OGH 8Ob516/84

OGH8Ob516/8412.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Hermine A*****, vertreten durch Dr. Harald Erich Hummel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte und widerklagende Partei Oswald Josef A*****, vertreten durch Dr. Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. November 1983, GZ 6 R 232, 233/83‑51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. Juli 1983, GZ 13 Cg 239/80‑46, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00516.840.0412.000

 

Spruch:

 

Der Revision der Klägerin wird nicht, hingegen jener des Beklagten Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 5.170,84 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 240 S Barauslagen und 357,84 S Umsatzsteuer) und die mit 6.093,30 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von 240 S und Umsatzsteuer 483,30 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der am ***** geborene Oswald Josef A***** und die am ***** geborene Hermine K***** geborene W***** haben am 15. 5. 1965 vor dem Standesamt Schwaz miteinander die Ehe geschlossen. Beide Teile sind österreichische Staatsangehörige. Der Ehe entstammen die Kinder Michael A*****, geboren am 20. 11. 1965, Oswald A*****, geboren am 11. 1. 1967, und Karin A*****, geboren am 12. 2. 1970. Ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten die Ehegatten in I*****.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Sie machte unter anderem geltend, dass ihr Ehegatte ehewidrige Beziehungen zu einer verheirateten Frau aufgenommen habe, dass er die Klägerin am 14. 4. 1980 in der ehelichen Wohnung mit einem Küchenmesser bedroht habe und dass er am gleichen Tag ohne Grund aus der ehelichen Wohnung ausgezogen sei.

Der Beklagte erhob Widerklage, begehrte die Scheidung seiner Ehe aus dem Verschulden der Ehegattin und machte unter anderem geltend, dass sie die Klägerin (Widerbeklagte) ihm gegenüber interesselos und lieblos gezeigt habe, dass ihr an ihm nicht liege, sie ihn missachtet und schikaniert habe, dass sie ihn mit einem Kreislaufkollaps liegengelassen habe, dass sie ihn nicht mehr grüße und bei den Kindern gegen ihn Stimmung gemacht habe.

Das Erstgericht verband die Klage und Widerklage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und sprach mit seinem Urteil die Scheidung der Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten aus. Es traf folgende Feststellungen:

Die Ehegatten hatten zunächst ihre Wohnung in M*****, übersiedelten dann im Jahre 1968 nach I***** in die *****, wo die Wohnung allmählich ausgestattet und eingerichtet wurde. Am 14. 4. 1980, nach einer ehelichen Auseinandersetzung, bei der auch die Polizei einschritt, zog der Beklagte aus der Wohnung aus. Er wohnt nunmehr in *****. Die häusliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten ist seither aufgehoben.

Die Ehe verlief anfänglich gut, doch traten schon in der Wohnung in M***** erste Störungen des harmonischen Zusammenlebens auf. In den ersten Jahren in I***** waren beide Ehegatten durch die Wohnungseinrichtung, die Klägerin durch die Betreuung der beiden Kleinkinder und der Beklagte durch seine Berufstätigkeit voll in Anspruch genommen; die eheliche Gemeinschaft gestaltete sich wieder ungetrübter.

Anfangs der 70er‑Jahre gab es zwischen den Ehegatten wieder Differenzen und Störungen des ehelichen Zusammenlebens. Die Anpassung an die Persönlichkeit des anderen fiel beiden schwer, sodass die latente Disharmonie zwischen ihnen auch den Bekannten und Verwandten der Eheleute auffiel. Die Klägerin erwies sich als pedante, sehr auf Ordnung und Sauberkeit bedachte Hausfrau, die sowohl die Haushaltsführung als auch die Kindererziehung nach ihrem Willen durchzusetzen bestrebt war. Der Beklagte empfand die Bestrebungen seiner Frau als einschneidende Einengung seiner persönlichen Freiheit, als ständige Nörgelei an seinem Verhalten, als Unverträglichkeit und Lieblosigkeit seiner Frau. Diese Vorwürfe waren bis zu einem gewissen Grade berechtigt. Der Beklagte empfand es als einengend und die eheliche Harmonie störend, wenn die Klägerin schon bei seinem Betreten der ehelichen Wohnung nach dem Dienst ihn mit den Worten empfing: „Hast Du Dir die Schuhe abgeputzt?“, „Hast Du Dir die Schuhe ausgezogen?“. oder wenn sie wiederholt die Frage stellte: „Hast Du Dich gewaschen?“ Der Beklagte vermisste bei seiner Frau die erforderliche Warmherzigkeit, Fürsorglichkeit und einfühlende Rücksichtnahme. Die Klägerin ließ es im ehelichen Zusammeleben an der erforderlichen Rücksichtnahme, Einfühlung, anständigen Begegnung gegenüber dem Beklagten und Schaffung einer familiären Atmosphäre fehlen. Dieses Fehlverhalten ließ sich unter anderem in folgenden Ereignissen erkennen:

