VfGH G63/81

VfGHG63/8110.3.1983

Bundesstraßengesetz 1971; §24 Abs5 zweiter Satz in der Stammfassung unsachlich (Ersatzverpflichtung für Immissionen bei Bundesstraßenbauten abhängig von grobem Verschulden der Organe des Bundes); §24 Abs5 zweiter Satz idF BGBl. 239/1975 nicht unsachlich

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BStG 1971 §24 Abs5 zweiter Satz idF BGBl 239/1975
BStG 1971 §24 Abs5 zweiter Satz in der Stammfassung
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BStG 1971 §24 Abs5 zweiter Satz idF BGBl 239/1975
BStG 1971 §24 Abs5 zweiter Satz in der Stammfassung

 

Spruch:

1. Der zweite Satz des §24 Abs5 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. 286, war verfassungswidrig.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

2. Im übrigen wird dem Antrag keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der OGH stellt aus Anlaß eines bei ihm anhängigen Revisionsverfahrens gemäß Art140 B-VG den Antrag auf Feststellung, daß der zweite Satz des §24 Abs5 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. 286/1971, in seiner Stammfassung (künftig: BStG 1971), verfassungswidrig war, sowie den weiteren Antrag, den zweiten Satz des §24 Abs5 BStG 1971 in der Fassung der Nov. BGBl. 239/1975 als verfassungwidrig aufzuheben.

In eventu wird beantragt auszusprechen, daß die Worte "nur dann, wenn Organe des Bundes an dieser Beeinträchtigung ein grobes Verschulden trifft" im zweiten Satz des §24 Abs5 BStG 1971 verfassungswidrig war und die Worte "nur dann, wenn Organe des Bundes an dieser Beeinträchtigung ein Verschulden trifft oder soweit es sich um den Ersatz von Sachschäden an Bauwerken handelt" im zweiten Satz des §24 Abs5 BStG 1971 idF der Nov. BGBl. 239/1975 als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2. Die von den Anträgen des OGH betroffene Gesetzesstelle hat in der Stammfassung folgenden Wortlaut:

§24 Abs5 BStG 1971:

"Die Eigentümer von der Bundesstraße benachbarten Grundstücken können die beim Bau der Bundesstraße von Grundstücken des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) ausgehenden Einwirkungen nicht untersagen. Wird durch solche Einwirkungen die ortsübliche Benützung des nachbarlichen Grundes wesentlich beeinträchtigt, hat der Nachbar Anspruch auf Schadenersatz gegen den Bund (Bundesstraßenverwaltung) nur dann, wenn Organe des Bundes an dieser Beeinträchtigung ein grobes Verschulden trifft."

Die Bestimmung erhielt durch die am 24. April 1975 in Kraft getretene Nov. zum Bundesstraßengesetz BGBl. 239/1975 folgende Fassung:

"Die Eigentümer von der Bundesstraße benachbarten Grundstücken können die beim Bau einer Bundesstraße von Grundstücken des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) ausgehenden Einwirkungen nicht untersagen. Wird durch solche Einwirkungen die ortsübliche Benützung des nachbarlichen Grundes wesentlich beeinträchtigt, hat der Nachbar Anspruch auf Schadenersatz gegen den Bund (Bundesstraßenverwaltung) nur dann, wenn Organe des Bundes an dieser Beeinträchtigung ein Verschulden trifft oder soweit es sich um den Ersatz von Sachschäden an Bauwerken handelt."

1.3. Gegenstand des Revisionsverfahrens, das den OGH zu seiner Antragstellung veranlaßt, ist ein Rechtsstreit, in dem klagsweise Ansprüche geltend gemacht werden, die der Kläger zum Ausgleich von Nachteilen begehrt, die ihm und seiner Gattin, welche ihre Ansprüche an ihn abgetreten hat, durch Beeinträchtigungen der im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten stehenden Liegenschaft EZ 403 KG Lieserhofen durch Straßenbauarbeiten an dem in unmittelbarer Nähe dieser Liegenschaft befindlichen Autobahnknoten Lieserhofen entstanden sind. Nach dem im Prozeß unbestrittenen Sachverhalt wurden in den Jahren 1971 bis 1976 im Auftrage der beklagten Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) von Baufirmen Straßenbauarbeiten an diesem Autobahnknoten durchgeführt. Streitgegenständlich sind Vermögensschäden, die der Kläger und seine Gattin bei der Nutzung der Liegenschaft, an ihrem einstöckigen auf dieser Liegenschaft errichteten Haus und ihrer dort betriebenen Frühstückspension durch die von der Bauführung herrührenden Immissionen in den Jahren 1972 bis 1977 erlitten hätten. Die durch die Bauführung erfolgten wesentlichen Beeinträchtigungen hätten das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß bei weitem überschritten, sodaß die Beklagte nach den Bestimmungen des ABGB über das Nachbarrecht (§§364 ff. ABGB) ausgleichspflichtig sei.

