OGH 2Ob570/84

OGH2Ob570/845.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Angela L*****, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Johann L*****, vertreten durch Dr. Adalbert Resch, Rechtsanwalt in Linz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Februar 1984, GZ 3 b R 56/83-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 5. Oktober 1983, GZ 2 Cg 200/81-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat dem Beklagten die mit 2.953,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 268,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 21. 4. 1962 die Ehe, der vier in den Jahren 1963 bis 1968 geborene Kinder entstammen.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten und brachte vor, der Kläger habe sie beschimpft und misshandelt, habe ihr bei Führung der gemeinsamen Landwirtschaft nicht geholfen und habe, als die Klägerin durch die schwere Arbeit gesundheitlich geschädigt gewesen sei, jegliche Nachbarschaftshilfe verhindert. Der Beklagte leiste auch keinen Unterhalt.

Der Beklagte sprach sich nicht gegen eine Ehescheidung aus, beantragte jedoch den Anspruch des überwiegenden Verschuldens der Klägerin. Diese sei mit einer zeitgemäßen Sanierung der landwirtschaftlichen Gebäude nicht einverstanden gewesen und habe mit ihren Verwandten gegen jede wirtschaftliche Vernunft einen kostenaufwendigen Neubau des Wirtschaftsgebäudes durchgesetzt. Die Bewirtschaftung sei dadurch zeit- und arbeitsaufwendiger geworden. Die unerträgliche Arbeitslast und die finanziellen Verpflichtungen, deretwegen der Beklagte eine Beschäftigung bei der Post habe annehmen müssen, seien Ursache ständiger Streitigkeiten geworden. Die Klägerin habe auch auf den Neubau eines viel zu großen Wohnhauses bestanden. Diese Fehlplanungen und der Umstand, dass die Klägerin nur mehr in der Küche habe arbeiten können, habe die vermehrte Arbeitslast dem ohnehin berufstätigen Beklagten und den Kindern aufgebürdet. Die Klägerin sei zänkisch und lieblos. Sie habe ihre Haushalts- und Beistandspflicht verletzt. Auch sie habe den Beklagten beschimpft und gegenüber seiner Krankheit kein Verständnis aufgebracht.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten, sprach aus, dass auch die Klägerin ein Mitverschulden treffe, das Verschulden des Beklagten aber überwiege.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und strebt eine Abänderung dahin an, dass sie kein Mitverschulden treffe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen (AS 193 bis 201) ist Folgendes hervorzuheben:

Die Ehe war von Anfang an nicht gut. Die Ehegatten bewirtschafteten die von den Eltern des Beklagten übernommene Landwirtschaft gemeinsam, der Beklagte ging außerdem von Beginn der Ehe an auch einem anderen Erwerb nach. Derzeit ist er bei der Post beschäftigt und verdient monatlich ca 11.000 S netto. Die Klägerin bezog kein Einkommen, sie hatte jedoch Naturalien aus der Landwirtschaft und die Kinderbeihilfe zur Verfügung. Sie bekam vom Beklagten kein Haushaltsgeld; sie war am gemeinsamen Konto der Streitteile zeichnungsberechtigt, hob von dort aber nur viermal Geld ab. Schon seit Beginn der Ehe gab es Streitigkeiten zwischen den Ehegatten. Meist ging es darum, dass der Beklagte der Klägerin vorwarf, sie würde zu wenig arbeiten. Die Klägerin betreute den Haushalt und die Kinder und arbeitete auf dem Feld und im Stall mit. Der Beklagte bestellte vor allem die Felder und leistete umfangreiche Bauarbeiten am Wirtschafts- und