OGH 1Ob7/84

OGH1Ob7/842.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1.) Guido B*****, 2.) Gertrude B*****, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Gemeinde Z*****, vertreten durch Dr. Anna Jahn, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 57.768,25 S, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Dezember 1983, GZ 6 R 191/83-29, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 16. Juni 1983, GZ 7 b Cg 4999/82-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 7.505,81 S bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten 492,16 S Umsatzsteuer und 1.600 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind aufgrund eines im Jahre 1968 abgeschlossenen Kaufvertrags je zur Hälfte Eigentümer des damals als Wiese genutzten Grundstücks ***** Katastralgemeinde Z*****. In diesem Grundstück befindet sich, wie den Klägern bekannt ist, eine im Durchmesser 40 cm starke Rohrleitung, in der der Dalibisbach abgeleitet wird. Diese Rohrleitung war im Jahre 1940 über Auftrag der beklagten Gemeinde derart errichtet worden, dass sich in Abständen quadratische Schächte befinden, die mit Brettern abgedeckt waren. Eine derartige Abdeckung ist ausreichend, wenn die Bretter nicht mit Erde überdeckt werden. Einer der Schächte befindet sich auf dem Grundstück der Kläger. Pläne über die Lage der Rohrleitung und der Schächte liegen bei der beklagten Partei nicht auf. Es erfolgte von ihr, der allgemeinen Übung entsprechend, auch keine Kontrolle der Schächte. Als die Kläger im Jahre 1968 das Grundstück kauften, war der hölzerne Schachtdeckel, der von einem Voreigentümer bereits erneuert worden war, noch sichtbar. Im Jahre 1975 ließen die Kläger durch die Firma D***** & Co auf ihrem Grundstück einen Bau errichten. Anlässlich dieses Baues beschädigten Fahrzeuge der Firma D***** & Co die Rohrleitung. Diese wurde daraufhin von ihr freigelegt; das defekte Rohr wurde ausgetauscht und die Rohrleitung mit Beton ummantelt. Beim Auffüllen wurde auf den Schachtdeckel etwa 40 cm Erdreich geschüttet. Von einem anderen Bauunternehmen wurde später die Zufahrt zum Gebäude der Kläger asphaltiert und dabei auch über dem Schachtdeckel eine Asphaltdecke angebracht.

Bereits einige Zeit vor dem 6. August 1981 trat anlässlich eines Unwetters im Bereich des verdeckten Schachtes, von dessen Existenz die Kläger keine Kenntnis hatten, Wasser aus dem Boden aus. Der Vizebürgermeister der beklagten Partei erklärte, dass er die Sache der beklagten Gemeinde melden werde. In der Gemeindevorstandssitzung vom 20. Juli 1981 kam dieses Problem zur Sprache. In der Folge kam es am 30. Juli 1981 zwischen dem Erstkläger und dem Bürgermeister der beklagten Partei zu einer Unterredung. Beide waren der Ansicht, es müsse von der beklagten Partei das Erdreich aufgegraben werden, um der Ursache des Wasseraustrittes auf den Grund gehen zu können. In der Nacht vom 6. auf den 7. August 1981 war abermals ein schweres Unwetter; Wasser trat aus dem Boden aus, drang in die Werkstätte der Kläger ein und richtete dort Schäden an Teppich- und Kunststoffbelägen an. Am Tage nach dem Unwetter gruben zwei Arbeiter der beklagten Partei über Auftrag des Bürgermeisters im Bereich des Wasseraustrittes das Erdreich auf. Dabei wurde festgestellt, dass die den Schacht abdeckenden Bretter verfault in den Schacht gestürzt waren und einen Wasserstau bewirkt hatten.