Der antragstellende Senat des OGH ist der Ansicht, daß ungeachtet der noch nicht ausreichend geklärten Sachlage im Falle des Erfolges des von ihm gestellten Gesetzesprüfungsantrages nach den dann anwendbaren Vorschriften des ABGB über nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche (§§364 ff. ABGB) iS der Rechtsprechung des OGH (SZ 43/139 und die bei Gamerith, "Das Bundesstraßengesetz 1971" in ZfVR 1973, 1 f. unter Anm. 9 auf S 3 angeführten Entscheidungen) der eingeklagte Anspruch zumindest teilweise berechtigt sein könne. Für diesen Teil der Ansprüche sei der Bestand der bekämpften Bestimmungen somit hinderlich. Die angefochtenen Bestimmungen seien für die vom antragstellenden Gericht zu fällende Entscheidung demnach präjudiziell.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen wird vom OGH das Bedenken geltend gemacht, daß beide zeitlich aufeinanderfolgenden Regelungen des zweiten Satzes des Bundesstraßengesetzes 1971, also der zweite Satz des §24 Abs5 leg. cit. in der Fassung vor und in jener nach der Nov. BGBl. 239/1975, gegen den Gleichheitssatz - in dreifacher Hinsicht - verstießen, was wie folgt dargelegt wird:

"Die rechtliche Folge der Bestimmung des Satzes 2 des §24 Abs5 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl 1971/286, in der vor der Nov. BGBl 1975/239 geltenden Fassung war eine ganz erhebliche Einschränkung und Umgestaltung der Ansprüche des Nachbarn eines der Republik Österreich gehörigen Grundstückes aus Einwirkungen durch den Bau einer Bundesstraße: Der bis dahin bestehende verschuldensunabhängige Ausgleichsanspruch nach den nachbarrechtlichen Vorschriften des ABGB (§§364 ff) wurde zu einem verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruch, der auf den Verantwortungsbereich der zuständigen Organe des Bundes beschränkt wurde und nur bei grob schuldhaftem Organverhalten in Betracht kam, umgestaltet. Diese Bestimmung wurde durch die Bundesstraßengesetz-Nov. 1975, BGBl 1975/239, dahin geändert, daß eine Haftung der Bundesstraßenverwaltung nur dann stattfinden soll, wenn Organe des Bundes an der Beeinträchtigung des Nachbarn ein (nun auch leichtes) Verschulden trifft oder wenn es sich um den Ersatz von Schäden an Bauwerken handelt.

Die beiden zeitlich aufeinander folgenden Regelungen des zweiten Satzes des Bundesstraßengesetzes 1971 (in der Fassung vor und in jener nach der Nov. BGBl. 1975/239) sind nach der Ansicht des antragstellenden Senates aus folgenden Gründen wegen Verletzung des Gleichheitssatzes verfassungswidrig:

1) Die Bestimmungen sind bereits in ihrer Zielsetzung unsachlich.

2) Die Bestimmungen stellen aus dem Tatsächlichen nicht gerechtfertigte Sonderregelungen dar.

3) Die Bestimmungen begründen eine verfassungswidrige Privilegierung.

Dazu wird im einzelnen ausgeführt:

Zu 1): Es mag im Rahmen der geltenden Verfassung ein legitimes rechtspolitisches Ziel sein, die Interessen der Allgemeinheit an einem möglichst raschen, wirtschaftlichen und kostensparenden Straßenbau zu fördern. Deshalb ist auch die Annahme vertretbar, daß bei wichtigen Vorhaben in öffentlichem Interesse 'ungerechtfertigte' (vgl. RV 242 Blg. NR 12 GP S 29) Untersagungsrechte der Nachbarn, wie sie sich auf Grund der Rechtslage nach dem ABGB ergeben, beschränkt oder gar ausgeschlossen werden dürfen, wenn dem durch den Eingriff Verletzten doch der repressive Rechtsschutz in Form eines Ausgleichsanspruches gewahrt bleibt. Weder die Erläuternden Bemerkungen zum Bundesstraßengesetz 1971 in seiner ursprünglichen Fassung noch jene zur Nov. 1975, BGBl. 1975/239, enthalten irgendeine Begründung für die Einschränkung gerechtfertigter Ausgleichsansprüche der durch den Bau von Bundesstraßen nachbarrechtlich Beeinträchtigten. Aber auch unabhängig von diesem Mangel einer Begründung in der Regierungsvorlage zu den beiden Gesetzen ergeben sich aus dem Tatsächlichen keine Gesichtspunkte, die eine Beseitigung der im ABGB wohlausgewogenen nachbarrechtlichen Beziehungen als vertretbar erscheinen lassen. Mit der Beseitigung des vorbeugenden Untersagungsrechtes wurde in einem Zug auch der Ausgleichsanspruch beschränkt, dessen Fortbestand allein die Aufhebung des Untersagungsrechtes rechtfertigen kann. Sehr bald hat der Gesetzgeber eingestanden, daß das durch die Bestimmung des Satzes 2 des §24 Abs5 des Bundesstraßengesetzes 1971 in seiner ursprünglichen Fassung geschaffene Ergebnis über das legitime rechtspolitische Ziel schoß. Er übte, wie der Regierungsvorlage zur Nov. BGBl 1975/239 (1459 Blg. NR 13 GP S 4) zu entnehmen ist, nämlich dann die signifikante Selbstkritik:

'Im Zuge der "Umweltschutznovelle" des Bundesstraßengesetzes 1971 war auch diese Bestimmung hinsichtlich einer Härte auszugleichen: Für Ersatz von Sachschäden an Bauwerken aus Anlaß des Baues einer Bundesstraße werden die vollen nachbarrechtlichen Bestimmungen des allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden können ...'

Damit hat der Gesetzgeber unzweideutig zum Ausdruck gebracht, daß er, bei näherer Betrachtung, eigentlich keinen Grund für eine Abweichung von der Regelung der nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüche nach den Vorschriften des ABGB erkennen kann. Die Unsachlichkeit der derart kritisierten Bestimmung war von allem Anfang an in der Literatur aufgezeigt worden (vgl. Gamerith aaO 3; Demmelbauer, 'Entschädigungsansprüche beim Bau von Bundesstraßen' im Österreichischen Verwaltungsarchiv 1971, 153 ff.). Die aus dieser Einsicht gezogene Konsequenz bleibt in ihrem Ergebnis völlig unzureichend, denn es ist abermals kein Grund genannt worden und auch nicht einsichtig, weshalb ausgerechnet und nur Gebäudeschäden ersetzt werden sollen.

