Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte hat der Klägerin die mit 1.385,09 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 96 S Barauslagen und 95,49 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 18. 10. 1980 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem der Lenker eines von der Klägerin gehaltenen und Maria P***** als Lenkerin eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten, von Rudolf P***** gehaltenen Kraftfahrzeugs beteiligt waren. Am Kraftfahrzeug der Klägerin entstand ein Schaden von 6.267 S während der Schaden an dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug 7.760,86 S betrug. Nicht mehr strittig ist, dass die beiden Lenker den Unfall je zur Hälfte verschuldet haben.
Die Klägerin forderte an Schadenersatz 6.267 S sA.
Die Beklagte wendete gegen die Schadenersatzforderung der Klägerin die Schäden am Fahrzeug des Rudolf P***** ein, ohne jedoch eine Abtretung dieser Forderung an sie oder eine Geltendmachung der Kompensation durch Rudolf P***** zu behaupten.
Beide Untergerichte erkannten die Klagsforderung mit 3.133,50 S als zu Recht bestehend. Während aber das Erstgericht den Standpunkt vertrat, die Beklagte sei zur Kompensation mit der Forderung ihres Versicherungsnehmers berechtigt und daher die eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der Forderung der Klägerin als zu Recht bestehend erkannte, vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, die Beklagte sei ohne Zession zur Kompensation nicht berechtigt. Es sprach daher aus, dass die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, und sprach, im Gegensatz zum Erstgericht, der Klägerin 3.133,50 S sA zu.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten wegen § 503 Z 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Strittig ist nur mehr ob die Beklagte ohne entsprechende Zession berechtigt ist, eine Forderung ihres Versicherungsnehmers geltend zu machen. Die Beklagte stützt sich hier vor allem auf die Bestimmung des § 63 KFG. In diesem Punkte kann ihr jedoch nicht gefolgt werden. Die genannte Bestimmung sieht nämlich bezüglich der Haftung nur vor, dass der Versicherer mit dem Halter und Lenker solidarisch haftet. Bei passiver Korrealität kann aber ein Gesamtschuldner nicht mit den übrigen Mitschuldnern zustehenden Forderungen aufrechnen (SZ 47/46, SZ 26/48, 8 Ob 101/79 ua). Demnach gibt die bloße Solidarhaftung der Beklagten noch nicht das Recht zur Aufrechnung mit einer Forderung ihres Versicherungsnehmers.
Allerdings könnte die Beklagte einwenden, dass die eingeklagte Forderung durch Kompensation seitens desjenigen, dem eine Gegenforderung zusteht, also hier ihres Versicherungsnehmers, erloschen ist. Dies würde aber die Geltendmachung der Kompensation durch den dazu berechtigten voraussetzen. Dass Rudolf P***** eine Kompensationserklärung abgegeben hätte, hat aber die Beklagte ebensowenig behauptet, wie eine Zession von dessen Forderung an sich.
Aus jener Bestimmung des § 63 KFG, derzufolge ein klagsabweisendes Urteil gegen den Halter auch gegen den Versicherer wirken würde, kann die Beklagte im vorliegenden Verfahren kein Recht zur Geltendmachung einer Kompensation ableiten. Ein Verfahren wurde gegen den Halter nicht geführt. Es ist daher nicht zu untersuchen, welche Folgen ein derartiges Verfahren für die Beklagte haben könnte. Solange nur der Versicherer geklagt ist, kann aus dem Umstand, dass ein allfälliges klagsabweisendes Urteil gegen den Halter auch zugunsten des Versicherers wirken würde, rechtlich nichts abgeleitet werden.
Es bleibt also lediglich zu untersuchen, ob Art 9 AKHB (Art 8 zählt lediglich Obliegenheiten auf und besagt über die Berechtigung zur Geltendmachung einer Kompensation nichts) dem Versicherer das Recht zur Kompensation mit einer Forderung des Versicherten oder eines Mitversicherten gibt. Das Berufungsgericht hat hier die zum Teil widersprüchliche Lehre dargestellt. In Österreich ist zu dieser Frage lediglich eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (VersR 1965, 1064) bekannt. In dieser wurde das Recht des Versicherers zu einer derartigen Kompensation verneint. Allerdings wurde diese Entscheidung noch vor Inkrafttreten des Kraftfahrgesetzes 1967 und zu den damals in Geltung gestandenen österr. AHB gefällt, doch enthielt deren Art 10 eine dem nunmehrigen Art 9 AKHB gleichlautende Bestimmung. Zutreffend hat das Berufungsgericht unter Anführung einiger gegenteiliger älterer Lehrmeinungen dargestellt, dass die Lehre in der Bundesrepublik Deutschland bei im wesentlichen gleichlautender Bestimmung (§ 10 Z 5 AHB) überwiegend das Recht des Versicherers zur Kompensation mit einer Forderung des Versicherungsnehmers mit der Begründung ablehnt, diese Bestimmung betreffe nicht Aktivansprüche des Versicherungsnehmers aus dem Schadensereignis (Bruck-Möller-Johannsen VVG8 IV, 245, Stiefel-Wussow-Hoffmann, Kraftfahrversicherung12, 478). Dieser Auffassung tritt auch der Oberste Gerichtshof bei. Ihre Richtigkeit ergibt sich schon aus dem Sinn der Haftpflichtversicherung. Diese legt nach § 149 VersVG dem Versicherer die Pflicht auf, Ansprüche, die gegen den Versicherungsnehmer geltend gemacht werden, abzuwehren, beziehungsweise dem Versicherten erfolgreich gegen ihm geltend gemachte Ansprüche zu ersetzen. Nur im Sinne dieser Verpflichtung kann Art 9 AKHB verstanden werden. Keinesfalls rechtfertigt daher die genannte Bestimmung den Versicherer zur Geltendmachung von Aktivansprüchen des Versicherten. Die Geltendmachung einer Kompensation ist aber die Geltendmachung eines Aktivanspruchs des Versicherten.
Auch die Interessenlage gebietet eine einschränkende Auslegung der Bestimmung des Art 9 AKHB. Die Abwehr von gegen den Versicherten erhobenen Ansprüchen darf nicht zu dessen Lasten erfolgen. Falls daher der Versicherer nur mit Hilfe einer Kompensation mit einer Forderung des Versicherten zur Abwehr der erhobenen Ansprüche gelangt, muss er dem Versicherten dessen berechtigte Forderungen ersetzen, weil andernfalls im Ergebnis kein wirksamer Versicherungsschutz geleistet würde. Demnach ist das Interesse des Versicherers an einer Abwehr der gegen den Versicherten erhobenen Ansprüche mittels einer Kompensation ausschließlich ein prozessuales, weil hiedurch die materielle Leistungspflicht des Versicherers überhaupt nicht berührt wird. Dies legt aber eine möglichst einschränkende Auslegung bezüglich der Möglichkeit zur Geltendmachung einer Kompensation nahe.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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