OGH 7Ob74/82

OGH7Ob74/827.7.1983

SZ 56/118

Normen

AKIB Art6 Abs2 Z2
AKIB Art6 Abs2 Z2

 

Spruch:

Ein konkreter Verdacht auf Alkoholisierung eines zur sofortigen Meldung eines Unfalles mit Sachschaden verpflichteten Kaskoversicherten (hier: mangelnde Fahrtüchtigkeit nahelegender Unfall zur Nachtzeit nach einem Gasthausbesuch mit zugegebenem geringem Alkoholkonsum) kann durch die Parteiaussage des Versicherten nicht entkräftet werden

OGH 7. 7. 1983, 7 Ob 74/82 (LGZ Graz 27 R 453/82; BGZ Graz 25 C 313/82)

Text

Der Kläger begehrt im Rahmen einer bei der beklagten Partei abgeschlossenen Kaskoversicherung seines PKWs den Ersatz des an diesem Fahrzeug bei einem Unfall vom 9. 8. 1981 entstandenen Schadens abzüglich des Selbstbehaltes und beantragt hilfsweise die Feststellung der Deckungspflicht. Die beklagte Partei wendete ua. Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Aufklärungspflicht nach Art. 6 Abs. 2 Z 2 AKIB iVm. § 4 Abs. 5 StVO ein, weil der Beklagte trotz des konkreten Verdachtes auf Alkoholisierung die wegen der Beschädigung fremden Eigentums vorgeschriebene sofortige Meldung bei der nächsten Gendarmeriedienststelle unterlassen habe. Dieses Vorbringen bestritt der Kläger bloß unsubstantiiert und brachte vor, daß eine allfällige Obliegenheitsverletzung keinen Einfluß auf die Feststellung des Schadens gehabt habe.

Der Erstrichter wies das Hauptbegehren auf Leistung ab, gab aber dem hilfsweise gestellten Feststellungsbegehren statt.

Nach seinen Feststellungen fuhr der Kläger am 8. 8. 1981 gegen 22.30 Uhr von einem Verwandtenbesuch in G, bei dem er lediglich Fruchtsaft getrunken hatte, in Richtung seines Heimatortes P., kehrte aber noch vor diesem Ort in einem Gasthaus ein, wo eine Tanzveranstaltung stattfand, und trank dort bei einem etwa halbstundigen Aufenthalt ein Glas Bier. Auf dem restlichen Heimweg ereignete sich der Unfall in einer leichten Linkskurve außerhalb des Ortsgebietes durch Abkommen des Fahrzeuges von der Fahrbahn mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 km/h bei eingeschaltetem Abblendlicht, keinerlei Verkehr und keiner Sichtbehinderung. Durch den Unfall wurde eine Markierungssäule der ÖMV-Gasleitung ausgerissen (und nach dem Gendarmeriebericht total beschädigt). Der Kläger ließ sich von einem anderen Fahrzeuglenker nach Hause bringen, unterließ aber eine Verständigung der Gendarmerie, weil um die Unfallstelle weit und breit kein Gendarmerieposten vorhanden ist und er niemandem zur Last fallen wollte. Der Unfall ist darauf zurückzuführen, daß der Kläger, ohne daß ihm dies vor Antritt der Fahrt aufgefallen wäre, während der Fahrt plötzlich müde wurde und deshalb unkonzentriert war. Das Befahren der Unfallstelle ist an sich bei normaler Fahrweise mit einer Grenzgeschwindigkeit von weit über 100 km/h möglich. Nach der Rechtsansicht des Erstrichters führe eine Verletzung der Anzeigepflicht des § 4 Abs. 5 StVO für sich allein noch nicht zur Leistungsfreiheit des Kaskoversicherers. Dieser müsse beweisen, daß ein konkreter Verdacht in einer bestimmten Richtung durch objektives Unbenützbarwerden eines Beweismittels infolge der verspäteten Anzeige im nachhinein nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Ein solcher Beweis sei der beklagten Partei nicht gelungen, vielmehr habe das Beweisverfahren ergeben, daß eine das zulässige Ausmaß übersteigende Alkoholisierung zweifelsfrei nicht vorliege. Damit sei nichts zur Aufklärung des Sachverhaltes dienliches versäumt worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Hauptbegehrens nicht Folge, wohl aber der Berufung der beklagten Partei gegen die klagsstattgebende Entscheidung über das Feststellungsbegehren. Es trat zwar der grundsätzlichen Rechtsansicht des Erstrichters bei, vertrat aber auf der Grundlage der unbekämpft gebliebenen Tatsachenfeststellungen die Meinung, ein Verdacht auf Alkoholisierung sei mit Rücksicht auf die vorgerückte Abendzeit, den vorangegangenen Besuch eines Wirtshauses mit Tanz und die Art des Unfalls hinreichend dargetan, zumal zur Prüfung der Fahrtüchtigkeit des Klägers nur seine eigene Parteiaussage zur Verfügung gestanden sei. Dem Kläger sei deshalb eine Verletzung der Aufklärungspflicht anzulasten, die mangels Gegenbeweise nicht vorsätzlicher Verletzung zur Leistungsfreiheit führe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionswerber folgt der schon von den Vorinstanzen vertretenen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 51/180 ua.). Er meint aber, daß kein konkreter Anhaltspunkt für eine Alkoholisierung vorliege; ihm sei sogar der Gegenbeweis gelungen, daß er die Unfallsmeldung nur unterlassen habe, weil kein Gendarmerieposten in der Nähe war und er niemandem zur Last fallen wollte; er habe demnach auch das Fehlen des Vorsatzes einer allfälligen Obliegenheitsverletzung bewiesen.

