OGH 12Os59/83

OGH12Os59/836.10.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Oktober 1983

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.

Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ramschak-Heschgl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ilse A und einen anderen wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die von den Angeklagten Ilse A und Theodor B gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11. März 1983, GZ 20 c Vr 8372/82-109, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen sowie über die von der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Ilse A und vom Privatbeteiligten Eduard C erhobenen Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Obendorfer und Dr. Philipp, sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil dahin ergänzt, daß der Angeklagten Ilse A gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB die Vorhaft (bereits) ab 28.Juli 1982, 21,30 Uhr, auf die Strafe angerechnet wird.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Ilse A wird Folge gegeben und die über sie verhängte Freiheitsstrafe auf 12 (zwölf) Jahre erhöht;

mit ihrer Berufung wird die Angeklagte darauf verwiesen. Der Berufung des Angeklagten Theodor B wird Folge gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Jahre herabgesetzt.

Der Berufung des Privatbeteiligten wird teilweise Folge gegeben und es werden beide Angeklagten zur ungeteilten Hand gemäß § 369 StPO. zur Bezahlung von 19.600

(neunzehntausendsechshundert) S an das Bezirksjugendamt für den 22. Bezirk als gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Eduard C verurteilt; im übrigen wird dieser Berufung nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden schuldig erkannt:

1. Ilse A des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB , weil sie am 25. Juli 1982 Eduard D durch drei Schüsse aus einem Schrotgewehr vorsätzlich tötete (Punkt A des Urteilssatzes), 2. Theodor B des Verbrechens des Mordes nach § 75

StGB als Bestimmungstäter gemäß § 12 zweiter Fall StGB (Punkt B) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 lit a WaffG. (Punkt C), weil er (zu B) am 25.Juli 1982 Ilse A ein geladenes und entsichertes Schrotgewehr übergab und sie aufforderte, auf Eduard D zu schießen, und (zu C) von Juni bis zum 25.Juli 1982 eine Faustfeuerwaffe, nämlich eine Pistole, Marke Steyr, Kal. 9 mm, unbefugt besaß und führte.

Rechtliche Beurteilung

Den Geschwornen lag hinsichtlich der Angeklagten A folgendes Fragenschema vor:

Hauptfrage 1 nach Mord (§ 75 StGB ), Eventualfrage 2 nach absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs 1 und Abs 2 letzter Fall StGB ) Eventualfrage 3 nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs 1, 86 StGB ), Zusatzfrage 4 nach Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB ) oder Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt (§ 3 Abs 2 StGB ), Eventualfrage 5 nach fahrlässiger Tötung in fahrlässiger Notwehrüberschreitung (§ 80 in Verbindung mit § 3 Abs 2 StGB ), Zusatzfrage 6 nach Putativnotwehr (§ 8 in Verbindung mit § 3 Abs 1 StGB ) oder Putativnotwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt (§ 8 in Verbindung mit § 3 Abs 2

StGB ), Eventualfrage 7 nach fahrlässiger Tötung in fahrlässiger Putativnotwehrüberschreitung (§ 80 in Verbindung mit § 3 Abs 2, § 8 StGB ) und Eventualfrage 8 nach fahrlässiger Tötung (§ 80 StGB ).

Beim Angeklagten Theodor B lautete die Fragestellung wie folgt:

Hauptfrage 9 (anklagekonform) nach Mord durch Bestimmung (§§ 12 zweiter Fall, 75 StGB ), Hauptfrage 10 (anklagekonform) nach dem Vergehen nach § 36 Abs 1 lit a WaffG., Eventualfrage 11 nach sonstigem Tatbeitrag zum Mord (§§ 12 dritter Fall, 75 StGB ), Eventualfrage 12 nach Bestimmung zur absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 12 zweiter Fall, 87 Abs 1 und Abs 2 letzter Fall StGB ), Eventualfrage 13 nach sonstigem Tatbeitrag zur absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 12 dritter Fall, 87 StGB ), Eventualfrage 14 nach Bestimmung zur Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 12 zweiter Fall, 83 Abs 1, 86 StGB ), Eventualfrage 15 nach sonstigem Tatbeitrag zur Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 12 dritter Fall, 83 Abs 1, 86 StGB ).

