OGH 11Os56/84

OGH11Os56/842.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Mai 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter (Berichterstatter), Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wrabetz als Schriftführer in der Strafsache gegen Amand A wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 2, 130 (1. Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25.Jänner 1984, GZ 3 a Vr 7.213/83-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Knob, und des Verteidigers Dr. Wegrostek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über Amand A verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Monate herabgesetzt wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.Mai 1945 geborene Bühnenarbeiter Amand A des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 2, 130 1. Fall StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem 100.000 S übersteigenden Wert unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen worden ist, seinem jeweiligen Auftraggeber mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar 1./ in der Zeit von Mai 1980 bis Juni 1983 in Wien Verfügungsberechtigten der Fa. B Kleidungsstücke, Schmuck, Lebensmittel und Spirituosen sowie Gebrauchsgegenstände und Elektrogeräte im Gesamtwert von mindestens 703.826,50

S;

2./ im Mai und Juni 1983 in Langenzersdorf Verfügungsberechtigten der Fa. Möbel C Küchengeräte und Gebrauchsgegenstände im Wert von 3.000 S;

und 3./ im Herbst 1983 (richtig 1982) in Bruck an der Leitha Verfügungsberechtigten der Boutique D eine Damenbluse und eine Damenjacke im Wert von 3.000 S.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 5, 8 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In Ausführung des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes rügt der Beschwerdeführer, daß jene Waren, deren Diebstahl ihm angelastet wurde, entgegen der Vorschrift des § 260 Abs. 1 Z 1 StPO im Urteil nur gattungsmäßig bezeichnet seien.

Rechtliche Beurteilung

Abgesehen davon, daß eine detaillierte Anführung des Diebsgutes nur in den Punkten 1 und 2 des Urteilsspruches unterblieb, erweist sich dieser Einwand jedoch deshalb als nicht stichhältig, weil auch diese Diebstähle - deren Gegenstand im Urteilstenor allerdings nur generell bezeichnet ist - in den Urteilsgründen (vgl. S 449 und 451) durch Verweisung auf die Schadensaufstellung der Fa. B S 221 d.A (vgl. auch S 167-219) und die zugehörigen Angaben des Zeugen Werner E ON 11 (vgl. hiezu insbes. auch S 399, 401 und S 433 ff.) sowie auf das Sicherstellungsprotokoll S 148 d.A und die zugehörigen Angaben des Zeugen Friedrich F (S 143, 145 und S 437, 438) hinreichend konkretisiert wurden.

Im übrigen wäre nach Lage des Falles selbst dann, wenn man in der mangelnden Tatindividualisierung im Urteilsspruch einen Mangel im Sinn des Par 260 Abs. 1 Z 1 StPO erblicken wollte, unzweifelhaft erkennbar, daß eine solche Formverletzung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben könnte (Par 281 Abs. 3 StPO). Denn die vom voll geständigen (vgl. S 423) Angeklagten gar nicht bestrittenen Schadenssummen, auf deren Höhe - ohne daß dem (wie der Beschwerdeführer meint) die bloß gattungsmäßige Bezeichnung des Diebsgutes im Urteilsspruch entgegenstünde - die Urteilsbegründung eingeht, werden im Urteilsspruch, der des weiteren auch noch die Tatzeit und die jeweils geschädigte Firma anführt, ohnedies genannt, sodaß die Verurteilung jedenfalls alle im angeführten Zeitraum zum Nachteil der genannten Firmen verübten Diebstähle der beschriebenen Art, soweit sie in den erwähnten Schadenssummen Deckung finden, erfaßt und in diesem (weiten) Rahmen eine Doppelverurteilung ausschließt. Der Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO könnte daher im Sinn des letzten Absatzes dieser Gesetzesstelöe zum Vorteil des Angeklagten nicht mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl. 10 Os 171/78).

Der Angeklagte vermag aber auch keinen Begründungsmangel des angefochtenen Urteils im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO aufzuzeigen. Weder wurde der - übrigens bei der Strafbemessung als mildernd gewertete - Umstand, daß das Diebsgut weitgehend sichergestellt werden konnte, mit Stillschweigen übergangen, noch blieben Beweisergebnisse unerörtert, die darauf hingedeutet hätten, der - auch im Sinn der Qualifikation des § 127 Abs. 1 Z 3 StGB voll geständige - Angeklagte könnte die Diebstähle jeweils nicht unter Ausnützung jener Gelegenheiten begangen haben, die durch die ihm aufgetragenen Arbeiten geschaffen worden waren.

Den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 8 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, weil seiner Meinung nach aus der AnklageschriPart nicht abgeleitet werden könne, daß er im gesamten Beschäftigungszeitraum bei der Fa. B (Mai 1980 bis Juni 1983) Waren im Gesamtwert von 703.826,50 S an sich gebracht und dabei seinen Dienstgeber bestohlen habe, und weil ihm in der Anklageschrift auch gar nicht vorgeworfen worden sei, im Herbst 1983 in Bruck an der Leitha Verfügungsberechtigten der Firma D eine Damenbluse und eine Damenjacke im Wert von 3.000 S gestohlen zu haben.

Der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht zuwider besteht jedoch - abgesehen davon, daß das Gericht ein Ereignis auch über den von der Anklage gezogenen Tatsachenkreis hinaus nach allen begleitenden und rechtlich bedeutsamen Umständen zu erforschen und dem Gesetz zu unterstellen hat (vgl. Mayerhofer-R eder, StPO. II/12 § 262 Nr. 24- 29) - an der Identität der abgeurteilten mit den angeklagten Taten nicht der geringste Zweifel, zumal die Anklagebehauptung, daß Amand A von Mai 1980 bis Juni 1983 unter den Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 Z 3 StGB zum Nachteil seines Dienstgebers der Fa. B Waren im Gesamtwert von 703.826,50 S gestohlen habe, nicht nur dem Anklagetenor, sondern auch der Anklagebegründung entnommen werden kann (vgl. ON 12) und der Umstand, daß im Urteil als Tatzeit für den (gleichfalls in der Anklage beschriebenen) Diebstahl zum Nachteil der Boutique D nicht wie in der Anklage der Herbst 1982, sondern der Herbst 1983 angeführt wird, ersichtlich nur auf einem Schreibfehler beruht.

