OGH 7Ob553/84

OGH7Ob553/8419.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Thomas B*****, geboren am *****, vertreten durch seinen Vater Johann B*****, ebendort, dieser vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei mj Klaus L*****, geboren am *****, vertreten durch seinen Vater Josef L*****, ebendort, dieser vertreten durch Dr. Tillo Zimmeter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 60.000 S sA und Feststellung, (Streitwert 60.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Dezember 1983, GZ 13 R 236/83‑13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. September 1983, GZ 18 Cg 2/83‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00553.840.0419.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.878,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 960 S Barauslagen und 447,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Entscheidungsgründe:

Am 25. 12. 1981 begannen die Streitteile sowie deren Brüder nach dem Schifahren zu spielen; sie veranstalteten eine Schneeballschlacht. Der Kläger warf dem Beklagten aus einer Entfernung von 7 bis 10 m Schneebälle zu, die dieser mit einem Schistock abzuwehren versuchte. Bei einem dieser Versuche löste sich der Stock aus der Griffhalterung und flog in Querstellung gegen die Schneebrille des Klägers. Durch einen Splitter der Brille wurde der linke Augapfel des Klägers verletzt. Das Auge musste entfernt werden. Die Schistöcke des Beklagten hatte dessen Vater einige Wochen vor dem Unfall gekauft. Es handelte sich um Metallstöcke mit Plastikgriffen, die auf den Stöcken nicht verschraubt waren.

Das Erstgericht wies die auf Bezahlung eines Schmerzengeldes von 60.000 S sA und auf Feststellung der Haftung des Beklagten für alle dem Kläger aus dem Unfall entstehenden künftigen Schäden ab. Das Berufungsgericht bestätigte. Beide Vorinstanzen vertraten die Auffassung, dass eine Ersatzpflicht nach § 1310 ABGB nur dann gegeben wäre, wenn den Deliktsunfähigen auch im Falle seiner unbeschränkten Deliktsfähigkeit eine Haftung treffen würde. Dies sei hier nicht der Fall. Der bestimmungswidrige Gebrauch eines Schistocks zur Abwehr von Schneebällen führe ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht zu einer Gefährdung anderer, wenn sich diese außerhalb der Reichweite des Stocks befänden. Auch ein voll Deliktsfähiger brauche grundsätzlich nicht damit zu rechnen, dass sich der Schistock vom Griff löse. Nur wenn ein solcher Vorgang voraussehbar sei, müsse auch die damit verbundene Gefahr erkannt werden. Das Fehlen einer Verschraubung bedeute noch keine leichte Lösbarkeit von Griff und Stock. Insbesondere bei neuen Schistöcken könne damit gerechnet werden, dass sie einer Belastung, wie sie sich auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ergebe, standhielten.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands zusammen mit dem in einem Geldbetrag bestehenden Teil den Betrag von 300.000 S übersteigt.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass dem Unmündigen nur dann eine volle oder teilweise Haftung nach § 1310 ABGB auferlegt werden kann, wenn er auch als voll Deliktsfähiger für den Schaden einzustehen hätte. Der § 1310 ABGB enthält keine Ausweitung der Haftung, sondern eine Einschränkung zugunsten nicht voll Zurechnungsfähiger ( Koziol , Österreichisches Haftpflichtrecht 2 II 313; JBl 1982, 375; SZ 17/145; vgl auch Wolff in Klang 2 VI 79). Dies wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein voll Deliktsfähiger zur Haftung herangezogen werden könne, ist davon auszugehen, dass es sich bei der von den Streitteilen und ihren Brüdern nach dem Schifahren veranstalteten Schneeballschlacht um eine an spielerischer Selbstentfaltung und am Leistungsstreben orientierte Form menschlicher Betätigung handelte, die der körperlichen Beweglichkeit diente und die der sportlich‑spielerischen Betätigung zuzuordnen ist (vgl Brockhaus, Enzyklopädie Bd 17 761). Die Veranstaltung einer Schneeballschlacht ist an keine das allgemeine Verletzungsverbot spezifizierende Regeln geknüpft. Sie entfaltet sich zumeist individuell und unorganisiert.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Handlungen oder Unterlassungen im Zuge sportlicher Betätigung, durch die ein anderer Teilnehmer in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet oder am Körper verletzt wird, insoweit nicht rechtswidrig, als sie nicht das in der Natur der betreffenden Sportart gelegene Risiko vergrößern (SZ 54/133; SZ 51/89; EvBl 1979/169). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken des Handels auf eigene Gefahr. Wer sich einer ihm bekannten oder erkennbaren Gefahr aussetzt, wie etwa durch Teilnahme an gefährlichen Veranstaltungen, dem wird eine Selbstsicherung zugemutet. Ihm gegenüber wird die dem Gefährdenden sonst obliegende Sorgfaltspflicht aufgehoben oder eingeschränkt. Ob und inwieweit durch ein Handeln auf eigene Gefahr die Sorgfaltspflicht anderer aufgehoben oder beschränkt wird, ist aber stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Bei gegeneinander ausgeübter sportlicher Betätigung ist eine Verhaltensweise, die sonst nur als leichter Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht aufzufassen wäre, nicht rechtswidrig (vgl Koziol Österreichisches Haftpflichtrecht 2 I aaO 96 f). Aufgrund gewöhnlich (fahrlässigen) Fehlverhaltens eingetretene Verletzungen sind eine Realisierung des allgemein mit der Teilnahme an derartigen Sportveranstaltungen verbundenen Risikos ( Zimmermann in VersR 1980, 502).

Im vorliegenden Fall versuchte der Beklagte die ihm vom Kläger zugeworfenen Schneebälle mit einem Schistock abzuwehren, was schon allein die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten fraglich erscheinen lässt. Da der Kläger hiebei überdies 7 bis 10 m vom Beklagten entfernt war und sich somit außerhalb des durch die Stockbewegung bedingten unmittelbaren Gefahrenbereichs befand, kann die durch das Schwenken des Schistocks hervorgerufene Gefahr jedenfalls nicht als grobe Verletzung der vom Beklagten auch im Rahmen der sportlich‑spielerischen Betätigung zu beobachtende Sorgfaltspflicht angesehen werden. Dass die Handlungen des Beklagten gezielt waren, wäre nur dann von Bedeutung, wenn diese auf eine Verletzung des Klägers ausgerichtet gewesen wären (vgl Koziol aaO 97). Da es sich auch nicht um eine nach festen Regeln ablaufende sportliche Betätigung handelte, ist es auch unerheblich, ob Schneeballschlachten in der Regel ohne Zuhilfenahme von Geräten ausgeübt werden. Mangels Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten ist die Verschuldensfrage nicht zu erörtern.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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