OGH 10Os74/83

OGH10Os74/8331.5.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Mai 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon.Prof.Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kalivoda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 16.März 1983, GZ. 9 Vr 4113/82-27, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weigert und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser - zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden) angefochtenen Urteil wurde der am 29.Dezember 1960

geborene Elektroinstallateurgeselle Manfred A (im Sinne der von den Geschwornen stimmeneinhellig bejahten Hauptfrage) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB.

schuldig erkannt, weil er am 11.Dezember 1982 in Graz den Hans B durch Erwürgen vorsätzlich tötete.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5 gestützte, inhaltlich jedoch Z. 6 des § 345 Abs. 1 StPO. relevierende (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO., E.Nr. 5 zu § 345 Z. 5) Nichtigkeitsbeschwerde, in welcher er die - entgegen dem Antrag seines Verteidigers in der Hauptverhandlung - unterbliebene Stellung einer auf das Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB. gerichteten Eventualfrage an die Geschwornen (der Sache nach) als Verstoß gegen die Vorschrift des § 314 StPO. rügt. Der Beschwerdeführer verweist hiezu auf seine Verantwortung, wonach er sich allein wegen einer homosexuellen Annäherung des Hans B zur Tat habe hinreißen lassen; er führt außerdem ins Treffen, daß er seiner Darstellung in der Hauptverhandlung zufolge im Alter von 15 Jahren von einem Homosexuellen am Geschlechtsteil angegriffen worden sei und daraufhin schockiert die Flucht ergriffen habe. Dieser Vorfall habe unbeschadet seiner Verantwortung, an sich keinen Haß gegen Homosexuelle zu hegen, sein Unterbewußtsein geprägt, in welchem eine 'heftigste' Abneigung gegen Homosexuelle wirksam sei. Die Rüge geht fehl.

Der gegenüber Mord (§ 75 StGB.) vom Gesetz mit geringerer Strafe bedrohte (privilegierte) Totschlag (§ 76 StGB.) ist dadurch charakterisiert, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen läßt. Um - als objektives Kriterium des Totschlags - 'allgemein begreiflich' zu sein, muß der für den spontanen Tatentschluß kausale und im Tatzeitpunkt noch nicht abgeklungene tiefgreifende Affekt des Täters derart entstanden sein, daß sich auch ein (rechtsgetreuer) Durchschnittsmensch vorstellen könnte, in derselben Situation - unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, jedoch unter Vernachlässigung solcher Faktoren, die bloß in einer psychisch abnormen Persönlichkeitsstruktur wurzeln (EvBl. 1976/119, ÖJZ-LSK. 1978/199 u.a.) - gleichfalls in eine solche Gemütsverfassung zu geraten. Nicht die in diesem Ausnahmezustand gesetzte vorsätzliche Tötung eines Menschen, wohl aber die konkrete Gemütsbewegung des Täter in ihrer gesamten, auch zum Zurückdrängen verstandesmäßiger Erwägungen und zur überwindung starker sittlicher Hemmungen geeigneten Dimension, also einschließlich ihrer tatkausalen Heftigkeit, unterliegt in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß rechtsethischer Bewertung und muß für jedermann verständlich sein (vgl. 10 Os 10/82; ÖJZ-LSK. 1982/86 = EvBl. 1982/167; Leukauf/Steininger, Kommentar2, § 76 RN. 6, Kienapfel, Grundriß BT I, RN. 47-50).

