OGH 5Ob599/83

OGH5Ob599/8328.6.1983

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard G*****, vertreten durch Dr. Jakob Oberhofer, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten 1) S*****-Bau-Gesellschaft mbH, ***** 2) Bauunternehmung Dipl. Ing. Konrad H***** Gesellschaft mbH, ***** 3) Bauunternehmung R. & E. T***** & Co, Hoch-, Tief- und Eisenbetonbau Gesellschaft mbH, ***** 4) N*****bau Gesellschaft mbH, ***** und 5) I********** Aktiengesellschaft, ***** alle vertreten durch Dr. Gerhard Amlacher, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen S 241.471,20 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 14. Februar 1980, GZ 7 R 217/79-47, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29. Oktober 1979, GZ 16 Cg 151/78-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in Ansehung seines Ausspruches über die Klageteilforderung von S 1.500,- samt 4 % Zinsen p.a. als Teilurteil bestätigt. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten. Im übrigen werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. In diesem Umfange wird die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und seine Gattin Hermenegild sind die Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches über die Katastralgemeinde *****, auf der sich das Haus K*****straße Nr 68 (vormals ***** Nr. 94) befindet. Das freistehende einstöckige Haus mit ausgebautem Dachgeschoß liegt 16 m östlich der Katschberg-Bundesstraße, 18 m nördlich der zum Autobahnknoten Lieserhofen gehörigen Brücke (Objekt L 55 des Bauloses Trebesing) der Tauernautobahn und 10 m westlich einer asphaltierten Gemeindestraße. Seit 4. Juli 1972 besitzt der Kläger die Konzession zur Führung einer Frühstückspension in diesem Hause. In den Jahren 1971 bis 1975 wurde im Auftrag der beklagten Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) von einer durch die Baugesellschaften S*****-Bau Gesellschaft mbH, Bauunternehmung Dipl. Ing. Konrad H***** Gesellschaft mbH, Bauunternehmung R. & E. T***** & Co, Hoch-, Tief- und Eisenbetonbau Gesellschaft mbH, N*****bau Gesellschaft mbH und I***** Aktiengesellschaft gebildeten Arbeitsgemeinschaft an dem Baulos Trebesing des Autobahnknotens Lieserhofen gearbeitet.

Mit der am 29. Oktober 1975 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von - nach Klageausdehnung - zuletzt S 241.471,20 samt Verzugszinsen zum Ausgleich der Beeinträchtigungen, die er und seine Gattin, die ihm ihre Ansprüche abgetreten habe, bei der Nutzung der Liegenschaft und der darauf betriebenen Frühstückspension durch die von der Bauführung auf den Liegenschaften der Beklagten herrührenden Immissionen durch Lärm, Erschütterungen und Staub sowie durch die Beschattung des Hauses durch das Bauwerk Brücke seit Oktober 1975 erlitten hätten. Im einzelnen werden Kosten für die Erneuerung des durch Staubeinwirkung geschädigten Außenputzes des Hauses (S 46.560,-), für Lackierarbeiten an den durch Staubeinwirkung geschädigten Fenstern und der Balkontüre (S 14.268,-), für die Staubentfernung in den Jahren 1972 bis 1974 (S 17.400,-), für verminderten Gemüseertrag infolge Verstaubung des Gartens in den Jahren 1973 bis 1975 (S 2.400,-), für erhöhte Heizkosten seit Oktober 1975 infolge der Beschattung des Hauses durch die Brücke (S 1.500,-) und der Verdienstentgang beim Betrieb der Frühstückspension infolge vorzeitiger Abreise bzw Ausbleibens von Pensionsgästen in den Jahren 1972 bis 1977 (S 159.343,20) geltend gemacht. Es wird behauptet, daß die durch die Bauführung erfolgte wesentliche Beeinträchtigung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß bei weitem überschritten habe und daß die Beklagte nach den Bestimmungen des Nachbarrechtes (§§ 364 ff ABGB) ausgleichspflichtig sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein:

Der Kläger könne sich keinesfalls auf die Vorschriften der §§ 364 ff ABGB berufen, sondern höchstens auf die Bestimmung des § 24 Abs 5 des Bundesstraßengesetzes 1971, das in seiner jeweils geltenden Fassung als Spezialgesetz anzuwenden sei. Demnach hafte die Republik Österreich, wenn überhaupt, nur dann, wenn der Kläger nachweisen könne, daß er durch grobes Verschulden eines Organes des Bundes geschädigt worden sei; dies behaupte er selbst nicht. In Ansehung aller etwa vor dem 29. Oktober 1972 entstandenen Ansprüche des Klägers sei in Hinblick auf den Zeitpunkt der Klageeinbringung und hinsichtlich eines Teilanspruches von S 146.971,20 (ursprünglicher Klagebetrag) wegen nicht gehöriger Verfahrensfortsetzung Verjährung eingetreten.

Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab.

Im wesentlichen stellte es fest:

In den Jahren bis 1972 sei durch den Bau des Autobahnknotens Lieserhofen weder das Grundstück noch das darauf befindliche Wohnhaus des Klägers (und seiner Frau) beeinträchtigt worden. 1972 habe der Kläger seine Fremdenzimmer noch ordnungsgemäß vermieten können. Erstmals zu Beginn des Jahres 1973 sei das Grundstück des Klägers (und seiner Frau) durch Staub beeinträchtigt worden: Staub sei durch geschlossene Türen und Fenster in das Haus eingetreten. Die Staubbeeinträchtigung sei von unterschiedlicher Intensität gewesen und im Frühjahr und Sommer 1973 am stärksten aufgetreten. Die ganze Baufläche habe auch nicht durch Spritzen von Wasser oder durch Salzstreuung - beides sei geschehen - staubfrei gehalten werden können. Durch die Staubeinwirkung seien die Fassade des Hauses, die Fenster und die Balkontüre vor dem 26. April 1975, insbesondere in den Jahren 1973 und 1974, verunreinigt worden. Die Verunreinigung der Fassade sei nicht zu verhindern gewesen. Im Zuge der Baumaßnahmen sei auch Lärm durch Baustellenfahrzeuge und durch den Einsatz der üblichen Maschinen (Kräne, Kompressoren, Rüttler, Mischanlagen, Schubraupen, Bagger und Verdichtungswalzen) entstanden, insbesondere bei den Brückenarbeiten in der Zeit von August 1974 bis Juli 1976. Fallweise seien auch Stahlbetonarbeiten im Schichtbetrieb über Nacht ohne Unterbrechung durchgeführt worden; dies sei aus technologischen Gründen (Vermeidung sogenannter Arbeitsfugen) notwendig gewesen. Zeitweise sei das Wohnhaus des Klägers durch den Einsatz von Verdichtungswalzen und Rüttelmaschinen erschüttert worden, doch seien die Erschütterungen nicht besonders groß gewesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Erstgericht im wesentlichen folgende rechtliche Erwägungen an:

Wenn der Bund Straßenarbeiten durchführen lasse, so trete er nicht als Träger der Hoheitsverwaltung, sondern als Bauherr auf und hafte nach den Grundsätzen des Privatrechtes und nicht nach dem Amtshaftungsrecht. Solange das Bundesstraßengesetz 1948 in Kraft gewesen sei, also bis zum 31. August 1971, seien dem durch den Bau einer Bundesstraße infolge von Immissionen beeinträchtigten Eigentümer entstandene vermögensrechtliche Nachteile nach den Bestimmungen des ABGB (§§ 364 und 364 a) auszugleichen gewesen. Ein Ausgleichsanspruch sei nicht nur dem unmittelbaren Anrainer, sondern auch dem mittelbaren Anrainer zuerkannt worden.

Das Bundesstraßengesetz 1971 habe ab 1. September 1971 eine völlig neue Rechtslage geschaffen, denn die nachbarrechtlichen Bestimmungen des ABGB (§§ 364 ff) seien durch die spezialgesetzliche Regelung des § 24 Abs 5 BStG 1971 für Ansprüche aus dem Straßenbau des Bundes ausgeschaltet worden. Die Rechtsstellung des Nachbarn eines Grundstückes des Bundes beim Bau von Bundesstraßen habe sich bedauerlicherweise dadurch erheblich verschlechtert, denn es sei sein Ausgleichsanspruch auf einen Schadenersatzanspruch bei grobem Verschulden beschränkt worden. Durch die Novelle 1975, BGBl 1975/239, sei diese Bestimmung dahin geändert worden, daß der Nachbar Anspruch auf Schadenersatz gegen den Bund nur dann habe, wenn Organe des Bundes an der Beeinträchtigung ein Verschulden treffe oder soweit es sich um den Ersatz von Sachschäden an Bauwerken handle. Diese Regelung sei am 26. April 1975 in Kraft getreten. Daraus ergebe sich, daß die Rechtsstellung des Anrainers etwas gebessert wurde, weil Gebäudeschäden jedenfalls und andere Schäden auch bei leichtem Verschulden der Organe des Bundes zu ersetzen seien. Ein Anspruch sei daher nur durchsetzbar, wenn der Geschädigte beweise, daß die beklagte juristische Person sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person bei der Herstellung des Straßenbaues bedient habe (§ 1315 ABGB).