Zu 2): Der geltenden Rechtsordnung sind Fälle, in denen Nachbarrechte zugunsten wichtiger Vorhaben eingeschränkt werden, nicht unbekannt:

Die Anordnung des §364a ABGB schließt den Untersagungsanspruch aus, verankert aber ein diesen Rechtsausschluß aufwiegendes Pendant. Dem 'Dulde' wird ein umfassendes - und verschuldensunabhängiges - 'Liquidiere' zur Seite gestellt. Dieser Zusammenhang erscheint auch im vorliegenden Fall bedeutsam, denn er zeigt auf, daß der Gesetzgeber in solchen Fällen aus Gründen der Gleichheit und Gerechtigkeit stets bemüht war, beim Wegfall des vorbeugenden Rechtsschutzes (Unterlassungsanspruch) einen angemessenen Schadensausgleich zu gewähren. Der hier präjudiziellen gesetzlichen Sonderregelung ist jedoch eigen, daß der Gesetzgeber den Rechtsausschluß des ersten Satzes (Untersagungsrecht) überdies durch eine erhebliche Einschränkung des Ausgleichsanspruches bzw. dessen (nach der Nov. nur mehr teilweisen) Umgestaltung in einen Schadenersatzanspruch im (jeweils) zweiten Satz verschärft hat. Für diese Regelung, die nicht bemüht ist, für den Rechtsausschluß des Nachbarn bei der Abwehr von Eingriffen einen billigen Ausgleich zu geben und stattdessen den in diesem Rechte Beschränkten noch zusätzlich belastet, fehlt aus dem Tatsächlichen jede Begründung. Die öffentlichen Interessen an einer raschen und zügigen Abwicklung des Baues von Bundesstraßen wurden dadurch einseitig zu Lasten der Nachbarn verwirklicht; diesen wurde ein sachlich nicht gerechtfertigtes Sonderopfer auferlegt, für das keine oder nur unzureichende Entschädigung vorgesehen ist.

Zu 3): In den literarischen Äußerungen zum Bundesstraßengesetz 1971 wurde von Anfang an darauf hingewiesen, daß für Bauführungen an Landes- und Gemeindestraßen keine den hier präjudiziellen Bestimmungen vergleichbare Haftungsbeschränkungen bestehen. Der antragstellende Senat sieht darin ein gewichtiges Indiz für die Annahme, daß die Einschränkung bzw. Umgestaltung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches in einen sehr beschränkten Schadenersatzanspruch durch die Anordnungen des jeweils zweiten Satzes des §24 Abs5 des Bundesstraßengesetzes 1971 in der vor und in der nach der Nov. BGBl. 1975/239 geltenden Fassung aus dem Tatsächlichen nicht gerechtfertigt ist.

Dem steht nicht entgegen, daß mit der verfassungsrechtlich verankerten Bundesstaatlichkeit naturgemäß auch die Möglichkeit unterschiedlicher Regelungen in Bundes- und Landesgesetzen verbunden ist. Im vorliegenden Zusammenhang geht es nämlich nicht um 'föderative Differenzen', sondern darum, daß der Bundesgesetzgeber für einen Teilbereich der Bundesverwaltung eine vom Nachbarrecht des ABGB abweichende, den Bund privilegierende Bestimmung erlassen hat. Derartiges wäre dem Landesgesetzgeber, wenn überhaupt, nur in dem sehr engen Rahmen des Art15 Abs9 B-VG möglich. Das kann aber gleichwohl nicht bedeuten, daß der Bund zur beliebigen Statuierung von Sonderzivilrecht, das ausschließlich ihn begünstigt, befugt wäre. Es steht ihm allerdings zu, nach dem Vorbild des §364a ABGB eine allgemeine, den Bundes- und Landesstraßenbau in gleicher Weise umfassende spezielle Sonderregelung zu erlassen. Im vorliegenden Zusammenhang hat der Bund seine Kompetenz nach Art10 Abs1 Z6 B-VG jedoch mißbraucht, um sich zu privilegieren (Zur Verfassungswidrigkeit solcher Privilegierungen s.: Wenger, Die öffentliche Unternehmung, 519; Plöchl, 5. ÖJT I/3 A, 48 ff.; Raschauer, ÖZW 1977, 7). Der Bund hat damit das dem Art17 B-VG (vgl. Art17 Abs2 B-VG in der bis zum Jahre 1974 geltenden Fassung) zugrundeliegende Verfassungsprinzip verletzt.

Überdies ist zu bedenken, daß sich die hier präjudizielle Regelung nicht nur im Verhältnis zwischen Bauführungen bei Bundes- und Landesstraßen diskriminierend auswirkt, sondern in gleicher Weise auch im Verhältnis zu anderen Bauführungen in öffentlichem Interesse. Es bestehen keine vergleichbaren Bestimmungen bei Bauführungen zur Errichtung von Amtsgebäuden, Kraftwerken, Wasserstraßen, Wildbachverbauungen, Hochschulen u. ä. Auch darin liegt ein gewichtiges Indiz für die Annahme einer unsachlichen Privilegierung, weil sich auch im Rahmen derartiger Bauvorhaben Interessen ergeben oder ergeben können, die denen beim Bundesstraßenbau gleichwertig sind.