Zu Weihnachten 1973 oder 1974 hatte der Beklagte seiner Frau eine goldene Armbanduhr geschenkt, worüber sie sich jedoch abfällig und kritisierend äußerte, weil die Uhr kein Leuchtziffernblatt hatte und das Armband nicht aus Gold war. Der Beklagte versicherte hierauf seiner Frau, sie wer ein Jahr darauf ein goldenes Armband für die Uhr erhalten; vorerst könne er dies aus finanziellen Gründen nicht tun. Im Grunde genommen war er aber über das Verhalten seiner Frau gekränkt.

Reibereien hatte es zwischen den Ehegatten schon im Jahre 1970 aus Anlass der Anschaffung einer Kücheneinrichtung gegeben: Die Planung hatte der Beklagte vorgenommen, die Klägerin kritisierte ihn darüber in mehrfacher Hinsicht.

Im Frühjahr 1972, als der Beklagte wegen eines Beinbruchs einen Gipsverband trug, machten die Ehegatten einen Ausflug zum Grünwalderhof nach I*****. Dort vereinbarte der Beklagte mit der Klägerin, dass sie einen Wiesenweg nehmen solle, während er mit dem Auto zu einem bestimmten Treffpunkt hinfahren werde, wo er dann auf sie warten wolle. Dies tat der Beklagte auch, seine Frau jedoch kam nicht. Er wartete zunächst 3/4 Stunden lang, fuhr dann wieder zurück und begab sich, nachdem er sie nirgends finden konnte, zur Polizei. Schließlich fuhr er heim und traf seine Frau dort an. Sie war direkt zur I*****‑Bahn gegangen und mit dieser nach I***** gefahren. Über seine Vorhalte erklärte sie: „Du bist schön dumm, wenn Du so lange oben wartest“.

Im Geschlechtsleben der Eheleute gab es in zunehmendem Maße Unstimmigkeiten: Nach der Geburt des Sohnes Oswald im Jänner 1967 lehnte die Klägerin ihren Mann längere Zeit hindurch gänzlich ab. Es kam ca 3/4 Jahr lang zu keinem Geschlechtsverkehr. Die Klägerin äußerte in weiterer Folge diesbezüglich: „3 bis 4 mal im Jahr, das wird Dir wohl reichen“. In der Folgezeit normalisierten sich dann diesbezüglich die Verhältnisse wieder etwas. Im Jahre 1975 kam es zwischen den Ehegatten letztmalig zu einem ehelichen Verkehr. Nachdem er wiederum Annäherungen an die Klägerin versuchte, lehnte sie dies kategorisch ab und gebrauchte Ausdrücke wie „verschwinde“ oder „laß mich in Ruh“. Sie zog aus dem ehelichen Schlafzimmer aus und übernachtete 4 oder 5 Wochen lang im Wohnzimmer. Der Beklagte versuchte in der Folge noch oft, einen ehelichen Verkehr mit seiner Frau zu erreichen, doch lehnte sie dies immer wieder ab. In der Folge gescha es oft, wenn er sich im Bett nur umdrehte oder wenn er ungewollt die Hand zu ihr hinüberlegte, dass sie aufsprang und aus dem Schlafzimmer hinauseilte, wobei sie ihre Decke mitnahme und den Rest der Nacht im Wohnzimmer verbrachte. In diesen Situationen wiederholte sie ihren Ausspruch „verschwinde“ oder „laß mich in Ruh“. Sie gebrauchte aber auch verletzende Äußerungen: „Von mir aus gehst Du zu einer andern, Dich mag sowieso keine“.