Wohngebäude. Seine Einkünfte aus dem Nebenerwerb investierte er zum Großteil in die Landwirtschaft. Bezüglich Planung und Bau eines neuen Wirtschaftsgebäudes und eines Wohnhauses kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Streitteilen. Der Beklagte wollte die bestehenden Gebäude umbauen und sanieren. Die Klägerin und ihre Verwandten, die auf die Planung Einfluss nahmen, setzten jedoch die Errichtung neuer Gebäude durch. Der Beklagte war mit dem Neubau schließlich einverstanden, wollte aber ein kleineres Wohnhaus bauen. Die Klägerin ließ jedoch, ohne den Beklagten zu informieren, von einem Baumeister einen Einreichplan erstellen, der das Gebäude in der tatsächlich errichteten Form vorsah. Der Beklagte war damit schließlich einverstanden, insbesondere deshalb, weil der vorhandene Plan ohnehin bezahlt werden musste. Das neue Wohnhaus ist noch immer nicht fertig. Das Verhältnis des Beklagten zu den Verwandten und hier vor allem zu den Geschwistern der Klägerin war schlecht. Der Beklagte wollte die Verwandten der Klägerin nicht auf dem Hof haben und versuchte, sie auch vom Anwesen zu verweisen, was ihm jedoch nicht gelang. Es kam auch zu Streitigkeiten zwischen dem Beklagten und den Geschwistern der Klägerin. Der Grund für das schlechte Verhältnis des Beklagten zu den Verwandten der Klägerin lag darin, dass diese Einfluss auf Bauplanungen nahmen und die Klägerin gegen den Beklagten unterstützten, was diesen ärgerte und zu weiteren Vorhaltungen und Beschimpfungen gegen die Klägerin führte. Im Jahr 1970 kam es im Zuge der Bauarbeiten zu einem Streit, in dessen Verlauf der Beklagte die Klägerin schlug, sodass sie zu Boden stürzte. Der Beklagte ging weg, ohne sich um die Klägerin zu kümmern. Die beiden Schwestern der Klägerin und eine Nachbarin halfen während der Krankenhaus- und Kuraufenthalte der Klägerin, der Beklagte wollte dies jedoch nicht, er war der Meinung, er würde mit den Kindern allein zurechtkommen. Die Beschimpfungen der Klägerin durch den Beklagten waren bedeutend häufiger und heftiger als jene der Klägerin gegenüber dem Beklagten. Außerdem begann stets der Beklagte mit Schimpfworten der Klägerin gegenüber, diese schimpfte dann zurück. Zu Beginn der Ehe war die Klägerin noch voll arbeitsfähig. Erst im Zuge mehrerer Erkrankungen und Krankenhaus- bzw Kuraufenthalte ließ die Arbeitsfähigkeit der Klägerin stark nach und sie konnte in letzter Zeit nur noch sehr eingeschränkt Arbeiten verrichten. Die Klägerin befand sich im Jahr 1963 im Krankenhaus, ebenso im Jahr 1970. Im März 1971 und in den folgenden drei Jahren befand sich die Klägerin je einmal in Bad Hall auf Kur, in der Folge jedes zweite Jahr. 1981 erlitt die Klägerin in der Zeit vom Februar bis Juni zwei Lungeninfarkte und einen Herzinfarkt. Der Beklagte zeigte keinerlei Verständnis für die gesundheitlichen Gebrechen der Klägerin. Bei Krankenhausaufenthalten der Klägerin besuchte er sie fast nie. Als die Klägerin im Frühling 1981 in Bad Hall auf Kur war, ging es ihr sehr schlecht. Die Geschwister der Klägerin fuhren daraufhin nach Bad Hall, um sie zu besuchen. Der Beklagte wurde aufgefordert, mitzufahren, er erklärte jedoch, dass er nicht mitfahren werde, auch wenn die Klägerin verrecke. Nach der Rückkehr der Klägerin vom Krankenhaus bzw von Kuraufenthalten erkundigte der Beklagte sich auch nicht nach ihrem Gesundheitszustand, begrüßte sie nicht einmal, sondern bemerkte höchstens, dass sie ohnehin nicht so schlecht aussehe. Auch der Gesundheitszustand des