OGH 13Os118/83

OGH13Os118/8329.9.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.September 1983

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Michael A wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB

und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Krems als Jugendschöffengerichts vom 18.Mai 1983, GZ 8 Vr 927/82-42, erhobenen Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Bassler, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wilfing zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, 1. im Ausspruch, daß Karoline B durch die (beim Raub) ausgeübte Gewalt schwer verletzt, ihr nämlich außer Schürf- und Schnittwunden sowie Blutergüssen leichten Grads im Bereich des Kopfs und der achten rechten Rippe eine Hirnschädigung mit teilweiser Halbseitenlähmung, somit eine an sich schwere Gesundheitsstörung (Verletzung) in einer 24 Tage übersteigenden Dauer, zugefügt wurde, 2. im Ausspruch, daß Michael A dadurch das Verbrechen des schweren Raubs auch nach § 143, 2. Satz, StGB begangen hat und 3. im Strafausspruch aufgehoben.

II. Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

1. Michael A wird für die ihm weiter zur Last liegenden Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und des Raubs nach §§ 142, 143, erster Satz, zweiter Fall, StGB gemäß §§ 75 und 28 StGB unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG. zu einer Freiheitsstrafe von 7 (sieben) Jahren verurteilt.

2. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte hierauf verwiesen.

3. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Das Jugendschöffengericht erkannte den am 22.April 1968 geborenen Schüler Michael A der Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (1) und des schweren Raubs nach §§ 142 Abs 1, 143, erster Satz, zweiter Fall, und zweiter Satz, StGB (2) schuldig. Darnach hat er am 19.November 1982 in Schiltern vorsätzlich (zu 1) Karoline B dadurch zu töten getrachtet, daß er mit einer Schere mindestens sechsmal von hinten gegen ihren Kopf, Hals und Rücken einstach, bis sie zu Boden sank und liegenblieb und (zu 2) der Genannten durch das (zu 1) angeführte Verhalten mit Gewalt gegen ihre Person unter Verwendung der Schere als Waffe einen Geldbetrag von 300 S mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, wobei Karoline B durch die ausgeübte Gewalt schwer verletzt (Schürf- und Schnittwunden sowie Blutergüsse leichten Grads im Bereich des Kopfs und der achten rechten Rippe, eine Hirnschädigung mit teilweiser Halbseitenlähmung) und ihr eine länger als 24 Tage dauernde, an sich schwere Gesundheitsschädigung zugefügt wurde.

Das Jugendschöffengericht verhängte hiefür über den Angeklagten nach §§ 75 und 28 StGB und unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, mildernd hingegen das Teilgeständnis des Angeklagten zum Raub, sein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung, sein Alter von knapp über 14 Jahren, daß der Mord lediglich beim Versuch geblieben war und die Zustandebringung des Diebsguts von 300 S.

Die gegen den Schuldspruch ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof bereits mit Beschluß vom 15.September 1983, GZ 13 Os 118/83-6, in nichtöffentlicher Beratung zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet wurde. Der Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubs (2) ist nämlich mit einer vom Rechtsmittelwerber nicht gerügten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet.

Bei Erfüllung der Tatbestände des Mordes und des Raubs durch ein in der Außenwelt als Einheit in Erscheinung tretendes Tatgeschehen wird zwar der rechtserhebliche Unwert beider Verbrechen nur dann voll erfaßt, wenn dem Täter sowohl Mord als auch Raub in Idealkonkurrenz zugerechnet wird. Das Verbrechen des Raubs darf allerdings nur durch andere Umstände als die Tötung eines Menschen - hier durch die Verwendung einer Waffe - beschwert sein, weil der Unwert der vorsätzlichen Tötung durch den Tatbestand des Mordes nach § 75 StGB voll erfaßt wird (SSt 46/76). Nichts anderes kann gelten, wenn die Mordhandlung im Versuchsstadium geblieben ist:

Auch hier umfaßt der dem Tötungsvorsatz innewohnende Unrechtsgehalt, der ja das Rechtsgut Leib und Leben betrifft, jede im Zug der Verwirklichung dieses Vorsatzes herbeigeführte Beeinträchtigung desselben Rechtsguts, also jede Verletzung des Opfers, die folglich mit dem Schuldspruch nach §§ 15, 75 StGB abgegolten wird. Für eine Unterstellung auch unter § 143, zweiter Satz, StGB

fehlt daher das Substrat (11 Os 1/83).

