OGH 4Ob390/83

OGH4Ob390/8329.11.1983

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** mbH, *****, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) prot Firma A*****, 2.) Ferdi B*****, 3.) Fritz L*****, alle vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 351.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Mai 1983, GZ 1 R 93/83‑29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 24. März 1983, GZ 19 Cg 163/82‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1983:0040OB00390.830.1129.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 13.601,01 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.920 S Barauslagen und 865,26 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stellte den Urteilsantrag, die Beklagten schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr beim Einzelverkauf von Waren des täglichen Bedarfs an Letztverbraucher das Ankündigen und Abhalten von Ausstellungen mit und ohne Verkauf an Samstagen nach 12:00 Uhr und an Sonn‑ und Feiertagen ganztägig zu unterlassen; sie begehrte ferner die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im „Kurier“, in der „Presse“ und im „trend“. Die erstbeklagte OHG, deren persönlich haftende Gesellschafter der Zweitbeklagte und der Drittbeklagte seien, habe im Wirtschaftsmagazin „trend“, 13. Jahrgang, Heft Nr 11 vom November 1982, ein Inserat veröffentlicht, in welchem sie „die Abhaltung einer Ausstellung ihrer Handelsware an einem öffentlich zugänglichen Platz in der Zeit vom 12. bis 21. November 1982 täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr“ ankündige, also – „zumindest zur Besichtigung ihrer Handelsware“ – auch für Zeiten, in denen „nach der geltenden Ladenschlusszeitregelung ein Verkaufs‑ und/oder Ausstellungsbetrieb nicht erlaubt ist“. Diese Verletzung der Ladenschlussregelungen verstoße gegen § 1 UWG.

Da die Beklagten innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist keine Klagebeantwortung erstatteten, beantragte die Klägerin die Fällung eines Versäumnisurteils nach § 398 ZPO (ON 15).

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit (negativem) Versäumungsurteil vom 24. März 1983 (ON 18) ab. Die beanstandete Ankündigung der Erstbeklagten habe folgenden Wortlaut gehabt:

„A***** – B***** – ***** – 12. bis 21. November 1982 täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr – eine Ausstellung im Rahmen der Teppichkulturwoche mit über 5.000 Exponaten – Parkmöglichkeit vorhanden“ (Beilage B). Die Klägerin sei offenbar der Ansicht, dass das Ankündigen und Veranstalten einer Verkaufsausstellung an Samstagen in der Zeit von 12:00 bis 18:00 Uhr und an Sonn‑ und Feiertagen in der Zeit von 10:00 bis 18:00 Uhr gegen das Ladenschlussgesetz bzw gegen das Sonn‑ und Feiertagsruhegesetz verstoße; sie habe aber in der Klage nicht behauptet, dass die von der Erstbeklagten angekündigte Veranstaltung zum Zweck des Abschlusses oder der Anbahnung von Verkaufsgeschäften abgehalten werde oder die Beklagte beabsichtigten, weitere Ausstellungen dieser Art zum Zweck der Anbahnung von Verkaufsgeschäften durchzuführen. Ohne Anbahnung oder Durchführung von Verkaufsgeschäften reiche aber der Umstand, dass es sich bei den ausgestellten Waren um solche der Erstbeklagten handle und damit gegebenenfalls während der Ladenschlusszeiten für dieses Unternehmen geworben werde, nicht aus, um einen Verstoß gegen die bezeichneten Gesetze annehmen zu können. Mangels Behauptung einer Verkaufstätigkeit oder zumindest der Vorbereitung einer solchen Tätigkeit zu den von der Klägerin angeführten Zeiten sei aber die Klage nicht schlüssig. Die Klägerin habe zwar eine solche Behauptung in ihrem (zweiten) Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (ON 3) nachgeholt; dieses Vorbringen könne aber hier nicht berücksichtigt werden, weil das Provisorialverfahren nach Lehre und Rechtsprechung ein gesondert neben dem Hauptprozess laufendes, selbständiges Verfahren sei.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Auch das Berufungsgericht war der Meinung, dass die Schlüssigkeit der Klage ohne Berücksichtigung des Parteienvorbringens im Sicherungsverfahren allein aufgrund der Klageerzählung zu prüfen sei; dieser könne aber die Behauptung einer Anbahnung oder Durchführung von Verkaufsgeschäften nicht mit der notwendigen Sicherheit entnommen werden.

Das Urteil des Berufungsgerichts, nach dessen Ausspruch der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden habe, 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei, wird von der Klägerin mit (außerordentlicher) Revision aus dem Grunde des § 503 Abs 2 ZPO bekämpft. Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten, welchen der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 2 ZPO die Beantwortung der Revision freigestellt hatte, haben fristgerecht eine Revisionsbeantwortung überreicht, in welcher sie beantragen, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Klägerin hält ihre Revision deshalb für zulässig, weil das Berufungsgericht zwei Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO unrichtig gelöst habe, nämlich

a) die materiell‑rechtliche Frage, ob das Offenhalten von Geschäftsräumen an Samstagnachmittagen, Sonntagen und Feiertagen auch dann gegen das Ladenschlussgesetz bzw das Sonn‑ und Feiertagsruhegesetz verstößt, wenn es – ohne irgendeine Beratungs‑ oder Verkaufstätigkeit – nur zum Zweck der Schaustellung von Waren geschieht, sowie