Beklagten ist angegriffen, er hat Probleme mit dem Harnlassen und der Vorsteherdrüse und daher Schwierigkeiten, sich sauber zu halten. Die Klägerin brachte dem schlechten Gesundheitszustand des Beklagten meist auch kein Verständnis entgegen. Unterhosen wusch sich der Beklagte oft selbst, weil die Klägerin sie tagelang ungewaschen herumliegen ließ, wenn sie durch die Krankheit des Beklagten verschmutzt waren. Die Streitteile zeigen keinerlei eheliche Gefühle mehr füreinander, die Klägerin ist im Juni 1981 aus dem gemeinsamen Wohnhaus weggezogen und wohnt derzeit bei ihrem Bruder (was vom Beklagten nicht als Eheverfehlung geltend gemacht wurde). Es wurde kein Versuch unternommen, die Ehegemeinschaft wieder aufzunehmen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, Hauptgrund für die Zerrüttung der Ehe seien die Verständnislosigkeit und die Lieblosigkeit des Beklagten gewesen. Der Beklagte habe die im § 90 ABGB verankerte Beistandspflicht verletzt und damit schwere Eheverfehlungen iSd § 49 EheG begangen. Wohl lägen die Misshandlungen schon zu weit zurück, doch seien auch die ständigen Beschimpfungen als schwere Eheverfehlungen zu werten. Zwischen den Streitteilen sei eine Extremsituation vorgelegen. Die Klägerin sei ständig krank gewesen, der Beklagte habe zusätzliche Schichtarbeiten zu leisten gehabt. Die Überarbeitung beider Teile, die Krankheit und der finanzielle Engpaß hätten eine überaus schwierige Gesamtsituation geschaffen, in der auch der Klägerin Eheverfehlungen anzulasten seien. Die Klägerin habe die Einmengung der Verwandten in die Angelegenheiten der Streitteile gefördert oder zumindest geduldet. Bei der Planung und Ausführung der Bauarbeiten habe sie sich gegen den Beklagten durchgesetzt. Sie habe für die Krankheit des Beklagten Unverständnis gezeigt, es sei ihr aber zuzubilligen, dass sie von diesem Gebrechen nicht Genaueres gewusst habe. Ihre Beschimpfungen seien nur als Reaktion auf die Beschimpfungen durch den Beklagten feststellbar gewesen. Während der Beklagte in seiner Verständnislosigkeit aktiv geworden sei, habe die Klägerin ihre Verständnislosigkeit nur passiv gezeigt. Sie habe sich um die Probleme des Beklagten nicht gekümmert. Ihre Eheverfehlungen seien nicht so schwer wie jene des Beklagten.

Das Berufungsgericht führte zur Rechtsfrage aus, der Ausspruch überwiegenden Verschuldens erfolge ohnehin nur, wenn das Verschulden des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund trete. Soweit das überwiegende Verschulden des Beklagten ausgesprochen worden sei, sei der Unterschied der Verschuldensanteile bereits augenscheinlich hervorgetreten. Anderseits habe der Beklagte einen Rechtsanspruch auf Feststellung eines wenn auch noch so geringen Mitverschuldens der Klägerin. Alle Verstöße gegen die sich aus den §§ 90 und 91 ABGB ergebenden Verpflichtungen seien als Eheverfehlungen zu werten. Das Erstgericht habe nach einem eingehenden Verfahren aufgezeigt, wie die Klägerin die arbeitsmäßige und finanzielle Situation dadurch verschärft habe, dass sie großzügige Neubauten durchgesetzt habe. Hier hätte sie nicht dem Einfluss der Verwandten nachgeben dürfen, sondern sie hätte der gegebenen Situation Rechnung tragen müssen. Es liege auf der Hand, dass arbeitsmäßige Überlastung und ständige finanzielle Sorgen sowohl Gesundheit als auch Ehe zerrütten könnten. Soweit die Berufung hier nur auf die notwendige Betreuung durch die Verwandten während der Krankheit der Klägerin verweise, übergehe sie