European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0030OB00038.840.0425.000
Spruch:
I. Der Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei wird, soweit er sich gegen den bestätigenden Teil des angefochtenen Beschlusses richtet, zurückgewiesen.
Soweit er sich dagegen wendet, dass das Gericht zweiter Instanz über den Rekurs gegen die Abweisung des Antrags auf Einstellung der vom Bezirksgericht Neunkirchen am 26. Jänner 1981 bewilligten, vom Exekutionsgericht Wien zu 8 E 1467/81 vollzogenen Exekution nicht entschieden habe, wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin ergänzt, dass er zu lauten hat:
„Der Beschluss des Erstgerichtes auf Abweisung des Antrages auf Einstellung der vom Bezirksgericht Neunkirchen am 26. Jänner 1981 bewilligten, vom Exekutionsgericht Wien zu 8 E 1467/81 vollzogenen Exekution wird dahin abgeändert, dass
1. die Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Neunkirchen zur Entscheidung über diesen Antrag ausgesprochen und
2. der Antrag gemäß § 44 JN an das Exekutionsgericht Wien überwiesen wird.“
Der Antrag des Gegners der gefährdeten Partei auf Zuspruch von Kosten für den Revisionsrekurs wird abgewiesen.
II. Dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 3.689,40 S bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 335,40 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Streitteile sind in aufrechter Ehe miteinander verheiratet. Am 4. Dezember 1980 brachte die gefährdete Partei gegen den Gegner der gefährdeten Partei zu C 499/80 beim Erstgericht eine Unterhaltsklage ein und stellte gleichzeitig den Antrag, dem Gegner mit einstweiliger Verfügung die Zahlung eines einstweiligen Unterhalts aufzutragen. Mit einstweiliger Verfügung vom 19. Dezember 1980 wurde diesem Antrag stattgegeben und ausgesprochen, dass diese einstweilige Verfügung für die Dauer des Verfahrens C 499/80 gelte. Mit Beschluss vom 26. Jänner 1981 wurde aufgrund dieser einstweiligen Verfügung eine Gehaltsexekution bewilligt und zu 8 E 1467/81 des Exekutionsgerichts Wien vollzogen. Die Unterhaltsklage selbst wurde mit Beschluss vom 23. Jänner 1981 wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen; der Beschluss wurde den Parteien am 28. 1. 1981 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.
Am 30. Oktober 1981 beantragte der Gegner der gefährdeten Partei die Aufhebung der einstweiligen Verfügung „gemäß § 399 Abs. 1 Z 4 EO“. Die gefährdete Partei sprach sich gegen die Aufhebung der einstweiligen Verfügung aus, weil ihr Unterhaltsanspruch nach wie vor aufrecht sei und der Gegner weiterhin unrechtmäßig außerhalb der häuslichen Wohngemeinschaft lebe. Mit Beschluss vom 15. Jänner 1982 wurde der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung mit der Begründung abgewiesen, dass § 399 Abs 1 Z 4 EO auf einstweilige Verfügungen nach § 382 Z 8 lit a EO nicht anwendbar sei. Ein Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen diesen Beschluss blieb erfolglos.
Ein Versuch des Gegners der gefährdeten Partei, die einstweilige Verfügung im Wege einer Oppositionsklage zu beseitigen, blieb ohne Erfolg, da, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 15. Dezember 1982, 3 Ob 176/82, ausführte, der Anspruch der gefährdeten Partei auf Unterhalt durch den Umstand, dass ihre Unterhaltsklage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen worden sei, in keiner Weise berührt werde (C 745/81 ‑14 des Erstgerichts).
Mit Schriftsatz vom 15. Juli 1983, ON 25, stellte der Gegner der gefährdeten Partei den Antrag, die einstweilige Verfügung mit Wirkung vom 12. Februar 1981 aufzuheben und die aufgrund der einstweiligen Verfügung vom Erstgericht am 26. Jänner 1981 bewilligte und vom Exekutionsgericht Wien zu 8 E 1467/81 vollzogene Exekution einzustellen. Er brachte vor, dass er seine Anträge nicht auf eine bestimmte Gesetzesstelle stütze, sich aber doch im Besonderen auf den Aufhebungsgrund nach § 399 Abs 1 Z 2 EO berufe. Durch die Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des Erstgerichts hätten sich die Verhältnisse, in Anbetracht deren die einstweilige Verfügung bewilligt worden sei, derart geändert, dass es des Fortbestands dieser Verfügung zur Sicherung der gefährdeten Partei nicht mehr bedürfe; denn die gefährdete Partei könne die Unterhaltsklage bei einem anderen Gericht einbringen. Die Zurückweisung der Klage sei mit 12. Februar 1981 rechtskräftig geworden.
Die gefährdete Partei beantragte die Zurückweisung des Antrags wegen entschiedener Rechtssache „bzw.“ dessen Abweisung, weil sich die Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der Bewilligung der einstweiligen Verfügung nicht geändert hätten. Die gefährdete Partei stehe in Ausbildung in der medizinisch‑technischen Fachschule am Krankenhaus W***** und habe keinerlei Einkünfte (ON 26).
