaft wurde im Versteigerungsverfahren 8 E 13/78 des Bezirksgerichts Klagenfurt der Beklagten zugeschlagen. Gemäß den Versteigerungsbedingungen hatte die Beklagte die einverleibte Reallast des Ausgedinges in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Das Deckungskapital für diese im Meistbot voll Deckung findende Reallast wurde im Verteilungsverfahren ausgehend von einem Jahreswert des Ausgedinges von 29.965 S mit 599.280 S festgesetzt und dieser Betrag zinstragend angelegt. Da in der Folge, vor allem wegen der vereinbarten Wertsicherung, die Zinsen aus diesem Deckungskapital nicht mehr ausreichten, um die monatlichen Ansprüche der Klägerin zu erfüllen, stellte die Beklagte im Exekutionsverfahren den Antrag, ihr auch Teile des Deckungskapitals auszufolgen. Über diesen Antrag ist noch nicht entschieden, weil im ersten Rechtsgang ein abweisender Beschluss des Erstgerichts aufgehoben wurde, welcher Aufhebungsbeschluss vom Obersten Gerichtshof zu 3 Ob 173/83 bestätigt wurde und im zweiten Rechtsgang noch keine Entscheidung ergangen ist.

Im vorliegenden Rechtsstreit behauptete die Klägerin, dass ihr über die von der Beklagten laufend bezahlten Beträge hinaus für die Zeit vom Mai 1980 bis Mai 1983 noch ein Betrag von 108.053,30 S an Ausgedingsleistungen gebühre, und begehrte diesen Betrag samt Anhang.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie bestritt die Höhe der begehrten Leistungen (Bewertung gewisser Naturalleistungen, Methode der Aufwertung) und wendete vor allem ein, dass der Klägerin nur die im Verteilungsverfahren zu 8 E 13/78 festgelegten Beträge zustünden, da nur diese Leistungen von der Beklagten als Ersteherin übernommen worden seien. Die Klägerin habe es abgelehnt, sich mit dem hinterlegten Deckungskapital zu begnügen, und keine Rechtsmittel gegen die Feststellung desselben eingebracht.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte die Differenz zwischen den bezahlten und gebührenden Ausgedingsleistungen aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens für den strittigen Zeitraum mit 108.053 S fest und vertrat im Übrigen die Auffassung, dass die Bewertung des Ausgedinges im Exekutionsverfahren nicht bindend dafür sei, was die Beklagte, die die Last übernommen habe, tatsächlich zahlen müsse.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, dass die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und billigte auch die Rechtsansicht des Erstgerichts. Der Erlag eines Deckungskapitals bedeute bei einem Ausgedinge nicht, dass der Ersteher damit von jeder weiteren Leistung als der Abführung der Zinsen aus diesem Deckungskapital befreit sei. Die Abfindung des Ausgedingsberechtigten durch einen Kapitalsbetrag sei im Gesetz nicht vorgesehen. Dass im Exekutionsverfahren über die Verwendung des Deckungskapitals abgesprochen werde, stehe der Prozessführung der Klägerin nicht entgegen. Die Ergebnisse des Exekutionsverfahrens seien für das Prozessverfahren nicht bindend. Die Klägerin könne daher ihre Mehransprüche geltend machen. Die Beklagte werde dadurch nicht benachteiligt, denn sie müsse insgesamt nicht mehr als die Zinsen aus dem Deckungskapital und allenfalls das gesamte Deckungskapital leisten. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht mit dem Fehlen einer einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern oder es aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, der Revision keine Folge zu geben, falls sie nicht wegen fehlender Zulässigkeit oder Verspätung ohnedies zurückzuweisen sei.

Die am 16. 4. 1984 zur Post gegebene Revision ist rechtzeitig, weil das Berufungsurteil dem Beklagtenvertreter erst am 19. 3. 1984 zugestellt wurde.

Der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit der Revision ist zutreffend, weil es zu den strittigen Fragen, soweit überblickbar, tatsächlich eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt aber keine Berechtigung zu.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit gemäß § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO), so dass hinsichtlich der Höhe des Klagsanspruchs, zu welcher nur dieser Rechtsmittelgrund geltend gemacht wird, von der Entscheidung der Vorinstanzen auszugehen ist.

In ihrer Rechtsrüge verweist die Beklagte darauf, dass sowohl ihr als auch der Klägerin im Exekutionsverfahren das Recht zustehe, eine geänderte Verteilung des Meistbots zu beantragen, und dass sie nur zur Leistung jener Beträge verpflichtet sei, die im Rahmen des Exekutionsverfahrens als Wert des Ausgedinges bestimmt wurden. Es könne nämlich auf keinen Fall zutreffen, dass sie als Ersteherin mehr als das Meistbot entrichten müsse. Der Ersteher einer Liegenschaft, die mit einem Ausgedinge belastet sei, dürfe nicht derart unzumutbar dem Ausgedingsberechtigten ausgeliefert sein. Es fehle auch überhaupt an der Zulässigkeit des streitigen Rechtsweges. Zur Stützung ihrer Ansicht beruft sich die Beklagte unter anderem auch auf die Entscheidung 3 Ob 173/83 (Bestätigung des oben schon erwähnten Aufhebungsbeschlusses).

