Spruch:
Wer ein gefälschtes Testament herstellt oder gebraucht (§ 223 StGB), ist nicht nach § 540 ABGB erbunwürdig; er kann dartun, daß er auch nicht iS des § 542 ABGB erbunwürdig ist, weil er nicht gegen den wahren Willen des Erblassers verstoßen hat
OGH 15. 5. 1984, 5 Ob 616/83 (KG Wiener Neustadt R 81/83; BG Baden 2 A 76/81)
Text
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 16. 3. 1981, 2 A 76/81-6, wurde die von Gertraude A auf Grund des erblasserischen Testamentes vom 8. 1. 1981 zum gesamten Nachlaß abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen, ihr Erbrecht auf Grund der unbedenklichen Angaben in der Todfallsaufnahme und des Testamentes vom 8. 1. 1981 für ausgewiesen erachtet und ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen. Am 21. 4. 1981 wurde vom Erstgericht die vom erblasserischen Witwer Friedrich M auf Grund des erblasserischen Testamentes vom 9. 2. 1981 zum gesamten Nachlaß abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen und am 23. 6. 1981 gemäß § 125 AußStrG der Gertraude A im Erbrechtsstreit gegen Friedrich M die Klägerrolle zugewiesen. Mit Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 25. 6. 1982 wurde Friedrich M des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 3 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres verurteilt, weil er am 26. 3. 1982 in B mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, versucht hat, den Richter des Bezirksgerichtes Baden über die Tatsache seines Erbrechtes nach der am 27. 2. 1981 verstorbenen Gertrud M durch Benützung einer falschen Urkunde zu täuschen und ihn zur Einantwortung der Verlassenschaft an ihn zu verleiten, wodurch Gertraude A an Vermögen in einem 100 000 S übersteigenden Betrag geschädigt werden sollte; Friedrich M hatte seinem Rechtsfreund eine nicht von der Hand der Gertrud M herrührende Urkunde mit dem Wortlaut "Testament Allein Erbe ist mein Gatte. 9. II. 1981, Gertrude M" zwecks Vorlage an das Bezirksgericht Baden im gegenständlichen Verlassenschaftsverfahren übergeben. Nach den Feststellungen des Strafurteiles hatte Friedrich M diese Urkunde entweder selbst geschrieben oder durch eine unbekannte Person schreiben und am 27. 3. 1981 durch seinen Rechtsfreund dem Bezirksgericht Baden unter gleichzeitiger Abgabe der bedingten Erbserklärung vorlegen lassen.
In dem von Gertraude A in Befolgung des ihr vom Verlassenschaftsgericht nach § 125 AußStrG erteilten Auftrages beim Kreisgericht Wr. Neustadt eingeleiteten Erbrechtsstreites wurde - gestützt auf dieses Straferkenntnis - festgestellt, daß das von Friedrich M am 27. 3. 1981 bei Gericht überreichte Testament ungültig sei und daß Gertraude A auf Grund des Testamentes vom 8. 1. 1981 das Erbrecht zum Nachlaß der verstorbenen Gertrud M zustehe. In diesem Urteil wurde festgestellt, daß der erblasserische Witwer das mit 9. 2. 1981 datierte und mit Gertrud M unterschriebene Testament entweder selbst schrieb oder durch eine unbekannte Person schreiben ließ. Am 22. 10. 1982 - also noch vor der am 7. 12. 1982 ergangenen Entscheidung im Erbrechtsstreit - erklärte der anwaltlich nicht mehr vertretene erblasserische Witwer vor dem Gerichtskommissär, daß die Erblasserin sei 1978 nicht mehr geschäfts- und testierfähig gewesen sei, die Testamente zugunsten der erblasserischen Nichte Gertraude A daher nicht gültig seien, sodaß die gesetzliche Erbfolge einzutreten habe. Er erklärte sodann, auf Grund des Gesetzes ohne Quotenbenennung die bedingte Erbserklärung abzugeben, und beantragte deren Annahme durch das Gericht. Die erbserklärte Testamentserbin Gertraude A stellte hierauf den Antrag, diese Erbserklärung des Witwers wegen erwiesener Erbunwürdigkeit zurückzuweisen, das Ergebnis des Erbrechtsstreites zur Kenntnis zu nehmen und ihr alleiniges Erbrecht als ausgewiesen zu erkennen.
Mit Beschluß des Erstgerichtes wurde (ua.) die vom erblasserischen Witwer Friedrich M vor dem Gerichtskommissär auf Grund des Gesetzes ohne Quote abgegebene bedingte Erbserklärung zurückgewiesen (Punkt 1), das Ergebnis des Erbrechtsstreites zur Kenntnis genommen (Punkt 2) und der Akt dem Gerichtskommissär zur Inventarisierung des Nachlasses übermittelt (Punkt 5). Zur Zurückweisung der Erbserklärung des Witwers führte das Erstgericht aus, daß jede weitere in der vorgeschriebenen Form abgegebene Erbserklärung vom Gericht anzunehmen sei, sofern nicht von vornherein feststehe, daß der Erbrechtstitel, auf den sie gegrundet sei, nicht zur Einantwortung des Nachlasses führen könne. Auf Grund des Urteiles des Kreisgerichtes Wr. Neustadt stehe fest, daß das mit 9. 2. 1981 datierte und mit Gertrud M unterschriebene Testament gefälscht und ungültig sei. Der erblasserische Witwer habe daher Handlungen gesetzt, um eine dem wahren Willen des Erblassers widersprechende Ordnung der Erbfolge herbeizuführen, und sei daher iS des § 542 ABGB erbunwürdig. Da die Erbunwürdigkeit den Erbunwürdigen von jeglicher Nachfolge in das Vermögen des Verstorbenen ausschließe, stehe bereits fest, daß die von Friedrich M auf Grund des Gesetzes abgegebene Erbserklärung nie zur Einantwortung des Nachlasses an ihn führen könne. Die Erbserklärung sei daher zurückzuweisen.