Die Kläger begehren den Zuspruch des Betrags von 57.768,25 S sA als Ersatz für beschädigte Teppiche und Kunststoffbeläge sowie an Aufräumungskosten. Die beklagte Partei sei zum Ersatz des Schadens verpflichtet, weil der Schachtdeckel aus Holz hergestellt und nicht gewartet worden sei und die beklagte Partei nach Kenntnis des Wasseraustrittes die rechtzeitige Beseitigung der Schadensursache unterlassen habe. Anlässlich der Besprechung zwischen dem Bürgermeister der beklagten Partei und dem Erstkläger habe der Erstkläger erklärt, seiner Meinung nach genüge es, wenn sogleich am Montag der kommenden Woche der Schaden behoben werde. Dies habe der Bürgermeister der beklagten Partei zugesichert. Dennoch sei eine Schadensbehebung bis zum Donnerstag den 6. August 1981 nicht erfolgt. Die beklagte Partei wendete ein, anlässlich der Bauführung durch die Kläger sei unsachgemäß und ohne Verständigung der beklagten Partei auf den Schachtdeckel Erdreich geschüttet worden und später eine Asphaltdecke angebracht worden. Es wäre erforderlich gewesen, den Holzdeckel durch einen Zementdeckel zu ersetzen. Dem Bürgermeister der beklagten Partei sei nicht bekannt gewesen, dass sich unter der Asphaltdecke ein Schacht befinde, der unsachgemäß mit Erde bedeckt worden sei. Dadurch habe ein Faulen des Holzes und der Absturz des Holzdeckels in die Verrohrung erfolgen können. Sofort nach Kenntnis des Wasseraustrittes habe sich die beklagte Partei bereit erklärt, die Ursachen dieses Wasseraustrittes untersuchen und beheben zu lassen. Die Kläger seien mit einem Zuwarten von einigen Tagen ausdrücklich einverstanden gewesen. Die Kläger hätten demnach selbst schuldhaft den Schaden herbeigeführt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, anlässlich der am 30. Juli 1981 erfolgten Besprechung des Erstklägers mit dem Bürgermeister der beklagten Partei habe dieser den Erstkläger gefragt, ob sofort aufgegraben werden müsse. Der Erstkläger habe darauf geantwortet, dass er nicht darauf bestehe. Ob der Erstkläger den Bürgermeister aufgefordert habe, am folgenden Montag mit dem Aufgraben zu beginnen und ob ihm dies auch vom Bürgermeister zugesichert worden sei, oder ob allenfalls nur davon die Rede gewesen sei, dass die Sache demnächst gerichtet werde, könne nicht festgestellt werden.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Rohrleistung und der Schacht ein Werk im Sinne des § 1319 ABGB seien, deren Besitzerin die beklagte Partei sei. Es sei aber nicht üblich, dass solche Rohrleitungen und Schächte regelmäßig kontrolliert würden. Eine Abdeckung mit Brettern reiche aus, wenn der Schacht nicht mit Erdreich bedeckt werde. Es liege daher keine mangelhafte Beschaffenheit des Werks vor. Die Abdeckung mit Erdreich könne der beklagten Partei nicht angelastet werden. Wäre der Schachtdeckel sichtbar gewesen, so wäre es im Falle eines Wasseraustrittes leicht möglich gewesen, den Staub zu beseitigen und den Eintritt eines größeren Schadens zu vermeiden. Da dem Bürgermeister der beklagten Partei die Ursache des Wasseraustrittes nicht bekannt gewesen sei, erscheine es nicht gerechtfertigt, schon darin ein Verschulden der beklagten Partei zu erblicken, dass Gemeindearbeiter nicht innerhalb von sechs Tagen angewiesen worden seien, dem Wasseraustritt auf den Grund zu gehen, zumal der Erstkläger erklärt habe, nicht darauf zu bestehen, dass der Boden sofort aufgegraben werde.