OGH 2Ob544/84

OGH2Ob544/8410.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 8. August 1982 verstorbenen, zuletzt in *****, wohnhaft gewesenen Pensionisten Josef B*****, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Tochter Lieselotte Erna M*****, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 23. Februar 1984, GZ 1 R 75/84-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom 7. November 1983, GZ A 415/82-27, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 8. 8. 1982 verstorbene ledige Josef B***** hat zwei uneheliche Töchter hinterlassen, und zwar die mit Vertrag vom 16. 9. 1948 adoptierte Liselotte Erna M***** und Elfriede L*****, numehr verehelichte V*****. Am 14. 4. 1982 errichtet der Erblasser eine eigenhändig geschriebene und als Testament bezeichnete letztwillige Anordnung, mit welcher er als „Erbin für seine ganze Liegenschaft seine Tochter Elfi L*****, geboren 1947, wohnhaft derzeit in Frankfurt“ einsetzte und diese verpflichtete, seiner adoptierten Tochter Erni M*****, geboren 1942, einen Betrag von 100.000 S davon auszuzahlen. In der Folge gaben Elfriede L***** aus dem Titel des Testaments vom 14. 4. 1982 und Liselotte M***** aus dem Titel des Gesetzes jeweils zum gesamten Nachlass bedingte Erbsklärungen ab. Diese wurden mit den Beschlüssen des Erstgerichts vom 18. 10. 1982, ON 10, und vom 28. 9. 1983, ON 23, zu Gericht angenommen.

Das Erstgericht wies Lieselotte Erna M***** die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zu und trug ihr auf, binnen 4 Wochen nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Einbringung der Klage dem Verlassgericht nachzuweisen, widrigenfalls die Verlassenschaftsabhandlung ohne Rücksicht auf den Ausgang des Rechtsstreits fortgesetzt werden würde.

Der Rekurs der Liselotte Erna M***** gegen diesen Beschluss hatte keinen Erfolg. Das Rekursgericht führte aus, nach der ständigen Rechtsprechung zu den §§ 799, 800 ABGB und § 126 AußStrG sei dem gesetzlichen Erben auch dann die Klägerrolle zuzuteilen, wenn zweifelhaft sei, ob die in Form und Echtheit unbestrittene Verfügung ein Testament oder Kodizill sei, so wenn der Prätendent nur auf eine bestimmte Sache eingesetzt sei. Beim vorliegenden Sachverhalt spreche zumindest der äußere Anschein für das Vorhandensein einer letztwilligen Anordnung des Erblassers mit einer Erbeinsetzung iSd § 553 ABGB, so dass der aus dem schwächeren Erbrechtstitel den Nachlass ansprechenden Rekurswerberin vom Erstgericht zu Recht die Klägerrolle zugewiesen worden sei.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts wendet sich der Rekurs (richtig: Revisionsrekurs) der Liselotte Erna M***** mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Zuweisung der Klägerrolle im künftigen Erbrechtsstreit an Elfriede L*****, verehelichte V*****; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Da das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts bestätigt hat, ist eine Anfechtung der Entscheidung der zweiten Instanz gemäß § 16 Abs 1 AußStrG nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität zulässig.

Als Verfahrensmängel rüht die Rechtsmittelwerberin, dass die Ausfertigung des Beschlusses des Rekursgerichts den Tag der Beschlussfassung nicht enthalten habe.

Verfahrensverstöße könnten im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nur aufgegriffen wrden, wenn sie von so einschneidender Bedeutung sind, dass ihnen das Gewicht einer Nichtigkeit (Nullität) beigemessen werden muss (vgl die in Edlbacher, Verfahren außer Streitsache zu § 16 AußStrG under D 132 zitierten E. u. a.). Dass das Fehlen des Tags der Beschlussfassung in der Ausfertigung einer Entscheidung - in der Urschrift der Entscheidung ist der Tag der Beschlussfassung ohnehin angegeben - keinen derartigen Verfahrensverstoß darstellt, liegt auf der Hand.

In den weiteren Ausführungen bekämpft die Rechtsmittelwerberin die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts und führt aus, die letztwillige Verfügung vom 14. 4. 1982 stelle kein Testament dar, weil darin nur über einen geringen Teil des Nachlasses verfügt worden sei.

Dem ist zu erwidern, dass eine offenbare Gesetzwidrigkeit iSd § 16 AußStrG nur dann vorliegt, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (vgl SZ 39/103 ua).

Im vorliegenden Fall liegt eine hinsichtlich ihrer Echtheit unbestrittene, in gehöriger Form errichtete letztwillige Verfügung vor, die eine Erbeinsetzung enthält; die Rechtsmittelwerberin bestreitet, dass diese letztwillige Verfügung als Testament anzusehen ist. Da aber auch bei Zweifeln darüber, ob eine letztwillige Erklärung als Testament oder als Kodizill zu verstehen ist, diejenigen Erben, deren Ansprüche auf der gesetzlichen Erbfolge beruhen, als Kläger gegenüber dem Erbansprecher aus einer solchen letztwilligen Erklärung aufzutreten haben (vgl SZ 35/92 ua), kann in der Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Rechtsmittelwerberin, die sich auf den schwächeren Erbrechtstitel, nämlich auf das Gesetz, stützt, iSd § 126 Abs 1 AußStrG die Klägerrolle zuzuweisen war, keinesfalls eine offenbare Gesetzwidrigkeit iSd § 16 AußStrG erblickt werden.

Da die Rechtsmittelwerberin somit keinen der im § 16 AußStrG angeführten Anfechtungsgründe darzutun vermochte, musste ihr Revisionsrekurs zurückgewiesen werden.

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