Von diesen Fragen haben die Geschwornen in Ansehung der Angeklagten A die nach Mord gestellte Hauptfrage 1 stimmenmehrheitlich (7 : 1) bejaht sowie die Zusatzfragen 4 (nach Notwehr oder Notwehrüberschreitung) und 6 (nach Putativnotwehr oder Putativnotwehrüberschreitung) stimmeneinhellig verneint; hinsichtlich des Angeklagten B wurden die Hauptfragen 9 und 10 lautend auf Bestimmung zum Mord sowie auf das Vergehen nach § 36 Abs 1 lit a WaffG. einstimmig bejaht.

Dieses Urteil wird von beiden Angeklagten, von Theodor B der Sache nach nur im Punkt B des Schuldspruchs, mit auf die Z 6 und 8, von B auch auf die Z 9 und 10

des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten A:

Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO wendet die Angeklagte mit der Behauptung ein, die Anordnung der Fragen sei deshalb 'unübersichtlich und für die Gesc+wornen verwirrend', weil die Zusatzfrage 4 nach Notwehr oder Notwehrexzeß nicht unmittelbar im Anschluß an die Hauptfrage 1 nach Mord, sondern erst nach den Eventualfragen 2

und 3 (lautend auf absichtliche schwere Körperverletzung mit Todesfolge und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang gereiht und im Frageteil betreffend Notwehrexzeß nicht deutlich zwischen der überschreitung des gerechtfertigen Maßes der Verteidigung und der offensichtlich unangemessenen Verteidigung (§ 3 Abs 2 erster und zweiter Fall StGB ) unterschieden worden sei; außerdem sei die Stellung einer (weiteren) Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlages (§ 76 StGB ) durch das Beweisverfahren, insbesondere durch das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen, indiziert gewesen.

Die Rüge versagt.

Grundsätzlich fällt gemäß § 317 Abs 2 StPO die Beurteilung, welche Tatsachen in einer Frage zusammenzufassen oder zum Gegenstand besonderer Fragen zu machen sind, ebenso wie die Reihung der Fragen in das Ermessen des Schwurgerichtshofes; über das Verhältnis der Fragen zueinander - sofern sich dies nicht (wie vorliegend) bereits aus der jeweiligen Fragestellung selbst ergibt -

hat die schriftliche Rechtsbelehrung Aufschluß zu geben (§ 321 Abs 2 StPO.). Allerdings kann eine unlogische Reihenfolge der Fragen Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO begründen (Mayerhofer-Rieder, E.Nr. 4 zu § 317 StPO.). Dies trifft aber für die gegenständlich unter ausdrücklichem Hinweis auf die vorangegangenen, nach verschiedenen rechtlichen Qualifikationen differenzierten Haupt- bzw. Eventualfragen (1-3) erfolgte Stellung einer gemeinsamen Zusatzfrage (§ 313 StGB ) nicht zu. Die gemeinsame Fragestellung war nicht nur zulässig, sondern zwecks Verringerung der Zahl der Fragen und damit deren leichterer überschaubarkeit für die Geschwornen auch zweckmäßig. Daß in der Alternativ-Eventualfrage auf Notwehrüberschreitung nur auf die überschreitung des Maßes der gerechtfertigten Verteidigung (§ 3 Abs 2 erster Fall StGB ) und nicht auch auf die offensichtlich unangemessene Verteidigung (§ 3 Abs 2 zweiter Teil StGB ) abgestellt wurde, konnte sich schon deshalb nicht nachteilig auswirken, weil über beide rechtlich gleichwertigen und gleich zu behandelnden Grundvoraussetzungen des Notwehrexzesses (vgl. Leukauf-Steininger2 § 3 RN. 90) die Rechtsbelehrung (vgl. deren S. 10) hinreichend Aufschluß gibt.