Der antragstellende Senat ist daher der Auffassung, daß sich der vorliegende Zusammenhang in seinen zentralen Elementen nicht von dem unterscheidet, der dem Erk. des VfGH VfGHSlg. 7720/1975 zugrunde lag. Der VfGH hat dort eine gesetzliche Bestimmung als gleichheitswidrig aufgehoben, die lediglich Bundeseigentum von einer Enteignungsermächtigung ausnahm. Denn eine Bestimmung, die Grundstücke 'lediglich mit Rücksicht auf die Person des Betroffenen von der Möglichkeit der Enteignung ausnimmt, ist sachlich nicht gerechtfertigt' (S 455 der Amtl. Sammlung). Der Senat erinnert aber auch an das Erk. VfGHSlg 5854/1968, das eine Privilegierung eines zum Großteil in Bundeseigentum stehenden Unternehmens zum Gegenstand hatte. Damals entschied der VfGH: 'Das Unterscheidungsmerkmal ist also rein subjektiv; daher ist es unsachlich'.

Der antragstellende Senat ist deshalb der Auffassung, daß die gegenständliche isolierte Privilegierung des Bundes im Lichte der Rechtsprechung des VfGH gleichheitswidrig ist.

Abschließend äußert der antragstellende Senat seine Ansicht, daß der Zusammenhang zwischen der Statuierung des Rechtsausschlusses im ersten Satz des §24 Abs5 des Bundesstraßengesetzes sowohl in der vor als auch in der nach der Nov. 1975 geltenden inhaltsgleichen Fassung mit der in dem jeweils geltenden zweiten Satz angeordneten Rechtsbeschränkung kein derart untrennbarer ist, daß der Wille des Gesetzgebers verfälscht würde, wenn nur der zweite Satz der jeweils geltenden Fassung (vor bzw. nach der Nov. 1975) aufgehoben wird, weil nur die durch die Aufhebung dieses (zweiten) Satzes wiederhergestellte ausgleichsrechtliche Regelung des ABGB (§§364 ff.) den Bestand der im ersten Satz angeordneten Beschränkung des vorbeugenden Rechtsschutzes rechtfertigen kann. Aus diesem Grunde wird nicht auch die Aufhebung der im ersten Satz des §24 Abs5 Bundesstraßengesetz 1971 angeordneten Beschränkung beantragt.

Schließlich zieht der antragstellende Senat als entfernte Möglichkeit noch in Betracht, daß der 'Sitz' der beschriebenen Verfassungswidrigkeit ausschließlich in den jeweils letzten Worten des zweiten Satzes des §24 Abs5 des Bundesstraßengesetzes 1971 in der vor und in der nach der Nov. 1975, BGBl. 1975/239, geltenden Fassung zu sehen ist. Dies dann, wenn der verbleibende Wortlaut als einer verfassungskonformen Interpretation in der Richtung nicht entgegenstehend anzusehen ist, daß der 'Anspruch auf Schadenersatz' - ebenso wie im Rahmen des §364a ABGB ('Ersatz des zugefügten Schadens') - nach den Grundsätzen des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruches zu ermitteln ist. Daraus erklärt sich der Eventualantrag."

2.1. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Antrag stellt, §24 Abs5 zweiter Satz BStG 1971 idF der Nov. 1975 nicht als verfassungswidrig aufzuheben und hinsichtlich des zweiten Satzes des §24 Abs5 BStG 1971 in der Stammfassung festzustellen, daß dieser nicht verfassungswidrig war. Gleichgerichtete Anträge werden hinsichtlich der Eventualbegehren des OGH gestellt. Für den Fall der Aufhebung von angefochtenen Bestimmungen wird im Hinblick auf allenfalls zu treffende legistische Maßnahmen die Setzung einer Frist von einem Jahr für das Außerkrafttreten beantragt.

2.2. Im einzelnen wird zu den Bedenken des OGH von der Bundesregierung folgendes ausgeführt:

"1. Zur Behauptung, die Bestimmungen seien bereits in ihrer Zielsetzung unsachlich:

Das Bundesstraßengesetz 1971 und auch die vorangegangenen bundesstraßenrechtlichen Bestimmungen sehen nicht nur die Erhaltung bestehender Straßenzüge durch den Bund mit mehr oder weniger geringfügigen Ausbaumaßnahmen an diesen vor, sondern auch in sehr wesentlichem Maße den Bau völlig neuer Hochleistungsstraßen (Autobahnen, Schnellstraßen, Ausbau bestehender Bundesstraßen B auf völlig neuer Trasse). Es ist einsichtig, daß bei dem Bau dieser Straßen fast notwendigerweise Lärm und sonstige Einwirkungen auf die engere und weitere Nachbarschaft der Baustellen entstehen.

Soweit das Bundesstraßengesetz in dieser Hinsicht von den allgemeinen Regelungen des ABGB abweichende Regelungen trifft, sind diese auf die besondere Situation des Bundes als Straßenbauer zurückzuführen.

Die Ausgleichsansprüche der §§364 ff. ABGB stellen in ihrer Zielsetzung auf eine durch die freie Entscheidung des Eigentümers hervorgerufene Störung ab; auch im §364a ABGB ist bei einer behördlich genehmigten Anlage doch eine vorher getroffene freie Entscheidung des Eigentümers der Anlage, die dann behördlich genehmigt wurde, vorausgesetzt. Bezüglich der Bundesstraßen besteht hingegen für den Bund als Träger von Privatrechten der gesetzliche Auftrag zur Herstellung der Straßen, die im Gesetz allgemein und in Verordnungen nach §4 Bundesstraßengesetz 1971 näher bestimmt sind. In ähnlicher Weise sind durch die Sonderfinanzierungsgesetze, etwa das Tauern-Autobahn-Finanzierungsgesetz BGBl. Nr. 115/1969 oder das Autobahnen- und Schnellstraßen-Errichtungsgesetz BGBl. Nr. 300/1981 juristische Personen des Privatrechtes mit der Herstellung von Straßen beauftragt worden. Der Bund bzw. die Straßensondergesellschaften haben die Verpflichtung zur Herstellung dieser neuen Straßen auf Grund eines Bundesgesetzes. Um nun die ohnedies für den raschen Bau der Bundesstraßen kaum hinreichenden Mittel nicht noch mit Ersatzansprüchen der gesamten Umgebung eines Straßenbauvorhabens - auch für entgangenen Gewinn - im überaus großen Maße zu belasten, schien es vertretbar, den Nachbarn die während der doch verhältnismäßig kurzen Bauzeit auftretenden Einschränkungen aufzuerlegen.

