OGH 5Ob43/83

OGH5Ob43/8327.9.1983

SZ 56/139

Normen

MRG §16 Abs1 Z7
MRG §44 Abs2
MRG §44 Abs3
MRG §16 Abs1 Z7
MRG §44 Abs2
MRG §44 Abs3

 

Spruch:

Ein vor dem 1. 1. 1982 nach halbjähriger Dauer des Mietverhältnisses zulässig vereinbarter Hauptmietzins kann nach § 44 Abs. 2 und 3 MRG herabgesetzt werden

OGH 27. 9. 1983, 5 Ob 43/83 (LG Innsbruck 3 R 415/83; BG Innsbruck Msch 45/82)

Text

Die Antragsteller haben im Hause ihrer Gegner je eine Wohnung der Ausstattungskategorie D ohne Badegelegenheit und Klosett im Inneren mit Nutzflächen von 32.50 m2, 39.70 m2 und 38 m2 gemietet; ihr Hauptmietzins überstieg auf Grund im Jahre 1978, als das Mietverhältnis bereits länger als ein halbes Jahr bestanden hatte, getroffener Vereinbarungen den Betrag, der sich für ihre Wohnungen nach § 16 Abs. 2 Z 4 MRG als Hauptmietzins errechnet, um mehr als die Hälfte.

Die Mieter begehrten nach § 44 Abs. 2 MRG die Ermäßigung des vorher vereinbarten Hauptmietzinses und machten die Sache bei der Gemeinde anhängig (§ 39 Abs. 1 MRG), die feststellte, daß die Vereinbarungen über den Hauptmietzins insoweit rechtsunwirksam sind, als der Hauptmietzins 265.23 S, 327.50 S und 313.50 S monatlich übersteigt.

Die Vermieter gaben sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden und riefen das Gericht an (§ 40 Abs. 1 MRG).

Das Erstgericht wies die Anträge der Mieter ab. Es kam bei der rechtlichen Beurteilung der ausdrücklich zugestandenen Tatsachen (§ 37 Abs. 3 Z 12 MRG und § 266 Abs. 1 ZPO) zu dem Ergebnis, daß zwar nach der Fassung des § 44 Abs. 2 Z 1 MRG der Fall, daß eine Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses ohne die Beschränkungen des § 16 Abs. 2 MRG (Kategoriemietzinse) bis zum angemessenen Betrag zulässig ist, wenn das Mietverhältnis länger als ein halbes Jahr bestanden hat (§ 16 Abs. 1 Z 7 MRG), die Ermäßigung des vorher vereinbarten Hauptmietzinses nicht ausschließe, es sich dabei aber um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handeln müsse. Die Ermäßigung könne daher auch dann nicht begehrt werden, wenn für die Wohnung im Zeitpunkt der Vereinbarung über die Mietzinshöhe die im § 16 Abs. 1 Z 7 MRG genannte Voraussetzung vorgelegen habe. Es könne nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber im § 16 Abs. 1 Z 7 MRG bis zur Höhe des angemessenen Betrages eine Mietzinsvereinbarung zulasse, dann aber wieder die Ermäßigung auf einen den Kategoriemietzins nur um die Hälfte übersteigenden Betrag ermögliche.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diesen Beschluß infolge Rekurses der Mieter ab und sprach aus, daß die getroffenen Vereinbarungen über den Hauptmietzins insoweit ab dem auf den Zugang des Ermäßigungsbegehrens folgenden Zinstermin unwirksam sind, als der Hauptmietzins das Eineinhalbfache des Betrages von 5.50 S je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat übersteigt. Es sei dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, daß er in der Endfassung des Mietrechtsgesetzes von dem Text der Regierungsvorlage, die bei "Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 1" eine Mietzinsermäßigung ausgeschlossen hatte, die Z 1 des § 16 Abs. 1 MRG mit Bedacht ausgenommen habe, die Z 7 des § 16 Abs. 1 MRG aber aus Versehen weggefallen sei. Der Wortlaut des Gesetzes sei eindeutig und unzweifelhaft und gestatte ohne Widerspruch zu seinem natürlichen Sinn zwar die Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses, wenn das Mietverhältnis über sechs Monate bestanden hat (§ 16 Abs. 1 Z 7 MRG), andererseits aber ein nur für die Zukunft wirkendes Verlangen des Mieters auf Ermäßigung (§ 44 Abs. 2 MRG). Eine planwidrige Unvollständigkeit sei nicht anzunehmen; daher sei mit Zugang des Herabsetzungsbegehrens die früher wirksam getroffene Vereinbarung insoweit unwirksam geworden, als der Hauptmietzins das Eineinhalbfache des Kategoriemietzinses übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsgegner (Vermieter) nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entscheidend ist, ob das Fehlen der Bezugnahme auf den Fall der nach halbjährigem Bestand des Mietverhältnisses zulässigen "freien" Vereinbarung über die Mietzinshöhe, die nun, anders als zuvor im § 16 Abs. 1 Z 4 MG, im § 16 Abs. 1 Z 7 MRG durch den angemessenen Betrag als Obergrenze einer Beschränkung unterliegt, im § 44 Abs. 2 Z 1 MRG ein so offensichtliches Redaktionsversehen zeigt, daß es durch Gesetzesauslegung beseitigt werden kann und darf (vgl. dazu Bydlinski in Rummel, ABGB, Rdz. 25 lit. d zu § 6; Wolff in Klang[2], I/1, 87; JBl. 1967, 92). Einem Gesetz darf in der Anwendung jedenfalls kein anderer Sinn beigemessen werden, als er sich aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers ergibt (§ 6 ABGB). Das Füllen einer "Gesetzeslücke" in ergänzender Rechtsfindung kommt hier nicht in Betracht, weil die Beschränkung auf die Fälle des § 16 Abs. 1 Z 2 bis 6 MRG in der zum Gesetz gewordenen endgültigen Fassung der Neuordnung des Mietrechts daran hindert, auch den nicht genannten Fall des § 16 Abs. 2 Z 7 MRG als Ausschluß einer Ermäßigung des Hauptmietzinses nach § 44 Abs. 2 MRG zu behandeln. Daß der Wille des Gesetzgebers so klar und eindeutig erkennbar ist, daß die Auslassung der Mietzinsvereinbarung nach mehr als sechsmonatigem Bestand des Mietverhältnisses nur als Versehen bezeichnet werden kann, ergibt sich bei der Betrachtung der Materialien nicht. Die Endfassung des § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG hat sich aus der Übergangsregelung im § 41 Abs. 1 Z 2 lit. a des Entwurfes der Regierungsvorlage entwickelt, der allerdings bei Vorliegen der im § 13 Abs. 1 des Entwurfes genannten Voraussetzungen, also auch bei bis zur Höhe des angemessenen Betrages zulässiger freier Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses, wenn das Mietverhältnis mindestens ein halbes Jahr bestanden hat (§ 13 Abs. 1 Z 7 des Entwurfes), eine Herabsetzung auf den nach § 13 Abs. 2 des Entwurfes angemessenen (Kategorie-)Hauptmietzins zuzüglich der Hälfte ausgeschlossen hat. Das Ziel der Übergangsregelung sollte die schrittweise und bestmögliche Angleichung der bestehenden Altmietverträge (Altmietverhältnisse) an die Neuordnung des Mietrechtes bilden, wobei allerdings nur bei Wohnraummiete und Überschreiten der Beschränkung bis zum zulässigen Kategoriemietzins um mehr als die Hälfte eine vom Willen des Mieters abhängige Modifikation (Novation) des in Zukunft zu entrichtenden Hauptmietzinses eintreten sollte. Schon hier war die Ausschließung des Ermäßigungsverlangens des Mieters bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 des Entwurfes unscharf, umfaßte aber jedenfalls auch die wegen der mit zunehmender Dauer des Mietverhältnisses abnehmenden "Ungleichgewichtslage" zugelassenen Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses nach halbjähriger Dauer des Bestandverhältnisses, während die Voraussetzung des § 13 Abs. 1 Z 1 des Entwurfes von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 41 Abs. 1 Z 2 lit. a des Entwurfes ausschied, wenn der Bestandgegenstand nicht zu Wohnzwecken diente (425 BlgNR 15. GP). Der Bericht des Justizausschusses zum § 44 MRG ist knapp gehalten und spricht nur davon, daß diese Bestimmung an die Stelle des § 41 Abs. 1 Z 2 der Regierungsvorlage trete und in den Absätzen 2 und 3 Fälle der Ermäßigung eines vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes frei vereinbarten Hauptmietzinses regle, der ohne "Vorliegen der im § 16 Abs. 1 genannten Voraussetzungen" den im § 16 Abs. 2 bestimmten Hauptmietzins um mehr als die Hälfte übersteigt (880 BlgNR 15. GP). Daraus wurde abgeleitet, es müsse sich bei der Weglassung der Z 7 des § 16 Abs. 1 MRG im § 44 Abs. 2 Z 1 MRG um ein offensichtliches Redaktionsversehen gehandelt haben, weil die Vereinbarung eines höheren Mietzinses nach mehr als sechsmonatiger Dauer des Mietverhältnisses vor allem dazu diente, die Finanzierung von Erhaltungsarbeiten ohne behördliche Einschaltung (§ 7 und § 28 Abs. 2 und 3 MG) zu sichern und die nun eröffnete Ermäßigung einen groben Wertungswiderspruch darstellen würde (Würth - Zingher, MRG, Anm. 5 zu § 44). Es ist aber nicht auszuschließen, daß der Gesetzgeber dem Mieter, der vor dem 1. 1. 1982 eine Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses zulässig getroffen hat - schon nach Altrecht unwirksame Vereinbarungen bleiben auch nach dem 1. 1. 1982 rechtsunwirksam (§ 43 Abs. 2 MRG) -, die Möglichkeit der Anpassung des "überhöhten Hauptmietzinses" nur in den Fällen verweigern wollte, in welchen von den Gegebenheiten der Wohnung her auch nach dem 1. 1. 1982 keine Beschränkung der Zulässigkeit der Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses mit dem Kategoriemietzins besteht (§ 16 Abs. 1 Z 2 bis 6), während die Zulässigkeit der Vereinbarung nach längerem Bestand des Mietverhältnisses (§ 16 Abs. 1 Z 7 MRG = § 16 Abs. 1 Z 4 MG) kein Hindernis für das Verlangen nach Mietzinsermäßigung sein sollte. Dies wäre durchaus mit den Zielsetzungen des Gesetzgebers bei der Neuordnung des Mietrechtes vereinbar.

Die Befürchtung, ein nach § 16 Abs. 1 Z 7 MRG zulässig erhöhter Mietzins könnte der Ermäßigung unterliegen, besteht nicht, weil sich die Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 2 und 3 MRG nur auf vor dem 1. 1. 1982 zustande gekommene Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses bezieht und auf im Geltungsbereich des MRG getroffene Vereinbarungen unanwendbar ist.

Daß die Vereinbarungen über die Leistung eines höheren Mietzinses hier nur zur Deckung unbedingt notwendiger Erhaltungsarbeiten aus den Mietzinseingängen und zur Vermeidung eines Verfahrens nach § 7, § 28 Abs. 2 und 3 MG getroffen wurden, ist nicht behauptet und auch nicht hervorgekommen. Es hat daher auch die Überlegung zu unterbleiben, ob in einem solchen Fall wegen des Entzuges der Mittel zu Darlehenstilgung das Verlangen eines Mieters nach § 44 Abs. 3 MRG als Rechtsmißbrauch abgewehrt werden könnte. Der Hinweis der Revisionsrekurswerber, daß ein den Kategoriemietzins bis zur Angemessenheitsgrenze übersteigend vereinbarter Mietzins unter Umständen einen Beitrag zu Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten enthalten könnte, kann es nicht rechtfertigen, gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes allgemein im Fall des § 16 Abs. 1 Z 7 MRG die Ermäßigung des Hauptmietzinses nach § 44 Abs. 2 und 3 MRG auszuschließen.

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