Dieser Meinung kann nicht gefolgt werden. Anders als in den Fällen, die den in der Revision zitierten Entscheidungen zugrunde lagen, ergab sich im vorliegenden Fall ein konkreter Verdacht, daß der Revisionswerber im Unfallszeitpunkt alkoholisiert war und daß dies die Unfallsursache sein könnte. Das Berufungsgericht hat mit Recht hervorgehoben, daß der Kläger mitten in der Nacht von einer Tanzunterhaltung kam, einen gewissen, wenn auch geringen Alkoholkonsum zugegeben hat und ohne Einwirkung eines anderen Verkehrsteilnehmers von der Fahrbahn abkam, obwohl die eingehaltene Geschwindigkeit weit unter der Grenzgeschwindigkeit lag. Diese Umstände sprechen für die konkrete Möglichkeit einer Alkoholisierung im Unfallszeitpunkt. Ein Gegenbeweis ist dem Revisionswerber in dieser Richtung schon deshalb nicht gelungen, weil er nur seine Parteienvernehmung anbieten konnte. Durch eine solche allein kann der bestehende Verdacht nicht mit Sicherheit entkräftet werden, weil die Obliegenheit gerade eine Nachprüfung der Angaben des Versicherungsnehmers ermöglichen soll. Dem Kläger ist aber auch der Beweis der nicht vorsätzlichen Verletzung der Obliegenheit nicht gelungen, weil die Motivation, es befinde sich weit und breit um die Unfallsstelle kein Gendarmerieposten und er habe niemandem zur Last fallen wollen, nicht erklärt, warum der Revisionswerber nicht wenigstens von seinem Heimatort aus telefonisch das nächste Gendarmeriepostenkommando verständigt hat. Das Wissen um die sofortige Meldepflicht eines Unfalles mit fremden Sachschaden ist bei jedem Kraftfahrer vorauszusetzen und wurde hier auch nicht bestritten. Im übrigen hat der Kläger, wie eingangs dargestellt, in Wahrheit gar keinen Beweis für den fehlenden Vorsatz angeboten. Einen Kausalitätsgegenbeweis läßt das Gesetz bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung nicht zu (§ 6 Abs. 3 VersVG).

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