Ab dem Jahre 1976 verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Ehegatten weiter. Im Jahre 1979 gab es neuerlich zwei Ereignisse, die zur weiteren Ehezerrüttung beitrugen:

Die Ehegatten unternahmen einen gemeinsamen Ausflug mit dem PKW ins Zillertal. Nachdem die Familie am Stausee angekommen war, um dort den PKW abzustellen, wechselte der Beklagte, der den PKW gelenkt hatte, die Schuhe und zog sich Bergschuhe an. Als er damit fertig war und sich umdrehte, musste er feststellen, dass die Klägerin mit den drei Kindern bereits verschwunden war. Erst ca zwei Stunden später fand er sie am anderen Ende des Sees. Der Beklagte war darüber sehr verärgert und seine Laune verdorben. Ein anderes Mal machte die Familie, ebenfalls noch im Jahre 1979, einen Autoausflug zu den Reinthaler Seen. Von dort begaben sie sich zu Fuss zum sogenannten Berglsteiner See. Die Kinder spielten dort beim Wasser. Der Beklagte befasste sich mit ihnen und musste plötzlich wiederum feststellen, dass die Klägerin verschwunden war. Erst 1 1/2 Stunden später fand er sie wieder auf dem Weg zum Auto. Bei diesem Ausflug hatte sich der älteste Sohn an einem Hosenbein die Schnürlsamthose beschmutzt. Dies beanstandete hernach die Klägerin heftig und schimpfte auf der ganzen Heimfahrt vom Reintaler See bis nach I*****, wobei sie ihm vorhielt, dass sie diese Hose erst kurz vorher neu gereinigt habe. Hiedurch wurde dem Beklagten die Heimfahrt verleidet.

Die mangelnde Harmonie zwischen den Ehegatten trat auch Dritten gegenüber zutage: Ein Jugendfreund und Arbeitskollege des Beklagten, mit dem er früher häufig und engen Kontakt hatte, besuchte die Ehgatten in den ersten Jahren nach der Eheschließung. Nachdem die Streitteile nach I***** übersiedelt waren und dieser Bekannte die Familie noch zweimal besucht hatte, bat er den Beklagten, von weiteren Einladungen Abstand zu nehmen. Die Besuche waren ihm unerquicklich, weil es während der Besuche stets Streitigkeit zwischen ihnen gegeben hatte. Seinem Eindruck nach war es vor allem die Klägerin, die sich sehr aggresiv zeigte und immer ihren Willen durchzusetzen versuchte. Wenn beispielsweise der Beklagte sagte, dass jetzt die Kinder schlafen gehen sollten, kam postwendend die Antwort von der Klägerin: „Die gehen dann schlafen, wenn ich es sage“. Wenn die Klägerin bei dem Freund des Beklagten zu Besuch war, wurde ihre ganze Anwesenheit damit ausgefüllt, dass sie eine „Schimpfkanonade“ über ihren Mann losließ. Ihr Hauptvorwurf war es, dass ihr Mann ihr zu wenig Geld gebe. Auch beschwerte sie sich darüber, dass ihr Mann ihr zu wenig Freiheit einräume, mit dem Geld nach ihrem Gutdünken umzugehen. Der Freund gewann den Eindruck, dass die Klägerin daheim „das große Wort führen wollte“, womit der Beklagte nicht einverstanden war. Der Beklagte wiederum beschwerte sich bei diesem über das Verhalten seiner Frau. Er meinte, ihr Verhalten sei unleidlich. Insbesondere über deren Kindererziehung beschwerte sich der Beklagte und meinte, seine Frau spreche ihm das Recht ab, mit den Kindern etwas zu unternehmen. Wenn nach den Schilderungen des Beklagten dieser mit den Kindern schifahren gehen wollte, habe die Klägerin jeweils Argumente gefunden, um dies zu verhindern. Bei Streitigkeiten zwischen den Ehegatten, bei denen der Freund des Beklagten zugegen war, fiel diesem auf, dass hiebei immer die Klägerin „das letzte Wort haben wollte“.

