OGH 8Ob537/84

OGH8Ob537/8420.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Eva Maria S*****, vertreten durch Dr. Johann Herndlhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Peer S*****, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (§§ 81 ff EheG), infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Mai 1983, GZ 43 R 443/83‑32, womit Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 2. Februar 1983, GZ 9 F 9/81‑28, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00537.840.0620.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

 

Begründung:

Nach Scheidung der Ehe beantragte die Antragstellerin, „das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse aufgrund der §§ 81 ff EheG aufzuteilen“, wobei im Antrag wohl eine Aufstellung der Sachen enthalten ist, die nach Ansicht der Antragstellerin zur Aufteilungsmasse gehören, jedoch nicht zu entnehmen ist, in welcher Form diese Aufteilung angestrebt wird.

Der Antragsgegner sprach sich gegen dieses Begehren im Wesentlichen mit der Begründung aus, dass die ins Treffen geführten Sachen nicht der Aufteilung in diesem Verfahren unterlägen.

In ihrer Gegenäußerung gestand die Antragstellerin zu, dass die Wohnung, welche die Gatten in der Folge benützten, vom Antragsgegner in die Ehe eingebracht worden sei, weshalb sie darauf keinen Anspruch erhebe.

In der Tagsatzung vom 11. 11. 1982 stellte die Antragstellerin klar, dass sie auf eine Realteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im Sinne einer Zuweisung einzelner Sachen keinen Wert lege, sondern die gesamte Aufteilungsmasse dem Gegner überlassen wolle, dafür aber dessen Verpflichtung zu einer Ausgleichszahlung wünsche, bezüglich deren Höhe allerdings keine Angaben gemacht wurden.

Das Erstgericht verpflichtete die Antragstellerin, sämtliche für die Übertragung und Einverleibung ihres Eigentumsanteils an der Liegenschaft EZ *****, KG *****, zugunsten des Antragsgegners erforderlichen Erklärungen abzugeben (Punkt 1.), wies im Übrigen den Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens ab (Punkt 2.) und erklärte, dass jede Partei ihre Verfahrenskosten selbst zu tragen habe Punkt 3.

Aus der rechtlichen Beurteilung des erstgerichtlichen Beschlusses ist zu entnehmen, dass die Absicht des Erstgerichts dahin ging, sämtliche in die Aufteilungsmasse fallenden Sachen allein dem Antragsgegner zuzuweisen und von dessen Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung mangels entsprechender Mittel Abstand zu nehmen.

Den gegen diesen Beschluss gerichteten Rekurs der Antragstellerin wies das Gericht zweiter Instanz als unzulässig zurück. Das Rekursgericht führte aus, wenn auch im außerstreitigen Verfahren weniger strenge Formerfordernisse gälten als im förmlichen Zivilprozess, sei es dennoch notwendig, dass der Rechtsmittelwerber zum Ausdruck bringe, welche Entscheidung er bekämpfe, inwieweit sie angefochten werde und welchen Teil davon er allenfalls in Rechtskraft erwachsen lassen wolle (Anfechtungserklärung), wodurch er sich beschwert erachte (Anfechtungsgründe) und welche andere Entscheidung er anstelle der bekämpften begehre (Rekursantrag). Seien diese Mindesterfordernisse eines Rechtsmittels weder seinen Ausführungen noch auch im Zusammenhalt damit aus dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmen, bestehe keine Möglichkeit, den Rekurs einer Sachentscheidung zuzuführen. Die Anfechtungserklärung des Rekurses beziehe sich im vorliegenden Fall auf den gesamten Inhalt des bekämpften Beschlusses. Damit stehe allerdings das erstinstanzliche Vorbringen der Rekurswerberin in Widerspruch, wonach keine Zuweisung von Sachen der Verteilungsmasse begehrt, vielmehr deren Überlassung an den Gegner zugestanden, dafür aber die Zuerkennung einer ziffernmäßig nicht präzisierten Ausgleichszahlung verlangt werde. In diesem Sinne könnte demnach angenommen werden, dass die Zuweisung des Liegenschaftseigentums der Antragstellerin an den Gegner nicht bekämpft werden, der Beschluss in seinem Punkt 1. daher in Rechtskraft erwachsen sollte. Dafür sprächen auch die Rekursausführungen, die im Wesentlichen in Richtung einer Verpflichtung des Mannes zur Leistung einer Ausgleichszahlung, und zwar auch in Ansehung des Liegenschaftseigentums argumentieren. Damit sei allerdings der Rekursantrag nicht in Einklang zu bringen, welcher die „Aufteilung“, somit augenscheinlich doch wieder die Realteilung, des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse anstrebe, wobei der ganz allgemein gehaltenen und in keiner Weise präzisierten Formulierung nicht zu entnehmen sei, wie diese Aufteilung nach dem Willen der Rechtsmittelwerberin im Einzelnen erfolgen sollte. Es erweise sich daher das Rechtsmittel in seiner Gesamtheit als zu wenig präzisiert, um als Grundlage für eine Sachentscheidung zu taugen, weshalb es als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei,

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Revisonsrekurs der Antragstellerin aus dem Anfechtungsgrund der „offenbaren Gesetzwidrigkeit“ bzw der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Rekursgericht eine Sachentscheidung aufzutragen.

In seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Antragsgegner, dem Revisonsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekursbeantwortung war als unzulässig zurückzuweisen, weil die Sonderbestimmungen des § 231 Abs 2 AußStrG über die Rekursbeantwortung nur auf die Anfechtung von Sachentscheidungen im Aufteilungsverfahren anzuwenden sind, im vorliegenden Fall jedoch eine Formalentscheidung des Rekursgerichts vorliegt (vgl JBl 1980, 601 ua).

