Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Aus deren Anlaß wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO. das Urteil dahin ergänzt, daß gemäß § 38 Abs. 1 StGB. auch die Vorhaft vom 24. bis zum 27.August 1982, jeweils 12,00 Uhr, auf die Strafe angerechnet wird.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.Jänner 1949 geborene Vertreter Ludwig A der Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4
StGB. und der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1, Abs. 2 (erster Fall) StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien und Niederösterreich 1. im Sommer 1981 der Elisabeth B eine Waschbärjacke, einen Weißfuchskragen, einen Verlobungsring, einen Brillantring, einen Kassettenrecorder, ein Paar Manschettenknöpfe und zwei Eheringe im Gesamtwert von zirka 50.000 S gestohlen, 2. ihm anvertraute Bargeldbeträge mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung sich zugeeignet, indem er sie für sich verwendete:
a. Anfang August 1981 einen ihm von Elisabeth B zum Erlag als Kaution für eine Mietwohnung übergebenen Betrag von 22.000 S, b. in der Zeit von März bis Sommer 1982 in sieben Fällen von Kunden für die Beschaffung von Fensterbänken übergebene Beträge von insgesamt 35.060,19 S.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Ludwig A mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z. 4, 5, 9 lit. c und 10 des § 281 Abs. 1 StPO.
Rechtliche Beurteilung
Zu den Fakten 1 und 2 a:
Die Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrags, den Zeugen Peter C zum Beweis dafür zu vernehmen, daß der Angeklagte im Zeitpunkt der ihm angelasteten zum Nachteil der Elisabeth B begangenen strafbaren Handlungen mit der Genannten in Lebensgemeinschaft gelebt habe (S. 284, 285), bewirkt - den Beschwerdebehauptungen zuwider - keine Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. Denn auch wenn dieser Beweisantrag sinngemäß (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO., E.Nr. 23 zu § 281 Z. 4) auf die wesentlichen Tatsachenvoraussetzungen für die (rechtliche) Annahme einer (außerehelichen) Lebensgemeinschaft im Sinne des § 72 Abs. 2 StGB. bezogen wird, fehlt ihm doch die nach der Sachlage erforderliche Angabe, welche Umstände gerade von dem beantragten Zeugenbeweis ein den Angaben der Zeugin B zuwiderlaufendes relevantes Ergebnis hätten erwarten lassen. Ohne dementsprechendes Vorbringen des Antragstellers kann aber nicht gesagt werden, daß durch die Abweisung des Beweisantrags Gesetze oder Verfahrensgrundsätze hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden seien, deren Beachtung durch das Wesen eines (auch) die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten gewesen wäre (vgl. Mayerhofer-Rieder E.Nr. 19 a.a.O.).
Mit dem detailliert und lapidar erhobenen Vorwurf, das Erstgericht habe für die Verneinung der behaupteten Lebensgemeinschaft des Angeklagten mit Elisabeth B 'keine oder nur unzureichende' Gründe angegeben (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.), läßt die Beschwerde jedwede Auseinandersetzung mit den die bezüglichen Verfahrensergebnisse würdigenden Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils vermissen. Sie bleibt insoweit völlig unsubstantiiert und entzieht sich damit einer sachbezogenen Erörterung.
Die Beschwerde versagt aber auch, soweit - zum Teil formell aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. - aus Feststellungen, die das Erstgericht getroffen hat oder die es (nach der Meinung des Beschwerdeführers) noch hätte treffen sollen, in rechtlicher Beziehung eine Lebensgemeinschaft des Angeklagten mit Elisabeth B (im Sinne des § 72 Abs. 2 StGB.) abgeleitet und daraus gefolgert wird, Diebstahl und Veruntreuung des Angeklagten zum Nachteil der Genannten wären nach § 166 StGB. nur über Privatanklage zu verfolgen gewesen, welche aber vorliegend von der Verletzten nicht erhoben worden sei (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. c StPO.).