Letztlich geht auch der Einwand fehl, es wäre insbesondere auf Grund des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen eine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlages nach § 76 StGB indiziert gewesen:

Der gegenüber Mord (§ 75 StGB ) vom Gesetz mit geringerer Strafe bedrohte (privilegierte) Totschlag (§ 76 StGB ) ist dadurch charakterisiert, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen läßt. Um - als objektives Kriterium des Totschlags - 'allgemein begreiflich' zu sein, muß der für den spontanen Tatentschluß kausale und im Tatzeitpunkt noch nicht abgeklungene tiefgreifende Affekt des Täters derart entstanden sein, daß sich auch ein (rechtsgetreuer) Durschnittsmensch vorstellen könnte, in derselben Situation - unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, jedoch unter Vernachlässigung solcher Faktoren, die bloß in einer psychisch abnormen Persönlichkeitsstruktur wurzeln (EvBl 1976/119, ÖJZ-LSK 1978/199 u.a.) - gleichfalls in eine solche Gemütsverfassung zu geraten. Nicht die in diesem Ausnahmezustand gesetzte vorsätzliche Tötung eines Menschen, wohl aber die konkrete Gemütsbewegung des Täters in ihrer gesamten, auch zum Zurückdrängen verstandesmäßiger Erwägungen und zur überwindung starker sittlicher Hemmungen geeigneten Dimension, also einschließlich ihrer tatkausalen Heftigkeit, unterliegt in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß rechtsethischer Bewertung und muß für jedermann verständlich sein (vgl. 10 Os 74/83, 10/82; ÖJZ-LSK 1982/86 = EvBl 1982/167;

Leukauf-Steininger2 § 76 RN. 6, Kienapfel, Grundriß, BT I, RN. 47- 50).

Auf eine solche allgemein begreifliche Gemütsbewegung weist jedoch die im relevierten Gutachten vermutete Hörigkeit der Angeklagten A gegenüber dem Mitangeklagten B sowie die 'spannungsgeladene' Konkurrenzsituation im konkreten Prostituierten- und Zuhältermilieu (Bd. II ON. 86 S. 203 ff., ON. 108 S. 347 ff.) keinesfalls hin. Welche sonstigen Indizien die Stellung der reklamierten Eventualfrage erfordert haben würden, wird in der Beschwerde gar nicht spezifiziert.

Die Stellung einer auf Totschlag abzielenden Eventualfrage war

demgemäß tatsächlich nicht indiziert (vgl. Mayerhofer-Rieder a.a.O. E.Nr. 36-38 zu § 314).

Ebensowenig zielführend ist die Rüge in Ansehung der den Geschwornen

erteilten Rechtsbelehrung (Z 8).

Diese ist weder unrichtig noch dermaßen unvollständig, daß dies (weil hiedurch die Geschwornen hätten irregeleitet werden können) einer Unrichtigkeit gleichkäme:

Daß eine Erörterung des Verhältnisses der einzelnen Fragen zueinander in der Rechtsbelehrung entbehrlich war, weil dieses bereits aus der jeweiligen Fragestellung selbst hervorgeht, wurde bereits erwähnt.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider erschöpft sich die Rechtsbelehrung zum Verbrechen des Mordes auch keineswegs in Hinweisen auf die Vorsatzform des 'dolus eventualis' und 'bedingten Vorsatzes', sondern verdeutlicht diese zutreffend, ausreichend und für Laien verständlich zunächst in der allgemeinen Erörterung des Vorsatzes (§ 5

StGB ) und sodann, die einzelnen Kriterien wiederholend, nochmals im besonderen Fall des Tatbestandes des Mordes (vgl. S. 1 Punkt 2 sowie S. 1 unten f. der Rechtsbelehrung).

Belehrungen über die in Betracht kommenden Strafsätze und über die Bedeutung des außerordentlichen Milderungsrechtes in der Rechtsbelehrung können im Einzelfall unter Umständen zweckmäßig sein; sie sind indes nicht obligatorisch, weil das Gesetz (§ 321 Abs 2 StPO.) unter den Folgen der Bejahung oder Verneinung der Fragen den Schuldspruch oder den Freispruch versteht, nicht aber die Straffolgen. Wenn in der Beschwerde derartige Erörterungen, wie sie die vorliegende Rechtsbelehrung jeweils im Anschluß an die Behandlung der die einzelnen Schuldfragen betreffenden gesetzlichen Tatbilder enthält, als irreführend und verwirrend gerügt werden, so trifft weder dieser Vorwurf zu, noch vermöchte dies überhaupt die geltend gemachte Nichtigkeit einer unrichtigen Rechtsbelehrung zu verwirklichen (vgl. Mayerhofer-Rieder a.a.O., E.Nr. 71 f. zu § 345 Z 8).