Diese Ausführungen zeigen somit auch den finanzpolitischen Aspekt auf, der der angefochtenen Regelung nicht zuletzt zugrundeliegt. Solche finanzpolitische Erwägungen gestatten es nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht, dem einfachen Gesetzgeber im Hinblick auf den Gleichheitssatz entgegenzutreten (vgl. insbesondere VfSlg. 5862).

Die tatsächliche Situation im vorliegenden Fall unterscheidet sich auch grundlegend von dem Sachverhalt, wie er etwa dem Erk. VfSlg. Nr. 6884 zugrundelag. Im vorliegenden Fall handelt es sich - wie auch noch zum Punkt 2 auszuführen sein wird - keineswegs um so gravierende Eingriffe in das Eigentumsrecht, wie dies etwa die Verpflichtung zur Grundabtretung darstellt. Es handelt sich vielmehr, wie bereits oben gesagt, um Störungen, die zudem nur vorübergehender Art sind.

2. Zur Behauptung, die Bestimmungen stellten aus dem Tatsächlichen nicht gerechtfertigte Sonderregelungen dar:

Die Argumentation des OGH hat in erster Linie Billigkeitserwägungen im Auge. Bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung kommt es jedoch nicht auf die 'Billigkeit' oder 'Gerechtigkeit' einer Regelung an. Zu einer Beurteilung, ob eine Regelung zweckmäßig oder gerecht ist, ergibt der Gleichheitssatz keine Handhabe (vgl. VfGH, VfSlg. Nr. 3382, 4711 und 4916). In diesem Zusammenhang darf auch auf die Ausführungen des VfGH in seinem Erk. vom 1. März 1978, G59/77, G60/77, verwiesen werden: 'Der VfGH kann nicht finden, daß diese Haftungsregelung insgesamt unsachlich wäre. Ihre Zweckmäßigkeit und Billigkeit zu beurteilen, ist ebensowenig seine Aufgabe wie eine Untersuchung der Frage, was in ihrem Bereich als grobes Verschulden zu bewerten ist.'

Das vom OGH als solches bezeichnete 'Sonderopfer' der Nachbarn, ist - sofern dieser Begriff im vorliegenden Zusammenhang überhaupt angebracht ist - ein begrenztes und durchaus vergleichbar den Einschränkungen, wie sie sich auch sonst im täglichen Leben ergeben. So bringen etwa Arbeiten der Elektrizitätsgesellschaften bei Stromstörungen oder Versammlungen und Demonstrationen Belästigungen der Anrainer und auch finanzielle Einbußen der umliegenden Ladengeschäfte. Die Begründung für dieses 'Sonderopfer' beim Straßenbau liegt in der öffentlichen Aufgabe der Schaffung einer guten Verkehrsinfrastruktur.

Nur der Vollständigkeit halber soll in diesem Zusammenhang auch festgehalten werden, daß der OGH in anderem Zusammenhang offensichtlich die sachliche Rechtfertigung der angefochtenen Regelung darin erblickt hat, daß diese im Interesse der Allgemeinheit gelegen ist.

In dem Beschluß vom 31. Jänner 1980, 7 Ob 512/80, dessen Seite 6 in Kopie angeschlossen wurde, heißt es wörtlich: 'Würde man diesen Standpunkt vertreten, könnte das offensichtliche Ziel der Bestimmung des §24 Abs5 Bundesstraßengesetz 1971, nämlich im Interesse der Allgemeinheit eine weitergehende Haftungsbeschränkung der Bundesstraßenverwaltung zu statuieren, nicht erreicht werden.'

Schließlich ist zur Behauptung des Vorliegens eines Sonderopfers auch noch folgendes auszuführen:

Die in der Literatur bisweilen so genannte Sonderopfertheorie stammt aus der bundesdeutschen und schweizerischen Lehre. Ein Ansatz in der österreichischen Rechtsordnung kann allenfalls aus dem Erk. des VfGH VfSlg. Nr. 6884 gewonnen werden. Dieses Erk. darf jedoch nicht isoliert gesehen werden, sondern man muß ihm vielmehr das Erk. VfSlg. Nr. 7759/1976 gegenüberstellen. In dem diesem Erk. zugrundeliegenden Verfahren schienen dem VwGH die Regelungen der Altstadterhaltungsnovelle auch unter den Aspekten des Gleichheitsgrundsatzes und des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutzes der Unverletzlichkeit des Eigentums verfassungswidrig zu sein. Der VwGH stützte sich in seiner Argumentation hiebei auf Gedankengänge, die der VfGH vor einigen Jahren in den sogenannten 'Wohnsiedlungserkenntnissen' entwickelt hatte (vgl. KORINEK, ÖZW 1977, Seite 28). Grundlage für die Auffassung des VwGH bildete nach KORINEK offenbar die, wie bereits gesagt, in der schweizerischen und bundesdeutschen Lehre vertretene Auffassung, daß auch besonders gravierende Eigentumsbeschränkungen sowie solche, die nur einige wenige Eigentümer gewißermaßen als 'Sonderopfer' im Interesse der Allgemeinheit treffen, materiell als Enteignung anzusehen und daher nur gegen Entschädigung zulässig seien (vgl. KORINEK aaO). Der VfGH hat hiezu folgende Position bezogen:

'Die durch die angefochtene Bestimmung ... bewirkte Beschränkung der Abbruchsmöglichkeit von Gebäuden in Schutzzonen und die damit verbundene verschiedenartige Behandlung der Eigentümer in Schutzzonen und außerhalb von Schutzzonen findet - wie auch der VwGH anerkennt - im öffentlichen Interesse an der Erhaltung der wegen des örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdigen Gebiete als in sich geschlossenes Ganzes ihre sachliche Rechtfertigung. Die angefochtene Bestimmung bildet demnach lediglich eine Grundlage für eine aus öffentlichen Interessen notwendige Maßnahme, nämlich für die Verweigerung des Abbruches von Gebäuden. Mit dieser Maßnahme allein ist aber eine besondere vermögensmäßige Belastung der Eigentümer von Gebäuden in Schutzzonen, für die nach der Meinung des VwGH eine sachliche Rechtfertigung nicht gegeben wäre, nicht verbunden; denn durch die Verweigerung der Abbruchsbewilligung wird gleichgültig, ob es sich um Gebäude in Schutzzonen oder außerhalb von Schutzzonen handelt, dem Eigentümer lediglich die Ausübung des ihm zustehenden Rechtes, ein Gebäude abzutragen, verwehrt, nicht aber eine über die normale Haltungspflicht hinausgehende Belastung auferlegt.'

Im gleichen Sinne stellt der VfGH weiters fest, daß eine Verletzung des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums nicht vorliege. Er hat somit die behauptete Entschädigungspflicht nicht nur aus Gründen des Art5 des Staatsgrundgesetzes sondern auch aus Gründen des Gleichheitsgrundsatzes verneint.

3. Zur Behauptung, die Bestimmungen begründeten eine verfassungswidrige Privilegierung:

Die Begründung, warum diese Bestimmungen nur für Bundesstraßen, nicht aber auch für Landesstraßen gelten, liegt darin, daß derzeit die Landesstraßengesetze sich, wenn schon nicht ausschließlich, so doch überwiegend auf den Ausbau bestehender Straßen beschränken, während das Bundesstraßengesetz in sehr starkem Ausmaß den Bau völlig neuer Straßentrassen vorsieht. Es war hier eben für diese Neubauten eine Sonderregelung zu treffen, wobei die wenig bedeutsame Wirkung der Anwendbarkeit des §24 Abs5 Bundesstraßengesetz 1971 auch bei Ausbaumaßnahmen an bestehenden Straßen in Kauf genommen wurde. In der bloßen Beschränkung einer einschlägigen Bestimmung auf das Bundesstraßenrecht ist daher nach Auffassung der Bundesregierung keine Unsachlichkeit gegeben. Die in der Begründung des Antrages des OGH angeführten anderen Bauführungen im öffentlichen Interesse, nämlich die Errichtung von Amtsgebäuden, Kraftwerken, Wasserstraßen, Wildbachverbauungen, Hochschulen u. a., unterscheiden sich wesentlich vom Bau der Bundesstraßen dadurch, daß dem Errichter dieser Anlagen bzw. Baulichkeiten kein unmittelbarer gesetzlicher Auftrag zur Errichtung, zumindest nicht in einem bestimmten örtlichen Bereich, gegeben ist. Überdies ist darauf zu verweisen, daß §24 Abs5 nicht nur dann Anwendung findet, wenn der Bund die Bundesstraße herstellt, sondern auch dann, wenn Sondergesellschaften, die dazu bundesgesetzlich beauftragt sind, diese Straßen bauen. Solche Sondergesellschaften bestehen für erhebliche Teile des Neubaunetzes (Brennerautobahn, erhebliche Teile der Tauernautobahn, Pyhrnautobahn, Karawankenautobahn, Südautobahn, Arlberg-Schnellstraße, Semmering-Schnellstraße, Murtal-Schnellstraße). Die zur Errichtung dieser Strecken berufenen Aktiengesellschaften stehen zum Großteil im Miteigentum des jeweiligen Landes. Zur Einschränkung der Ersatzpflicht des Trägers der Straßenbaulast durch die Nov. 1975 (BGBl. Nr. 239/1975) auf Verschulden und auf den Ersatz von Sachschäden an Bauwerken ist zu bemerken, daß das Gesetz in diesem Punkt von der Regierungsvorlage (1459 der Blg., XIII. GP) abweicht. Der Bericht des Bautenausschusses (1505 der Blg., XIII. GP) führt hiezu aus:

'Durch die Abänderung (des §24 Abs5) soll die bisherige Haftung des Bundes für seine Organe dadurch erweitert werden, daß statt des in der Regierungsvorlage vorgesehenen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verschuldens die Worte "wenn Organe des Bundes ein Verschulden trifft" treten.'

Der Grund der Einschränkung wurde offenbar darin gesehen, daß §24 Abs5 zweiter Satz in seiner ursprünglichen Fassung auch auf Schäden an Bauwerken Anwendung finden mußte; eine Schlußfolgerung, die mit einer als gerechtfertigt anzusehenden Duldungsverpflichtung der Anrainer offenbar nicht weiter vereinbar schien.

Nur der Vollständigkeit halber soll darauf hingewiesen werden, daß eine voraussichtlich noch im Herbst 1981 als Regierungsvorlage einzubringende Abänderung des Bundesstraßengesetzes (der Entwurf wurde im Dezember 1980 zur Begutachtung versandt) eine Bestimmung enthalten soll, wonach in Fällen, in denen mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand Vorsorgen vor Beeinträchtigungen durch den Verkehr auf Bundesstraßen - auch auf bestehenden Bundesstraßen - nicht getroffen werden können, die Einlösung dieser Grundstücke ermöglicht wird. Sofern diese Bestimmung Gesetzeskraft erlangt, wird sich auch für den hier vorliegenden konkreten Anlaßfall möglicherweise eine Lösungsmöglichkeit bieten."