Daß der Angeklagte im Sommer 1981 öfter bei Elisabeth B nächtigte, manchmal bei ihr auch Mahlzeiten einnahm und gelegentlich ihren Kraftwagen entlieh, nötigt nämlich selbst dann, wenn er damals seine wesentliche Habe bei ihr untergebracht und über keine andere Unterkunft verfügt haben, sondern zwischen den einzelnen Nächtigungen beruflich unterwegs gewesen sein sollte, noch keineswegs zur Annahme einer außerehelichen Lebensgemeinschaft, wie sie gemäß § 72 Abs. 2 StGB. gleich einem Angehörigenverhältnis zu behandeln ist. Eine solche setzt vielmehr eine auf längere Dauer ausgerichtete, ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkommende Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft voraus (SSt. 46/45; ÖJZ-LSK. 1978/229 u.a.), welche aber nach den (insoweit unter Ablehnung der anderslautenden Angeklagtenverantwortung auf die Zeugenaussage der Elisabeth B gestützten) Urteilsfeststellungen zwischen dem Angeklagten Ludwig A und Elisabeth B niemals bestanden hat. Von einer Privilegierung der Straftaten zum Nachteil der Elisabeth B (als Privatanklagedelikte) gemäß § 166 StGB. kann daher dem Beschwerdevorbringen zuwider keine Rede sein.
Weder einen Verfahrens- (Z. 4) noch einen Begründungsmangel (Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO.) bedeutet es schließlich, daß das vom Angeklagten beantragte (S. 284) Sachverständigengutachten über den Wert (zur Tatzeit) des Weißfuchskragens, der Waschbärjacke und des Kassettenrecorders nicht eingeholt und auf den Umstand, daß diese Gegenstände gebraucht waren, im Urteil nicht eingegangen wurde. Zwar findet die Urteilsannahme eines Gesamtwerts der gestohlenen Sachen von zirka 50.000 S keine Deckung in den das einzige diesbezügliche Verfahrensergebnis darstellenden Wertangaben der Zeugin B (ON. 13), aus welchen sich (unter Zugrundelegung der Neuwerte bei den zuvor erwähnten Gegenständen) bloß ein Gesamtwert von 36.800 S (ohne die von der Zeugin nicht bewerteten Eheringe) ergeben würde. Der Angeklagte hat indes selbst zugegeben, bei der Verpfändung der beiden Pelze, des Kassettenrecorders und der Ringe mehr als 5.000 S erlöst zu haben (S. 278); daß der Gesamtwert sämtlicher gestohlenen Gegenstände die Wertgrenze von 5.000 S nicht übersteige, was allein die Qualifikation nach § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. in Frage stellen könnte, wird auch in der Beschwerde gar nicht behauptet, womit aber dem Thema des (erfolglos) beantragten Sachverständigenbeweises die Erheblichkeit, der Mängelrüge hinwieder die im § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. geforderte Relevanz fehlt.
Zur Faktengruppe 2 b:
Die Bestellung eines Sachverständigen 'zum Beweis dafür, daß der Angeklagte sich keiner Veruntreuung schuldig gemacht hat, sondern lediglich der Tatbestand der fahrlässigen Krida vorliegt', kam schon deshalb nicht in Betracht, weil das Thema des betreffenden Beweisantrags der Verteidigung (S. 285) eine Rechtsfrage bildet, ein Sachverständiger aber gemäß den Bestimmungen des XI. Hauptstücks der Strafprozeßordnung bloß dann heranzuziehen ist, wenn die Sachkenntnis des Gerichts für die Beurteilung einer Tatfrage nicht ausreicht. Der betreffende Antrag wurde darum zu Recht abgewiesen. Verfehlt ist aber auch das auf die Z. 5 und 10
des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Beschwerdevorbringen, mit welchem sich der Angeklagte gegen den Vorwurf der Veruntreuung wendet und auf eine Beurteilung seines Verhaltens als fahrlässige Krida (§ 159 StGB.) abzielt.