Das Rekursgericht gab dem vom erblasserischen Witwer gegen Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses erhobenen Rekurs Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung in diesem Punkte dahin ab, daß es die vom erblasserischen Witwer vor dem Gerichtskommissär auf Grund des Gesetzes ohne Quote abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht annahm. Das Rekursgericht billigte die Ansicht des Erstgerichtes, daß die im § 542 ABGB nicht ausdrücklich erwähnte Unterschiebung eines Testamentes unter diese Gesetzesstelle falle und jeder erbunwürdig iS des § 542 ABGB sei, der eine dem wahren Willen des Erblassers widersprechende Ordnung der Erbfolge herbeizuführen suche. Wer den wahren Willen des Erblassers zu verwirklichen bestrebt sei, werde jedoch nicht erbunwürdig, mag er sich auch ungehöriger Mittel bedient haben. Wer also den wahren Willen des Erblassers herbeiführen möchte, sich dabei aber strafgesetzlich verbotener Mittel bedient, könne dennoch nicht als erbunwürdig angesehen werden. Richtig sei auch, daß die Rechtsprechung die Zurückweisung einer Erbserklärung in sinngemäßer Auslegung der Vorschrift des § 122 AußStrG dann zuließe, wenn im vorhinein feststehe, daß auf Grund der Erbserklärung eine Einantwortung nicht erfolgen werde, weil der in der Erbserklärung behauptete Tatbestand ein Erbrecht zweifellos nicht begrunde. Das Abhandlungsgericht habe aber nicht zu prüfen, ob gegen das Erbrecht einer Person Bedenken bestehen. Eine Zurückweisung der Erbserklärung wegen Erbunwürdigkeit sei nicht Aufgabe des Abhandlungsgerichtes und komme daher nicht in Betracht. Es gebe keine Bestimmung, nach der es dem Verlassenschaftsrichter gestattet wäre zu entscheiden, ob einer Person ein Erbrecht zukomme. Nach §§ 125 ff. AußStrG habe vielmehr bei widersprechenden Erbserklärungen der Streitrichter zu entscheiden. Der Fall der Ausschließung vom Erbrecht unterscheide sich in keiner Weise von jenen Fällen, in welchen jemandem aus anderen Gründen ein solches nicht zukomme. Die Frage des Ausschlusses vom Erbrecht infolge Erbunwürdigkeit sei daher im Rechtsweg zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn eine strafgerichtliche Verurteilung des Erbansprechers wegen des Verbrechens des Betruges iS des § 542 ABGB vorliege. Es sei nicht auszuschließen, daß die Unterschiebung eines Testamentes zwar eine strafgerichtliche Verurteilung nach sich ziehe, aber dennoch nicht die Erbunwürdigkeit zur Folge habe. Ob hier ein solcher Fall vorliege, müsse daher einer Entscheidung im Rechtsweg vorbehalten bleiben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Gertraude A nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Revisionsrekurswerberin meint unter Hinweis auf die Ausführungen Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht[3] 39, daß die strafgerichtlich festgestellte Unterschiebung des letzten Willens der Erblasserin den erblasserischen Witwer auf alle Fälle erbunwürdig mache, und zwar auch dann, wenn damit der wahre Wille der Erblasserin zu verwirklichen versucht worden wäre. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Unterschiebung eines letzten Willens in Form der Urkundenfälschung ist seit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches wegen der nunmehr für dieses Delikt vorgesehenen Strafdrohung von nicht mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe (§ 223 StGB) nicht mehr dem § 540 ABGB zu unterstellen; sie kann nur im Wege der Analogie nach § 542 ABGB erbunwürdig machen (Kralik aaO). Diese Gesetzesbestimmung normiert den Ausschluß vom Erbrecht als Sanktion für Verfehlungen gegen den letzten Willen des Erblassers (vgl. Welser in Rummel, ABGB, Rdz. 1 zu § 542). Ist aber die Erbunwürdigkeit - unabhängig von der Tat selbst - nur dann gegeben, wenn sich die Handlungsweise, die sie bewirken soll, als Verstoß gegen den wahren Willen des Erblassers darstellt, so muß doch demjenigen, gegen den der äußere Schein der Sanktion des § 542 ABGB spricht, das Recht zugebilligt werden, trotz des strafgerichtlich festgestellten, von § 540 ABGB tatbestandsmäßig nicht umfaßten Verhaltens darzutun, daß seine Erbunwürdigkeit iS des § 542 ABGB dennoch nicht gegeben ist, es also trotz der strafgerichtlichen Verurteilung vom Erbrecht nach dem Erblasser nicht ausgeschlossen ist. Besteht aber diese Möglichkeit, dann darf das Verlassenschaftsgericht - iS der von der Rechtsmittelwerberin gar nicht angezweifelten Lehre und ständigen Rechtsprechung des OGH - die unter solchen Umständen abgegebene Erbserklärung nicht zurückweisen, die Klärung der Frage der Erbunwürdigkeit ist vielmehr im Rechtsweg herbeizuführen.
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