Auch der Vetter des Beklagten hielt wegen des Verhaltens der Klägerin die gesellschaftlichen Kontakte mit den Ehegatten nicht mehr aufrecht. Die gegenseitigen Besuche wurden schon vor ca neun Jahren abgebrochen. Bei dessen vorletztem Besuch bewirtete die Klägerin die Gäste und sagte hiebei zum Beklagten unter anderem: „Du könntest Dich auch einmal rühren“. Beim letzten Besuch war es dann so, dass der Beklagte der Klägerin behilflich sein wollte, worauf sie zu ihm sagte: „Was mischt Du Dich denn überall ein“.

Im Spätherbst 1971 musste die Klägerin wegen eines Bandscheibenleidens operiert werden. Der Beklagte bemühte sich, eine Familienhelferin zur Versorgung des Haushalts und inbesondere der Kinder zu erhalten. Dies gelang ihm auch, worauf im November und Dezember 1971 und dann im Jänner 1972 an insgesamt 35 Arbeitstagen Familienhelferinnen zu den Streitteilen kamen. Diese gewannen den Eindruck, dass die Ehe damals noch im Wesentlichen in Ordnung war und dass sich auch der Beklagte sehr um die Familie bemühte. Die Familienhelferinnen fanden auch einen geordneten Haushalt vor und gewannen den Eindruck, dass die Klägerin in ihrer Haushaltsführung ordentlich war.

Der Beklagte war, bevor er im Jahre 1980 krankheitshalber in den Ruhestand trat, im Dienst stets fleißig. Er verrichtete auch außerhalb der Dienstzeit bei Bekannten und Verwandten Elektrikerarbeiten. Auch zur Schaffung der Wohnungseinrichtung trug er durch persönliche Arbeitsleisung viel bei. Er war eifrig bemüht, die Ehewohnung ordentlich auszustatten. Bei Bekannten und Verwandten, bei denen er als Elektriker tätig war, arbeitete er oft bis spät in die Nacht hinweist. Mit den Kindern ging er liebevoll um. Der Kläger war früher ein geselliger Mensch. Die Klägerin liebte aber gesellschaftliche Zusammenkünfte nicht und ging auch mit dem Beklagten, obwohl er ein Theaterabonnement hatte, fast nie gemeinsam ins Theater. Auch mit den Ehegatten S*****, mit denen der Beklagte schon seit mehreren Jahrzehnten gesellschaftlichen Kontakt hatte, wurden gesellige Zusammenkünfte und Besuche nicht mehr aufrecht erhalten, weil Frau S***** erlannte, dass die Klägerin keine Gesellschaften wünschte.

Es kam häufig wegen Kleinigkeiten zu Streitigkeiten zwischen den Eheleuten, in deren Verlauf auch der Beklagte oft demütigende und verletzende Äußerungen machte. Als die Klägerin sich einmal beklagte, sie bekomme zu wenig Geld, erwiderte der Beklagte: „Wenn Du ein Geld brauchst, dann geh am Strich“. Ein anderes Mal hielt er ihr vor: „Das ist meine Wohnung“.

Als der Beklagte über Ersuchen der Klägerin auch für sie einen Kuraufenthalt erwirkt hatte, trat sie die Kur nicht an, dies jedoch nur deshalb, weil der Beklagte in diesem Zusammenhang erklärt hatte, er müsse diesfalls die Prämiensparbücher der Kinder auflassen. Außerdem scheiterte der Kuraufenthalt daran, dass der Beklagte den Vorschlag der Klägerin, er solle zur gleichen Zeit, zu welcher sie auf Kur in Schallerbach sei, mit dem Kindern dorthin fahren und Urlaub machen, ablehnte. Er sagte, das komme nicht in Frage, dies sei zu teuer. Der Beklagte schlug vor, die Klägerin solle zur Kur nach Schallerbach fahren, während er mit den Kindern nach Karrösten auf Urlaub fahren werde. Damit war die Klägerin nicht einverstanden und trat die Kur nicht an. Ihren Wunsch, ebenfalls mit nach Karrösten zu fahren, lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, das Quartier dort sei bereits bestellt, es sei jetzt keine Möglichkeit mehr, dass auch die Klägerin dort unterkomme. Im Verlauf von Streitigkeiten betitelte der Beklagte die Klägerin mit Schimpfworten wie „Du blöde Kuh“, „Du blöde Urschl“ und „Gurke“. Diese Schimpfworte gebrauchte der Beklagte auch in Gegenwart der Kinder.