Zunächst verkennt der Rechtsmittelwerber, daß seine in der Beschwerde wiederholt ins Treffen geführte 'unternehmerische Selbständigkeit' eine Veruntreuung von ihm anvertrautem Gut nicht grundsätzlich ausschließt. Im Sinne des § 133 StGB. anvertraut ist ein Gut, wenn die Verfügungsgewalt des Täters darüber auf eine ganz bestimmte Verwendungspflicht beschränkt ist, sodaß es wirtschaftlich für ihn fremdes Vermögen darstellt. Auf die von den Bestellern der Fensterbänke ausschließlich zu deren Anschaffung übergebenen Geldbeträge trifft dies nach den Urteilsannahmen zu. Mit der Behauptung des Angeklagten, zur Ausführung von Mauerverputzarbeiten auf eigene Kosten genötigt gewesen zu sein, um überhaupt Aufträge zu bekommen, dabei durch die Beistellung untauglicher Arbeiter seitens der Firma Alfred D einen großen Schaden erlitten zu haben, schließlich durch die Verhaftung Provisionen für bereits entgegengenommene Aufträge verloren zu haben und auch an der erst für spätere Termine vorgesehenen Lieferung der bestellten Fensterbänke gehindert worden zu sein, brauchte sich das Erstgericht im besonderen nicht auseinanderzusetzen, weil all diesen Umständen keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt:
Wirtschaftliche Verluste infolge unentgeltlicher Vornahme von Verputzarbeiten bei Abnehmern von Vollwärmeschutz- und Rollputzmaterial stellen keinen von der Rechtsordnung gebilligten Grund für die sohin mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung erfolgte Zueignung anvertrauten Gutes durch den Angeklagten dar. Als Gegenstand einer (den genannten Bereicherungsvorsatz ausschließenden) Aufrechnung kommen bestehende oder vermeintliche Ansprüche (aus welchem Rechtsgrund immer) gegen die Firma Alfred D schon mangels Gegenseitigkeit nicht in Betracht, soweit dem Angeklagten die Zueignung ihm von Bestellern für die Anschaffung von Fensterbänken bei der Firma E anvertrauter Gelder zur Last liegt. Dies ist bei den Schuldspruchfakten 2 b/aa bis ee und gg der Fall, von denen das letzte einen Betrag von 4.953,45 S betrifft, welcher dem Angeklagten von Johann F - nicht G bzw. H, wie bei der Anklageausdehnung (S. 283) sowie im Urteil (S. 293 und 295 abgesehen von dem richtig lautenden Privatbeteiligtenzuspruch in gleicher Höhe:
S. 293), irrig angeführt - ebenso wie die zu aa bis ee bezeichneten Geldbeträge mit der vorerwähnten Verwendungspflicht anvertraut worden war (S. 255, 257 und 284). Beim Schuldspruchfaktum 2 b/ff - Zueignung eines dem Angeklagten von Leopold I (in Scheckform) übergebenen Betrags von 3.759,48 S - kommt zwar nach der Aktenlage Alfred D als Berechtigter in Frage (S. 227 und Beilagen zu ON. 27); der Bestand einer Gegenforderung des Angeklagten wäre indes auch in diesem Fall für den Ausschluß eines Bereicherungsvorsatzes nur dann relevant, wenn der Angeklagte zugleich mit der Zueignungshandlung dem Widerpart seinen Aufrechnungswillen bekanntgegeben hätte (Kienapfel BT II § 133 RN. 94), was er jedoch nicht einmal behauptet. Aus dieser Erwägung war auch die zum Beweis des Bestehens einer Forderung des Angeklagten gegen die Firma Alfred D beantragte (S. 284-285) zeugenschaftliche Vernehmung des Gerhard J (S. 209), deren Unterbleiben in der Beschwerde als weiterer Verfahrensmangel (§ 281 Abs. 1 Z. 4 StPO.) gerügt wird, entbehrlich. Einen präsenten Deckungsfonds stellen Provisionen, die erst ins Verdienen gebracht und realisiert werden müssen, nicht dar (vgl. ÖJZ-LSK. 1979/110 = EvBl. 1979/97 u.a.).
