OGH 13Os82/84

OGH13Os82/8414.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Schneider, Dr. Felzmann (Berichterstatter) und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Starlinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 15, 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 15. März 1984, GZ 3 b Vr 8745/83-60, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Gerö, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3. Februar 1949 geborene Josef A des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 15, 202 Abs 1 StGB (1), des Vergehens der versuchten Nötigung nach § 15, 105 Abs 1 StGB (2) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt. Darnach hat er am 5. August 1983 in Wien versucht, Brigitte B durch die öußerungen, er werde sie, wenn sie nicht mit ihm heimgehe, auf der Mauer 'schustern', sowie, wenn sie sich jetzt nicht von ihm 'schustern' lasse, steche er sie ab bzw. werfe er sie da (gemeint über eine Brüstung) hinunter, wobei er ein Fixiermesser in Händen hielt, durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen (1) und Brigitte B durch die öußerung, wenn sie die Jacke nicht ausziehe, werde er diese aufschlitzen, wobei er wiederum das Fixiermesser in der Hand hielt, durch gefährliche Drohung zum kurzfristigen überlassen der Jacke an Johann J*** zu nötigen (2). Weiters hat er (schon vorher) Said Ali Abdel C dadurch, daß er sein Fixiermesser hervorholte und äußerte, er werde ihn abstechen, gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen (3).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch wendet sich der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 7, 8 und 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Mit weitwendigen Ausführungen zur Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) versucht der Beschwerdeführer die vom Erstgericht als augenscheinlich unwahr abgelehnten Bekundungen des Zeugen Johann D sowie seine eigene Verantwortung als glaubwürdig hinzustellen, die Richtigkeit der als Urteilsgrundlage herangezogenen Angaben der Zeugin Brigitte B aber in Zweifel zu ziehen, indem auf widersprüchliche Aussagendetails hingewiesen wird.

Die Tatrichter haben sich jedoch ohnehin mit den einzelnen Unstimmigkeiten in der Aussage dieser Hauptbelastungszeugin, welche allerdings keine entscheidungswesentlichen Umstände betreffen, auseinandergesetzt und in der von der Prozeßordnung vorgeschriebenen gedrängten Form (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ihre überzeugung von der grundsätzlichen Richtigkeit dieser Zeugenaussage und der Unglaubwürdigkeit der leugnenden Einlassungen des Angeklagten und der sie stützenden Depositionen des erst mühsam ausgeforschten Zeugen D dargelegt. Auf diese denkrichtige und aktengetreue Begründung ist der Beschwerdeführer auch mit seinem weiteren Einwand zu verweisen, aus den vorliegenden Umständen hätten auch andere Schlüsse gezogen werden können und die Schlußfolgerungen des Gerichts seien nicht zwingend, weil damit ein im Rang einer Nichtigkeit stehender Begründungsmangel ebenfalls nicht aufgezeigt werden kann. Das Gericht hat jedenfalls alle entscheidungswesentlichen Feststellungen im Rahmen der nur ihm zustehenden freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) hinreichend begründet und sich hiebei auch mit den seinen Urteilsannahmen nicht entsprechenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt.

Diese Beweiswürdigung ist - wie auch die Beschwerde andeutet - im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren unanfechtbar. Den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 7 StPO erblickt der Beschwerdeführer darin, daß das Schöffengericht, obwohl der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft bereits in der Hauptverhandlung am 20. Dezember 1983

den Anklagevorwurf des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1

StGB, begangen am Zeugen Said Ali Abdel C (Punkt 4 der Anklageschrift - ON. 23) zurückgezogen hatte (S. 240), keinen Freispruch gemäß § 259 Z 2

StPO gefällt hat.