Mit Beschluss vom 25. August 1983, ON 29, wies das Erstgericht den Antrag nach mündlicher Verhandlung (§ 399 Abs 2 EO) ab. Das Erstgericht vertrat die Ansicht, dass eine entschiedene Streitsache nicht vorliege, weil der Gegner der gefährdeten Partei seinen ersten Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung ausschließlich auf die Bestimmung des § 399 Abs 1 Z 4 EO gestützt habe. Auch der Antrag ON 25 sei aber nicht berechtigt, weil sich die Verhältnisse in Ansehung des Unterhaltsanspruchs der gefährdeten Partei nicht geändert hätten.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts hinsichtlich des Zeitraums vom 12. Februar 1981 bis zum 25. August 1983; im Übrigen, di ab dem 25. August 1983, hob es die einstweilige Verfügung vom 19. Dezember 1980 auf und sprach aus, dass der Rekurs nach § 528 Abs 2, § 502 Abs 4 Z 1 ZPO, §§ 78, 402 EO zulässig sei. Das Rekursgericht teilte die Ansicht des Erstgerichts, dass eine rechtskräftig entschiedene Sache nicht vorliege, da Identität der Aufhebungsbegehren ON 16 und ON 25 nicht gegeben sei. Die Aufzählung der Gründe, aus denen einstweilige Verfügungen aufzuheben seien, in § 399 Abs 1 EO sei keine taxative. Eine einstweilige Verfügung erlösche nicht bereits durch Ablauf der Zeit, für die sie bewilligt worden sei; sie sei vielmehr solange wirksam, bis sie aufgehoben werde. Die Aufhebung der Verfügung wegen Zeitablaufs könne auf § 399 Abs 1 Z 2 EO gestützt werden. Die einstweilige Verfügung vom 19. Dezember 1980 sei daher bei der gegebenen Sachlage aufzuheben gewesen. Die Aufhebung habe jedoch nicht rückwirkend mit 12. Februar 1981 erfolgen können, da Anträge auf Aufhebung von einstweiligen Verfügungen nur für die Zukunft wirkten.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird von beiden Parteien bekämpft. Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei richtet sich gegen den abändernden Teil des Beschlusses mit dem Antrag, ihn aufzuheben und den Aufhebungsantrag zurückzuweisen, allenfalls abzuweisen. Das Rechtsmittel des Gegners der gefährdeten Partei wendet sich gegen den Beschluss insoweit, als durch ihn „den Anträgen“ des Gegners vom 15. Juli 1983 (ON 25) „nicht Folge gegeben wurde“, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass „den Anträgen“ des Gegners der gefährdeten Partei vollinhaltlich stattgegeben werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Gegner der gefährdeten Partei beantragt in der von ihm erstatteten Rekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei nicht Folge zu geben. Die gefährdete Partei hat eine Rekursbeantwortung nicht angebracht.
1. Zum Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei:
Der Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei ist, soweit er sich dagegen wendet, dass durch die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz der erstrichterliche Beschluss bestätigt worden ist gemäß § 528 Abs 1 Z 1 ZPO, idF BGBl 1983/135 („... soweit ... bestätigt worden ist“), §§ 78, 402 EO unzulässig. Das Rechtsmittel ist dagegen berechtigt, soweit der Gegner der gefährdeten Partei unter Punkt 5 seiner Ausführungen geltend macht, dass durch die angefochtene Entscheidung sein Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss nicht vollständig erledigt worden sei, weil auch die Aufhebung (offensichtlich gemeint: Einstellung) der Exekution 8 E 1467/81 des Bezirksgerichts Neunkirchen (offensichtlich gemeint: des Exekutionsgerichts Wien) beantragt und die Abweisung auch dieses Antrags durch das Erstgericht angefochten worden sei. Die unvollständige Erledigung der Rekursanträge stellt einen Verfahrensmangel dar, der in analoger Anwendung des § 496 Abs 1 Z 1 ZPO mit Rekurs geltend gemacht werden kann (vgl SZ 16/174); die Partei ist im Fall eines solchen Mangels nicht auf die Antragstellung nach den §§ 423, 430 ZPO beschränkt ( Fasching III 817 und 837).
Der Gegner der gefährdeten Partei bekämpft die Abweisung seines Einstellungsantrags durch das Erstgericht im Ergebnis zu Recht. Gemäß § 45 Abs 2 EO sind Anträge auf Einstellung der Exekution ‑ soferne nicht für einzelne Fälle etwas anderes angeordnet ist, was hier nicht der Fall ist ‑ bei dem Gericht, bei dem die Bewilligung der Exekution in erster Instanz beantragt wurde, oder beim Exekutionsgericht anzubringen, je nachdem der Antrag vor oder nach Beginn des Exekutionsvollzugs gestellt wird. Da die Exekution, deren Einstellung begehrt wird, unbestritten beim Exekutionsgericht Wien vollzogen wird, hätte das Erstgericht (als Bewilligungsgericht) den Einstellungsantrag gemäß § 44 JN an jenes Gericht zu überweisen gehabt und ohne Rücksicht auf die Art der Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung nicht abweisen dürfen.