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Wenn eine Liegenschaft versteigert wird, in der im Grundbuch ein Ausgedinge einverleibt ist, kommen folgende Möglichkeiten in Betracht:

1.) Der Ersteher muss die dingliche Last nicht übernehmen und es kommt gemäß § 216 Abs 1 Z 4 EO zur Festsetzung eines „Entschädigungsanspruches“, welcher dem Ausgedingsberechtigten als Barbetrag zugewiesen wird. Hier wird die Last im Grundbuch gelöscht, der Ersteher haftet nicht für die Erfüllung der Last und trägt diesbezüglich kein Risiko, sondern es ist ausschließlich Sache des Ausgedingsberechtigten, auf eine ausreichende Bemessung des Entschädigungsbetrages hinzuwirken.

2.) Der Ersteher muss die dingliche Last ohne Anrechnung auf das Meistbot übernehmen. Hier wurde die Belastung mit dem Ausgedinge schon bei Ermittlung des Schätzwertes berücksichtigt (§ 144 Abs 2 EO). Die Last bleibt auch nach dem Zuschlag im vollen Umfange aufrecht und der Ersteher hat ab dem Zuschlagstag das Ausgedinge in voller Höhe neben dem Meistbot und zusätzlich zu diesem zu erfüllen. Es ist ausschließlich sein Risiko, wie hoch diese Ausgedingsleistungen in Zukunft sein werden.

3.) Der Ersteher muss die dingliche Last in Anrechnung auf das Meistbot übernehmen. Die dingliche Last bleibt auch in diesem Fall trotz des Zuschlags als solche aufrecht, der Ersteher kann aber zumindest nach der grundsätzlichen Konstruktion des Gesetzes bei seinem Anbot die Last unberücksichtigt lassen, denn das Meistbot ist hier das Entgelt für die lastenfreie Liegenschaft und der Ersteher wird für die Übernahme der Last aus dem Meistbot entschädigt.

a) Würde es sich um eine Last von unbeschränkter Dauer handeln (bei Ausgedingen an sich nicht vorkommend), so ist gemäß § 225 Abs 1 EO das der Last entsprechende Deckungskapital zu bestimmen, und dieses Deckungskapital wird dem Ersteher ausgefolgt. Diese Abfindungssumme stellt eine endgültige Bereinigung dar. Wenn der Wert der Last in Zukunft steigt oder fällt oder wenn sich der Zinssatz des vom Ersteher allenfalls zinstragend angelegten Deckungskapitals erniedrigt oder erhöht, geschieht dies immer zum Nachteil oder zum Vorteil des für die übernommene Last schon voll entschädigten Erstehers.

b) Handelt es sich um eine Last von beschränkter Dauer (was beim Ausgedinge den einzig vorstellbaren Fall darstellt und im § 226 Abs 1 EO auch ausdrücklich hervorgehoben wird), so ist gemäß § 225 Abs 2 EO aus dem Meistbot ein Deckungskapital zu bilden, das vom Exekutionsgericht zinstragend angelegt wird. Hier sollen die Zinsen für den vom Gesetz in erster Linie bedachten Fall, dass sich nämlich weder der Zinssatz bezüglich der zinstragenden Anlegung noch der jeweiligen Geldbedarf zur Befriedigung des Ausgedingsberechtigten ändern, die Entschädigung des Erstehers für die Übernahme der Last darstellen, während das Deckungskapital selbst grundsätzlich den Berechtigten zustehen soll, die dem Range nach nach dem Ausgedinge folgen. Sobald die Last erlischt (im Allgemeinen durch den Tod des Ausgedingsberechtigten), ist daher das freiwerdende Deckungskapital gemäß §§ 225 Abs 2 (219 Abs 2) EO nach Maßgabe der Priorität ihrer Ansprüche den Berechtigten, deren Ansprüche aus der Verteilungsmasse nicht mehr voll zum Zuge gelangt sind, in Ermangelung solcher dem Verpflichteten zu überweisen.

