OGH 11Os5/84

OGH11Os5/8411.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.April 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wrabetz als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach den §§ 33 Abs. 1, Abs. 3 lit. a und 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 6.Juni 1983, GZ 6 b Vr 216/83-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Fritz Wintersberger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das im übrigen unberührt bleibende Urteil im Ausspruch (Punkt 1 des Urteilssatzes), der Angeklagte habe die Abgabenverkürzung in der Zeit vom 31.März 1978 bis 31.März 1980 'bewirkt', ferner in der Beurteilung dieser Tat als das Vergehen der vollendeten Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1, Abs. 3 lit. a FinStrG und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Karl A hat (auch) durch das zu Punkt 1 des Urteilssatzes angeführte Tatverhalten eine Abgabenverkürzung zu bewirken versucht und (auch) hiedurch das Vergehen der versuchten Abgabenhinterziehung nach den §§ 13, 33 Abs. 1 und 3 lit. a FinStrG begangen.

Er wird hiefür und für den aufrecht bleibenden Schuldspruch (Punkt 2 des Urteilssatzes), mithin insgesamt wegen des Vergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach den §§ 13, 33 Abs. 1 und 3 lit. a FinStrG nach dem § 33 Abs. 5 FinStrG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 260.000 S (in Worten: zweihundertsechzigtausend), im Nichteinbringungsfall zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Monaten, verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Oktober 1944 geborene, zuletzt beschäftigungslose Karl A des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach den §§ 33 Abs. 1, Abs. 3 lit. a und 13 FinStrG schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in der Zeit zwischen 31.März 1978 und 14.April 1981 in Brunn/Gebirge fortgesetzt unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeigeund Offenlegungspflicht durch Nichtabgabe von Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen Verkürzungen von Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, und zwar der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1977, 1978 und 1979 im Gesamtbetrag von 1,238.082 S bewirkt und für das Jahr 1980 im Gesamtbetrag von 120.611 S zu bewirken versucht zu haben. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Karl A mit einer auf die Z 5, 9 lit. a und 9 lit. c des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Mit seinem Einwand, das Schöffengericht habe weder deutlich festgestellt, noch zureichend begründet, daß er die ihm zum Vorwurf gemachten Abgabenhinterziehungen vorsätzlich begangen habe und für welchen Deliktszeitraum dies zutreffe, vermag der Beschwerdeführer weder einen dem Ausspruch über entscheidende Tatsachen anhaftenden Begründungsmangel im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes noch einen Feststellungsmangel gemäß der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO darzutun. Daß der Angeklagte, indem er es unterließ, für die Jahre 1977 bis 1980 Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen abzugeben und darin die während dieser Zeit von verschiedenen Unternehmen bezogenen Provisionen zu deklarieren, vorsätzlich gegen eine abgabenrechtliche Anzeige- und Offenlegungspflicht verstieß, um hiedurch Abgabenverkürzungen zu bewirken, wurde vom Erstgericht für gewiß erachtet (arg.: mit hinreichender Sicherheit / vgl. S 61 d.A) und sohin als erwiesen angenommen und mit mdem Hinweis auf die Fortsetzung seines zwangsläufig zu einer Abgabenverkürzung führenden, für jedermann als Abgabenhinterziehung erkennbaren Verhaltens über einen Zeitraum von vier Jahren auch zureichend und logisch einwandfrei begründet (vgl. S 61 f.d.A).

Die Ablehnung der Verantwortung des seine Tätigkeit vor der Finanzbehörde geheimhaltenden Angeklagten, die Versteuerung seiner Provision von Jahr zu Jahr hinausgeschoben und nicht in voller Kenntnis seiner steuerlichen Verpflichtungen, sondern bloß sorglos gehandelt zu haben (vgl. S 46 d.A), - wogegen nach überzeugung des Schöffengerichtes auch sein eigenes Vorbringen spricht, er habe seine steuerlichen Verpflichtungen 'irgendwann' einmal mit Hilfe eines Steuerberaters erledigen wollen stellt einen Akt freier Beweiswürdigung dar, der als solcher einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogen ist; somit bleibt es unerheblich, ob der Angeklagte diese Version auch dem Finanzamt Mödling gegenüber gebrauchte, weshalb aus dem Unterbleiben einer Erörterung der bezüglichen Zeugenaussage des Alfred B eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1

StPO nicht abgeleitet werden kann.

