OGH 10Os118/83

OGH10Os118/8320.9.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1983

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maresch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wilhelm Karl A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1

zweiter Fall StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. November 1982, GZ. 3 c Vr 5130/82-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mühl und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Bassler - zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4.Juni 1939 geborene Wilhelm Karl A des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB. schuldig erkannt, weil er zwischen dem 6. und 8. Oktober 1981 in Wien Michael B dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte, daß er ihn des Heroinhandels, sohin des von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. wissentlich falsch beschuldigte.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5 und '9 lit. a bzw. 10' des § 281 Abs. 1

StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensmangel (Z. 4) wird in der Abweisung seines in der Hauptverhandlung vom 10.November 1982 gestellten Beweisantrages (S. 107) auf Vernehmung des (Polizeibeamten) Helmut C als Zeugen zum Nachweis dafür, daß der Angeklagte (bloß) ein ihm zugekommenes Gerücht weitergegeben habe, erblickt. Zutreffend und ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte wies das Schöffengericht den Antrag mit der - allerdings entgegen der Vorschrift des § 238 StPO. erst im Urteil nachgetragenen Begründung (S. 119) ab, daß der Angeklagte nicht wegen (angeblicher) Angaben gegenüber dem Polizeibeamten C, (der ihn wegen eines ihm im Verfahren AZ. 3 c Vr 10865/81

des Landesgerichtes für Strafsachen Wien angelasteten Diebstahls einvernommem hatte) sondern ausschließlich wegen seiner Michael B des Heroinhandels verdächtigenden, wissentlich falschen Angaben gegenüber den (mit der Aufklärung von Suchtgiftfällen betrauten) Polizeibeamten Werner D, Gisela E, Georg F, Friedrich G und Franz H in Verfolgung gezogen und schuldig erkannt wurde (S. 119, i.V.m. S. 99 ff.). Insoweit lassen die Urteilskonstatierungen jedenfalls keinen Zweifel daran, daß der Angeklagte im Verlauf der gegen ihn wegen des Verdachts des Diebstahls (einer Geldbörse samt Inhalt zum Nachteil der Gertrude I) geführten Erhebungen zunächst bloß 'Andeutungen' machte, daß er 'auf Heroinhandel hinweisende Kenntnisse habe', was die (für Suchtgiftdelikte) 'zuständigen Kriminalbeamten' veranlaßte, 'den Angeklagten um Einzelheiten zu fragen' (S. 114).

In Ausführung der Mängelrüge (Z. 5) - die in Ansehung der Behauptung, die Niederschrift vom 8.Oktober 1981 enthalte keine Personsbeschreibung des fälschlich Verdächtigten, von der Verteidigerin beim Gerichtstag zurückgezogen wurde - ficht der Angeklagte in grundsätzlicher Verkennung des Wesens der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) sowie der Art und des Umfanges der gesetzlichen Begründungspflicht (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) zum Teil mit rein spekulativen und hypothetischen Erwägungen nur nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässigerweise (und demnach unbeachtlich) die erstinstanzliche Beweiswürdigung an, ohne formelle Begründungsmängel der Entscheidung geltend zu machen. Mit den in der Beschwerdeschrift darüber angestellten Spekulationen, auf welche Weise die erhebenden Polizeibeamten die Person des Verdächtigten Michael B eruiert haben, wird kein formeller Begründungsmangel aufgezeigt. Gleiches gilt für das Beschwerdevorbringen, demzufolge die Hausdurchsuchung in der Wohnung des Michael B ungeachtet der zur Verfügung stehenden Zeit ohne gerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehl durchgeführt wurde. Die Aktenlage bietet in diesem Zusammenhang keinen Anhaltspunkt für ein unkorrektes Verhalten der mit der Amtshandlung betraut gewesenen Polizeibeamten; auch der Beschwerdeführer vermochte hiezu nichts vorzubringen.

Ohne jeden Einfluß auf die Entscheidung ist - wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführte - die Frage, welche Angaben der Beschwerdeführer vor und welche er nach der Hausdurchsuchung gemacht hat, zumal er Michael B auch noch bei der Gegenüberstellung in dessen Wohnung als jenen Mann bezeichnete, der ihn angeblich zum Vertrieb von Heroin angeworben hat (S. 115, 116, 118 f.), wobei er zur Ergebnislosigkeit der Hausdurchsuchung erklärte, daß 'diese Personen' von seiner Festnahme erfahren und das Heroin 'wahrscheinlich' aus der Wohnung geschafft haben (S. 39, 41). Dem Beschwerdevorbringen zuwider hat das Erstgericht schließlich auch die Frage einer 'Selbstbezichtigung' des Beschwerdeführers (nämlich Heroin zum Weiterverkauf übernommen zu haben) durch die inkriminierten Angaben in den Kreis der Urteilserwägungen einbezogen (S. 114, 116 und 120), gelangte jedoch auf Grund der Ergebnisse der kriminalpolizeilichen Erhebungen zur überzeugung, daß 'keinerlei Anhaltspunkte' dafür bestehen, daß B 'in irgendeinem Zusammenhang zu Suchtgift stehe oder gestanden sei' (S. 116).

Im Rahmen der Rechtsrüge führt der Angeklagte ins Treffen, das Ersturteil lasse Konstatierungen darüber vermissen, welche Angaben vor und welche er nach der Hausdurchsuchung gemacht habe; diese Trennung sei deshalb von Belang, weil seiner Meinung nach nur erstere (allenfalls) den Tatbestand der Verleumdung herstellen könnten, nicht aber letztere, weil zu diesem Zeitpunkt die behördlichen Erhebungen gegen Michael B bereits abgeschlossen gewesen seien.

Der Angeklagte verkennt hiebei zunächst, daß ihm ohnedies nur Anschuldigungen zur Last gelegt werden, die er vor und während der Hausdurchsuchung gegen Michael B vorgebracht hat, mögen diese auch erst nach der Hausdurchsuchung protokolliert worden sein. Durch die Agnoszierung der Wohnung als jene, in der iich größere Mengen Heroin befunden haben sollen, und die Identifizierung des Michael B bei einer Gegenüberstellung als jene Person, die ihn zum Vertrieb von Heroin angeworben hat, verstärkte er (vgl. SSt. 47/19) neuerdings den durch seine früheren Angaben erweckten Verdacht der Beamten gegen Michael B. Ob die 'behördlichen Erhebungen' damals bereits beendet waren oder nicht, ist unbeachtlich; denn die Frage, ob der Tatbestand der Verleumdung, bei der eine besondere Form der falschen Verdächtigung nicht erforderlich ist, verwirklicht wurde, ist nach deren Wortlaut und Sinn zu beurteilen, wobei eine bloß vorübergehende (konkrete) Gefahr behördlicher Verfolgung genügt (vgl. SSt. 50/12 = EvBl. 1979/151 =

JBl. 1979, 495 u.a.).

Mit dem schließlich in der Rechtsrüge erhobenen weiteren Einwand (Z. 10), es könne mit Rücksicht auf die Selbstbezichtigung des Beschwerdeführers allenfalls (bloß) der Tatbestand des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB. erfüllt sein, übergeht er jene Urteilskonstatierungen, denenzufolge er Michael B des Heroinhandels wissentlich falsch verdächtigte und dadurch der konkreten Gefahr behördlicher Verfolgung aussetzte. Wird aber eine bestimmte Person wissentlich falsch verdächtigt, indem ihr eine nicht begangene oder eine von einer anderen Person begangene Straftat angelastet wird, so liegt ausschließlich - vgl. die in § 298 Abs. 1 StGB. enthaltene Subsidiaritätsklausel - Verleumdung vor (Leukauf-Steininger2, RN. 12 zu § 298 StGB.; ÖJZ-LSK. 1977/34).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs. 1 StGB. zu achtzehn Monaten Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB. zu der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17.März 1982, GZ. 3 c Vr 10856/81-47, über ihn wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB.

(betreffend eine Geldbörse mit 6.500 S Bargeld) verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von (gleichfalls) achtzehn Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend den raschen Rückfall in strafbares Verhalten nach der letzten Strafverbüßung sowie während der den bezeichneten Diebstahl betreffenden, mit Haft des Angeklagten verbundenen Strafverfolgung, ferner die (besondere) Skrupellosigkeit und Bedenkenlosigkeit bei der Tatbegehung in bezug auf eine dem Angeklagten vollkommen fremde Person und das Zusammentreffen von Delikten im Sinn des § 28 StGB., hingegen als mildernd keinen Umstand.

Der Berufung des Angeklagten, mit welcher er eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und zutreffend gewürdigt. Es hat ein Strafmaß gefunden, das angesichts des hohen Schuld- und Unrechtsgehaltes der vorliegenden Straftat und des kriminell schwer getrübten Vorlebens des Angeklagten, der zahlreiche Vorstrafen wegen Betruges aufweist (welchem Delikt gleichfalls eine Täuschungskomponente innewohnt), keineswegs als überhöht angesehen werden kann. Demgegenüber vermag auch der Berufungswerber keine Milderungsgründe vorzubringen. Zwar kann die vom Erstgericht in Ansehung der (berücksichtigten) Verurteilung wegen Diebstahls ins Treffen geführte ungleichartige Deliktskonkurrenz nicht formell als Erschwerungsgrund im Sinne des § 33 Z. 1 StGB. gewertet werden, weil die angefochtene Entscheidung, auch wenn damit eine Zusatzstrafe ausgesprochen wurde, ein selbständiges - nur einen Schuldspruch wegen einer einzigen strafbaren Handlung (§ 297 StGB.) enthaltendes - Urteil mit einem selbständigen Strafausspruch ist (Leukauf-Steininger Kommentar2

§ 31 RN. 2); die angeführte Deliktskonkurrenz ist daher sachlich als - im Rahmen der gemäß § 40 StGB. gebotenen Erwägungen allerdings zu Recht angestellte - überlegung zu betrachten, was im Fall gemeinsamer Ahndung aller von den im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB. stehenden Urteilen erfaßten Taten bei der Straffestsetzung zusätzlich als (besonders) erschwerend in Betracht gekommen wäre (vgl. 10 Os 120/81, 10 Os 64/81, 10 Os 126/80). Das Erstgericht ist aber gerade auf dem ihm durch die letztzitierte Gesetzesstelle gewiesenen Weg zu einer Zusatzstrafe gelangt, die den dort normierten Grundsätzen Rechnung trägt und aus den bereits dargelegten Gründen keineswegs überhöht ist.

Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.

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