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Kläger dieses Urteil als Zwischenurteil dahin ab, dass es feststellte, der von den Klägern gegenüber der beklagten Partei geltend gemachte Ersatzanspruch bestehe dem Grunde nach zu Recht. Die Revision erklärte es für zulässig. Bei den im Zuge der Verrohrung des Dalibisbachs angelegten Schächten handle es sich um ein Werk im Sinn des § 1319 ABGB. Die beklagte Partei stehe zu diesem Werk in einer Beziehung, die ihr die Möglichkeit gebe, einer durch das Werk bewirkten Gefahr durch Vorkehrungen zu begegnen. Sie sei daher im Sinn des § 1319 ABGB Besitzerin des Werks. Richtig sei, dass den Besitzer eines Bauwerks keine Erfolgshaftung treffe, sondern Verschuldenshaftung mit verschobener Beweislast. Es habe also nicht der Beschädigte das Verschulden des Schädigers, sondern letzterer seine Schuldlosigkeit zu beweisen. Dieser Beweis sei aber der beklagten Partei nicht gelungen. Die beklagte Partei habe, nachdem ihr das Gebrechen bekannt geworden war, nicht umgehend reagiert. Die Organe der beklagten Partei hätten spätestens am 20. Juli 1981 vom Wasseraustritt Kenntnis erlangt. Bis zum 6. August 1981 sei aber von ihr nichts unternommen worden, um die Schadensursache zu ergründen und einen allfälligen Schaden zu beheben. Erkennbar gewordene Mängel eines Werks müssten aber unverzüglich behoben werden; bis zu deren Behebung sei für die gebotenen Sicherheitsvorkehrungen Sorge zu tragen. Von einer unverzüglichen Schadensbehebung könne keine Rede sein, wenn ab Kenntnis des Mangels durch mehr als 14 Tage nichts Zweckdienliches zur Mängelbehebung unternommen worden sei. Dass eine frühere Inangriffnahme der Arbeiten seitens der beklagten Partei nicht möglich gewesen wäre, sei nicht hervorgekommen und von ihr nicht einmal behauptet worden. Dass der Erstkläger bei der Besichtigung am 31. Juli 1981 nicht auf ein sofortiges Aufgraben der Schadensstelle bestanden habe, vermöge die beklagte Partei nicht zu entschuldigen. Es könne dem Erstgericht auch nicht beigepflichtet werden, wenn es ein Verschulden der beklagten Partei deshalb verneine, weil dem Bürgermeister der beklagten Partei die Ursache des Wasseraustritts noch nicht bekannt gewesen sei. Gerade dies hätte die beklagte Partei zu raschem Handeln veranlassen müssen, zumal sich die geschilderten Vorfälle im Hochsommer, wann jederzeit mit heftigen Niederschlägen im Gefolge von Gewittern gerechnet werden müsse, zugetragen haben. Eine Haftung der beklagten Partei für die durch den Wasseraustritt den Klägern entstandenen Schäden sei also grundsätzlich zu bejahen. Ob der Erstkläger bei der Besprechung am 30. Juli 1981 ausdrücklich einen Beginn der Arbeiten am 3. August 1981 verlangt habe, sei demnach nicht entscheidungswesentlich. Einer Behandlung der Beweisrüge der Kläger hebe es daher nicht bedurft.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Unter Schutz- und Regulierungswasserbauten im Sinn der §§ 41 ff WRG sind wasserbauliche Maßnahmen zu verstehen, deren ausschließliche oder hauptsächliche Aufgabe es ist, das Regime eines Wasserlaufs zu beeinflussen, die Ufer zu festigen und das anliegende Gelände vor Überflutungen oder Vermurungen zu bewahren (EvBl 1983/56; SZ 53/11; SZ 50/65; SZ 44/88; Grabmayr-Rossmann, Das österreichische Wasserrecht2 262 f Anm 1). Da die im Jahre 1940 erfolgte Verrohrung des Gewässers der Sicherung der Wassersohle diente und dadurch auch der Abfluss beeinflusste, dürfte ein Regulierungswasserbau bestehen. Beide Vorinstanzen erörterten weder, ob es sich beim Dalibisbach um ein öffentliches Gewässer handelt, was im Zweifel anzunehmen ist (JBl 1979, 318), noch ob die beklagte Partei Regulierungsunternehmer war. Die Beantwortung dieser Fragen kann aber dahingestellt bleiben, weil die beklagte Partei auch dann, wenn sie Regulierungsunternehmer oder sie sonst den Klägern gegenüber verpflichtet war, für den