Der Angeklagte gab im Rahmen seiner Verantwortung an, daß er Hans B wenige Stunden vor der Tat in einem Gasthaus kennengelernt habe und von ihm in dessen Wohnung eingeladen worden sei, wo sie Wein getrunken hätten. Er sei von B am Oberschenkel in der Nähe des Geschlechtsteils angegriffen und als 'lieber Bub' bezeichnet worden, worauf er die Hand des B weggeschoben und sinngemäß geäußert habe, er wolle mit Homosexualität nichts zu tun haben. Er hätte die Wohnung des B, dessen homosexuelle Neigung er in der Folge erkannt habe, jederzeit verlassen können, sei aber mangels einer anderen übernachtungsgelegenheit geblieben. Schließlich hätten sie sich in einem Doppelbett zum Schlafen niedergelegt, worauf B zum Geschlechtsteil des Angeklagten gegriffen habe. Er habe B jedoch weggestoßen und ihn nach einem Handgemenge aus einem möglicherweise auf das oben erwähnte Jugenderlebnis zurückzuführenden Haß wegen der gleichgeschlechtlichen Betastung erwürgt.

Diese Sachverhaltsschilderung des Angeklagten zeigte indessen selbst unter Bedacht auf die in der Beschwerde relevierten psychischen Zusammenhänge keine Situation auf, von der auch ein rechtsgetreuer Durchschnittsmensch sich vorstellen kann, ebenfalls in eine Emotion solchen Ausmaßes zu geraten, daß hiedurch die überwindung jener starken sittlichen Hemmungen ermöglicht würde, die gegen die vorsätzliche Tötung eines Menschen vorauszusetzen sind. Wenn der Angeklagte allenfalls auf Grund besonderer psychischer Veranlagung in der bestimmten Situation anders als ein normal veranlagter Mensch reagiert haben und bei ihm eine derart heftige Gemütsbewegung vorgelegen sein sollte, könnte dies nach dem Gesagten allgemeine Begreiflichkeit einer solchen auf abnorme Täterpersönlichkeit zurückgehenden besonderen Gemütsverfassung nicht begründen. Die Stellung einer auf Totschlag abzielenden Eventualfrage war demgemäß auch durch die Verantwortung des Angeklagten tatsächlich nicht indiziert (vgl. Mayerhofer-Rieder a.a.O. E.Nr. 36-38 zu § 314).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB. zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Es wertete eine einschlägige Vorstrafe, den schlechten Leumund, ferner den raschen Rückfall und den besonders qualvollen Zustand des Opfers als erschwerend; als mildernd wurde hingegen sein umfassendes reumütiges Geständnis und der Umstand berücksichtigt, daß er wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte (der Sache nach) die Verhängung einer (seiner Ansicht nach angemessenen) zeitlichen Freiheitsstrafe anstrebt, kommt gleichfalls keine Berechtigung zu. Es bedürfen die vom Geschwornengericht herangezogenen Strafzumessungsgründe insofern einer Korrektur, als dem Angeklagten die Selbststellung (§ 34 Z. 16 StGB.) und die durch das Verhalten des Opfers ausgelöste Erregung als zusätzliche Milderungsgründe zugute kommen. Andererseits war die Heranziehung des aus einer weiteren, nicht einschlägigen Vorstrafe abgeleiteten schlechten Leumunds neben dem besonderen Erschwerungsgrund nach § 33 Z. 2 StGB. verfehlt, zumal ein (beim Angeklagten zufolge einer einschlägigen Vorverurteilung indes nicht mehr aktueller) bisheriger ordentlicher Lebenswandel den besonderen Milderungsgrund nach § 34 Z. 2 StGB. darstellt, das Fehlen eines solchen aber (noch) nicht als Erschwerungsgrund gewertet werden kann.

Mögen auch die am Unwert der verschuldeten Tat orientierten besonderen Umstände zunächst (noch) nicht unbedingt gegen eine zeitliche Freiheitsstrafe sprechen, so ist die Verhängung der gesetzlichen Höchststrafe angesichts der besonderen Schwere der personalen Täterschuld des Angeklagten jedenfalls erforderlich (§ 32 StGB.).

Diese ergibt sich nicht nur aus der Brutalität, mit der er das Verbrechen verübte, sondern insbesondere auch aus der Tatsache, daß er die in Rede stehende Straftat knapp vier Monate nach der Entlassung aus einer wegen des Verbrechens des versuchten Mordes (teilweise) verbüßten Freiheitsstrafe begangen hat. Es mußte daher auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben.

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