Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt 1. des Urteilssatzes und im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung nach § 38 StGB) aufgehoben sowie gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Kurt Johann A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, vermutlich am 4. Oktober 1983 in Graz eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag von 36.000 S der Christine B mit dem Vorsatz, sich durch Zueignung dieses Betrages unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen zu haben, gemäß § 259 Z 1
StPO freigesprochen.
Kurt Johann A wird für das ihm nach dem aufrecht gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallende Verbrechen der versuchten Erpressung nach § 15, 144 Abs. 1 StGB (Punkt 2.) nach § 144 Abs. 1 StGB zu 8 (acht) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.Dezember 1950 geborene, zuletzt beschäftigungslose Kurt Johann A (1.) des Vergehens des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und (2.) des Verbrechens der versuchten Erpressung nach Par 15, 144 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Graz (zu 1.) vermutlich am 4. Oktober 1983 der Christine B einen Bargeldbetrag von 36.000 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, sowie (zu 2.) am 16. Oktober 1983 Christine B mit dem Vorsatz, sich durch deren Verhalten unrechtmäßig zu bereichern, durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, nämlich durch die Äußerung, wenn sie am Abend ohne Geld nach Hause komme, könne man sie aus dem Zimmer hinaustragen, zur übergabe von (zur Tatzeit noch nicht präsentem) Bargeld zu nötigen versucht, wodurch B am Vermögen geschädigt werden sollte.
Nach den wesentlichen Urteilsfestellungen (S 109 bis 111) hat sich der Angeklagte mit seiner Nichte (siehe auch S 11) Christine B (am 1. Oktober 1983 nach mehrtägiger gemeinsamer Durchführung von Renovierungsarbeiten im Elternhaus der B in Kärnten - vgl. S 15, 23) nach Graz begeben, wo seine Nichte, die sich im Besitz (eines 'Startkapitals') von 46.000 S befand, einen Arbeitsplatz suchen wollte.
In Graz bewohnten sie zusammen einige Tage ein Hotelzimmer und sodann (bis 17. Oktober 1983) ein Zimmer in einer Pension (S 17, 21, 25, 27).
Während dieser Zeit entnahm der Angeklagte bei einem gemeinsamen Lokalbesuch aus der Toilettetasche der Christine B einen Geldbetrag von 36.000 S. Als sie dies kurz darauf entdeckte und dem Angeklagten Vorwürfe machte, gab er ihr 8.000 S mit dem Bemerken 'Das reicht für dich' zurück; den Rest - der allerdings (nach den Urteilsannahmen S 111) zum Teil für den gemeinsamen Unterhalt verwendet wurde - behielt er für sich.
In der Nacht zum 16. Oktober 1983 äußerte sich der Angeklagte im Verlaufe einer wörtlichen Auseinandersetzung im gemeinsamen Pensionszimmer zu Christine B, wenn sie am Abend ohne Geld nach Hause komme, könne man sie 'aus dem Zimmer hinaustragen'. Durch diese Drohung (mit einer Körperverletzung) wollte er von seiner Nichte neuerlich Geld erlangen und sie solcherart am Vermögen schädigen (S 110 unten, 111). Christine B war hiedurch derart eingeschüchtert, daß sie das Zimmer verließ und erst in Begleitung von zwei männlichen Beschützern zurückkehrte.
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a und c StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Berechtigung kommt der Beschwerde in Ansehung des Schuldspruchs wegen Diebstahls (Punkt 1.) zu, weil das bezügliche Tatverhalten - wie der Angeklagte nicht nur in der Rechtsrüge (Z 9 lit. c), sondern auch im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) zutreffend ausführt - nicht den Par 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB, sondern (lediglich) dem Tatbestand des Vergehens (der Begehung im Familienkreis) nach § 166 Abs. 1 StGB zu unterstellen gewesen wäre. Jenes Vergehens, welches gegenüber Diebstahl nicht nur durch die weitaus geringere Strafdrohung privilegiert, sondern zudem nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen ist (Par 166 Abs. 3 StGB), macht sich u.a. schuldig, wer einen nicht nach Par 129 Z 4 oder 131 StGB qualifizierten Diebstahl zum Nachteil seines Ehegatten, eines Verwandten in gerader Linie, seines Bruders oder seiner Schwester oder zum Nachteil eines anderen Angehörigen begeht, sofern er mit diesem in Hausgemeinschaft lebt. Unter Angehörigen einer Person sind aber nach der Begriffsbestimmung des § 72 Abs. 1 StGB auch die Kinder ihrer Geschwister, also Neffen und Nichten, zu verstehen. Für den Bestand einer Hausgemeinschaft unter Angehörigen ist entscheidend, ob von einer persönlichen Nahbeziehung gesprochen werden kann, wie sie für das Zusammenleben in einer Familie als einer geschlossenen Einheit typisch ist (EBRV 1971, 185 und 311 = Dok z StGB 118 und 178). Auf die Dauer dieser (räumlichen) Nahbeziehung kommt es hiebei - anders als bei der Lebensgemeinschaft im Sinne des § 72 Abs. 2 StGB, welche auf eine gewisse Dauer ausgerichtet sein muß - nicht an, sofern nur die für einen bloßen Besuch charakteristische Zeitspanne überschritten ist; auch ein Zusammenleben während eines (auf 14 Tage befristeten) Urlaubsaufenthaltes genügt (SSt 50/41 = EvBl. 1980/34 = JBl 1980, 104
= RZ 1979/81 = ÖJZ-LSK 1979/275 zu § 136 Abs. 4 StGB; vgl. Liebscher in WrK, Rz 13 zu § 166 StGB; Leukauf/Steininger 2 , RN 17 zu § 72 StGB; Kienapfel, BT II, RN 14 zu § 166 StGB). Daß das (mehr als zwei Wochen währende) Zusammenleben des Angeklagten mit seiner Nichte nicht in für längere Zeit als gemeinsamer Wohnsitz ausersehenen Räumen, sondern in einem Hotel- bzw. Pensionszimmer stattfand, steht der Annahme einer Hausgemeinschaft nicht entgegen, zumal gerade eine solche räumliche Beschränkung einen umso engeren persönlichen Kontakt und ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Mitbewohner bedingt.
Da die Urteilstat (Punkt 1.) mithin vom Angeklagten an einer Angehörigen und zudem während der Dauer einer Hausgemeinschaft mit der Geschädigten verübt worden ist, sind die Voraussetzungen der Privilegierung infolge Begehung im Familienkreis nach § 166 Abs. 1 StGB erfüllt. Im Hinblick darauf, daß ein Antrag auf Bestrafung des Angeklagten wegen dieses Vergehens von der nach § 166 Abs. 3 StGB verfolgungsberechtigten verletzten Angehörigen nicht gestellt worden ist (und auch nicht mehr nachgeholt werden kann - § 46 Abs. 1 StPO), war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde nach Aufhebung des verfehlten Schuldspruchs (wegen schweren Diebstahls) sogleich in der Sache selbst durch Freispruch (gemäß § 259 Z 1 StPO) zu erkennen. Der gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten Erpressung (Punkt 2. des Urteilssatzes) gerichteten Rechtsrüge (Z 9 lit. a) kommt hingegen keine Berechtigung zu.
Die Auslegung der vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Äußerung des Angeklagten gegenüber Christine B, wenn diese am Abend ohne Geld nach Hause komme, könne man sie 'aus dem Zimmer hinaustragen', als Androhung einer Verletzung am Körper ist eine Feststellung tatsächlicher Art (vgl. Leukauf/Steininger a.a.0. § 74 RN 20; Mayerhofer- Rieder StPO E Nr 46 bis 49 zu § 281). Sie verstößt auch keineswegs (im Sinn des in diesem Zusammenhang vom Angeklagten der Sache nach geltendgemachten Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO) gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze; denn nach dem Wortlaut und Sinngehalt der inkriminierten Äußerung ist die darin enthaltene Ankündigung einer erheblichen - am Verlassen des Raumes aus eigener Kraft hindernden - Körperverletzung unverkennbar. Aber auch gegen die rechtliche Beurteilung der in Rede stehenden Ankündigung, also deren objektive Eignung (i.S.d. § 74 Z 5 StGB), der Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse, auf ihre persönliche Beschaffenheit oder auf die Wichtigkeit des angedrohten übels begründete Besorgnisse einzuflößen, bestehen - der vom Beschwerdeführer in der (nur insoweit prozeßordnungsgemäß ausgeführten) Rechtsrüge (Z 9 lit. a) vertretenen Ansicht zuwider - keine Bedenken.
Insbesondere im Hinblick auf die weitere urteilsmäßig festgestellte, eine Verbindung zum Zuhältermilieu andeutende Äußerung des Angeklagten (S 110: 'Wenn ich dich nicht kriege, dann bekommen dich die anderen, die dann aber etwas dafür zahlen würden') und auf dessen Persönlichkeit - war das Verhalten des Angeklagten durchaus geeignet, einer 19-jährigen Frau den Eindruck zu vermitteln, er sei in der Lage und willens, ihr eine erhebliche Verletzung zuzufügen (oder zufügen zu lassen), mag auch dieses übel nicht näher konkretisiert worden sein.