tieferliegende Ursachen des Zerwürfnisses. Das Erstgericht habe auch unmotivierte Einmischung aufgezeigt. Weiters habe sich die Klägerin in ihrer „passiven Verständnislosigkeit“ auch nicht um die Krankheit des Beklagten gekümmert. Auch er hätte offenbar der Schonung bedurft. Er habe aber die anfallenden Arbeiten fast allein verrichten müssen. Die Klägerin habe für die Probleme des Beklagten keine Zeit gehabt. Wenn aber beide Teile gewissermaßen Opfer der von wem immer herbeigeführten widrigen Umstände geworden seien, müsse auch der im Verhältnis zwar geringe Verschuldensanteil, aber allein doch eine schwere Eheverfehlung darstellende Verstoß gegen die Pflicht zum Beistand und zur anständigen Begegnung berücksichtigt werden. Richtig sei, dass Beschimpfungen, insoweit sie nur eine Reaktion auf das Verhalten des Beklagten darstellten, keine Eheverfehlungen der Klägerin seien. Dennoch erweise sich die Ansicht der Berufung nicht zutreffend, allein der Beklagte habe schwere Eheverfehlungen gesetzt.

Die Revisionswerberin vertritt die Ansicht, sie habe keine Eheverfehlungen gesetzt, auf die der Beklagte eine Ehescheidungsklage hätte stützen können, weshalb der Ausspruch eines Mitverschuldens nicht berechtigt sei. Der Klägerin seien nur geringfügige Verfehlungen vorgeworfen worden, die einen Mitschuldausspruch nicht rechtfertigen könnten. Das „Zurückschimpfen“ sei als Reaktionshandlung nicht zu berücksichtigen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die Klägerin habe großzügige Neubauten durchgesetzt, seien durch die Feststellungen nicht gedeckt. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin zu Beginn der Ehe gesund und voll arbeitsfähig gewesen sei, heute sei sie ein physisches und psychisches Wrack. Für die weitere psychische Existenz der Klägerin sei es nicht ohne Bedeutung, ob ihr Mitverschulden am Scheitern der Ehe festgestellt werde. Berücksichtige man die Feststellungen des Erstgerichts, dann reduziere sich der Vorwurf des Berufungsgerichts einer „passiven Verständnislosigkeit der Klägerin“ darauf, dass die Klägerin Unterhosen des Beklagten oft mehrere Tage nicht gewaschen habe. Da Schmutzwäsche allgemein nicht täglich gewaschen werde, könne daraus keine Vernachlässigung des Beklagten abgeleitet werden und nicht von einer passiven Verständnislosigkeit gesprochen werden. Hinsichtlich des Neubaus sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte damit schließlich einverstanden gewesen sei. Es kann der Klägerin nicht als Eheverfehlung angelastet werden, dass sie sich mit dem Neubau durchsetzte. Nicht gerechtfertigt sei der Vorwurf des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte die arbeitsmäßige und finanzielle Situation dadurch verschärft, dass sie großzügige Neubauten durchgesetzt habe. Zur Zeit der Neuerrichtung der Gebäude sei die Klägerin nämlich völlig gesund und arbeitsfähig gewesen. Der Klägerin könne nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht mit unvorhergesehenen Hindernissen gerechnet habe. Der Neubau des Wohngebäudes sei keinesfalls zu groß, vielmehr sei er für eine sechsköpfige Familie zu klein.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, hat ein Ehegatte einen Rechtsanspruch auf den Ausspruch eines wenn auch geringen Mitverschuldens des anderen Gatten (EFSlg 12.019, 15.987, 20.500 ua). Der Umstand, dass das Verschulden der klagenden Partei wesentlich geringer ist als das der beklagten Partei, steht ein Mitschuldausspruch nicht entgegen (EFSlg 15.988).