3. Der VfGH hat zur Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsantrages erwogen:

Der OGH ist der Ansicht, daß er bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Revision das Bundesstraßengesetz 1971 in beiden bekämpften Fassungen anzuwenden habe, da sich die klagsweise geltend gemachten Ersatzansprüche auf Zeiträume beziehen, die in den zeitlichen Geltungsbereich beider angefochtenen Regelungen fallen. Es ist nichts hervorgekommen, was dagegen sprechen würde, daß der OGH die bekämpfte Gesetzesbestimmung in beiden Fassungen anzuwenden hätte. Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Gesetzesprüfungsantrag zulässig.

4. In der Sache selbst hat der VfGH erwogen:

4.1. Die angefochtenen Bestimmungen stehen im folgenden rechtlichen Zusammenhang:

4.1.1. Lehre und Rechtsprechung umschreiben die Rechtslage nach den nachbarrechtlichen Bestimmungen des ABGB (§§364 und 364a) wie folgt:

§364 Abs2 ABGB sieht vor, daß Nachbarn - hiezu zählen alle Personen, die von Immissionen betroffen werden, auch wenn sie keine unmittelbaren Anrainer sind - zur Untersagung von Einwirkungen berechtigt sind, die das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benützung ihres Grundstückes wesentlich beeinträchtigen; wird von Einwirkungen dieses Maß nicht überschritten, so müssen sie hingenommen werden. Nach §364a ABGB hat der Nachbar, wenn die Beeinträchtigung durch eine genehmigte Anlage hervorgerufen wird, wohl keinen Untersagungsanspruch, jedoch einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch.

Die Ersatzansprüche der beeinträchtigten Nachbarn gründen sich bei Einwirkungen, die nach §364 ABGB zu beurteilen sind, auf die Widerrechtlichkeit der die Immissionen hervorrufenden Einwirkungen, bei Einwirkungen, die §364a ABGB zu unterstellen sind, auf das Gesetz (vgl. Lachout, Nachbarrecht, ÖJZ 1953 S 590). Ob Baubewilligungen zu den Bewilligungen, die von §364a vorausgesetzt werden, zählen, ist umstritten; nach ständiger Rechtsprechung des OGH ist die durch §364a getroffene Regelung jedoch auch auf Einwirkungen, die von Straßenbauten ausgehen, anzuwenden, was auch für Bundesstraßen bis zur Erlassung des BStG 1971 galt; wenn nämlich auch die Anordnungen der Gebietskörperschaften, die im Rahmen der ihnen obliegenden Verpflichtungen für den Neubau oder die Erhaltung einer Straße getroffen werden, als Akte der Hoheitsverwaltung gelten, so treten die Gebietskörperschaften, soweit sie notwendige Arbeiten durchführen lassen, nicht als Träger der Hoheitsverwaltung, sondern privatwirtschaftlich als Bauherrn auf und haften als solche dem Grundnachbarn gegenüber nach den Grundsätzen des Zivilrechts (vgl. SZ 38/106; SZ 36/67; SZ 24/312; EvBl. 1970/226; 1 Ob 151/68; EvBl. 1971/16). Ohne rechtliche Bedeutung ist hiebei, ob die Verpflichtung zum Neubau oder zur Erhaltung einer Straße auf einer Verpflichtung im eigenen Wirkungskreis beruht oder ob die Gebietskörperschaft hiezu durch das Gesetz verpflichtet wird. Welche Willensbildung den Arbeiten vorangegangen ist, bleibt für die Ansprüche der Nachbarn unerheblich, da es sich bei ihren aus §§364 ff. ABGB erfließenden Ansprüchen, wie sich aus der Natur dieser Ansprüche ergibt, um keine Schadenersatzansprüche handelt, die sich auf unerlaubte Handlungen stützen, sondern um Ausgleichsansprüche (Klang, 2. Auflage, II 173; SZ 38/106; SZ 32/88; EvBl. 1971/16). Bei Ausgleichsansprüchen nach §§364 ff. ABGB kommt es (EvBl. 1971/16) nicht darauf an, ob die Arbeiten, von denen die Einwirkungen ausgehen, privaten Zwecken oder solchen des Gemeinwohls dienen. Sie sind, wie der OGH in SZ 38/106 ausgesprochen hat, am ehesten mit einem Anspruch auf Entschädigung für Enteignung zu vergleichen; besonders deutlich werde dies im Falle des §364a ABGB, weil hier - eben zufolge der behördlichen Bewilligung - nicht einmal von einer Rechtswidrigkeit gesprochen werden könne (vgl. Klang, 2. Auflage, II zu §364a; Lachout in ÖJZ 1953, S 590; vgl. aber auch SZ 32/88). Der aus §364a ABGB und demnach aus dem Gesetz entspringende Ausgleichsanspruch wird nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (Klang, 2. Auflage, II S 176; vgl. weiters die in der Manz'schen Ausgabe des ABGB von Kapfer,

26. Auflage, zu §364 ABGB unter Nr. 6 zitierten Entscheidungen, insbesondere 2 Ob 160/56 = EvBl. 1957/19, sowie SZ 36/67) als Gegenwert für die dem Anrainer auferlegte Eigentumsbeschränkung gewertet. Bei Beeinträchtigungen, die unter §364 Abs2 ABGB fallen, steht dem Nachbarn nach Koziol (Grundriß des bürgerlichen Rechts II 6. Auflage S 34 f.) ein Schadenersatzanspruch nur unter den allgemeinen Voraussetzungen (§§1295 ff. ABGB) bei Verschulden des Störers zu, wenn keine besondere Gefährdungshaftung eingreift.