Angesichts der in Bereicherungstendenz erfolgten widerrechtlichen Zueignung zweckbestimmt anvertrauter Gelder könnte sonach der behauptete Wille des Angeklagten, die Fensterbänke noch zu beschaffen und den Bestellern zu liefern, nur als für den Schuldspruch rechtlich irrelevantes Vorhaben einer Schadensgutmachung angesehen werden.
Die sohin rechtsrichtige Beurteilung des festgestellten Tatgeschehens (auch) in Punkt 2 b des Schuldspruchs als Veruntreuung läßt der mit der Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.) angestrebten Subsumtion unter einen Tatbestand fahrlässiger Krida (§ 159 Abs. 1 Z. 1
oder Z. 2 StGB.) keinen Raum.
Da mithin keiner der vom Angeklagten Ludwig A geltend gemachten Nichtigkeitsgründe vorliegt, war seiner Nichtigkeitsbeschwerde ein Erfolg zu versagen.
Aus Anlaß der Beschwerde wurde jedoch wahrgenommen, daß durch die Anrechnung der Verwahrungs- und Untersuchungshaft (nur) bis zum 24. August 1982, 12 Uhr (S. 293), obwohl die Untersuchungshaft tatsächlich bis zum Antritt einer Strafhaft durch den Angeklagten am 27. August 1982
um 12 Uhr gedauert hat (S. 215), gegen § 38 StGB. verstoßen worden ist. Dieser nach § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO.
eine nicht gerügte, von Amts wegen aufzugreifende Urteilsnichtigkeit
bewirkende Fehler war gemäß § 290 Abs. 1 StPO.
zu sanieren.
Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, zog als mildernd das Teilgeständnis in Betracht und verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28, 128 Abs. 1 StGB.
eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren.
Die Berufung des Angeklagten, mit der er Strafherabsetzung anstrebt,
ist nicht begründet.
Das bloße Anerkenntnis des Ersatzanspruches des Geschädigten ist noch kein Milderungsgrund (LSK. 1978/276).
Ebensowenig trifft dies auf den Umstand zu, daß der Angeklagte - zumindest teilweise - einer redlichen Beschäftigung nachging und versuchte, sich ein neues Leben als selbständiger Provisionsvertreter aufzubauen.
Daß er hingegen - wie er behauptet - lediglich durch seine Verhaftung an der Erfüllung seiner Lieferverpflichtungen gehindert wurde, ist urteilsfremd, weil diesbezüglich konstatiert wurde (S. 295 ff.), er habe die kassierten Beträge für private Zwecke verwendet und sei deshalb nicht mehr in der Lage gewesen, seine Kunden zu befriedigen. Endlich kann auch dem Umstand, daß er teilweise Gratisverputze durchführte, keine nennenswerte mildernde Bedeutung beigelegt werden, weil dies nach den Akten ersichtlich auf Kosten anderer Kunden erfolgte.
Dem Angeklagten wurden mithin keine ins Gewicht fallenden Milderungsgründe vorenthalten. Hingegen ist zusätzlich als erschwerend zu berücksichtigen, daß er einen Teil der ihm nunmehr zur Last liegenden Verfehlungen während der Anhängigkeit eines anderen (wegen des Vergehens des schweren Betruges zu 5 d Vr 28/80 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) gegen ihn geführten Strafverfahrens verübte. So gesehen erweist sich die vom Erstgericht geschöpfte Unrechtsfolge als keineswegs überhöht und mithin nicht reduktionsbedürftig.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)