Gleiches gilt für den Einwand, daß auch die Rechtsbelehrung zu den Zusatzfragen (4 und 6) nach Notwehr, Notwehrüberschreitung und Putativnotwehr (sowie deren überschreitung) nicht unmittelbar an jene zur Hauptfrage 1

anschließe. Darin könnte ebenfalls eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung nicht gelegen sein, und es bestand keine Gefahr, daß die Geschwornen, welche die Rechtsbelehrung als Ganzes und nicht in Teilstücken zu beurteilen haben, auf den Weg einer unrichtigen Gesetzesauslegung hätten geführt werden können.

Somit erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Ilse A

zur Gänze als nicht begründet.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B:

Die Verantwortung des Angeklagten, er habe Ilse A die Waffe ausschließlich zu dem (erklärten) Zweck übergeben, hievon (gegen Eduard D) nur Gebrauch zu machen, wenn er in eine Notwehrsituation gerate (vgl. insbesondere Band II/S. 287, 289 f., 395, 399), indizierte entgegen den Beschwerdeeinwänden (Z 6) keine weitere Fragestellung an die Geschwornen:

Inhaltlich dieser Verantwortung behauptete nämlich der Beschwerdeführer keine Bestimmung der Mitangeklagten A zu einer Abwehrhandlung gegen einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriff gegen ihn im Sinne des § 3 StGB Schon darum waren in Ansehung des Angeklagten, seinen Beschwerdeausführungen zuwider, Zusatzfragen (§ 313 StPO.) nach Notwehr (§ 3 StGB ) und subsidiär nach Putativnotwehr (§ 8 StGB ) zur anklagekonform wegen Bestimmung zum Mord gestellten Hauptfrage (9) nicht zu stellen. Würden die Geschwornen der Verantwortung des Beschwerdeführers Glauben geschenkt haben, so hätte dies zur Verneinung dieser Hauptfrage führen müssen.

Ebensowenig war nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens die Stellung von Eventualfragen (§ 314 Abs 1 StPO.) nach fahrlässiger Tötung (§ 80 StGB ) und nach Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung (§ 286 StGB ) geboten. Denn die übergabe der Waffe (gleichgültig in welcher Reihenfolge diese mit Plastik- bzw. Bleipatronen geladen war und ob dem Beschwerdeführer bei der Wahl der Reihenfolge ein Versehen unterlaufen war oder nicht) zum Zweck einer in Zukunft damit allenfalls zu leistenden Notwehr ('Nothilfe') gegen einen dem Beschwerdeführer körperlich überlegenen und vermutlich bewaffneten (vgl. die Verantwortung des Beschwerdeführers Band II/S. 302) und demnach einer möglicherweise damit verbundenen, jedoch nicht rechtswidrigen Rechtsgutsverletzung, impliziert noch nicht den Vorwurf der Fahrlässigkeit (§§ 6, 80 StGB ) des übergebers, es sei denn etwa im Fall der Vorhersehbarkeit der tatsächlichen Verwendung der Waffe in überschreitung des notwendigen Maßes der Verteidigung oder zu offensichtlich unangemessener Verteidigung (Notwehrüberschreitung: § 3 Abs 2 StGB ) gleichwie bei Vorhersehbarkeit irrtümlicher Annahme einer Notwehrsituation (§ 8 StGB ) durch den übernehmer der Waffe oder der mißbräuchlichen Benützung der Waffe durch denselben auch außerhalb einer Notwehrsituation.