Schließlich geht auch die Rechtsrüge fehl: Der Beschwerdeführer bekämpft unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO zunächst die Annahme der Qualifikation des § 127 Abs. 2 Z 3 StGB, weil gleichermaßen auch jeder andere Kunde der bestohlenen Firmen in der Lage gewesen wäre, Gegenstände wegzunehmen, weswegen nicht davon gesprochen werden könne, 'daß im gegenständlichen Fall durch aufgetragene Arbeiten Gelegenheiten zum Diebstahl gewissermaßen geschaffen worden sind'.

Hiebei übergeht die Beschwerde jedoch jene (auf dem eigenen Geständnis des Angeklagten basierenden) Urteilsfeststellungen, wonach der Beschwerdeführer (als Dienstnehmer) beim Verlassen seiner jeweiligen Arbeitsstelle nicht kontrolliert wurde und daher (anders als ein Firmenkunde) die Möglichkeit hatte, die während seiner Arbeitszeit (daher insoweit auch unter Ausnützung seiner eine Wegnahme erleichternden dienstlichen Anwesenheit) gestohlenen Sachen ungesehen abzutransportieren (vgl S 449). Da es genügt, daß die besondere Gelegenheit eine spürbare Erleichterung der konkreten Tatbegehung bewirkt, wogegen es nicht erforderlich ist, daß der Diebstahl dadurch überhaupt erst möglich wurde, hat das Erstgericht - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - das dem Angeklagten angelastete Tatverhalten rechtsrichtig (auch) der Bestimmung des § 127 Abs. 2 Z 3 StGB unterstellt.

Rechtlich zutreffend wurde aber auch eine gewerbsmäßige Tatbegehung im Sinn des § 130 1. Fall StGB angenommen. Da eine strafbare Handlung gewerbsmäßig verübt, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, hängt diese Qualifikation primär von der (insoweit im Weg einer Rechtsrüge nicht bekämpfbaren) Lösung der Tatfrage ab, ob das innere Vorhaben des Angeklagten diesen Voraussetzungen entsprach (vgl. EvBl. 1977/253 u.a.). Diese Tatfrage wurde aber vom Erstgericht einerseits im Hinblick auf die Vielzahl der diebischen Angriffe und anderseits gestützt auf das auch in dieser Beziehung uneingeschränkte Geständnis des Angeklagten eindeutig bejaht (vgl. S 450). Mit den die festgestellte gewerbsmäßige Absicht des Angeklagten bekämpfenden - lediglich einen unzulässigen Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung enthaltenden - Beschwerdeausführungen wird daher weder der Nichtigkeitsgrund der Z 5, noch jener der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Insbesondere stand der Annahme einer solchen Absicht auch nicht der - wie bereits erwähnt, vom Erstgericht keineswegs übergangene - Umstand entgegen, daß ein Großteil der Diebsbeute sichergestellt werden konnte. Denn zum einen kommt es nicht darauf an, ob es dem Täter auch gelingt, das in gewerbsmäßiger Absicht weggenommene Diebsgut gewinnbringend zu veräußern (vgl. ÖJZ-LSK 1978/109), zum anderen fand ohnedies eine teilweise Veräußerung (vgl. S 424, 425) und auch eine Verwertung (Lebensmittel, Kleidungsstücke) im Rahmen des Familienverbandes statt (vgl. S 427, 428, 449).

Da schließlich - von den zeitlichen Begrenzungsvorschriften abgesehen -

die Frage, ob die Voraussetzungen für eine bedingte Strafnachsicht vorliegen oder nicht, entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht in das Ermessen des erkennenden Gerichts fällt, sodaß das Urteil insoweit überhaupt nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs. 1 Z 11 StPO), sondern nur mit Berufung (§ 493 Abs. 1 StPO) bekämpft werden kann (vgl. 10 Os 145/77), war die mithin zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

über den Angeklagten wurde gemäß dem § 128 (Abs. 2) StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verhängt. Das Erstgericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend den langen Tatzeitraum, die mehrfache Qualifikation und eine die Qualifikation (gemeint: Wertgrenze des § 128 Abs. 2 StGB) mehrfach übersteigende Schadenshöhe; als mildernd hingegen das reumütige Geständnis, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und die weitgehende objektive Schadensgutmachung.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung und bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an. Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Die Strafzumessungsgründe wurden vom Schöffengericht im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt. Allerdings kommt dem längeren Tatzeitraum im Hinblick auf die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit keine besondere Bedeutung zu. Bei richtiger Würdigung aller für die Strafbemessung wesentlichen Umstände, insbes. der sehr weitreichenden objektiven Schadensgutmachung und des umfassenden Geständnisses, erscheint das in erster Instanz gefundene Strafmaß doch etwas überhöht.

Insoweit war daher der Berufung Folge zu geben.

Wegen der bereits ausgeprägten kriminellen Neigung des Angeklagten, die in der Vielzahl der gewerbsmäßig begangenen deliktischen Angriffe ihren Ausdruck fand, fehlt es aber jedenfalls an den qualifizierten Voraussetzungen des Par 43 Abs. 2 StGB. Dem weiteren Berufungsbegehren konnte daher nicht entsprochen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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