Ein Tatbestand könne immer nur nach jenem Gesetz beurteilt werden, welches zur Zeit seiner Verwirklichung in Geltung gestanden sei.

Demnach seien hier drei Zeitabschnitte zu beachten:

  1. 1.) bis zum 31. August 1971,
  2. 2.) vom 1. September 1971 bis 25. April 1975 und 3.) seit dem 26. April 1975.

    Nach dem Vorbringen des Klägers scheiden Ansprüche aus der ersten Periode aus. Im übrigen wären sie verjährt, denn sie hätten bis längstens 31. August 1974 geltend gemacht werden müssen. Für die Ansprüche aus der zweiten Periode habe der Kläger nicht den Beweis erbracht, daß Organe des Bundes ein grobes Verschulden an der Beeinträchtigung treffe.

    Bezüglich der Ansprüche aus der dritten Periode habe der Kläger Gebäudeschäden gar nicht behauptet und für die übrigen Schäden sei ihm der Beweis eines Verschuldens von Organen des Bundes nicht gelungen.

    Wäre der Schaden des Klägers (und seiner Gattin) nach den nachbarrechtlichen Bestimmungen des ABGB zu beurteilen, dann wäre ihm ein Ausgleichsanspruch wegen der Gebäudeschäden und wegen des Verdienstentganges zuzusprechen gewesen. Es sei aber für ihn ein unglücklicher Umstand, daß seine Hauptschäden in jener Periode entstanden seien, in welcher das Bundesstraßengesetz 1971 in seiner ursprünglichen Fassung Geltung gehabt habe.

    Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der folgenden Begründung:

    Entscheidend sei, daß der Kläger seinen Klageanspruch individualisiert habe: er habe einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch im Sinne der Bestimmungen des ABGB über das Nachbarrecht gemäß den §§ 364 ff geltend gemacht. An diese Individualisierung des Klageanspruches sei das Gericht gebunden; es dürfe dem Klagebegehren nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben. Demnach seien die vom Erstgericht über die jeweilige Rechtslage in den drei Perioden angeführten Erwägungen richtig und es stünden dem Kläger für die in der Zeit nach dem Inkrafttreten des Bundesstraßengesetzes 1971 erwachsenen Nachteile keine verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüche nach den Vorschriften des ABGB mehr zu, denn er habe sich auf ein Gesetz berufen, das auf seinen Fall nicht mehr anwendbar sei. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wurde vom Kläger in offener Rechtsmittelfrist mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (§ 503 Z 2 und 4 ZPO) bekämpft. Er beantragte, in Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen seinem Klagebegehren Folge zu geben; hilfsweise begehrte er, die angefochtene Entscheidung (allenfalls auch die des Erstgerichtes) aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht (allenfalls an das Erstgericht) zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

    Die Beklagte und die Nebenintervenienten erstatteten in offener Frist Revisionsgegenschriften und beantragten, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der zur Entscheidung in der Sache berufene 5.Senat des Obersten Gerichtshofes unterbrach das Revisionsverfahren und beantragte beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 B-VG die Feststellung, daß der zweite Satz des § 24 Abs 5 BStG 1971 in seiner Stammfassung (BGBl 286/1971) verfassungswidrig war, und die Aufhebung des zweiten Satzes des § 24 Abs 5 BStG 1971 in der Fassung der Novelle BGBl 239/1975 bzw hilfsweise der Worte "nur dann, wenn Organe des Bundes an dieser Beeinträchtigung ein Verschulden trifft oder soweit es sich um den Ersatz von Sachschäden an Bauwerken handelt" dieses Satzes als verfassungswidrig.

