OGH 3Ob11/84

OGH3Ob11/8428.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Klinger als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Gerald Hauska, Rechtsanwalt in Innsbruck, und anderer beigetretener betreibender Gläubiger wider die verpflichtete Partei Johann P*****, vertreten durch Dr. Günther Maleczek, Rechtsanwalt in Schwaz, wegen 989.647 S sA und anderer Forderungen infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei und Ersteherin Ö***** AG gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 13. Dezember 1983, GZ 1 R 990/83-91, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 8. November 1983, GZ E 1/82-87, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Liegenschaft EZ ***** KG ***** wurde der Ersteherin (zugleich betreibende Partei des führenden Versteigerungsverfahrens) Ö***** AG um das Meistbot von 8.488.830 S zugeschlagen.

Strittig ist, zu welchen Bedingungen die Liegenschaft versteigert wurde. Nach den von der betreibenden Partei selbst vorgelegten Versteigerungsbedingungen (ON 29) sollte die zu CO-Zl 15 einverleibte Dienstbarkeit der Fruchtnießung zugunsten der Anna P***** vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot übernommen werden müssen. Im Versteigerungsedikt (ON 41) steht einerseits der Satz, es werde aufgrund der „hiemit“ genehmigten Bedingungen versteigert, andererseits ist aber auch der widersprüchliche Satz eingefügt, dass die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen gelten würden. Das Fruchtgenussrecht war vom Sachverständigen mit 1.804.000 S geschätzt und dieser Betrag vom Gesamtschätzwert abgezogen worden - s AS 99 -, welchen Abzug auch die im Versteigerungsedikt angegebenen Ziffern über den Schätzwert enthalten (das Versteigerungsedikt wich nur in anderen Punkten gemäß dem Beschluss ON 34 über die endgültige Festsetzung des Schätzwertes von den Werten des Sachverständigen ab). Im Versteigerungstermin äußerte der Erstrichter die „Ansicht“, dass wegen des Satzes über die Geltung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen „§ 154 EO“ (gemeint vermutlich: § 150 EO) gelte, ohne dass protokolliert worden wäre, welche Vorstellung der Erstrichter von den „gesetzlichen Versteigerungsbedingungen“ hatte (ON 69).

Die zugunsten der Anna P***** einverleibte Dienstbarkeit gemäß COZ 15 ging an sich im Range allen noch aufrechten Pfandrechten voraus, doch wurde für die unmittelbar nachfolgenden Pfandrechte des Ö***** (betreibende Partei des führenden Versteigerungsverfahrens) COZ 30, 33, 36, 42, 43 und 59 jeweils der Vorrang vor der Dienstbarkeit COZ 15 einverleibt (Eintragungen COZ 32, 35, 38, 49, 47 und 61).

Zur Verteilungstagsatzung war nur ein Vertreter des Ö***** erschienen. Die Dienstbarkeitsberechtigte Anna P***** erstattete auch keine schriftliche Anmeldung. Über das Schicksal ihrer Dienstbarkeit wurde in der Verteilungstagsatzung nicht verhandelt.

Mit seinem Verteilungsbeschluss vom 8. 11. 1983 wies das Erstgericht das gesamte Meistbot dem Ö***** „auf Abschlag seiner das Meistbot übersteigenden Forderungen“ aus den Pfandrechten „COZ 30, 33, 36, 42 und 43“ - die in der schriftlichen Forderungsanmeldung ebenfalls vorkommende COZ 59 scheint nicht auf - zu, so dass dieses kein Meistbot zu entrichten habe. Alle Buchgläubiger seien nachrangig und erhielten daher keine Berichtigung, weder durch Barzahlung noch durch Übernahme. Es gebe keine Vorzugsposten.

Hinsichtlich des mehrfach erwähnten Fruchtgenussrechts enthält der Verteilungsbeschluss den Satz: „Keine Übernahme des Fruchtgenussrechtes COZ 15 Anna P*****!“.

Das Erstgericht begründete die Entscheidung damit, dass Anna P***** wegen der von ihr jeweils bewilligten Vorrangseinräumungen den Verlust des Fruchtgenussrechts „besorgen“ müsse.

Infolge des Rekurses der Fruchtgenussberechtigten Anna P***** änderte das Gericht zweiter Instanz den Verteilungsbeschluss des Erstgerichts dahin ab, dass der Satz „Keine Übernahme des Fruchtgenussrechtes COZ 15 Anna P*****“ ersatzlos aufgehoben wurde. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstands 300.000 S übersteigt.

Das Gericht zweiter Instanz war der Auffassung, dass der Beschluss des Erstgerichts über die Genehmigung der Versteigerungsbedingungen (Versteigerungsedikt) dahin auszulegen sei, dass damit nicht die Normativbedingungen des § 150 EO, sondern die von der betreibenden Partei vorgeschlagenen Versteigerungsbedingungen genehmigt worden seien. Beim Versteigerungstermin hätten diese Versteigerungsbedingungen nicht mehr ohne weiteres geändert werden können. Die Ersteherin müsse daher das Fruchtgenussrecht ohne Anrechnung auf das Meistbot übernehmen. Eine ausdrückliche Entscheidung über ein solches zu übernehmendes Recht, sei im Verteilungsbeschluss nicht nötig, weshalb der bekämpfte Ausspruch ersatzlos beseitigt werden müsse.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz wendet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei und Ersteherin mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt werde.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, Anna P***** sei zur Erhebung des Rekurses nicht legitimiert gewesen, weil es am Rechtsschutzinteresse fehle und sie in der Verteilungstagsatzung nicht erschienen und daher keinen Widerspruch erhoben habe. Das Gericht zweiter Instanz habe daher den Beschluss des Erstgerichts auf keinen Fall abändern dürfen. Unrichtig sei aber auch die Auslegung der Versteigerungsbedingungen. Der „Irrtum“ der betreibenden Partei bei Erstellung der Versteigerungsbedingungen sei durch das Erstgericht zutreffend dahin korrigiert worden, dass das Fruchtgenussrecht der Anna P***** vom Ersteher nur insoweit zu übernehmen sei, als es nach Befriedigung der betreibenden Partei im Meistbot Deckung finde. Nur so könne das Versteigerungsedikt, mit dem das Erstgericht die Versteigerungsbedingungen genehmigt habe, verstanden werden. Dass sich das Erstgericht bei Ermittlung des Schätzwertes geirrt habe, könne daran nichts ändern. Die betreibende Partei und Ersteherin sei aber bereit, diesem Irrtum Rechnung zu tragen und den Betrag zu entrichten, der sich ergeben würde, wenn die strittige Dienstbarkeit nicht zu übernehmen sei.

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.

Das Gericht zweiter Instanz geht zutreffend davon aus, dass im Verteilungsbeschluss gemäß § 229 Abs 1 EO nur über eine in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmende Dienstbarkeit abzusprechen war. Ansprüche, die durch Übernahme ohne Anrechnung auf das Meistbot zu berücksichtigen sind, haben im Verteilungsbeschluss nicht aufzuscheinen. Die Übernahme von Lasten ohne Anrechnung auf das Meistbot ergibt sich nicht aus dem Verteilungsbeschluss, sondern aus den Versteigerungsbedingungen (Heller-Berger-Stix 1576).

Das Erstgericht musste daher im Rahmen der Erlassung des Verteilungsbeschlusses prüfen, ob das strittige Fruchtgenussrecht in Anrechnung oder ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen war. Im ersteren Fall musste gemäß § 225 EO die Bewertung des Rechtes vorgenommen und das entsprechende Deckungskapital festgesetzt werden, allenfalls kam eine Entscheidung nach § 226 EO in Betracht, und für den (gegebenen) Fall, dass die Verteilungsmasse nach Befriedigung des in besserer Priorität stehenden betreibenden Gläubiger für die Dienstbarkeit keine Deckung mehr bot, war das Recht gemäß § 227 EO aufzuheben. Im letzteren Fall war die strittige Last im Verteilungsbeschluss nicht anzuführen.