Anhaltspunkte in dieser Hinsicht haben aber weder die Verantwortung des Angeklagten noch die sonstigen Verfahrensergebnisse erbracht. Da der Beschwerdeführer (seiner eigenen Verantwortung und den Aussagen von Zeugen zufolge) im Zuge der der Tötung des Eduard D unmittelbar vorausgegangenen Ereignisse Ilse A sowohl durch Zurufe als auch durch den Versuch, ihr das Gewehr wegzunehmen, vergeblich von weiteren Schüssen gegen den Genannten abzuhalten getrachtet haben soll (Band II/S. 292 ff., 369, 374, 384, 393, 396 d.A.), war auch die Stellung einer Eventualfrage nach vorsätzlicher bzw. fahrlässiger Unterlassung der Verhinderung der mit Strafe bedrohten Handlung (§ 286 bzw. § 80 in Verbindung mit § 2 StGB ) nicht angezeigt. Mangels tatsächlicher Verhinderung des Erfolges kommt strafbefreiender Rücktritt des Beschwerdeführers vom Versuch, wie in der Beschwerde an sich richtig erkannt wird, nicht in Betracht (§ 16 Abs 1 zweiter Teil StGB ).

Angesichts der Ausführung der Mordtat war entgegen der Beschwerdeauffassung ferner kein Anlaß zu einer Eventualfrage nach verbrecherischem Komplott (§ 277 erster Fall StGB ). Denn dieses selbständig strafbare (Vorbereitungs-) Delikt wird durch den Versuch bzw. die Vollendung der verabredeten Tat verdrängt (Leukauf-Steininger2

§ 277 RN. 7).

Eventualfragen zur Hauptfrage 9 in Richtung einer Bestimmungstäterschaft bzw. eines sonstigen Tatbeitrages zu den Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs 1, 86 StGB ) und der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs 1 und Abs 2 letzter Fall StGB ) schließlich wurden, den insoweit aktenwidrigen Beschwerdeausführungen zuwider, ohnedies gestellt (vgl. die Eventualfragen 12 bis 15 des Fragenschemas).

Den Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO.

sieht der Beschwerdeführer in den Erläuterungen der Täterschaftsformen des § 12 StGB sowie dadurch verwirklicht, daß die Geschwornen nicht auf die Möglichkeit eines bezüglich der beiden Angeklagten im Ergebnis verschiedenen Verdikts hingewiesen wurden, ferner in der Unterlassung einer Belehrung zur subjektiven Tatseite im Hinblick auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, daß er die Waffe an A bloß in der Absicht übergeben habe, daß sie nur im Falle einer Notwehrsituation gebraucht werden möge, außerdem im Unterbleiben einer Belehrung 'in Richtung eines excessus mandati', sowie von Ausführungen, 'welche darauf abzielen, die Täterschaft des Angeklagten auf seine Verantwortung zu überprüfen', und schließlich im Fehlen von Erläuterungen, 'wonach der Täter nur für die Tathandlung verantwortlich ist, welche seinem Vorsatz entspricht'. Auch diese Rügen versagen.

In der Rechtsbelehrung (S. 2) werden im Anschluß an die unmittelbare Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB ) die weiteren Täterschaftsformen der Bestimmungstäterschaft und des sonstigen Tatbeitrages (§ 12 zweiter und dritter Fall StGB ) durchaus zutreffend umschrieben. Aus dem Inhalt der jeweiligen Erläuterung und dem Zusammenhang ergibt sich allgemein verständlich und, ohne zu zweifeln Anlaß zu geben, daß mit den als 'erstem' und 'zweitem Fall' bezeichneten Täterschaftsformen jedenfalls die beiden weiteren neben der unmittelbaren Täterschaft in Betracht kommenden gemeint sind. Ein im § 321 Abs 2 StPO gar nicht vorgesehener näherer Hinweis auf die schon aus der allgemeinen Belehrung nach § 325 StPO. hervorgehende Möglichkeit eines für die beiden Angeklagten im Ergebnis verschiedenen Wahrspruches war umso entbehrlicher, als ja die Fragestellung in bezug auf die Angeklagten getrennt erfolgt ist. Das Beschwerdevorbringen, es 'dürfte' bei der Beratung der Geschwornen 'über die Formulierung der Niederschrift in bezug auf die fortlaufende Zahl der Fragen 1

bzw. 9 zu Schwierigkeiten gekommen sein' und die Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO.) zur ersten Hauptfrage: ' ...