Der gegen den Zurückweisungsbeschluss erhobene Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Die Bestimmung des § 232 Abs 1 AußStrG, die die Zulässigkeit eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof gegen Entscheidungen des Rekursgerichts über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse von einem Zulassungsausspruch der zweiten Instanz abhängig macht, betrifft nur Sachentscheidungen. Für andere Entscheidungen gelten, jedenfalls soweit sie das Verfahren aus formalen Gründen beenden, die allgemeinen Bestimmungen über das Außerstreitverfahren (§§ 14, 16 AußStrG). Da das Rekursgericht eine Formalentscheidung fällte, ist der Rekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig (JBl 1981, 483 ua).

Die Antragstellerin führt in ihrem Revisionsrekurs aus, sie habe in ihren Rekursausführungen den Zuspruch einer Ausgleichszahlung gefordert. Der Begriff der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse schließe auch eine Ausgleichszahlung ein. Nach den vom Gesetzgeber normierten Aufteilungsgrundsätzen „nach Billigkeit“ und den weitreichenden gerichtlichen Anordnungs‑ und Gestaltungsbefugnissen stehe es ihr überhaupt nicht zu, im Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ganz präzise Begehren zu stellen, weil ja sonst das Gericht ihr bestimmtes Begehren abweisen müsste, wenn es nach Billigkeit eine andere Anordnung für sachgerecht hielte und so gar nicht dem Auftrag und der Absicht des Gesetzgebers entsprechend das eheliche Gebrauchsvermögen und die Ersparnisse nach Billigkeit unter Ausgleich allfälliger Benachteiligungen und Auflegung billiger Ausgleichszahlungen aufgrund der §§ 81 ff EheG entscheiden könnte.

Hiezu ist Folgendes zu bemerken: Im Rekursverfahren sind an die Rechtsmittelerfordernisse weniger strenge Anforderungen zu stellen als im Berufungs‑ und Revisionsverfahren. Dies gilt insbesondere für die nach den Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen zu beurteilenden Rechtsmittel, weil dieses Verfahren strengen Formerfordernissen ganz allgemein nicht jene Bedeutung zumisst wie die ZPO (JBl 1981, 489; JBl 1979, 41; JBl 1970, 381 ua). Es reicht daher aus, wenn der Einschreiter deutlich zu erkennen gibt, dass er die Überprüfung einer bestimmten gerichtlichen Entscheidung begehrt und inwieweit und warum er diese Entscheidung nicht annimmt (JBl 1981, 489 mwN; 3 Ob 546/83 ua). Allerdings müssen die Grenzen der Anfechtung jedenfalls dann, wenn die angefochtene Entscheidung einer Teilrechtskraft fähig ist, hinlänglich deutlich erkennbar sein, was grundsätzlich auch für Entscheidungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse zutrifft (5 Ob 706/82, 1 Ob 705/83 ua).

Die Anfechtungserklärung des Rekurses der Antragstellerin bezieht sich auf den gesamten Inhalt des erstgerichtlichen Beschlusses. Im Rekursantrag verweist sie auf ihre Rekursausführungen und beantragt, „den angefochtenen Beschluss aufzuheben und in der Sache nach Billigkeit und nach entsprechendem Gesetz neu zu erkennen und daher die Entscheidung dahingehend abzuändern, dass ihrem Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse stattgegeben werde.“ In ihren Rekursausführungen wendet sich die Antragstellerin vor allem gegen die Auffassung des Erstgerichts, dass dem Antragsgegner mangels entsprechender Mittel keine Ausgleichszahlung auferlegt werden könne. Sie führt unter anderem aus, eine solche Ausgleichszahlung sei dem Antragsgegner auch zumutbar, weil er von den ehelichen Ersparnissen im Jahre 1979 einen Pkw gekauft habe und auch das Sparbuch der Ersten Österreichischen Spar‑Casse in die Aufteilung einzubeziehen sei. Die Auferlegung einer Ausgleichszahlung gelte nicht nur hinsichtlich der in der Ehewohnung befindlichen Gebrauchsgegenstände, sondern auch für die in der Ehe angeschaffte Liegenschaft, hinsichtlich derer die Antragstellerin als Hälfteeigentümerin nicht entschädigungslos enteignet werden dürfte. Bezüglich der Liegenschaftshälfte der Antragstellerin könnte auch eine Benützungsregelung, die ihr das Miteigentum an der Liegenschaft erhalte, in Betracht gezogen werden.

Aus diesen Rekursausführungen ergibt sich, dass die Antragstellerin den erstgerichtlichen Beschluss seinem ganzen Inhalt nach, also auch dessen Punkt 1. anficht, sodass Teilrechtskraft nicht eingetreten ist und, dass sie sich insbesondere durch die Verweigerung einer Ausgleichszahlung nach § 94 EheG beschwert erachtet. Der Rekurs der Antragstellerin lässt daher unter Heranziehung seiner Ausführungen sowohl den Umfang der Anfechtung als auch die von ihr begehrte abändernde Entscheidung im Sinne der Auferlegung einer der Billigkeit entsprechenden Ausgleichszahlung, anderenfalls einer Benützungsregelung unter Aufrechterhaltung des Miteigentums der Antragstellerin an der gemeinschaftlichen Liegenschaft gerade noch mit hinreichender Deutlichkeit erkennen. Der Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts war daher aufzuheben und der zweiten Instanz eine Sachentscheidung über den Rekurs der Antragstellerin aufzutragen.

Mit Rücksicht auf die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses waren die Kosten des Revisionsrekurses als weitere Kosten des Rekursverfahrens zu erklären, weil kostenrechtliche Billigkeitserwägungen im Sinn des § 234 AußStrG erst nach Abschluss des Verfahrens angestellt werden können (vgl JBl 1980, 536 ua).

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