Bemerkt sei an dieser Stelle, dass die Last nicht etwa sofort nach Erfüllung der Versteigerungsbedingungen gelöscht wird, sondern trotz Erlag des Deckungskapitals bleibt die Last einverleibt und im Grundbuch wird lediglich angemerkt, dass zur Erfüllung des Ausgedinges ein Deckungskapital angelegt wurde (so auch 3 Ob 186/82 ergangen in der eingangs angeführten Exekutionssache). Daraus und vor allem aus dem Wesen der Schuldübernahme schlechthin ergibt sich aber auch schon, dass der Ersteher ab dem Zuschlagstage die Last des Ausgedinges voll zu tragen hat. Die Rechte des Ausgedingsberechtigten wurden durch die Übernahme der Last nicht verändert (§ 1407 Abs 1 ABGB). Erfüllt der Ersteher die berechtigten Forderungen des Ausgedingsberechtigten nicht, so kann dieser den Ersteher im Klagewege ebenso belangen, wie er dies gegenüber dem früheren Eigentümer (dem Verpflichteten im Versteigerungsverfahren) gegenüber tun hätte können. Weder die Ansätze bei der Schätzung der Liegenschaft noch die Wertansätze bei Ermittlung des Deckungskapitals im Verteilungsverfahren sind dabei maßgebend, sondern ausschließlich die laut Ausgedingsvertrag wirklich zustehenden Rechte. Von einer fehlenden Zulässigkeit des streitigen Rechtsweges kann daher keine Rede sein. Es spielt auch für den Ausgedingsberechtigten überhaupt keine Rolle, ob das Deckungskapital richtig bemessen wurde bzw ob die laufenden Zinsen aus der zinstragenden Anlegung desselben ausreichen, um seine Forderung zu erfüllen. Der Ersteher hat das Ausgedinge als eine nun ihn selbst treffende Last übernommen und muss es daher auch erfüllen. Von irgendeiner Unzumutbarkeit kann dabei keine Rede sein, denn dem Ersteher war klar, welche Last er übernahm.

Damit ist nichts über das Problem ausgesprochen, wer in einem solchen Fall letztlich die Veränderung der Wertansätze zu tragen hat.

Der Fall, was zu geschehen hat, wenn die Zinsen aus dem zinstragend angelegten Deckungskapital eines Tages nicht mehr ausreichen, um die laufenden Forderungen des Ausgedingsberechtigten zu erfüllen, aber der ebenso denkbare Fall, was zu geschehen hat, wenn diese Zinsen plötzlich höher als das Erfordernis zur Deckung des Ausgedinges sind, ist im Gesetz nicht geregelt.

Eine Lehrmeinung besagt, dass die Zinsen hier das endgültige Entgelt für die übernommene Last darstellen, so dass der Ersteher einerseits zu hohe Zinsen ungeschmälert erhält, aber andererseits bei zu niedrig gewordenen Zinsen keine weitere Entschädigung erhält, dass also der Ersteher ähnlich wie im obigen Fall 2) oder im obigen Fall 3 a) das volle Risiko für das weitere Schicksal der übernommenen Last trägt (Lehmann, Zwangsversteigerung 387; Neumann-Lichtblau 3 738). Eine andere Auffassung besagt, dass dem Ersteher, wenn die Last drückender wird oder der Zinsertrag sinkt, auch aus dem Deckungskapital selbst jene Beträge auszufolgen sind, welche er benötigt, um die laufende Last zu erfüllen, dass er aber umgekehrt zu hoch gewordene Zinserträge (weil die Last weniger drückend wurde oder Zinsertrag stieg) an die Verteilungsmasse abzuführen hat (so Heller-Berger-Stix 1555 in Anlehnung vor allem an Hölzel in GH 1904 443 und 451).

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass damit der im § 226 Abs 2 EO geregelte Fall nicht zu verwechseln ist. Wenn die aus der Verteilungsmasse auf das Ausgedinge entfallende Deckung zu gering ist, um aus ihren Zinsen diese Leistung oder ihren Geldwert voll zu berichtigen, so darf der Ersteher die zur unverkürzten Aufrechterhaltung der Ausgedingsleistungen erforderlichen Ergänzungsbeträge aus dem Deckungskapital entnehmen. Ist dieser Art das Deckungskapital erschöpft, so erlischt die Last, weil diese eben von vornherein nicht mehr Deckung im Meistbot fand und daher teilweise keiner dinglichen Sicherung teilhaftig war. Hier reichen die Zinsen also nicht deshalb aus, um die Leistungen des Ausgedingsberechtigten zu erfüllen, weil sich die Ansprüche desselben nachträglich erhöhten oder die Zinserträge nachträglich sanken, sondern weil von vornherein keine volle Deckung bestand. Immerhin ist aber gerade auch aus § 226 Abs 2 EO zu ersehen, dass der Ersteher des Ausgedingsberechtigten die ihm kraft des übernommenen Ausgedinges gebührenden Leistungen grundsätzlich in vollem Umfange zu leisten hat. Erst wenn das Deckungskapital, das von vornherein zu klein war, voll erschöpft ist, ist dem Ersteher die Löschung der Last zu bewilligen (Heller-Berger-Stix 1560).

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner schon zitierten Entscheidung 3 Ob 173/83 für die Auffassung von Hölzel und Heller-Berger-Stix ausgesprochen. Der Ersteher wird also im Rahmen des Exekutionsverfahrens entsprechende Ergänzungsbeträge aus dem Deckungskapital erhalten. Welche Ansprüche bestehen werden, wenn auch dieses Kapital dadurch in der Zukunft einmal aufgebraucht sein sollte, muss jetzt noch nicht erörtert werden (so dass auch nicht dazu Stellung zu nehmen ist, ob dann der Ersteher wirklich von der weiteren Ausgedingsleistung befreit ist, wie die zweite Instanz meint), weil die Klagssumme im noch vorhandenen Deckungskapital leicht Deckung findet.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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