b) die verfahrensrechtliche Frage, ob bei der Beurteilung der Schlüssigkeit des Klagebegehrens „auf der Grundlage ... des auf den Gegenstand des Rechtsstreites bezüglichen tatsächlichen Vorbringens der erschienen Partei (§§ 396, 398 Abs 1 ZPO) auch auf das Vorbringen des Klägers im Provisorialverfahren und auf die Ergebnisse dieses Verfahrens Bedacht zu nehmen ist.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Auffassung kann nur zum Teil gefolgt werden: Wie die Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung mit Recht hervorheben, hat die Klägerin den zu b) angeführten (vermeintlichen) Verfahrensmangel schon in der Berufung gegen das Ersturteil erfolglos geltend gemacht; nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs – welche auch für die Grundsatzrevision nach der Zivilverfahrens‑Novelle 1983 anwendbar bleibt, bei welcher ja die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 ZPO durch den zweiten Absatz dieser Gesetzesstelle „überdies“ auf die Fälle einer erheblichen Bedeutung der jeweils zu lösenden Rechtsfrage beschränkt werden (Petrasch, Das neue Revisions‑(Rekurs‑)recht, ÖJZ 1983, 169 ff [178]) – ist damit eine Wiederholung dieser Mängelrüge in dritter Instanz ausgeschlossen (SZ 22/106; SZ 27/4 uva).

Die zu a) aufgeworfene materiell‑rechtliche Frage nach der Anwendbarkeit der Bestimmungen über den Ladenschluss und die Sonn‑ und Feiertagsruhe auf reine Warenausstellungen außerhalb der Verkaufs‑ und sonstigen Betriebsräumlichkeiten des Unternehmens hat hingegen den Obersten Gerichtshof bisher noch nicht beschäftigt; nicht zuletzt wegen dieses Fehlens einer einschlägigen Rechtsprechung ist sie nach Ansicht des erkennenden Senats von erheblicher Bedeutung für die Rechtsentwicklung. Die Revision der Klägerin ist daher in diesem Punkt als zulässig anzusehen; sie ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 1 Abs 1 des Ladenschlussgesetzes BGBl 1958/156 gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes „für alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung unterliegen“; nach § 2 der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Wiener Ladenschlussverordnung vom 15. November 1965 LGBl 21 sind an Samstagen „die Verkaufsstellen ab 13:00 Uhr ... geschlossen zu halten“. Gemäß § 1 Art IX Abs 6 des Sonn‑ und Feiertagsruhegesetzes RGBl 1895/21 müssen in den Stunden, während welcher die Sonntagsarbeit für den Handelsbetrieb nicht gestattet ist, „die Geschäftsräumlichkeiten geschlossen gehalten werden“. Der Revision ist ohne weiteres zuzugeben, dass es danach – zumindest im Geltungsbereich des Sonn‑ und Feiertagsruhegesetzes – auf den Zweck des Offenhaltens nicht ankommt, das Gesetz vielmehr auch dann übertreten wird, wenn die betreffenden Räumlichkeiten nicht zur Anbahnung oder Durchführung von Verkaufsgeschäften, sondern allein zum Zweck des Zurschaustellens von Waren an Sonn‑ und Feiertagen offengehalten werden (so bereits ÖBl 1974, 106; ÖBl 1979, 122). Nach dem klaren Wortlaut der oben wiedergegebenen Bestimmungen gelten aber die dort normierten Verbote immer nur für das gesetzwidrige Offenhalten einer „Verkaufsstelle“ (Ladenschlussgesetz und Wiener Ladenschlussverordnung) bzw einer „Geschäftsräumlichkeit“ (Sonn‑ und Feiertagsruhegesetz; siehe dazu auch ÖBl 1977, 7; JBl 1980, 374 = ÖBl 1981, 17; ÖBl 1981, 19 ua; ebenso VwSlgNF 5301 A). Einen derartigen Gesetzesverstoß der Beklagten hat aber die Klägerin in ihrem – für die Beurteilung der Schlüssigkeit des Urteilsantrags allein maßgebenden – Klageschriftsatz ON 1 nicht behauptet: Ihrem dortigen Vorbringen, wonach die Erstbeklagte in dem beanstandeten Inserat „die Abhaltung einer Ausstellung ihrer Handelsware an einem öffentlich zugänglichen Platz“ bzw „die Abhaltung einer Ausstellung zumindest zur Besichtigung ihrer Handelsware“ angekündigt habe (ON 1 S 2), ist über den Ort dieser Ausstellung überhaupt nichts zu entnehmen. Dass aber der im „trend“‑Inserat als Ausstellungsort genannte „Kursalon“ im Wiener Stadtpark zwar einen Restaurantbetrieb aber weder eine „Verkaufsstelle“ noch „Betriebsräumlichkeiten“ eines Teppichhändlers beherbergt, ist gerichtsbekannt.

Bei dieser Sachlage haben die Vorinstanzen den Urteilsantrag der Klägerin mangels Schlüssigkeit mit Recht abgewiesen. Der unbegründeten Revision musste deshalb ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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