Bei Beurteilung der Frage, ob der Klägerin eine Eheverfehlung, die den Ausspruch ihres Mitverschuldens rechtfertigt, anzulasten ist, ist davon auszugehen, dass ihr Gesamtverhalten zu berücksichtigen ist. Dadurch kann auch eine Reihe von Handlungen und Unterlassungen, deren jede einzelne für sich betrachtet keine schwere Eheverfehlung darstellen muss, in ihrer Gesamtheit als solche gewertet werden (EFSlg 20.327). Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass eine Mehrheit an sich nicht schwerer Eheverfehlungen in ihrer Gesamtheit einen Scheidungsgrund bilden und damit einen entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe leisten kann (EFSlg 4854, 13.793, 36.299).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an und nimmt man darauf Bedacht, dass Eheverfehlungen Handlungen und Unterlassungen sind, die sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen Pflichten richten (EFSlg 33.898) und jedes Verhalten eines Ehegatten, das mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar ist, eine schwere Eheverfehlung iSd § 49 EheG darstellt (EFSlg 38.683), dann kann im Ausspruch eines Mitverschuldens der Klägerin kein Rechtsirrtum erblickt werden. Den Beschimpfungen des Beklagten durch die Klägerin kommt zwar keine Bedeutung zu, weil es sich hiebei stets um Reaktionen auf Beschimpfungen durch den Beklagten handelte. Der Umstand, dass die Klägerin dem schlechten Gesundheitszustand des Beklagten meist kein Verständnis entgegenbrachte und sich für den Gesundheitszustand ihres Gatten offensichtlich nicht interessierte, kann hingegen nicht unberücksichtigt bleiben. Dadurch kam eine Interesselosigkeit an ihrem Gatten und ein Mangel an ehelicher Gesinnung zum Ausdruck. Dieses Verhalten kann nicht damit entschuldigt werden, dass der Beklagte dem seit vielen Jahren andauernden schlechten Gesundheitszustand der Klägerin keine Beachtung schenkte und auf die Krankheiten seiner Frau lediglich damit reagierte, ihr vorzuwerfen, dass sie wenig arbeite. Von einer entschuldbaren Reaktionshandlung kann nämlich nur gesprochen werden, wenn sich ein Ehepartner in unmittelbarer Folge eines grob ehewidrigen Verhaltens des anderen Teils dazu hinreißen lässt, in einer verständlichen Gemütsbewegung seinerseits Eheverfehlungen zu setzen (EFSlg 41.178 uva). Aber auch dem Verhalten der Klägerin bei der Planung des Neubaus von Wirtschafts- und Wohngebäude kommt Bedeutung zu. Wesentlich ist hiebei insbesondere, dass die Klägerin ohne Wissen des Beklagten einen Baumeister mit der Herstellung des Plans eines Wohnhauses in einer Größe beauftragte, mit der der Beklagte nicht einverstanden war, die aber dem Wunsch der Klägerin und ihrer Geschwister entsprach. Dadurch verstieß sie gegen die Verpflichtung der einvernehmlichen Gestaltung der Lebensgemeinschaft und der gegenseitigen Rücksichtnahme. Daran kann der Umstand, dass der Beklagte - insbesondere wegen der für den Plan zu bezahlenden Kosten - mit der Errichtung des Wohnhauses dann doch einverstanden war, nichts zu ändern.

Somit ist auch der Klägerin insgesamt ein Verhalten, das mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar ist und somit eine schwere Eheverfehlung darstellt (EFSlg 38.683) vorzuwerfen, die den Ausspruch eines Mitverschuldens iSd § 60 Abs 3 EheG rechtfertigt.

Zutreffend lasteten daher die Vorinstanzen der Klägerin ein Mitverschulden an, weshalb ihrer Revision ein Erfolg versagt bleiben musste.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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