OGH 13Os12/84

OGH13Os12/8416.2.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Februar 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandstätter als Schriftführers in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 15, 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 15. Dezember 1983, GZ. 5 d Vr 8180/83-49, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Windhopp und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 31.Jänner 1956 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Gärtner Peter A wurde des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 15, 202 Abs 1 StGB, sowie der Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB und des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien seine am 10.Oktober 1968 geborene Stieftochter Doris B durch die öußerung, er werde sie und ihre Mutter schlagen, am 21.Juli 1983 zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen getrachtet (A 1) und am 20.Juli 1983, indem er sie an den Brüsten und am Geschlechtsteil betastete, sowie am 21.Juli 1983, indem er mit seinem Finger in ihren Geschlechtsteil eindrang, zur Unzucht genötigt (A 2 a und b); ferner hat er sie nur durch die als Nötigung zur Unzucht beurteilten Handlungen (A 2) zur Unzucht mißbraucht (B).

Der Angeklagte bekämpft die Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5, 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Für unvollständig und unzureichend hält er die Urteilsbegründung, weil die Annahme seiner vollen Berauschung zur Tatzeit ungeachtet dessen, daß der psychiatrische Sachverständige eine solche Berauschung nicht ausgeschlossen habe (S. 227), ohne Erörterung dieses Beweisergebnisses abgelehnt worden sei. Der Sachverständige hat aber, der Beschwerde zuwider, nicht erklärt, daß eine volle Berauschung schlechthin nicht auszuschließen sei, sondern in seinem Gutachten dezidiert ausgeführt, daß 'eine volle Berauschung bzw. tiefgreifende Bewußtseinsstörung im Sinne des § 287 StGB nicht angenommen werden' könne, wenn das Gericht 'die ursprünglichen Angaben der Zeugen und des Beschuldigten zur Grundlage der Beurteilung' nehme (S. 227 in Verbindung mit ON. 18, insbesonders S. 127). Gerade dies aber hat das Gericht vorliegend getan (S. 235) und somit in freier Beweiswürdigung eine volle Berauschung des Angeklagten für die Tatzeit wegen des Fehlens der für sie charakteristischen Merkmale (Erinnerungslücken, mangelnde Zielstrebigkeit des Handelns: S. 125) ausgeschlossen (S. 234). Ein Begründungsmangel ist also dabei nicht unterlaufen. Einen Feststellungsmangel (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO) erblickt der Beschwerdeführer im Unterbleiben von Konstatierungen, wie hoch sein Blutalkoholspiegel und seine Beeinträchtigung durch Medikamente zur Tatzeit gewesen sei. Auch hierin kann der Beschwerde nicht gefolgt werden.

Abgesehen davon, daß sich verläßliche Beurteilungsgrundlagen für eine solche Feststellung aus dem Akt gar nicht gewinnen lassen, weil die Mengenangaben betreffend den Alkohol- und Medikamentenkonsum des Beschwerdeführers vor der Tat stark schwanken (S. 14, 19, 27, 29, 39 a, 105, 107, 109), wäre die Blutalkoholkonzentration unter Medikamenteneinfluß nur eines der Indizien für einen Vollrausch, zu dem noch andere Komponenten (Erinnerungslücken, Verlust der Zielstrebigkeit) treten müßten, damit von einem solchen Zustand gesprochen werden könnte. Das Gericht hat mit dem Hinweis auf das für unbedenklich erachtete Gutachten (S. 234) die Annahme der Volltrunkenheit aber abgelehnt, sodaß es einer sohin nicht entscheidungswesentlichen Feststellung des beim Angeklagten zur Tatzeit vorhandenen Blutalkoholwerts nicht bedurfte. Schließlich releviert die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z. 10 StPO), daß nach dem Ersturteil der Beischlaf 'an der Impotenz des Angeklagten' scheiterte (S. 234). Die Tatbestände der Nötigung zum Beischlaf (A 1) und übrigens auch der Notzucht könnten aber nur von ei!em beischlafsfähigen Mann erfüllt werden, sexuelle Angriffe eines Beischlafsunfähigen hingegen wären allenfalls dem § 204 StGB zu unterstellen.

Auch damit schlägt die Rechtsrüge nicht durch.

Richtig ist, daß eine Notzucht und eine Nötigung zum Beischlaf (§ 201 und 202 StGB) nur von einem beischlafsfähigen Täter begangen und daher von einem solchen auch nur versucht werden können. Fehlt es an der Beischlafsfähigkeit des Täters, so liegt absolute Untauglichkeit des Versuchs vor (§ 15 Abs 3 StGB, '... unter keinen Umständen möglich ...'; SSt. 22/2). Dies trifft allerdings nur bei andauernder (absoluter, genereller) Untauglichkeit des Täters zur Vollziehung des Beischlafs zu. Eine bloß vorübergehende Unfähigkeit schließt die Strafbarkeit des Versuchs nicht aus (12 Os 174/76, 10 Os 160/80; EvBl 1973/44; Pallin im WK., RN. 25 zu § 201 StGB, RN. 11 zu § 202 StGB).

Mit einer andauernden Impotenz hat sich der Beschwerdeführer aber in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO) nicht verantwortet. Der Gerichtshof ist im Zusammenhang der Verfahrensergebnisse auch zutreffend nicht von einer generellen Impotenz ausgegangen. Ist doch der Versuch des Rechtsmittelwerbers, durch Drohungen einen Beischlaf mit Doris B zu erzwingen, festgestelltermaßen gescheitert, weil der Angeklagte zu einem Geschlechtsverkehr nach einem vorangegangenen Mundverkehr nicht fähig war (S. 234).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 28, 202 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren. Dabei waren erschwerend seine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstraftaten und die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art, mildernd hingegen, daß es bei einem Versuch zur Beischlafsnötigung (A 1) geblieben war. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes an.

Richtig ist, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen die Alkohol- und Medikamenteneinwirkung durch die weitgehende Enthemmung des Angeklagten für die Tatbegehung, die ansonsten unterblieben wäre, bestimmend war (S. 127 in Verbindung mit S. 227). Selbst unter mildernder Berücksichtigung dieses Umstands erweist sich die im Mittelfeld des anzuwendenden Strafsatzes geschöpfte Strafe angesichts des einschlägig getrübten Vorlebens des Angeklagten aber nicht als überhöht. Sein Aufwachsen in ungünstigen familiären Verhältnissen und darauf allenfalls zurückgehende Erziehungsmängel können schon wegen des beträchtlichen zeitlichen Abstands, der zwischen der Erziehung und den Taten besteht, keine Beachtung finden, zumal dem Angeklagten die verfehlte Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten durch wiederholte Abstrafungen deutlich vor Augen geführt worden war (LSK. 1983/38).

Auch der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte