OGH 9Os92/83

OGH9Os92/8328.6.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 1983 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Steininger in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vogel als Schriftführer in der Strafsache gegen Bernhard A wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 129 Z 1 und 2 und 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. November 1982, GZ 3 e Vr 7977/82- 36, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Pongracz, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinen den Einbruchsdiebstahl vom 30. Juni 1982 betreffenden Schuldspruch (Punkt I/1 des Urteilssatzes) sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

III. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2. Juli 1954 geborene, zuletzt beschäftigungslose Bernhard A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 129 Z 1

und 2, 15 StGB (zu I), des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1, 1.Fall, StGB (zu II) und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (zu III) schuldig erkannt. Darnach liegt ihm unter anderem zur Last zu I. fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S (zu ergänzen: nicht) übersteigenden Wert anderen mit Bereicherungsvorsatz, und zwar 1. am 30. Juni 1982 in Götzendorf verschiedene Gebrauchsgegenstände im Wert von ca. 2.500 S dem Ing. Heinrich B durch Einbruch weggenommen und 2. am 12. Juli 1982 in Grammatneusiedl den Verfügungsberechtigten des C durch Einsteigen in ein Gebäude und Aufbrechen eines Behältnisses (Schreibtisches) wegzunehmen versucht und zu III. vorsätzlich fremde Sachen zerstört zu haben, und zwar 1. am 12. Juli 1982 (im Anschluß an die zu I/2 beschriebene Tat) ein Autoradio, Marke Blaupunkt, im Wert von 3.900 S und 2. am 14. Juli 1982 in Schwechat durch Abgabe eines Schusses eine Fensterscheibe der Fa. D, wobei ein Schaden von 5.000 S entstand.

Nur die Schuldsprüche zu I und III/1 des Urteilssatzes bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5

und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, während er den Schuldspruch im übrigen unangefochten läßt.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.

Zu den Schuldsprüchen I/2 und III/1:

Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund sieht der Angeklagte in dem Umstand verwirklicht, daß er in einem, vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung verlesenen Brief (S 167 ON 24) detailliert schilderte, wie er den 12. Juli 1982 (den Tag der Tatbegehung) verbracht habe, und die darin angebotenen Alibizeugen trotzdem nicht vernommen wurden. Dieser Verfahrensrüge steht jedoch entgegen, daß der Angeklagte, dem in der Hauptverhandlung ein Verteidiger zur Seite stand (ON 35), keinen formellen Antrag auf Vernehmung eines dieser Zeugen stellte (S 233), sodaß das Schöffengericht weder Anlaß zu einer Entscheidung über die Beweisaufnahme im Sinne des § 238 StPO hatte noch auch - angesichts der rechtskundigen Verteidigung des Angeklagten - zu dessen Belehrung im Sinne des § 3 StPO über die Möglichkeit der Stellung von Beweisanträgen verpflichtet war. Die diesem Teil des Schuldspruchs zugrundeliegenden Feststellungen bekämpft der Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge unter den Gesichtspunkten der Unvollständigkeit, Aktenwidrigkeit und unzureichenden Begründung. Das Erstgericht habe den Schuldspruch auf sein nach Einlieferung und auch in der Hauptverhandlung widerrufenes Geständnis vor der Gendarmerie und hilfsweise auch auf die am Tatort sichergestellten Schuhabdruckspuren und die Beschädigungen am Tresor, die von einem Schraubenzieher gleicher Breite herrühren, wie er in seinem Auto sichergestellt wurde, gestützt. Dabei habe es jedoch das Ergebnis der technischen Untersuchung dieser Spuren außer Acht gelassen, wonach eine Zuordnung der Schuhabdrücke zu den Schuhen und der Beschädigungen am Tresor zum Schraubenzieher des Angeklagten zwar nicht auszuschließen, aber auch nicht nachzuweisen ist. Durch die unrichtige Wiedergabe des besagten kriminaltechnischen Untersuchungsberichtes sei das Urteil aktenwidrig.

Der Beschwerdeführer übergeht bei diesem Vorbringen jedoch, daß das Erstgericht den Inhalt des Untersuchungsberichtes der kriminaltechnischen Zentralstelle des Bundesministeriums für Inneres (ON 25) vollständig und inhaltlich richtig wiedergab (S 244, 245), sodaß der Vorwurf der 'Aktenwidrigkeit' versagt, und daß es in seiner Beweiswürdigung davon ausging, die kriminaltechnische Untersuchung ergebe keinen sicheren Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten (S 248). Es verwies aber den Denkgesetzen durchaus entsprechend darauf, daß die Spuren am Tatort den Angeklagten insofern belasten, als der Täter jedenfalls gleichartige Schuhe trug wie der Angeklagte und die Beschädigungen des Tresors mit dem beim Angeklagten sichergestellten Schraubenzieher verursacht worden sein können. Im übrigen stützte es den Schuldspruch auf das erstmals am 20. Juli 1982 abgelegte (S 37, 38) und vor dem Untersuchungsrichter zunächst noch aufrechterhaltene (S 56), später aber (ON 14, 15 S 56 unten) widerrufene Geständnis des Angeklagten, weiters auf dessen Geldverlegenheit zur Tatzeit und den gleichartigen modus operandi bei früheren Straftaten. Wenn der Schöffensenat aus diesen Umständen, insbesondere aus dem - allerdings erst nach 10-stündiger Vernehmung (S 27, 35, 37) - abgelegten Geständnis vor der Gendarmerie auf seine Täterschaft schloß, so liegt darin ein jedenfalls denkrichtiger und zureichend begründeter Akt freier richterlicher Beweiswürdigung, der im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpft werden kann.

In der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO reklamiert der Beschwerdeführer hinsichtlich des Faktums I/2 für sich Straflosigkeit wegen tätiger Reue. Es wäre ihm als Schlosser möglich gewesen, mittels eines am Tatort vorhandenen Schweißgerätes den Tresor aufzubrechen, dennoch sei er freiwillig, bevor noch sein Versuch beendet war, von der Ausführung der Tat zurückgetreten. Der Beschwerdeführer übersieht hiebei aber, daß nach den der Rechtsrüge zugrundezulegenden Urteilsfeststellungen sein Vorsatz zunächst darauf gerichtet war, die Geldlade des Schreibtisches aufzubrechen, weil er auf Grund von Beobachtungen bei früheren Aufenthalten im Büro darin Geld vermutete. Er fand aber in dem geöffneten Fach kein Bargeld vor (S 243 f.), sodaß der Versuch des Diebstahls - entgegen den Beschwerdeausführungen - beendet und mißlungen war. Für einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch bleibt somit kein Raum (vgl. EvBl 1981/77; JBl.

1981/108 u.a.m.), zumal der Vorsatz des Beschwerdeführers eben nicht schlechthin auf einen Diebstahl zum Nachteil des Gebäudeinhabers, sondern gezielt auf einen Gelddiebstahl aus der Geldlade besagten Schreibtisches gerichtet war.

Anschließend versuchte der Angeklagte wohl, mit einem Schraubenzieher den Tresor zu öffnen, was ihm mißlang. Von diesem Teil der Anklage (ON 6) wurde er jedoch mit dem diesbezüglich unangefochtenen Urteil freigesprochen (S 241), weil das Erstgericht diesen Versuch als absolut untauglich ansah. Daher erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob dem Beschwerdeführer die Vollendung dieser Tat durch Verwendung eines Scweißgerätes dennoch möglich gewesen wäre.

Zum Schuldspruch I/1:

Der Mängelrüge in diesem Teil des Schuldspruchs, das Erstgericht habe bloße Scheingründe für seine Täterschaft angeführt und das einzige gegen ihn sprechende Indiz, daß am Tatort Spuren von Blut der Gruppe B sichergestellt worden seien, reiche für einen schlüssigen Schuldbeweis nicht aus, kommt allerdings Berechtigung zu.

Die erstgerichtliche Beweiswürdigung (S 250) beruht darauf, daß der Angeklagte schon früher in der (weiteren) Umgebung seines Wohnortes Einbruchsdiebstähle durch Einschlagen von Fensterscheiben begangen, sich zur Tatzeit in Geldnot befunden hat und am Tatort Blut seiner Blutgruppe vorgefunden wurde. Jeder dieser Umstände macht, wie auch das Erstgericht erkannte, für sich allein keinen Beweis; entgegen der Meinung des Erstgerichtes bietet aber auch ihr Zusammenhalt keine nach den Denkgesetzen ausreichende Grundlage für einen Schuldspruch, besagen doch die ersten beiden Umstände lediglich, daß dem Angeklagten die Tat zuzutrauen ist, während aus der Blutspur nur geschlossen werden kann, daß er als deren Verursacher und demnach als Einbrecher theoretisch in Betracht kommt.

Solange aber nicht nachgewiesen ist, daß außer dem im Ersturteil angeführten, durch seine Blutgruppe vom ursprünglich ebenso vorhanden gewesenen Verdacht der Täterschaft befreiten Erich E und dem Angeklagten tatsächlich kein Mensch mit Blut der Blutgruppe B als Täter für diesen Einbruch in Betracht kommt oder zumindest ein Beweis für eine Verletzung des Angeklagten zur Tatzeit (30. Juni 1982) erbracht wird - die angebliche frische Verletzung wurde am 17. Juli 1982 festgestellt (S 3 in ON 21) - oder sich sonstige Hinweise für die Täterschaft gerade des Angeklagten und nicht eines Unbekannten ergeben, kann ein logischer Schluß von der (bloßen) Möglichkeit der Täterschaft des Angeklagten auf deren sichere Annahme nicht gezogen werden.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang Folge zu geben, im übrigen war sie zu verwerfen.

Im Hinblick auf die hiedurch notwendig gewordene Aufhebung des Strafausspruches war der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO, Nr. 11 zu § 390 a).

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