Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch des Gerhard A aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde u.a. Gerhard A von der wider ihn erhobenen Anklage, am 1.Mai 1982 (richtig: am 15.Mai 1982) in Wien in Gesellschaft der - mit demselben Urteil vom Anklagevorwurf wegen Diebstahls gleichfalls freigesprochenen - Mitangeklagten Harald B und Margarita S*** als Beteiligte (§ 12 StGB) der Wilhelmine C durch Einbruch in deren Wohnung (in Wien 5., Margaretenstraße 102/2/26) ein Radiogerät, Marke Philips, einen schwarzen Persianer-Damenmantel, ein Ölgemälde mit Goldrahmen, ein Silberbesteck, eine Vase mit chinesischem Motiv, eine handgemalte Vase mit dem Motiv einer jungen Frau, eine alte Kassette, eine Stehlampe, einen gußeisenen Kerzenhalter, einen handgeschnitzten Zwerg, ein Heiligenbild mit Samtrahmen, einen Kerzenleuchter aus Messing und sechs Obstmesser im Gesamtwert von etwa 30.000 S mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen und hiedurch das Vergehen (richtig: das Verbrechen) des schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Während der Freispruch der Mitangeklagten Harald B und Margarita S*** unangefochten blieb, bekämpft die Staatsanwaltschaft den Freispruch des Angeklagten Gerhard A mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.
Zutreffend verweist zunächst die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsrüge darauf, daß dem Ersturteil nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen sei, auf welche Erwägungen letztlich das Erstgericht den Freispruch des Angeklagten A gründet. In diesem Zusammenhang werden Feststellungsmängel des angefochtenen Urteils in tatsachenmäßiger Beziehung, insbesondere zur subjektiven Tatseite, aufgezeigt.
Da die Geschädigte Wilhelmine C nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen (vgl. S. 326 d.A.) die Adoptivmutter der Mutter des Angeklagten A ist, somit zwischen diesem Angeklagten und Wilhelmine C selbst kein Wahlkindschaftsverhältnis besteht, zählt die Letztgenannte nicht zu dem im § 72 Abs. 1 StGB angeführten Personenkreis der (nahen) Angehörigen (vgl. Leukauf- Steininger, Komm. zum StGB 2 , RN. 9 zu § 72
StGB). Schon aus diesem Grund kommt eine im Ersturteil (vgl. S. 327) letztlich offengebliebene Tatbeurteilung als Privatanklagedelikt nach § 166
StGB und ein sich daraus ergebender Freispruchsgrund (gemäß § 259 Z. 1
StPO, mangels Vorliegens einer Privatanklage der Wilhelmine C) nicht in Betracht, ganz abgesehen davon, daß nach der Aktenlage eine auch noch zur Tatzeit zwischen dem Angeklagten A und Wilhelmine C aufrechte Hausgemeinschaft ersichtlich nicht mehr gegeben war (vgl. S. 28, 55, 56 und 121, 122 d.A.).
Das Erstgericht stellte zwar ein gewaltsames Eindringen des Angeklagten A am 14.Mai 1982 in die Wiener Wohnung der Wilhelmine C (durch Herausbrechen einer Holztafel der Wohnungstüre) fest (S. 325 d. A.) und nahm auch als erwiesen an, daß der Angeklagte A am nächsten Tag verschiedene - im Ersturteil allerdings im einzelnen nicht näher angeführte -
Gegenstände aus dieser Wohnung verbrachte, diese Gegenstände anschließend auf dem Flohmarkt in Wien verkaufte und einen Tag später auch noch einen Persianer-Damenmantel aus der Wohnung der Wilhelmine C zu dem Mitangeklagten B brachte (S. 326 d.A.). Das Ersturteil läßt aber, abgesehen davon, daß darin offen blieb, ob beim Angeklagten A auch bereits im Zeitpunkte des gewaltsamen Eindringens in die Wohnung der Wilhelmine C ein auf Diebstahl von Gegenständen aus dieser Wohnung gerichtetes Vorhaben vorlag (§ 129 Z. 1 StGB), in dem vom Erstgericht ersichtlich für den Freispruch des Angeklagten A für bedeutsam erachteten Ausspruch, daß dieser Angeklagte subjektiv der Meinung gewesen sei, seine Vorgangsweise (gemeint: das Verbringen von Sachen aus der Wohnung der Wilhelmine C sowie die Veräußerung dieser Sachen) werde für ihn keinerlei (Rechts-) Folgen nach sich ziehen (S. 327, 328), eine mehrfache Deutung zu. Sollte das Erstgericht damit gemeint haben, daß der Angeklagte A die - gegen den Willen der Wilhelmine C vorgenommene - Sachentziehung bloß im Hinblick auf das zwischen der Geschädigten und der Mutter dieses Angeklagten bestehende Wahlkindschaftsverhältnis nicht für strafbar gehalten habe, könnte ihm ein schuldausschließender Rechtsirrtum in der Bedeutung des § 9 StGB schon deshalb nicht zustatten kommen, weil in diesem Fall der Angeklagte A in Wahrheit gar nicht darüber geirrt hätte, daß sein Tatverhalten rechtlich verboten war; sein Irrtum hätte in diesem Fall vielmehr nur darin bestanden, daß er seine Straflosigkeit auf Grund einer von ihm fälschlich angenommenen Privilegierung der Tat infolge eines in Wahrheit nicht bestehenden Angehörigenverhältnisses zwischen ihm und der Bestohlenen für gegeben erachtete. Dieser Umstand berührt aber nicht das bei der Tatbegehung vorgelegene Unrechtsbewußtsein des Angeklagten A und auch nicht die Rechtswidrigkeit der Tat an sich, sondern stellt vielmehr nur einen unbeachtlichen Irrtum über die Strafbarkeit seines Verhaltens dar (vgl. EvBl.
1981/27, Liebscher im WK., RZ. 21 § 166 StGB und Leukauf-Steininger, Komm.
zum StGB 2 , § 9 StGB RN. 24 sowie § 166 StGB RN. 8). Sollte aber das Erstgericht mit dem Hinweis, der Angeklagte A sei subjektiv der Meinung gewesen, daß sein Tatverhalten für ihn keinerlei Folgen nach sich ziehen werde, gemeint haben, er habe bloß mit einer Diebstahlsanzeige des Geschädigten nicht gerechnet, würde dies allein einen Freispruch dieses Angeklagten vom Anklagevorwurf des Diebstahls nicht rechtfertigen; anders, wenn damit zum Ausdruck gebracht werden sollte - wofür allerdings auch eine hinreichende Begründung fehlt -, der Angeklagte A habe sich zur Wegnahme der Sachen aus der Wohnung der Wilhelmine C (etwa infolge eines von ihm angenommenen stillschweigenden Einverständnisses der Genannten hiezu) berechtigt gefühlt.
Somit kann dem Ersturteil nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnommen werden, von welchen die subjektive Tatseite betreffenden Tatsachenfeststellungen das Schöffengericht bei dem Freispruch des Angeklagten A ausgegangen ist. Diese von der Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsrüge aufgezeigten Feststellungsmängel, die einer rechtlichen Überprüfung des Freispruches des Angeklagten A entgegenstehen, machen (in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des öffentlichen Anklägers) eine Aufhebung des - im Freispruch der Mitangeklagten Harald B und Margarita D weiterhin aufrecht bleibenden - Ersturteils in dem Gerhard A betreffenden Freispruch, sowie eine Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung unvermeidlich (§ 288 Abs. 2 Z. 3 letzter Satz StPO).
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