Nach Ansicht der Geschwornen wollte sie D töten' ... nachträglich im Prädikat auf den Plural '... wollten ...' sei ausgebessert worden, trägt, zumal es weder durch die Aktenlage noch durch sonstige Umstände gestützt wird, rein spekulativen Charakter. Damit wird jedenfalls kein aus einer unrichtigen Rechtsbelehrung (Z 8) resultierendes Mißverständnis der Geschwornen und auch kein Mangel des Wahrspruchs der Geschwornen (Z 9), der aus diesem selbst und nicht aus der Niederschrift hervorgehen müßte (vgl. Mayerhofer-Rieder, E.Nr. 7 zu § 345 Z 9), aufgezeigt. Nach dem Akteninhalt hat auch keiner der Geschwornen ein bei der Abstimmung unterlaufenes Mißverständnis behauptet, weshalb es schon deshalb an den Voraussetzungen für den vom Beschwerdeführer ferner geltend gemachten Nichtigkeitsgrund (Z 10) einer zu Unrecht unterlassenen Einleitung eines Moniturverfahrens mangelt. Erörterungen über den Vorsatz des Beschwerdeführers und seine Täterschaft im Konkreten hatten in der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 2 StPO.) zu unterbleiben, weil die Zurückführung der Fragen auf den betreffenden Sachverhalt nur Gegenstand der vom Vorsitzenden mit den Geschwornen gemäß § 323 Abs 2 StPO. abzuhaltenden mündlichen Besprechung der Fragen zu sein hat (vgl. Mayerhofer-Rieder, E.Nr. 14 ff. zu § 345 Z 8).

Eine Fragestellung, welche die Verwirklichung eines anderen oder schwerer bestraften Deliktes durch die unmittelbare Täterin A als jenes, zu dem sie nach dem Vorsatz des Beschwerdeführers veranlaßt werden sollte (excessus mandati), beträfe, ist (zu Recht) nicht erfolgt.

Die Rüge des Unterbleibens einer Rechtsbelehrung zu einem nicht von einer an die Geschwornen gestellten Frage erfaßten Exzeß der unmittelbaren Täterin geht daher ins Leere.

Der Umstand, daß die Rechtsbelehrung (gesonderte) Ausführungen über die selbständige Strafbarkeit der Beteiligten je nach ihrer Schuld (§ 13 StGB ) nicht enthält, vermag eine Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO.

gleichfalls nicht zu bewirken. Der relevierte Grundsatz bedeutet, daß für den Schwurgerichtshof - sofern durch die Verfahrensergebnisse indiziert - Anlaß zu einer differenzierenden Fragestellung in Richtung der im § 12 StGB

umschriebenen Beteiligungsformen sein kann. Diesem Umstand hat aber der Schwurgerichtshof durch die Eventualfragen 11, 13 und 15 (lautend auf Mord bzw. Körperverletzung in der Begehungsform des sonstigen Tatbeitrags nach § 12 dritter Fall StGB ) ohnehin Rechnung getragen.

Da sich sohin auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B als nicht begründet erweist, waren beide Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.

Zur Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 StPO.:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß das Ersturteil im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung hinsichtlich der Angeklagten Ilse A an einer von dieser nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeit (Z 13), welche gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war, insofern leidet, als der Beginn der Vorhaftanrechnung (auch) für A richtigerweise auf den 28.Juli 1982, 21,30 Uhr (vgl. Bd. I S. 5, 11) und nicht, wie im Urteil (vgl. auch Bd. II S. 421) angeführt, auf den 30.Juli 1982, 13,30 Uhr, fällt.

Das Urteil war daher im Ausspruch über die die Angeklagte A betreffende Vorhaft (gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB ) wie aus dem Spruch ersichtlich zu ergänzen.

Zu den Berufungen:

Das Geschwornengericht verurteilte die beiden Angeklagten nach § 75 StGB , Theodor B unter Bedachtnahme auf § 28 StGB , zu Freiheitsstrafen, und zwar A in der Dauer von 10 Jahren und B in der Dauer von 20 Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend bei der Angeklagten A keinen Umstand, beim Angeklagten B hingegen die Anstiftung der Ilse A, die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen; als mildernd nahm es hingegen an: bei der Angeklagten A den bisher unbescholtenen Wandel und die Beeinflussung durch Theodor B, beim Angeklagten B das Geständnis in Richtung des Vergehens nach dem Waffengesetz. Der Privatbeteiligte, das Bezirksjugendamt für den 22.Bezirk als gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Eduard C wurde mit den geltend gemachten Ansprüchen (in der Höhe von 200.082 S) gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagten eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen (die Angeklagte A unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 StGB ) an, während die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung bei dieser Angeklagten eine Erhöhung des Strafmaßes begehrt. Vom Privatbeteiligten hingegen wird das Urteil wegen der Verweisung auf den Zivilrechtsweg - ebenfalls mit Berufung - angefochten.