Es war deshalb in Stattgebung des Rekurses der angefochtene Beschluss spruchgemäß zu ergänzen.
Dem Gegner der gefährdeten Partei waren gleichwohl für sein Rechtsmittel keine Kosten zuzusprechen, weil der Verpflichtete nach § 74 EO grundsätzlich keinen Anspruch auf Kostenersatz hat, ein Zwischenstreit über den Antrag auf Einstellung der Exekution aber nicht stattgefunden hat ( Heller‑Berger‑Stix 704 f).
2. Zum Revisionsrekurs der gefährdeten Partei:
Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist nicht berechtigt.
In dem Beschluss vom 19. Dezember 1980, ON 2, durch den die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, wurde gemäß § 391 Abs 1 EO als Zeit, für welche die Verfügung getroffen wurde, die Dauer des erstgerichtlichen Verfahrens C 499/80 bestimmt. Das genannte Verfahren wurde mit der rechtskräftigen Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts beendet. Nach herrschender Ansicht tritt eine einstweilige Verfügung mit Ablauf der Zeit, für die sie bewilligt wurde, nicht von selbst außer Kraft; es muss vielmehr eine ausdrückliche Aufhebung der einstweiligen Verfügung erfolgen (EvBl 1968/180, MietSlg 30.887 ua). Dass eine nach § 382 Z 8 lit a EO erlassene einstweilige Verfügung nicht nach § 399 Abs 1 Z 4 EO aufgehoben werden kann, wie im Verfahren über den Aufhebungsantrag ON 16 hervorgehoben wurde, entspricht ständiger Lehre und Rechtsprechung ( Heller‑Berger‑Stix 2889 EvBl 1970/11); eine derartige Aufhebung wäre im gegenständlichen Fall mangels Vorliegens der in jener Bestimmung genannten Voraussetzungen für eine Aufhebung ‑ Berichtigung, Aberkennung oder Erlöschen des Anspruchs der gefährdeten Partei ‑ auch keinesfalls gerechtfertigt gewesen. Gewiss fällt es schwer, den Zeitablauf in die Aufhebungsgründe des § 399 EO einzureihen, wie in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt wird, doch kann eine solche Aufhebung nach herrschender Ansicht auf § 399 Abs 1 Z 2 EO gestützt werden ( Heller‑Berger‑Stix 2887; im gleichen Sinn Holzhammer , Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht 2 311, und Petschek‑Hämmerle‑Ludwig , Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht, 236), wozu kommt, dass nach Lehre und Rechtsprechung die Aufzählung der Gründe, aus denen einstweilige Verfügungen aufzuheben sind, in § 399 Abs 1 EO keine taxative ist (SZ 25/43; vgl Holzhammer aaO und Heller‑Berger‑Stix 2889), sodass der Zeitablauf auch als eigener Aufhebungsgrund angesehen werden könnte.
Der in der Rechtsprechung schon wiederholt behandelte Fall, dass nach Zurückziehung der Klage dem beklagten Ehegatten die Möglichkeit zu geben ist, den Weiterbestand einer über seinen Antrag erlassenen einstweiligen Verfügung dadurch zu rechtfertigen, dass er selbst das hierfür erforderliche Verfahren ‑ allenfalls nach Fristsetzung durch das Gericht ‑ in Gang setzt, liegt hier nicht vor. Vor allem aber stand der gefährdeten Partei im vorliegenden Fall bereits einen mehr als angemessene Frist (seit Rechtskraft der Klagszurückweisung, also seit Februar 1981!) zur Verfügung, um ‑ durch Einbringung einer neuen Klage ‑ die für die Aufrechterhaltung der erwirkten einstweiligen Verfügung erforderliche Rechtfertigung herbeizuführen (JBl 1980, 268, EvBl 1984/43, 1 Ob 601/82). In derartigen Fällen ist eine Fristsetzung jedenfalls entbehrlich (EvBl 1984/43, 1 Ob 601/82).
Rechtskräftig entschiedene Sache liegt entgegen der Meinung der gefährdeten Partei, wie schon von den Vorinstanzen zutreffend ausgeführt wurde, nicht vor, weil sich der Gegner der gefährdeten Partei bei seinem ersten Aufhebungsantrag ON 16 ausdrücklich und ausschließlich auf die Bestimmung des § 399 Abs 1 Z 4 EO und damit auf einen anderen Rechtsgrund als bei seiner neuerlichen Antragstellung ON 25 gestützt hat.
Mit Recht hat deshalb das Rekursgericht die einstweilige Verfügung vom 19. Dezember 1980 aufgrund der rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits durch Zurückweisung der Klage in Verbindung mit der seither verstrichenen Frist aufgehoben.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO, §§ 78, 402 EO.
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