Dieser Einwand versagt aus mehreren Gründen: Der Beschwerdeführer ist nämlich gar nicht berechtigt, den ihm zum Vorteil gereichenden, in der Urteilsbegründung ausdrücklich festgestellten Umstand, daß er mangels aufrechter Anklage wegen der (als erwiesen angenommenen) vorsätzlichen leichten Verletzung des C nicht verurteilt werden kann (S. 313), als Nichtigkeitsgrund geltend zu machen. Im übrigen stünde die Unterlassung eines formellen Freispruchs im Urteilstenor nicht unter Nichtigkeitssanktion (vgl. zu all dem Mayerhofer-Rieder, E. 1, 8, 9 zu § 281 Z 7 StPO). Abgesehen davon, hat das Gericht nach der Vertagung dieser Hauptverhandlung am 5. Jänner 1984 freilich verfehlt (anders bei Anklagerückziehung außerhalb der Hauptverhandlung - SSt. 48/14), einen auf § 227 StPO gestützten (übrigens den Parteien nicht zugestellten) Einstellungsbeschluß gefaßt (ON. 50). Der nach Ablauf der Monatsfrist neu durchgeführten Hauptverhandlung am 15. März 1984 lag somit eine diesbezügliche Anklage (von der richtigerweise gemäß § 259 Z 2 StPO freizusprechen gewesen wäre) gar nicht mehr zugrunde. Eine Anklageüberschreitung (§ 281 Abs 1 Z 8 StPO) sieht der Beschwerdeführer darin, daß im Urteilsspruch wegen § 15, 202 Abs 1 StGB

(1) neben den bereits in der Anklageschrift enthaltenen Tathandlungen auch die weitere Drohung aufscheint: 'Wenn sie sich jetzt nicht von ihm schustern lasse, steche er sie ab'; ist damit aber nicht im Recht.

Gegenstand der Anklage ist immer ein bestimmtes historisches Ereignis, an dem sich nach der Ansicht des Anklägers der Angeklagte in strafrechtlich relevanter Form beteiligt (§ 12 StGB) hat. Die einzelnen Phasen und Modalitäten des Tatgeschehens hat das Gericht auf Grund seiner aus den Beweisergebnissen denkrichtig abgeleiteten überzeugung eigenständig festzustellen und rechtlich zu beurteilen. An die Auffassung des Anklägers über den konkreten Tatablauf und dessen rechtliche Beurteilung ist das Gericht nicht gebunden (§ 262, 267 StPO; LSK. 1983/83 u.v.a.). Von einer Anklageüberschreitung kann somit keine Rede sein, wenn das Gericht den Wortlaut oder Umfang einer gefährlichen Drohung abweichend von der Anklageschrift feststellt.

Gleiches gilt auch für den weiteren Einwand, eine überschreitung der Anklage läge auch darin, daß die zur Individualisierung des Vergehens nach § 107 Abs 1 StGB im Urteilsspruch geschilderte Tat (3), ebenfalls abweichend vom Anklagetenor (S. 136), darin erblickt wird, daß der Angeklagte 'sein Fixiermesser hervorholte und äußerte, er werde ihn (C) abstechen'. Auch in diesem Fall blieb die schließlich im Detail als erwiesen angenommene Tathandlung durchaus im Rahmen des von der Anklagebehörde inkriminierten deliktischen Gesamtgeschehens. In Ausführung seiner Rechtsrüge vertritt der Beschwerdeführer zunächst - gestützt auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO - die Auffassung, das ihm als Verbrechen nach § 15, 202 Abs 1

StGB angelastete Verhalten stelle bloß eine Vorbereitungshandlung, nicht aber schon einen strafbaren Versuch dieses Verbrechens dar. Ausgehend von den Konstatierungen, daß der Angeklagte durch längere Zeit hindurch, teilweise mit einem Fixiermesser in Händen, sein Opfer gegen eine niedrige Mauer, hinter der sich ein Abgrund befindet, drückte und Brigitte B drohte, er werde sie, wenn sie nicht mit ihm heimgehe, auf dieser Mauer 'schustern' (mit ihr einen Geschlechtsverkehr gewaltsam durchführen) bzw., wenn sie sich jetzt nicht von ihm 'schustern' lasse, dann steche er sie ab und werfe sie über die Brüstung hinunter (S. 313, 314), kann wohl von einer bloßen Vorbereitungshandlung nicht mehr gesprochen werden. Die Tat war vielmehr bereits bis in das unmittelbare Vorfeld ihrer Ausführung gediehen, und zwar sowohl nach dem subjektiven (augenscheinlich sehr intensiven) Tatplan des Angeklagten als auch objektiv, weil Josef A schließlich gewillt war, den Beischlaf an Ort und Stelle durchzuführen, somit dem Beginn der Tatausführung weder räumlich noch zeitlich etwas entgegenstand (LSK. 1979/324, 1982/22). Entgegen dem Beschwerdevorbringen gingen die festgestellten Tathandlungen über eine bloße 'Ankündigung' weit hinaus, so daß die Rüge, insoweit sie diese Urteilskonstatierungen negierend das Vorliegen drohender öußerungen überhaupt bestreitet, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt wurde.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich vermeint, von dem ihm angelasteten Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf freiwillig zurückgetreten (§ 16 Abs 1 StGB) zu sein, weshalb das Urteil mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO behaftet sei, ist er ebenfalls nicht im Recht. Nach den eindeutigen Urteilsfeststellungen ließ er von seinem verbrecherischen Vorhaben erst ab, als der Zeuge C mit einem auf einer Baustelle vorgefundenen Brett bewaffnet sich näherte, um dem Mädchen zu Hilfe zu kommen, und er sich nunmehr der sofortigen Tatausübung außerstande wähnte (S. 315, 319). Rücktritt vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB kann aber nur für sich in Anspruch nehmen, wer freiwillig die Ausführung der Tat aufgibt, obwohl er nach seinem Dafürhalten sie noch mit Erfolg ausführen könnte (EvBl 1976/98, SSt. 48/28 u.v.a.). Wer aber von seinem Vorhaben nur deshalb abläßt, weil ihm ein äußeres Hindernis die Vollendung der Tat nicht mehr als möglich erscheinen oder ihn nicht mehr an die Durchführbarkeit seines Vorhabens glauben läßt, kann diesen Strafaufhebungsgrund nicht mit Erfolg für sich reklamieren. Eben dies trifft aber auf den Angeklagten zu, der erst beim Auftauchen des mit einem Holzbrett bewaffneten Zeugen C von der Tatvollendung Abstand genommen hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 202 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zweidreiviertel Jahren und wertete bei der Strafzumessung als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, die die Anwendung des § 39 StGB gerechtfertigt hätten, das Zusammentreffen dreier Delikte sowie den raschen Rückfall (letzte Strafverbüßung bis 11. Februar 1983), als mildernd hingegen nur, daß es in zwei Fällen beim Versuch geblieben ist.

Dem Begehren der Berufung, die Strafe wesentlich herabzusetzen, kann ein Erfolg nicht beschieden sein.

Den Berufungsausführungen, die sich fast ausschließlich gegen den Ausspruch wenden, daß der Berufungswerber wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Straftaten wiederholt vorbestraft sei und bei ihm § 39

StGB angewendet werden könnte, ist grundsätzlich entgegenzuhalten, daß die Strafe nur innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens des § 202 Abs 1 StGB (6 Monate bis 5 Jahre) ausgemessen wurde. Wenngleich also die Möglichkeit der Strafschärfung nicht ausgenützt wurde, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der durch zahlreiche, in rascher Aufeinanderfolge abgeurteilte Straftaten markierte Lebensweg des Berufungswerbers zu Gewalttätigkeit und asozialer Lebensweise tendierende Charaktermängel offenkundig macht. Unter Zugrundelegung der Legaldefinition des § 71 StGB trifft der diesem Vorleben des Angeklagten vom Erstgericht bei der Bewertung des Schuldgehalts seiner Taten zugewiesene Stellenwert ebenso zu wie die daraus resultierende negative Prognose und der Unrechtsgehalt der zusammentreffenden Gewaltdelikte eine entsprechende Ahndung erfordern. Es besteht somit keine Veranlassung, diese Strafzumessung zu korrigieren.

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