Mit dem Erkenntnis vom 10. 3. 1983, G 63/81, hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, daß der zweite Satz des § 24 Abs 5 BStG 1971 in seiner Stammfassung (BGBl 286/1971) verfassungswidrig war; er verpflichtete den Bundeskanzler zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt und gab im übrigen dem Antrag des Obersten Gerichtshofes nicht Folge. In dem am 13. 5. 1983 ausgegebenen 108.Stück des Bundesgesetzblattes, Jahrgang 1983, erschien unter der Nr 273 die Kundmachung des Bundeskanzlers vom 29. 4. 1983 über die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des zweiten Satzes des § 24 Abs 5 BStG 1971 in seiner Stammfassung, BGBl 286/1971.

Das unterbrochene Revisionsverfahren ist nun wiederaufzunehmen. Die Revision ist teilweise berechtigt.

Zunächst ist klarzustellen, daß die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig festgestellte Norm des zweiten Satzes des § 24 Abs 5 BStG 1971 in ihrer Stammfassung, die vom 1. 9. 1971 bis zum 24. 4. 1975 in Kraft war, nach der Anordnung des Art 140 Abs 7 Satz 2 B-VG auf diese Rechtssache, die den Anlaß zur Einleitung des Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm gab ("Anlaßfall"; vgl E 92 zu Art 140 B-VG in MGA 13), nicht anzuwenden ist. Die in den eben bezeichneten Zeitraum fallenden Ansprüche auf Ersatz von Immissionsschäden sind deshalb nach den in Betracht kommenden Regeln des ABGB (§§ 364 f) abzuhandeln. Gleiches Recht findet für die auf den Ersatz von Sachschäden an dem im Eigentum des Klägers und seiner Ehefrau stehenden Haus gerichteten Ansprüche aus der Zeit ab dem 25. 4. 1975 (Inkrafttreten der Novelle BGBl 239/1975 zum BStG 1971) Anwendung, auf die übrigen, auf den Ersatz anderer Immissionsschäden aus dieser Zeit zielenden Ansprüche jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, daß Organen des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) an den diese Schäden verursachenden Beeinträchtigungen ein Verschulden trifft (§ 24 Abs 5 BStG i.d. F. der Novelle BGBl 239/1975). Die in der Klage geltend gemachten Ansprüche stellen nach der Sachverhaltsdarstellung des Klägers Ersatzansprüche aus behaupteten Immissionsschäden dar. Der vom Berufungsgericht gebrauchte Abweisungsgrund steht jedenfalls mit der herrschenden Lehre (Fasching III, 21 und 36), die die Individualisierungstheorie mit Recht ablehnt, und mit der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Widerspruch: Der Kläger muß seinen Anspruch nicht individualisieren, d.h. rechtlich qualifizieren; es genügt vielmehr, daß er seinen aus irgend einem Rechtsgrund ableitbaren Anspruch durch das Vorbringen von Tatsachen umschreibt (Substantiierungstheorie). Qualifiziert er dennoch, so darf ihm ein dabei unterlaufener Fehler nicht schaden (SZ 46/109 u.a., zuletzt etwa 5 Ob 623/80 vom 7. 7. 1981 und 5 Ob 565/81 vom 9. 2. 1982). Diese Überlegungen treffen vor allem dann zu, wenn - wie hier - der Kläger unzweideutig - und als solche auch bezeichnet - Ersatzansprüche aus Immissionsschäden behauptet und begehrt; in einem derartigen Fall ist es völlig gleichgültig, welche Norm zur Individualisierung des Ersatzanspruches angeführt wurde.

Für sämtliche Ersatzansprüche aus Immissionsschäden gilt nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II 249 f; Klang2 VI 634; EvBl 1982/152 S 493 und die dort auf S 494 angegebene weitere Judikatur) die dreijährige Frist des § 1489 ABGB. Diese Frist beginnt, gleichviel ob es sich um eine Schädigung durch Tun oder Unterlassen handelt, auch bei fortgesetzten Immissionen für jeden einzelnen dadurch eingetretenen Schaden ab dessen Kenntnis zu laufen (Koziol aaO 250 und in I2 318; Klang aaO 635; EvBl 1982/152 S 493), wobei den Schädiger die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, welcher Schäden oder Teilschäden aus wiederholten oder fortgesetzten Immissionen verjährt sind, insbesondere in welchem Zeitpunkt der Geschädigte Kenntnis von den schädlichen Folgen erlangt hat.

Die Tatsachenfeststellung des Erstgerichtes, daß in den Jahren bis einschließlich 1972 (S 292 iVm 299) keinerlei schädigende Immissionen stattfanden, blieb im Berufungsverfahren vom Kläger unbekämpft. Es ist deshalb entbehrlich, zu der auf die - unbegründeten - Ansprüche des Klägers aus der Zeit vor dem 29. 10. 1972 bezogenen Verjährungseinrede der Beklagten Stellung zu nehmen. Es ist jedoch die mit nicht gehöriger Verfahrensfortsetzung durch den Kläger begründete Verjährungseinrede der Beklagten hinsichtlich des Teilanspruches von S 146.971,20 (ursprünglicher Klagebetrag) unberechtigt, weil der faktische Stillstand des Verfahrens in erster Instanz in der Zeit vom 1. 3. 1977 (Auftrag des Erstgerichtes an beide Parteien, einen Kostenvorschuß von je S 5.000,- zur Durchführung des Sachverständigenbeweises über die ortsunübliche Lärm-, Staub- und Erschütterungsbildung beim Autobahnbau) bis 17. 4. 1978 (Einlangen eines Antrages des Klägers auf Fortsetzung des Verfahrens beim Erstgericht) nicht auf eine dem Kläger zurechenbare Unterlassung, sondern ausschließlich auf die im Gesetz nicht begründet gewesene Untätigkeit des Erstgerichtes zurückzuführen war, das ohne Rücksicht auf den Erlag des beiden Teilen aufgetragenen Kostenvorschusses das Verfahren von Amts wegen hätte fortführen müssen.

Die Abweisung des Ersatzbegehrens des Klägers für die seit Oktober 1975 infolge Beschattung des Hauses durch die von der Beklagten errichtete Brücke aufgelaufenen erhöhten Heizkosten ist vom Ergebnis her richtig: derartige negative Einwirkungen, die durch das Schattenwerfen, die Entziehung der erwärmenden Kraft der Sonne und ihres Lichtes durch Bauwerke auf dem Nachbargrund hervorgerufen werden, stellen begrifflich keine Immissionen im Sinne der §§ 364 f ABGB dar. Darunter wird nämlich die Zuleitung sinnlich wahrnehmbarer, nicht wägbarer Stoffe auf mechanischem oder physikalischem Wege auf der Erde oder durch die Luft verstanden (Säcker im Münchner Komm IV Rdz 19, 20 zu § 906 und Rdz 28 zu § 1004 BGB; RG in RGZ 51, 254; OLG Düsseldorf in NJW 1979, 2618; Ehrenzweig2 I/2, 131; EvBl 1962/157; ÖRZ 1966, 53; aM: Rummel in Privatrecht u. Umweltschutz, 142 f, der aber für den Regelfall Ortsüblichkeit, Unwesentlichkeit u. Zumutbarkeit annimmt; Jabornegg-Strasser, Privatrecht u. Umweltschutz, 97, und Nachbarrechtliche Ansprüche, 27, 34 lehnen die Unterscheidung in positive und negative Immissionen grundsätzlich ab).

In diesem Umfange ist die Entscheidung der Vorinstanzen als Teilurteil zu bestätigen.

Im übrigen ist die Sache jedoch noch nicht entscheidungsreif abgeklärt.

Die Rechtslage für die hier zur Entscheidung gestellten Ansprüche des Klägers auf Ersatz sämtlicher Immissionsschäden, die durch den Bundesstraßenbau der benachbarten Beklagten in der Zeit vom 1. 1. 1973 - vorher sind nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes keinerlei Schäden entstanden - bis zum 24. 4. 1975 angeblich bewirkt wurden, ist entscheidend durch den von der Vorschrift des § 24 Abs 5 erster Satz BStG angeordneten Entzug der Abwehrklage bestimmt. Dieser Umstand rechtfertigt es nämlich, in Analogie zu der von diesem Grundgedanken beherrschten Anordnung des § 364a ABGB dem in Ermangelung rechtlicher Abwehrmöglichkeiten schädigender Einwirkungen aus der wirtschaftlichen Aktivität seines Grundnachbarn ausgesetzten Grundeigentümer einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zu gewähren, der dem Entschädigungsanspruch wegen Enteignung ähnlich ist (vgl auch JBl 1976; 312 mit zust.Bespr. von Rummel; i.d.S. auch JBl 1981, 534; ferner Koziol-Welser, Grundriß II6, 35 f; im Ergebnis auch Aicher, Grundfragen der Staatshaftung bei rechtmäßigen hoheitlichen Eigentumsbeeinträchtigungen 263 ff FN 123, insbes. 268). In ständiger Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof anerkannt, daß die Gebietskörperschaft, die Straßenbauarbeiten auf ihr gehörigen Grundstücken durchführen läßt, als Bauherr auftritt und in dieser Eigenschaft den Grundnachbarn privatrechtlich haftet (SZ 43/139, SZ 47/140; beide mit weiteren Judikaturnachweisen).

Für den Regelfall kann gesagt werden, daß bei großen Straßenbauvorhaben wie in dem hier zu behandelnden Fall die dabei auftretenden Lärm-, Staub- und Bodenerschütterungsimmissionen beträchtlich über das Maß hinausgehen, das normalerweise durch die in dem betreffenden Raum bei der üblichen Grundstücksnutzung hervorgerufenen Immissionen gleicher Art üblich und zu dulden ist (Aicher aaO 264; BGHZ 48, 98 und 54, 384, 391 f); dies ist regelmäßig schon durch den sonst ungewöhnlichen Einsatz spezieller Maschinen und die Intensität ihrer Verwendung sowie auch die Dauer der nach Art und Umfang außergewöhnlichen Bauarbeiten bedingt. Die Beurteilung der Ortsunüblichkeit ist freilich eine den Tatsachenfeststellungsinstanzen zugewiesene Aufgabe, wenngleich sie von richtigen rechtlichen Gesichtspunkten aus zu geschehen hat. Auf bestehende Flächenwidmungs- und Bebauungspläne wird ebenso wie auf etwa vorhandene Lärmschutzvorschriften insoferne Bedacht zu nehmen sein, weil ihnen Indizfunktion für die in dem betreffenden Raum bestehenden Verhältnisse sowohl in Bezug auf Art und Ausmaß üblicher Immissionen als auch der Grundstücksnutzung zukommt (vgl Aicher, Umweltschutz und Privatrecht, JBl 1979, 235 insbes. 237 li Sp). In dieser Beziehung fehlt es an ausreichenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen - das Berufungsgericht hat sich wegen seiner speziellen Rechtsansicht in Beziehung auf den Rechtsgrund des Anspruches überhaupt nicht mit diesen Fragen befaßt -, so daß über die Ersatzansprüche des Klägers aus der Zeit vom 1. 1. 1973 bis 24. 4. 1975 noch nicht abgesprochen werden kann.

Bezüglich der danach liegenden Immissionsschäden des Klägers und seiner Ehefrau - die ihm ihren Anspruchsanteil abgetreten hat - ist die Sache - sieht man von den unberechtigten Anspruch wegen negativer Einwirkungen (Schattenwerfen der Brücke) ab ebenfalls noch nicht spruchreif.

Das Erstgericht hat sich vor allem nicht mit jenem Sachvorbringen des Klägers auseinandergesetzt, das auf den Vorwurf schuldhaften rechtswidrigen Verhaltens von Organen der Bundesstraßenverwaltung bei der Planung (Nichtbeachtung des Flächenwidmungsplanes) und Überwachung des Straßenbaues (Unterlassung laufender Kontrolle der Lärm, Staub und Bodenerschütterungen bewirkenden Bauarbeiten und der Anwendung der zu ihrer Verhinderung oder doch Eindämmung notwendigen zumutbaren Maßnahmen) hinauslaufen. Eine Klärung dieses Problemkreises ist jedoch für die Beurteilung der Berechtigung des Begehrens auf Ersatz des durch den Ausfall im Betrieb der Frühstückspension des Klägers während dieser Zeit angeblich entstandenen Schadens und des in dieselbe Zeitspanne fallenden angeblichen Schadens durch verminderten Gemüseertrag in dem durch die Verstaubung beeinträchtigten Garten erforderlich. In dieser Richtung ist deshalb auch eine nähere Erörterung des Sachverhaltes mit den Parteien (§ 180 Abs 3 ZPO), ihre Veranlassung zu entsprechenden Sachverhaltsbehauptungen und Beweisanboten (§ 182 Abs 1 ZPO) und die danach allenfalls noch notwendige Feststellung des nach Durchführung der erforderlichen Beweise annehmbar erachteten Sachverhaltes nicht zu vermeiden.

Aus den dargelegten Erwägungen muß in teilweiser Stattgebung der Revision des Klägers die Rechtssache zur Verfahrungsergänzung (neuerlichen Verhandlung) und abermaligen Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen werden.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO.

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