Die vom Erstgericht gebrauchte Kurzformel („keine Übernahme des Fruchtgenussrechtes ...“), kann nur als ein Aufhebungsbeschluss gemäß § 227 EO aufgefasst werden. Durch einen solchen Aufhebungsbeschluss wird die Dienstbarkeitsberechtigte selbstverständlich in ihren Rechten ganz entscheidend beeinträchtigt, weshalb ihr auch ein Rekursrecht zustand.

Dem Gericht zweiter Instanz ist dahin beizupflichten, dass nach den dafür allein maßgebenden Versteigerungsbedingungen die strittige Last ohne Anrechnung auf das Meistbot vom Ersteher zu übernehmen war.

Die ohne Zusammenhang mit dem Formulartext und überdies nicht in der sonst verwendeten schwarzen Maschinschreibschrift in rot eingefügte und mit einem Rufzeichen versehene Formulierung wirkte nämlich nur wie eine Rechtsbelehrung (zB wie ein, wenn auch falscher Hinweis für die einzelnen Beteiligten, damit sich diese eher schlüssig werden könnten, ob sie die Versteigerungsbedingungen näher prüfen müssten oder nicht), nicht aber wie eine grundlegende Veränderung der von der betreibenden Partei vorgelegten Versteigerungsbedingungen. Das Wort hiemit wurde durch gesperrte Schrift besonders hervorgehoben. Der Schätzwert ging von der Übernahme ohne Anrechnung auf das Meistbot aus. Und durch nichts wurde der Eindruck erweckt, der rotgeschriebene Zusatz wolle den sonstigen Beschlussinhalt ins Gegenteil kehren oder abschwächen. Damit wurden die von der betreibenden Partei vorgelegten Versteigerungsbedingungen in der von ihr gewünschten Form genehmigt. Ein Irrtum der betreibenden Partei war nicht erkennbar. Unabhängig davon, ob sie später selbst als Bieter auftreten wollte oder nicht, konnte sie aus vielen Gründen durchaus mit voller Absicht die von ihr vorgeschlagenen Versteigerungsbedingungen beantragen, etwa, weil sich vielleicht leichter ein Bieter findet, der zunächst ein geringeres Meistbot entrichten muss, dafür aber die ihn vielleicht nicht so belastende Dienstbarkeit übernehmen muss, was bei einem frühen Tod der Berechtigten unter Umständen sogar ein wirtschaftlicher Vorteil für ihn sein konnte.

Dass die Ersteherin entgegen der Vorschrift des § 194 Abs 3 EO die Versteigerungsbedingungen nicht unterfertigte (ein Grund für die Streichung des diesbezüglichen Formulartextes im Protokoll ON 69 ist nicht angeführt), ändert nichts daran, dass sie an diese trotzdem gebunden ist (Heller-Berger-Stix 1393).

Die Liegenschaft wurde daher unter der Bedingung versteigert, dass der Ersteher die strittige Dienstbarkeit ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hatte.

Zu eben diesem Ergebnis käme man übrigens auch, wenn man davon ausginge, dass der Beschluss auf Genehmigung der Versteigerungsbedingungen nicht im aufgezeigten Sinne auszulegen wäre, sondern wenn er einerseits die Übernahme der Last ohne Anrechnung auf das Meistbot enthielte und andererseits (und zwar deutlich und ausdrücklich, wenn auch mit ersterem in unvereinbaren Widerspruch stehend) ausspräche, die Übernahme der Last habe iSd § 150 Abs 1 EO nur insofern zu erfolgen, als sie nach der ihr zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung finde. In diesem Fall müsste nämlich zugunsten der Dienstbarkeitsberechtigten im Zweifel angenommen werden, dass ihre Rechte durch die Versteigerung nicht aufgehoben wurden.

Der Beschluss des Gerichts zweiter Instanz ist damit frei von Rechtsirrtum.

Eine Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses entfällt, weil solche nicht verzeichnet wurden.

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