Der Beklagte lernte während seines Kuraufenthalts in Bad Schallerbach im Jahre 1976 die damals 53‑jährige Elfi K***** kennen. Aus dieser Bekanntschaft entwickelte sich eine Liebesbeziehung, deren Werdegang in den vom Beklagten dieser Frau übersandten Briefen ihren Niederschlag fand. Im Schreiben des Beklagten vom 19. 12. 1977 hieß es noch: „Liebe gnädige Frau! Liebe Elfi!“ Auch in einem weiteren Schreiben des Beklagten an Frau K***** vom 18. 7. 1978 aus Karrösten heißt es noch: „Hochverehrte, liebe gnädige Frau! Liebe Elfi!“. In diesem Brief heißt es unter anderem „vergangene Woche musste ich zu unserem Amtsarzt wegen der Kur ... ich darf kommen. Wahrscheinlich ab 8. September – wie geht es bei Dir aus? ... erwarte voll Ungeduld eine Nachricht von Dir“. In einem weiteren Schreiben des Beklagten an Frau K***** vom 20. 1. 1979, welches mit einem Blumenbild illustriert ist, lautet die Überschrift bereits „Liebes Elfilein!“. Einen Brief vom 5. 3. 1979 leitete der Beklagte mit der Anschrift „Liebe Elfimaus!“ ein. In diesem Brief nimmt der Beklagte unter anderem Bezug auf einen Anruf von Frau K***** und schreibt unter anderem „Weißt Du, wie glücklich Du mich wieder mit Deinem Anruf gemacht hast“. Ein weiteres Schreiben vom 17. 9. 1979, welches insgesamt 12 handgeschriebene Seiten umfasst, ist überschrieben mit „Liebes, liebes, ganz ganz liebes Elfimausl!“. In diesem Brief finden sich Formulierungen wie zum Beispiel: „Du mein liebes Mausi, ich muss einfach 'Mausi' sagen, es liegt so etwas sehr inniges, tief empfundenes darin, ich kann nicht anders, ich habe Dich sehr sehr lieb und warte mit großer Sehnsucht wenigstens Deine Stimme zu hören“, oder an anderer Stelle „... und mein Wunsch wird immer drängender mit Dir Hand in Hand über Berge durch Täler und Auen zu wandern. Wir müssen noch etwas Geduld haben, aber einmal in S. wird es uns bestimmt gelingen. Und auf das freue ich mich ehrlich, Du auch?. „... ich will ja nur Dich allein, das wirst Du bestimmt schon gemerkt haben“, oder „einmal hast Du in der Waldesruh, so ganz nebenbei, dachte ich, Deine Hand auf meine gelegt. Mein Gott, gab das einen Aufruhr in meinem Herzen ...“. Der Beklagte schloss diesen Brief mit den Worten „es grüßt Dich ... ein ganz, ganz glücklicher und in Dich irr verliebter Ossi. Gute Nacht und träume schön“.

