OGH 1Ob789/83

OGH1Ob789/8311.1.1984

SZ 57/4

Normen

ABGB §833
ABGB §834
ABGB §835
ABGB §833
ABGB §834
ABGB §835

 

Spruch:

Der Minderheitseigentümer einer Liegenschaft kann eine von der Mehrheit abgelehnte Schlägerung von Bäumen nicht durch einen gerichtlichen Beschluß erzwingen

OGH 11. 1. 1984, 1 Ob 789/83 (LGZ Wien 43 R 591/83; BG Döbling 2 Nc 106/82) = NZ 1985, 27 (Hofmeister)

Text

Der Antragsteller und die beiden Antragsgegner sind zu je einem Drittel Miteigentümer der Liegenschaft EZ 194 KG U, bestehend aus den Grundstücken 74 Baufläche, 75/1, 75/4 und 277 je Garten. Die Grundstücke 277 und 75/4 befinden sich in sehr vernachlässigtem Zustand; insbesondere sind dort wildwuchernde Bäume und Sträucher vorhanden.

Der Antragsteller befürchtet eine Entwertung der Grundstücke dadurch, daß ein Teil der dort allmählich heranwachsenden Bäume unter die Bestimmungen des Gesetzes vom 7. 5. 1974 zum Schutze des Baumbestandes in Wien (Wr. Baumschutzgesetz), LGBl. 1974/27, fallen könnte. Zum geschützten Baumbestand iS dieses Gesetzes gehören alle Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 40 cm, gemessen in 1 m Höhe vom Beginn der Wurzelverzweigung (§ 1 Abs. 1 Wr. Baumschutzgesetz).

Der Antragsteller begehrt ua. die Feststellung der auf den genannten Grundstücken vorhandenen und dem Wr. Baumschutzgesetz nicht unterliegenden Bäume und stellt den Antrag, die Antragsgegner zu verhalten, ihre Zustimmung zur Entfernung der dem Wr. Baumschutzgesetz nicht unterliegenden Bäume auf den genannten Grundstücken mit der Wirkung zu erteilen, daß die Zustimmung mit Rechtskraft dieses Beschlusses als abgegeben gelte.

Die Antragsgegner erklärten sich mit der vom Antragsteller verlangten Maßnahme nicht einverstanden.

Das Erstgericht ordnete Säuberungsarbeiten auf den genannten Grundstücken in der Weise an, daß alle Sträucher und jene Jungbäume, deren Stammumfang in 1 m Höhe gemessen weniger als 40 cm betrage, fachmännisch zu entfernen seien, verpflichtete die Miteigentümer zur ungeteilten Hand zur Tragung der Kosten dieser Säuberungsarbeiten und sprach aus, daß die fehlende Zustimmung der Antragsgegner zu diesen Maßnahmen mit der Wirkung ersetzt werde, daß sie mit Rechtskraft des Beschlusses als abgegeben gelte.

Das Rekursgericht hob aus Anlaß des Rekurses den angefochtenen Beschluß ersatzlos auf und wies sämtliche vom Antragsgegner gestellten Anträge zurück. Es könne dahingestellt bleiben, ob die vom Antragsteller angestrebten Maßnahmen solche der ordentlichen Verwaltung iS des § 833 ABGB oder wichtige Veränderungen iS des § 834 ABGB seien. In beiden Fällen gelte der Mehrheitsgrundsatz. Die Minderheit könne nicht die Entscheidung des Richters zu dem Zweck begehren, um eine von ihr gewünschte, von der Mehrheit jedoch abgelehnte Änderung durchzusetzen. Die Anrufung des Richters sei nur dann vorgesehen, wenn die Mehrheit eine Änderung durchführen wolle. Nur in diesem Falle stehe der überstimmten Minderheit das Recht zu, durch den Richter entscheiden zu lassen, ob die Veränderung unbedingt oder gegen Sicherstellung stattfinden oder unterbleiben solle. Die Feststellung, daß Bäume nicht dem Wr. Baumschutzgesetz unterlägen, falle nicht in die Zuständigkeit der Gerichte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragstellers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es entspricht ständiger Rechtsprechung (MietSlg. 31 524, 31 069, 22 055; JBl. 1964, 517; RZ 1964, 200; EvBl. 1952/411; SZ 9/39) und einhelliger Lehre (Klang in seinem Komm[2] III 1111, 1113, 1116; Ehrenzweig[2] I/2, 154; Koziol-Welser[6] II 42; Bachofner-Kastner, JBl. 1972, 7; Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz. 2 zu § 835), daß der Minderheit in der Eigentumsgemeinschaft nur die in den §§ 834, 835 ABGB vorgesehenen Schutzmittel zustehen und daß sie daher nicht die Befugnis hat, die Entscheidung des Richters zur Durchsetzung einer von ihr gewünschten, von der Mehrheit abgelehnten Maßnahme zu erwirken. Dies gilt sowohl für Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung iS des § 833 ABGB als auch für wichtige Veränderungen iS des § 834 ABGB (MietSlg. 22 055, 20 062). Wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, ist die Anrufung des Richters nur dann vorgesehen, wenn die Mehrheit eine Änderung durchsetzen will. In diesem Fall steht der überstimmten Minderheit bei beschlossenen Maßnahmen iS des § 834 ABGB gemäß § 835 ABGB das Recht zu, durch den Richter entscheiden zu lassen, ob die Veränderung unbedingt oder gegen Sicherstellung stattfinden soll oder nicht. Weitergehende Minderheitsrechte stehen nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Sonderbestimmung Miteigentümern zu, die auch Wohnungseigentümer sind (§ 15 WEG 1975), da das Wohnungseigentumsgesetz 1975 das "Recht der Mehrheit auf unzweckmäßige Verwaltung" (so Zingher, MietG[17] 291 Anm. 1; vgl. Meinhart, WEG 1975, 121) beseitigte.

Diese Rechtslage zieht der Revisionsrekurswerber nicht in Zweifel, meint aber, daß es ohnehin die Antragsgegner als Miteigentümermehrheit seien, die durch ihr Untätigbleiben eine nachteilige "Veränderung" der Liegenschaft herbeiführten. Unter "Veränderungen" iS der §§ 834, 835 ABGB sind aber nicht von selbst eintretende natürliche Veränderungen des Zustandes der gemeinschaftlichen Sache, die wie die allmähliche Veränderung des Bewuchses einer Liegenschaft infolge Untätigbleiben der Miteigentümer eintreten, zu verstehen. Das Gesetz meint damit, wie sich aus der Fassung des § 834 ABGB ergibt (vgl. die Worte: "bei ... Veränderungen ..., welche ... vorgeschlagen werden ...") nur aktive Handlungen der Mehrheitsmiteigentümer, durch die Veränderungen des bestehenden Zustandes herbeigeführt werden sollen. Der Antragsteller kann daher die von ihm vorgeschlagenen, von der Mehrheit aber abgelehnten Maßnahmen nicht durchsetzen.

Ein Feststellungsbegehren iS des § 228 ZPO wurde vom Antragsteller nicht erhoben. Sein Feststellungsantrag ist vielmehr dahin zu verstehen, daß das Gericht vor der Entscheidung über die anzuordnenden Maßnahmen Beweise über die Vorfrage aufnehme, welche Bäume wegen ihres Stammumfanges nicht unter das Wr. Baumschutzgesetz fallen und daher entfernt werden dürften. Dieses Begehren ist somit nicht Gegenstand der Sachentscheidung.

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