eingetretenen Schaden der Kläger nicht haftet. Nach § 41 Abs 4 WRG sind Schutz- und Regulierungswasserbauten unter anderem so auszuführen, dass eine Beeinträchtigung fremder Rechte vermieden wird, und insoweit zu erhalten, als es zur Verhütung von Schäden, die durch den Verfall der Anlage entstehen können, notwendig ist (§ 50 Abs 6 WRG; vgl Grabmayr-Rossmann aaO 299 f Anm 27; Krzizek, Kommentar zum WRG 231). Nichts anderes kann für ähnliche Maßnahmen gelten. Ihrer Verpflichtung, die Anlage ohne Beeinträchtigung fremder Rechte zu errichten, war die beklagte Partei nachgekommen; insbesondere war die Abdeckung der Schächte mit Holzbrettern ortsüblich und ausreichend. Die Bretter, mit denen der auf dem Grundstück der Kläger befindliche Schacht abgedeckt war, verfaulten nur deswegen, weil sie aufgrund von Maßnahmen, die in den Verantwortungsbereich der Kläger fielen, mit Erde bedeckt worden waren. Zu solchen Maßnahmen waren die Kläger nicht berechtigt, da zugunsten der beklagten Partei oder des sonstigen Berechtigten eine schon aufgrund des Wissens über die Existenz der Rohrleitung und die im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch die Kläger gegebene Sichtbarkeit der Schachtabdeckung (vgl SZ 28/30) offenkundige Dienstbarkeit bestand, die anlässlich der Herstellung der Verrohrung wohl im Wege eines gütlichen Übereinkommens im Sinn des § 60 Abs 2 WRG, sonst aber stillschweigend durch Duldung der Errichtung einer kostspieligen Anlage auf seinem Grund durch den damaligen Eigentümer, der bis dahin den offenen Dalibisbach über seinen Grund fließen lassen hatte müssen (§ 39 WRG), eingeräumt worden war (vgl SZ 48/78; JBl 1963, 377). Aus der sich aus § 472 ABGB ergebenden Duldungspflicht folgt, dass die Eigentümer des belasteten Grundstücks alle Maßnahmen zu unterlassen haben, die den Bestand der Anlage gefährden können. Die Kläger handelten daher rechtswidrig, als sie anlässlich der Errichtung des Hauses die hölzerne Schachtabdeckung, die an sich ausreichend war, nicht nur mit Erdreich bedecken, sondern darauf auch noch einen Asphaltbelag anbringen ließen oder sich nicht darum kümmerten, dass es geschah. Durch diese Maßnahmen wurde erst die Gefahr des Abfaulens der Holzbretter herbeigeführt, was in weiterer Folge zum Absturz der Abdeckung in den Rohrstrang und dadurch zum Aufstau des Wassers und seinem Austritt aus dem Schacht führte. Anhaltspunkte dafür, dass bei natürlichem Lauf der Dinge der Schaden ebenfalls eingetreten wäre, bestehen nicht. Der beklagten Partei kann daher eine Verletzung ihrer Instandhaltungspflicht nicht angelastet werden.

Der den Klägern zuzurechnende Eingriff in die Rechtssphäre der beklagten Partei hätte sie verpflichtet, den von ihnen geschaffenen rechtswidrigen Zustand ehestens zu beseitigen. Wurde durch die Aufrechterhaltung dieses Zustands letztlich ein eigener Vermögensschaden bewirkt, können sich die Kläger nicht darauf berufen, die beklagte Partei hätte eine gesetzliche Instandhaltungspflicht verletzt. Die von den Klägern selbst geschaffene Gefahrenlage hatten sie vielmehr aufgrund des von ihnen zu verlangenden Wissensstands selbst zu erkennen und zu beheben. Damit fällt auch jede Kausalität einer allfälligen Unterlassung der beklagten Partei fort. Die Folgen der Nichtbehebung einer Schadensursache, die die Kläger selbst erkennen und beheben hätten müssen, können die Kläger nicht dadurch der beklagten Partei anlasten, dass sie ihr die von ihnen selbst geschaffene Gefahrenlage zur Kenntnis brachten.

Der Revision der beklagten Partei ist Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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