Der Ehegatte der Frau K*****, Dr. Werner K*****, erfuhr von der Beziehung seiner Frau zum Beklagten durch Abhören eines Ferngespräches, bei dem der Beklagte seine Frau mit „Schatzi“ und dergleichen titulierte. Da in diesem Ferngespräch auch von einem Brief die Rede war (jener vom 17. 9. 1979), hielt Dr. K***** Nachschau und entdeckte in einem unversperrten Schreibtisch einige geöffnete Briefe des Beklagten an seine Frau. Dr. K***** stellte den Beklagten telefonisch zur Rede. Am 29. 9. 1979 wandte sich der Beklagte in einem Schreiben an Dr. K*****. Er bedauerte darin, mit seiner Frau in einer „zu vertrauten Sprech‑ und Schreibweise“ gestanden zu sein. Er forderte in diesem Schreiben Dr. K***** auf, seine Frau wegen dieser Freundschaft nicht zu verdammen und zu verstoßen und es heißt dann wörtlich: „Sollten Sie es dennoch zum äußersten kommen lassen, werde ich ihrer, dann geschiedenen Frau mit allen meinen bescheidenen Mitteln zur Seite stehen, dafür gebe ich mein Wort“. In seinem Antwortschreiben vom 8. 10. 1979 verurteilte Dr. K***** das Verhalten des Beklagten seiner Frau gegenüber auf das schärfste. Es bestanden aber auch noch nach dem 8. 10. 1979 zwischen dem Beklagten und Frau K***** Kontakte. Zu Weihnachten 1979 schrieb sie ihm eine Karte. Ob es nachher noch zu Zusammentreffen zwischen den Genannten kam, konnten nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Der Beklagte fuhr ab dem Jahre 1979 an seinen freien Tagen wiederholt weg und blieb dabei verschiedentlich auch über Nacht aus.

Am frühen Vormittag des 14. 4. 1980 waren beide Ehegatten daheim. Der Beklagte war im Krankenstand. Er war damit beschäftigt, verschiedene Schreibarbeiten zu erledigen. Seine Aktentasche stand in der Nähe der Wohnungseingangstüre im Vorzimmer. Während er noch das Klosett aufsuchte, nahm die Klägerin die Aktentasche an sich und verließ die Wohnung, um ungestört in der Aktentasche Nachschau halten zu könne, ob sich darin Liebesbriefe an oder von Frau K***** befanden. Der Beklagte hörte noch, wie seine Frau die Wohnungstüre zumachte, sah, dass sie seine Aktentasche mitgenommen hatte und wolte ihr nachlaufen, erreichte sie aber nicht mehr. In dieser Aktentasche befanden sich aber auch die Wohnungsschlüssel des Beklagten, sodass er die Wohnungstüre, die zugefallen war, von außen nicht mehr öffnen konnte. Hierüber und über das Verhalten seiner Frau war der Beklagte zornerfüllt. Er holte sich aus seinem Auto einen Schraubenzieher und ein Stemmeisen und brach mit Hilfe dieser Werkzeuge die Wohnungstüre auf. Noch immer in Wut entschloss er sich, das Zimmer seiner Tochter Karin für sich in Anspruch zu nehmen und aus dem ehelichen Schlafzimmer auszuziehen. Er begann den Kasten der Klägerin umzuräumen, um dort für die Sachen seiner Tochter Platz zu schaffen. Hiebei entdeckte er Schmuck, den er vorher noch nie gesehen hatte. In weiterer Folge begab er sich zu seinem Anwalt, von dem er den Ratschlag erhielt, seine begonnenen Tätigkeiten zu unterlassen. Er kehre in die Wohnung zurück und montierte in der Folge mit dem Schraubenzieher das Schließblech beim beschädigten Türschloss. Gegen 12:45 Uhr kam die Klägerin heim und legte die Aktentasche des Beklagten auf ein Kästchen im Vorzimmer. Noch immer zornerfüllt trat der Beklagte der Klägerin entgegen, wobei er den Schraubenzieher noch in der Hand hielt, die Spitze gegen die Klägerin gerichtet. Er äußerte „weißt Du, was Dir eigentlich gebührt, mit meiner Aktentasche abzuhauen!“. Ob der Beklagte hiebei die Klägerin gegen die Türe gestoßen hat, ist nicht mit Sicherheit erwiesen. Die Klägerin lief sofort zur Wohnungstür hinaus und eilte in die Wohnung der ihr bekannten Nachbarin Marlene L*****, von wo sie die Polizei anrief und um Hilfe ersuchte. Es erschien die Funkstreife, die den Beklagten zur Polizei mitnahm, seine Vernehmung durchführte und ihm um 14:45 Uhr des gleichen Tages über Auftrag des zuständigen Staatsanwalts wieder enthaftete. Noch am gleichen Abend, nämlich gegen 22 oder 23 Uhr kehrte der Beklagte in Begleitung seines Vaters und eines Freundes in die eheliche Wohnung zurück, packte seine persönlichen Sachen in einen Koffer und entfernte sich aus der Wohnung. Mit der Klägerin sprach er nicht mehr. Seither ist die eheliche Gemeinschaft zwischen den Streitteilen aufgehoben. Das gegen den Beklagten zu 34 Vr 1520/80 des Landesgerichts Innsbruck eingeleitete Strafverfahren wurde gemäß § 90 StPO eingestellt.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass beide Ehegatten Eheverfehlungen begangen hätten, sodass iSd § 60 Abs 2 EheG beide für schuldig zu erklären gewesen seien. Ein Überwiegen des Verschuldens eines der beiden Streitteile sei nicht zu erkennen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, dass es das Überwiegen der Schuld des Beklagten aussprach.

Auf der Grundlage der Feststellungen des Erstgerichts vertrat das Gericht zweiter Instanz die Auffassung, dass das ehewidrige Verhalten der Klägerin sich in relativ geringfügigen Verfehlungen erschöpfte, während jede einzelne Verfehlung des Beklagten für sich allein sehr schwer wiege. Es sei zwar nicht erwiesen, dass der Beklagte zu Elfi K***** intime Beziehungen hatte, der Inhalt der Briefe verrate jedoch eine ausnehmend tiefe Zuneigung des Beklagten zu dieser Frau, was die eigene Ehe zwangsläufig tiefgreifend beeinträchtigte. Auch der keineswegs begründete Auszug des Beklagten aus der ehelichen Wohnung sei ihm als grobe Eheverfehlung anzulasten. Schließlich reichten die Verfehlungen der Klägerin zeitlich weiter zurück, als jene des Beklagten.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richten sich die Revision der Klägerin und des Beklagten. Die Klägerin macht den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO geltend und beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, dass die Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden werde; der Beklagte macht die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO geltend und beantragt, das Berufungsurteil dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Beide Teile stellen auch hilfsweise Aufhebungsanträge.

In den Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt, jene des Beklagten gerechtfertigt.

Der Beklagte behauptet in der Revision zunächst, dass das berufungsgerichtliche Verfahren mangelhaft geblieben sei und dass das Gericht zweiter Instanz von aktenwidrigen Annahmen ausgegangen sei. Die gerügten Verstöße liegen jedoch nicht vor, was nicht näher begründet zu werden braucht (§ 510 Abs 3 ZPO).

In ihren Rechtsrügen stellen beide Streitteile in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen, dass das Berufungsgericht die Schuld der Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe unrichtig gewertet habe. Nach Ansicht der Klägerin seien ihre Verfehlungen derart geringfügig, dass sie nicht ins Gewicht fielen, nach der Auffassung des Beklagten wären seine Eheverfehlungen nicht gravierender zu beurteilen, als die seiner Frau.

Auszugehen ist davon, dass der Ausspruch überwiegenden Verschuldens nur dann zulässig ist, wenn die Schuld des einen Ehegatten erheblich schwerer ist als die des anderen (EFSlg 34.042, 25.081/4; Schwind , Komm zum österreichischen Eherecht 2 251); es muss das Verschulden des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund treten (EFSlg 34.044, 25.082 ua; Schwind in Klang 2 I/1, 837). Dies kann im vorliegenden Fall für die Klägerin nicht gesagt werden:

Bei der Beurteilung des Verhaltens der Streitteile steht zunächst der für die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft unmittelbar maßgebliche Vorfall vom 14. 4. 1980 im Vordergrund. Es ist richtig, dass sich der Beklagte gerade an diesem Tag besonders schwere Eheverfehlungen anlasten muss, aber auch im Verhalten der Klägerin ist – geprägt aus ihrer im gesamten negativen Verhaltensweise gegenüber ihrem Ehegatten – ein grober Verstoß gegen die Ehe zu erblicken. Sie musste wissen, dass sie durch die heimliche Wegnahme der Aktentasche ihn sehr schwer erzürnen werde. Auch war es von ihr überaus provokativ, mit der Aktentasche einen halben Tag wegzubleiben, ohne sich darüber Gedanken zu machen, dass der Beklagte dann solange ohne Wohnungsschlüssel blieb. Gerade dieser Vorfall zeigt deutlich, wie weit bereits das Zerwürfnis der Streitteile seit Jahren gediehen war. Von einer Verfristung ihrer Eheverfehlungen gemäß § 57 EheG kann daher nicht die Rede sein; auch auf ihre früheren Eheverfehlungen ist daher entsprechend Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 90 ABGB (in der Fassung des Gesetzes über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe BGBl Nr 412/1975; früher inhaltlich gleichgeartet §§ 90 und 92 ABGB) sind die Ehegatten unter anderem zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. Diese elementaren Voraussetzungen des ehelichen Verhältnisses wurden von der Klägerin zumindest dadurch verletzt, dass sie es des öfteren an Fürsorglichkeit und einfühlender Rücksichtnahme fehlen ließ. Ihr Verhalten im geschlechtlichen Bereich stellt einen besonders groben Verstoß gegen die Ehe dar. Bereits ab dem Jahre 1975 verweigerte sich die Klägerin dem Beklagten geschlechtlich gänzlich. Sie gab keine Gründe dafür an, sondern lehnte ihn mit Ausdrücken wie „verschwinde“ ab. Sie sprang schon bei bloß ungewollter Berührung durch den Beklagten aus dem Bett auf und eilte aus dem Schlafzimmer, wobei sie ihre Decke mitnahm und den Rest der Nacht im Wohnzimmer verbrachte. Dabei machte sie überdies verletzende Äußerungen wie: „Von mir aus gehst Du zu einer anderen, Dich mag sowieso keine“. Berücksichtigt man dazu die vielen jahrelangen weiteren Verletzungen gegenüber ihrer Verpflichtung zu anständigen Begegnungen und zum ehelichen Beistand, kann nicht gesagt werden, dass ihr Verschulden fast völlig in den Hintergrund getreten sei, vielmehr ist ihr ein wesentlichen Anteil an den ehelichen Zerwürfnissen und an der schließlichen Zerrüttung der Ehe anzulasten.

Dies ändert aber nichts daran, dass dem Beklagten ebenfalls schwere Eheverstöße anzulasten sind, die ihrem Gewicht nach jenem der Klägerin um nichts nachstehen:

Ähnlich wie im Falle der Klägerin ist auch beim Beklagten der Vorfall vom 14. 4. 1980 für sein ehewidriges Verhalten signifikant. In einem großen Zornausbruch verschaffte er sich Schraubenzieher und Stemmeisen, brach die Wohnungstüre auf und bedrohte die Klägerin nach ihrer Rückkunft in die Wohnung mit diesen Werkzeugen derart, dass sie ihr Heil in der Flucht suchte und die Funkstreife verständigte. Diese verhaftete den Beklagten vorerst, ließ ihn dann aber wieder frei, was er dazu benutzte, in die Wohnung wortlos zurückzukehren, seine Sachen zu packen und die Ehewohnung für immer zu verlassen. Diesem aggressiven Verhalten waren jahrelange Reibereien mit der Ehegattin vorausgegangen. Auch hatte er zu Elfi K***** ein ehewidriges Verhältnis aufgenommen, das sich in dem von den Vorinstanzen festgestellten Briefen manifestierte und das die gänzliche innere Zuwendung zu der im Übrigen verheirateten Geliebten bedeutete. Der Beklagte hat damit ebenfalls schwerwiegende Eheverfehlungen begangen. Bei der Gegenüberstellung der beiderseitigen Eheverfehlungen kann aber – worauf bereits oben hingewiesen wurde – nicht gesagt werden, dass seine Schuld im Sinne der dargestellten Judikatur so überwiegt, dass jene der Klägerin als fast völlig in den Hintergrund tretend angesehen werden müsste. Vielmehr liegen auch ihr eine Vielzahl von Eheverfehlungen zur Last, die im Zusammenhalt gesehen ebenfalls gravierender Art sind.

Bei dieser Sachlage war der Revision der Klägerin nicht, hingegen jener des Beklagten Folge zu geben; die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz war somit abzuändern und jene des Erstgerichts wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten des Berufungs‑ und Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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