Demnach erweist sich der Ausspruch, daß Karoline B beim Raub schwer verletzt wurde und damit die Subsumtion der Tat auch unter den

2. Satz des § 143 StGB als nichtig (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO.). Mit der amtswegigen Kassierung dieses Teils des Schuldspruchs gemäß § 290 Abs 1 StPO verfiel auch der Strafausspruch der Aufhebung, sodaß die Strafe neu zu bemessen war.

Gegen den erstinstanzlichen Strafausspruch haben sowohl die Staatsanwaltschaft wie auch der Angeklagte Berufung ergriffen mit dem Ziel einer Erhöhung bzw. einer Herabsetzung des Strafmaßes, der Angeklagte begehrt darüber hinaus die Gewährung der bedingten Strafnachsicht.

Diese beiderseitige Anfechtung gibt dem Obersten Gerichtshof freie Hand bei der Neubemessung der Strafe, die nach §§ 28, 75 StGB unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG. vorzunehmen war.

Dabei konnte von den vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründen mit der Maßgabe ausgegangen werden, daß die (als Qualifikation nach § 143, 2. Satz, StGB ausgeschiedene) schwere Verletzung und das Imstichlassen des Opfers als erschwerend hinzuzutreten, das Alter des Täters von knapp über 14 Jahren hingegen als bereits vom gesetzlichen Strafsatz (§ 11 Z 1 JGG.) berücksichtigt wegzufallen hatte. Die zutreffende Gewichtung dieser Strafzumessungsgründe spricht allerdings gegen die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe. Der Täter ist, wenn auch einer plötzlichen Eingebung folgend, überlegt und raffiniert zu Werk gegangen, wie sein Verlangen nach einem kleinen Geldbetrag beweist, um zu sehen, wo das von ihm ausersehene Opfer seine Barschaften verwahrt (S. 83, 85, 101, 129). Mit einer geradezu grausamen Zielstrebigkeit hat er sodann gegen empfindliche Körperteile der betagten Frau mit einer Schere meuchlings eingestochen. Als die Greisin in ihrem Schlafzimmer, wo sie, hilfsbereit, das Geld für den Angeklagten holen wollte und kurz Zuflucht gefunden hatte, um Hilfe rief, hat der Angeklagte die verschlossen gehaltene Tür kurzerhand aufgebrochen und abermals auf die Frau eingestochen, bis sie blutend zusammenbrach und sich nicht mehr bewegte. Völlig ungerührt von seiner Bluttat hat er sodann in Laden nach Bargeld gesucht (S. 18, 85, 122), hierauf die Blutspuren an sich selbst noch in der Wohnung und später in einem Bach abgewaschen und in den folgenden Stunden, während sein Opfer hilflos und verlassen in qualvoller Ungewißheit war, ob überhaupt noch Rettung kommen werde, sein sichtlich durch keine Skrupel getrübtes Leben so weitergeführt, als ob nichts geschehen wäre (S. 9, 149, 150).

Das alles steht in voller übereinstimmung mit der im wesentlichen konformen Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten durch die beiden Sachverständigen Dr. Heinz C und Dr. Erwin D, die in ihren jugendpsychiatrischen bzw. jugendpsychologischen Gutachten ON. 17 und ON. 19 die erschreckende Kaltblütigkeit und die gesteigerte Angriffslust des Jugendlichen hervorheben und auf die Gefahr hinweisen, die bei dessen Persönlichkeitsstruktur auch künftighin von ihm ausgeht, dessen einzigen Gefühlsregungen sich offenbar in Selbstmitleid erschöpfen (S. 111, 114). Dazu kommt der Eindruck des Untersuchungsrichters, der geradezu erschüttert war über die Gefühlskälte und Distanziertheit, die der Angeklagte gegenüber seiner Untat zeigte (S. 11 b verso, 349, 350).

Eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren wird dem auf den Unrechtsgehalt der Taten bezogenen schweren Verschulden des Angeklagten gerade noch gerecht. Sie ist auch erforderlich, um den zeitlich notwendigen Rahmen für eine intensive erzieherische Beeinflussung des Angeklagten, der sich schon vor der Tat keines ordentlichen Wandels befleißigt hatte und dem daher zu Recht der Milderungsgrund des § 34 Z 2 StGB versagt blieb, zu schaffen. Die beiden Prozeßparteien waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Aussprüche gemäß § 38 StGB und § 389 StPO blieben unberührt.

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