In Ansehung der Angeklagten A kommt lediglich der Berufung der Staatsanwaltschaft Berechtigung zu.

Zu Recht weist die Anklagebehörde in ihrer Berufungsschrift (der Sache nach) darauf hin, daß das Erstgericht bei der Erfassung der Erschwerungsgründe unberücksichtigt ließ, daß die bis ins Detail geplante Tat durch Vornahme von Schießübungen mit der Tatwaffe exakt vorbereitet wurde und die Angeklagte A auch noch auf den bereits wehrlos am Boden liegenden Eduard D einen (vierten) Schuß abgegeben hat.

Auf der Basis der sohin tatsächlich vorliegenden Strafzumessungsgründe erweist sich zur Erfassung der tatund persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB ) der Angeklagten A eine Erhöhung der über sie verhängten Freiheitsstrafe auf die Dauer von 12 Jahren jedenfalls als erforderlich. Demzufolge war die Angeklagte mit ihrer auf eine Strafherabsetzung (gemäß § 41 StGB unter die gesetzliche Untergrenze von 10 Jahren) abzielenden Berufung - die zudem übersieht, daß die 'Beeinflussung' der Angeklagten A durch B vom Geschwornengericht ohnedies entsprechend berücksichtigt wurde - auf diese Entscheidung zu verweisen.

Begründet ist indessen die Berufung des Angeklagten B. Zwar ist sein Vorbringen insoweit verfehlt, als er den vom Erstgericht in der Anstiftung der Angeklagten A zu Recht (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar2

§ 33 RN. 10) erblickten Erschwerungsgrund durch die Unterstellung der Tat unter §§ 12 zweiter Fall, 75 StGB abgegolten wissen will. Andererseits ließ jedoch das Geschwornengericht die Einwirkung des Angeklagten auf Ilse A am Tatort (um sie von der Abgabe weiterer Schüsse auf D abzuhalten) als (weiteren) Milderungsgrund außer Betracht.

Im Hinblick darauf hat das Erstgericht die über den Angeklagten B verhängte Freiheitsstrafe - ungeachtet seines einschlägig belasteten Vorlebens - mit 20 Jahren doch etwas zu hoch ausgemessen. Sie war demnach in Stattgebung seiner Berufung auf die aus dem Spruch ersichtliche, seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB ) entsprechende Dauer von 18 Jahren herabzusetzen. Es kommt aber auch der Berufung des Privatbeteiligten teilweise, nämlich insoweit Berechtigung zu, als der Aktenlage zu entnehmen ist, daß das Bezirksjugendamt für den 22.Bezirk für den am 24.Jänner 1982 geborenen minderjährigen Eduard C (seit der Geburt) einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 1.400 S leistet. Für den Zeitraum (von 14 Monaten) bis zum Urteil erster Instanz ergibt sich hieraus der Betrag von 19.600 S. Bis zu dieser Höhe reichen demnach die Verfahrensergebnisse aus, um über den vom Privatbeteiligten gestellten Ersatzanspruch verläßlich absprechen zu können. In Ansehung des Mehrbegehrens hingegen hatte es mangels jeglicher Konkretisierung (vgl. S. 352/II) - sowie im Hinblick darauf, daß die im Akt erliegenden Anfragen des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland (ON. 63 und 115) zwar erkennen lassen, daß es sich um einen Antrag des bezeichneten Bezirksjugendamtes auf Hilfeleistung nach dem Bundesgesetz vom 9.Juli 1962, BGBl. Nr. 288, über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen handelt, über den aber zum Zeitpunkt des Urteils erster Instanz noch nicht entschieden war (vgl. § 12 leg.cit.) -

bei der vom Erstgericht ausgesprochenen Verweisung auf den Zivilrechtsweg zu verbleiben.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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