Der Sache nach als Nichtigkeit gemäß der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO macht der Angeklagte geltend, ihm komme für die 1978 und 1979 hinterzogenen Abgaben und für die versuchte Abgabenhinterziehung im Jahr 1980

Straffreiheit zufolge Selbstanzeige zustatten; es hätte, weil die auf das Jahr 1977 entfallenden Abgabenverkürzungen den strafbestimmenden Wertbetrag von 500.000 S nicht überstiegen, ein Freispruch gemäß § 214 FinStrG gefällt werden müssen. Auch hierin kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, daß die auf Grund einer fernmündlichen Mitteilung des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk ergangene, dem Angeklagten am 2.Dezember 1980

zugestellte Einleitungsverfügung des Finanzamtes Mödling vom 11. November 1980

nur die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1977 betraf und der Angeklagte sodann am 14.April 1981 Selbstanzeige erstattete, in welcher er Abgabenhinterziehungen durch Nichtversteuerung der Einnahmen an Provisionen in den Jahren 1977 bis 1980 einbekannte; im Anschluß daran wurde vom Finanzamt Mödling eine Betriebsprüfung durchgeführt, deren Ergebnisse der Beschwerdeführer anerkannte, worauf Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1977 bis 1980 erlassen wurden, die nach Rechtsmittelverzicht des Steuerschuldners in Rechtskraft erwuchsen (vgl. S 60 f. d.A). Bei den dem Angeklagten angelasteten Abgabenverkürzungen handelt es sich aber nicht um eine Mehrheit selbständiger Tathandlungen, bei denen die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige für jeden einzelnen Deliktsangriff selbständig zu beurteilen wäre, sondern um das rechtlich eine Einheit bildende fortgesetzte Delikt der Abgabenhinterziehung. Denn nach den Urteilsannahmen hatte der Angeklagte der Finanzbehörde seine gewerbliche Tätigkeit von allem Anfang an überhaupt verschwiegen und die Abgabenverkürzungen sodann über einen Zeitraum von vier Jahren fortgesetzt (vgl. S 61, 64 d.A). Sein Vorhaben ging somit dahin, sich der Abgabenpflicht für die aus laufenden Provisionsgeschäften erzielten Schwarzgelder gänzlich zu entziehen. Solcherart handelte er aber nach einem Gesamtkonzept, in dessen Ausführung er gleichartige, seinem einheitlichen Willensentschluß entspringende fortlaufende deliktische Angriffe setzte. Die den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Steuerhinterziehungen stellen folglich vermöge des sie verbindenden Fortsetzungszusammenhanges eine Einheit dar, sodaß alle auf dem einheitlichen Vorsatz beruhenden Teilakte (mag auch das Ausmaß des erzielbaren Gesamterfolges im Zeitpunkt des dem Gesamtplan zugrundeliegenden Willensentschlusses noch unbestimmt sein) dogmatisch als eine einzige Handlung zu beurteilen sind (vgl. SSt. 50/61).

Nach den allgemeinen Grundsätzen des StGB, die mangels besonderer Bestimmungen des FinStrG hier anzuwenden sind, kann jedoch bei einem fortgesetzten Delikt Straffreiheit nur eintreten, wenn für sämtliche Teilhandlungen die Voraussetzungen, die das Gesetz für die Straffreiheit erfordert, gegeben sind (vgl. Dorazil- Harbich-Reichel-Kropfitsch, Komm. zum FinStrG, ENr. 5 zu § 29). Hatte die Finanzbehörde demnach zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat des Angeklagten bereits zum Teil, d.h. in Ansehung der die Abgaben für das Jahr 1977 betreffenden Teilakte entdeckt und Verfolgungshandlungen gegen ihn gesetzt, und war ihm dies auch bekannt, dann konnte infolge seiner Selbstanzeige weder Straffreiheit eintreten (§ 29 Abs. 3 lit. a und b FinStrG) noch im Fall eines solchen Teilaktes die Strafbarkeit einer bloß versuchten Abgabenhinterziehung durch Rücktritt vom Versuch aufgehoben werden (§ 14 Abs. 2 und 3 FinStrG). Zudem würde die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige voraussetzen, daß die von ihr umfaßten Beträge, die der Anzeiger schuldet oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, auch den Abgabenvorschriften entsprechend entrichtet werden. Sind für die Entrichtung Zahlungserleichterungen gewährt worden, so darf der Zahlungsaufschub ein Jahr nicht überschreiten; diese Frist beginnt bei selbst zu berechnenden Abgaben (§§ 201, 202 BAO) mit der Selbstanzeige, in allen übrigen Fällen mit der Bekanntgabe des Betrages an den Anzeiger zu laufen. Im vorliegenden Fall behauptete der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung gar nicht, die mit Bescheid vom 25.August 1982 festgesetzten Abgaben inzwischen beglichen zu haben; er berief sich nur auf ein Ratenansuchen (vgl. S 52 d.A). Damit steht aber fest, daß zumindest die vom Steuerschuldner grundsätzlich selbst zu berechnende und in Form von Vorauszahlungen zu entrichtende Umsatzsteuer, die er nach der Selbstanzeige (14.April 1981) unverzüglich nachzuzahlen gehabt hätte (vgl. Fellner, FinStrG, RN 16 zu §§ 29 und 30), nicht den abgabenrechtlichen Vorschriften entsprechend beglichen wurde. Daß der Angeklagte durch die Selbstanzeige eine bescheidmäßige Erfassung des gesamten hinterzogenen Betrages ermöglicht, mithin der Behörde alle für die Feststellung der Verkürzung bedeutsamen Umstände offenlegte, reicht für den Eintritt der Straffreiheit allein nicht aus.

