OGH 10Os109/83

OGH10Os109/8313.9.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 1983 durch den zehnten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, Dr. Hörburger, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Richter unter Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Maresch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens der Unzucht mit&Unmündigen nach § 207 Abs 1

StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 1. April 1983, GZ 7 Vr 121/83-11, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Verlesung der Rechtsmittelschrift, Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Putz - zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef A von der Anklage, er habe am 19. Jänner 1983 in St. Martin im Innkreis dadurch, daß er die am 8. Februar 1970 geborene Edeltraud B mit beiden Händen an den Brüsten betastete und versuchte, ihren Pullover auszuziehen, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht und er habe hiedurch das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Das Schöffengericht nahm zwar als erwiesen an, daß der Angeklagte (als Schulwart) tatsächlich die genannte Schülerin, deren Alter er kannte, aus sexuellen Motiven mit beiden Händen, und zwar von hinten über der Kleidung, in der Gegend der Brustwarzen erfaßte sowie versuchte, ihr den Pullover auszuziehen, gelangte aber trotzdem zum Freispruch, weil nicht zu erweisen sei, daß die Brüste des Mädchens zur Tatzeit schon eine solche Stufe körperlicher Reife erreicht hatten, daß sie physiologisch der Geschlechtssphäre zuzurechnen gewesen wären.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil kommt aus dem zuletzt relevierten Grund Berechtigung zu. Für die Beurteilung, ob es sich bei einem (nicht bloß flüchtigen, sexualbezogenen) Betasten eines unmündigen Mädchens im Brustbereich im Sinn des § 207 Abs 1 StGB um 'Unzucht' handelt, ist nämlich letztlich nicht das Entwicklungsstadium der Brüste des Tatopfers ausschlaggebend, sondern vielmehr dessen Geschlechtsreife im allgemeinen, also die Frage, ob sich das Mädchen zumindest schon in der Pubertätsphase befindet; denn diesfalls ist dessen Brustregion (ebenso wie die von reifen Frauen) ohne Rücksicht auf die konkrete Entwicklung der Brustdrüsen - mithin selbst dann, wenn die Brüste noch nicht wenigstens ansatzweise ausgebildet sind - und unbeschadet dessen, ob die Sexualbezogenheit der Tathandlung dem Mädchen in concreto tatsächlich bewußt wurde oder nicht, gleichfalls bereits der unmittelbaren (sekundären) Geschlechtssphäre zuzurechnen (vgl insbes EvBl 1982/

20 = ÖJZ-LSK 1982/5). Unter diesem Aspekt ist auch schon in der früheren Judikatur regelmäßig nicht auf die Entwicklung der Brüste des Tatopfers allein abgestellt worden, sondern auf dessen (von der kindlichen Phase deutlich unterscheidbare) körperliche Reife schlechthin (idS die - vom Erstgericht offenbar mißverstandene - E. EvBl 1976/205 sowie ÖJZLSK 1980/27, 11 Os 38/80 uam). Von der demgemäß unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, daß für die Zurechnung der Brustpartie der Edeltraud B zu deren Geschlechtssphäre ausschließlich die Entwicklung ihrer Brüste maßgebend sei, hat es das Erstgericht unterlassen, über das allgemeine Entwicklungsstadium des Mädchens in geschlechtlicher Hinsicht zur Tatzeit Feststellungen zu treffen, obwohl bereits nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. C ungeachtet der von ihm ermittelten Verzögerung der Geschlechtsreife bei der Unmündigen die Konstatierung möglich gewesen wäre, daß letztere sich schon damals in der Phase beginnender Pubertät befand (S 76 f.). Dieser von der Anklagebehörde zutreffend gerügte Feststellungsmangel (Z 9 lit a) macht eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich; in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher, ohne daß es einer Erörterung der Mängelrüge (Z 5) bedarf, wie im Spruch zu erkennen.

Im zweiten Rechtsgang wird das Schöffengericht gegebenenfalls auch auf die (für den Fall der Nichtannahme eines zur Tatzeit bereits eingetretenen Pubertätsbeginns bei Edeltraud B aktuelle) Möglichkeit einer Deliktsbegehung in der Erscheinungsform eines (nur relativ untauglichen - vgl EvBl 1979/38) Versuchs (§ 15 StGB) zu achten haben.

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