Der (vom Erstgericht im übrigen ohnehin bejahten - vgl. S 111) Tatfrage, ob Christine B wirklich in Furcht und Unruhe versetzt worden ist, kommt nicht die ihr vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang beigemessene rechtliche Bedeutung zu, weil die Eignung der Drohung im Sinne des § 74 Z 5 StGB objektiv zu beurteilen ist (EvBl.
1984/37; Leukauf/Steininger a.a.0. RN 18).
Soweit die gegen die rechtliche Annahme dieser Eignung gerichteten Beschwerdeausführungen aber nicht vom urteilsmäßig festgestellten Wortlaut der Drohung, sondern von der hievon zum Teil abweichenden Aussage der Zeugin B in der Hauptverhandlung ausgehen, wird der Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit. a) nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung gebracht, die einen Vergleich des Urteilssachverhaltes mit dem darauf angewendeten Gesetz erfordert. Selbst wenn man den Hinweis des Beschwerdeführers auf diese Aussage, welche hinsichtlich des Wortlautes seiner Ankündigung weder mit den Angaben der Zeugin in der Anzeige (S 19) noch mit seiner eigenen Verantwortung (S 98) übereinstimmt, inhaltlich als Mängelrüge (Z 5) i.S. einer Unvollständigkeit durch Unterbleiben einer Erörterung dieses Verfahrensergebnisses in den Urteilsgründen auffassen würde, wäre für den Standpunkt des Nichtigkeitswerbers (im Ergebnis) nichts zu gewinnen. Denn ein (scheinbarer) Widerspruch der letzten Aussage zu den früheren Angaben der Zeugin B ergäbe sich höchstens dann, wenn ihre Deposition in der Hauptverhandlung, wonach ihr der Angeklagte nach Abweisung seines auf einen Geschlechtsverkehr gerichteten Ansinnens erklärt haben soll, daß er sie aus dem Zimmer hinaustragen könne (S 99 f), aus dem Zusammenhang gerissen und solcherart einer isolierten Würdigung unterzogen würde. Demgegenüber hat aber die Zeugin ihre Aussage in der Hauptverhandlung mit einer Bestätigung der Richtigkeit ihrer Angaben vor der Polizei eingeleitet (S 98) und auch abschließend zu dem in Rede stehenden Vorfall erklärt, ihrer Auffassung nach habe der Angeklagte von ihr Geld haben wollen (S 100 erster Absatz). Der aufgezeigte Widerspruch ist daher nur scheinbarer Natur.
Die Beschwerdebehauptung hinwieder, wonach die inkriminierte Äußerung nicht als (Versuch einer) Willensbeugung interpretiert werden könne, betrifft abermals Tatfragen, und zwar nicht nur soweit sie sich auf die bereits erörterte Auslegung des Erklärungswortlautes bezieht, sondern darüber hinaus auch, soweit sie als Bekämpfung der (laut S 110 unten, 111 2. Absatz getroffenen) Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite der Erpressung aufgefaßt werden könnte (vgl. Mayerhofer-Rieder a.a.0. E Nr 41 zu Par 281). Weshalb der Angeklagte schließlich vermeint, gerade aus dem (jegliche Unsicherheit ausschließenden) Gebrauch des Wortes 'zweifellos' in einer bezüglichen Feststellung (S 110 unten) schließen zu können, daß das Erstgericht diese Annahme nicht mit Sicherheit zu treffen vermocht habe, kann der Beschwerde nicht entnommen werden.
In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Bei der durch den Teilfreispruch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof das Teilgeständnis und den Umstand, daß es beim Versuch blieb, als mildernd, die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen (wegen Delikten gegen Leib und Leben und gegen fremdes Vermögen) sowie den raschen Rückfall dagegen als erschwerend.
Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe erschien die im Spruch bezeichnete Dauer der gemäß § 144 StGB über den Angeklagten zu verhängenden Freiheitsstrafe unter Bedacht auf die tat- und persönlichkeitsbezogene Schuld (§ 32 StGB) des einschlägig vorbestraften Angeklagten, der trotz wiederholter, zum Teil bereits empfindlicher Abstrafungen schon rund vier Monate nach der Entlassung aus der letzten Strafhaft abermals straffällig wurde, als angemessen.
Mit seiner eine Herabsetzung des Strafmaßes anstrebenden Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
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