Ebensowenig beigetreten werden kann schließlich der Ansicht des Beschwerdeführers, die bloße Nichtabgabe der vorgeschriebenen Steuererklärungen wäre - zumindest bei der bescheidmäßig festzusetzenden Einkommen- und Gewerbesteuer nur als Finanzordnungswidrigkeit nach dem § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG erfaßbar gewesen und hätte ihm nicht als ein in die gerichtliche Zuständigkeit fallendes Finanzvergehen angelastet werden dürfen.

Wie das Erstgericht richtig erkannte, führte (zumindest) die Nichtvornahme von Steuererklärungen für die Jahre 1977 bis 1979 - tatplangemäß - auch zu Abgabenverkürzungen, weil die Finanzbehörde schon mangels Kenntnis des Bestehens einer Abgabenpflicht außerstande war, eine Schätzung der Bemessungsgrundlage vorzunehmen und, wenngleich verspätet, Abgabenbescheide zu erlassen. Der Vorsatz des Angeklagten war demnach von vornherein darauf gerichtet, sich durch die Verletzung seiner abgabenrechtlichen Anzeige- und Offenlegungspflicht einer Steuerleistung überhaupt zu entziehen, und es ist infolgedessen (jedenfalls) hinsichtlich der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuern für die Jahre 1977 bis 1979 ein abgabenrechtliches Verfahren, bevor das (verwaltungsbehördliche) Finanzstrafverfahren eingeleitet wurde, auch tatsächlich unterblieben. Anders läge der Fall, wenn das Finanzamt zumindest von der grundsätzlichen Abgabenpflicht Kenntnis gehabt und der Angeklagte mit einer (obgleich verspäteten) Festsetzung seiner Abgabenschuld im Wege der Schätzung hätte rechnen dürfen (vgl. ÖJZ-LSK 1980/195, 1983/115).

Hievon kann jedoch vorliegend keine Rede sein.

Das Verhalten des Beschwerdeführers wurde sohin vom Erstgericht ohne Rechtsirrtum dem Tatbestand der Abgabenhinterziehung unterstellt, hiebei allerdings übersehen, daß durch eine bloß verspätete, der Höhe nach nicht unter der wahren Abgabenschuld liegende Abgabenfestsetzung, objektiv noch keine Abgabenverkürzung bewirkt wird, sondern nur eine Haftung wegen versuchter Abgabenhinterziehung, und zwar in der Höhe der Abgabenschuld als des gewollten Verkürzungsbetrags (EvBl. 1983/10), eintritt. Das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in teilweiser Stattgebung im Ausspruch (zu Pkt. 1), der Angeklagte habe die Abgabenverkürzung bewirkt, ferner in der rechtlichen Beurteilung des dem Angeklagten angelasteten Tatverhaltens als das Vergehen der insoweit vollendeten Abgabenhinterziehung und demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und Karl A unter gleichzeitiger Strafneubemessung auch im Umfang des zu 1 ergangenen Schuldspruchs (lediglich) wegen des Vergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach den §§ 13, 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a FinStrG zu verurteilen.

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet zu

verwerfen.

Bei der Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof das deliktische Verhalten des Angeklagten durch mehrere Jahre als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die Selbstanzeige, die Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung und den Umstand, daß es beim Versuch blieb, als mildernd.

Bei Bedachtnahme auf die im § 23 FinStrG festgelegten Grundsätze und das Ausmaß der vom Angeklagten versuchten Abgabenhinterziehung erschien eine Geldstrafe von 260.000 S, im Nichteinbringungsfall eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Monaten tat- und tätergerecht. Eine bedingte Nachsicht dieser Strafe kam wegen der - spezialpräventiv - erforderlichen Effektivität nicht in Betracht. Insbesonders im Hinblick auf die vorliegenden Milderungsgründe bedurfte es neben der Geldstrafe allerdings auch nicht der Verhängung einer Freiheitsstrafe, um den Angeklagten von weiteren Finanzvergehen abzuhalten oder der Begehung von Finanzvergehen durch andere entgegenzuwirken.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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