4.1.2. Durch §24 Abs5 zweiter Satz BStG 1971 wurde der bis dahin - auch für Immissionen von Bundesstraßen - zustehende verschuldensunabhängige Ausgleichsanspruch nach den nachbarrechtlichen Vorschriften des ABGB (§§364 ff.) zu einem verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruch, der auf den Verantwortungsbereich der zuständigen Organe des Bundes beschränkt wurde und nur bei grob schuldhaftem Organverhalten in Betracht kam, umgestaltet. Diese Bestimmung wurde durch die Bundesstraßengesetznovelle 1975, BGBl. 239, dahin geändert, daß eine Haftung der Bundesstraßenverwaltung schon dann stattfinden soll, wenn ein Organ des Bundes an der Beeinträchtigung des Nachbarn irgendein - und wenn auch nur leichtes - Verschulden trifft oder wenn es sich um den Ersatz von Schäden an Bauwerken handelt. Nach beiden Regelungsvarianten hat der Nachbar - wie auch nach den Bestimmungen des ABGB - Immissionen, die das nach den ortsüblichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß nicht überschreiten und sein Grundstück nicht wesentlich beeinträchtigen, sanktionslos hinzunehmen.

Da die angefochtenen Bestimmungen nur auf Bundesstraßenbauten anzuwenden sind, gelten für Straßenbauten anderer Art nach wie vor die nachbarrechtlichen Bestimmungen des ABGB, diese sind auch maßgeblich für Immissionen, die von Bundesstraßen ausgehen, sobald deren Bauführung abgeschlossen ist.

4.2. Die Gleichheitswidrigkeit der bekämpften Regelungen erblickt der OGH - zusammenfassend - darin, daß

1) die Bestimmungen bereits in ihrer Zielsetzung unsachlich seien,

2) die Bestimmungen aus dem Tatsächlichen nicht gerechtfertigte Sonderregelungen darstellten,

3) die Bestimmungen eine verfassungswidrige Privilegierung des Bundes begründeten.

4.3. Der VfGH hat sich vorerst mit dem Antrag des OGH auf Aufhebung des zweiten Satzes des §24 Abs5 BStG 1971 idF der Nov. 1975 befaßt.

4.3.1. Die Bedenken des OGH richten sich schon ihrer Ausgangslage nach nicht gegen diese Regelung in ihrer Gesamtheit, nämlich nicht gegen die mit dem ABGB übereinstimmende Teilregelung betreffend den Ersatz von Schäden an Bauwerken; sie richten sich vielmehr nur gegen den Teil der Regelung, der Ersatzansprüche für Immissionsschäden sonstiger Art zum Gegenstand hat, soweit sie die Ortsüblichkeitsgrenze überschreiten und eine wesentliche Nutzungsbeeinträchtigung bewirken. Das Ziel der - vom ABGB abweichenden - Neuregelung ist offenkundig eine Haftungsminderung des Bundes bei Bundesstraßenbauten, was auch bereits das Ziel des zweiten Satzes des §24 Abs5 BStG 1971 in seiner Stammfassung - damals durch eine noch wesentlich einschneidendere Abweichung vom ABGB - war. In den Materialien zur Stammfassung (242 BlgNR XII. GP) wird diese Zielsetzung damit begründet, daß durch die Neuregelung "ungerechtfertigten nachbarrechtlichen Ansprüchen während des Baues von Bundesstraßen entgegengetreten werden" soll.

Die Formulierung der Erläuterungen zur Regierungsvorlage bringt vor dem Hintergrund der getroffenen Neuregelung implizit zum Ausdruck, daß verschuldensunabhängige Ersatzverpflichtungen für Immissionen bei Bundesstraßenbauten als zu weit gehend, weil sachfremd, erachtet wurden. Die Gegenschrift der Bundesregierung bringt dies im Kern durch die Argumentation zum Ausdruck, daß Bundesstraßenbauten im öffentlichen Interesse gelegen sind und daß - hinzutretend - der Bund sich der Erfüllung der ihm durch ein Bundesgesetz übertragenen Aufgabe, Bundesstraßen zu bauen, nicht entziehen kann. Es muß dem Gesetzgeber tatsächlich zugestanden werden, daß die nachbarrechtlichen Bestimmungen des ABGB die Befriedigung von Ansprüchen regeln, die primär auf den Ersatz von Immissionsschäden abzielen, die darauf beruhen, daß ein Grundeigentümer etwas aus freiem Entschluß unternimmt, das zu einer entschädigungspflichtigen Einwirkung führt, das er aber auch - weil auf freiem Entschluß beruhend - unterlassen hätte können. Hinzu kommt, daß bei Straßenbauten schon der Natur der Sache nach - auch bei erhöhter Sorgfalt - unvermeidbarer Weise Immissionen auftreten, die außerhalb des Bereiches liegen, innerhalb dessen sie von Nachbarn auch nach dem ABGB sanktionslos hingenommen werden müssen. Die Sanktionsfreiheit nicht verschuldeter Einwirkungen rechtfertigt sich - so auch bei Straßenbauten - demnach tatsächlich aus der Unvermeidbarkeit von Störungen und Beeinträchtigungen (das sind solche, die sich zwangsläufig auch dann einstellen, wenn zwecks deren Vermeidung alle denkbare Sorgfalt an den Tag gelegt wird), wenn - wie nach dem BStG 1971 - der Störende sich der Bewältigung einer bestimmten Aufgabe, weil im öffentlichen Interesse gelegen und (so bei der öffentlichen Hand) nicht auf freiem Entschluß beruhend, gar nicht entziehen kann. Die sachliche Rechtfertigung der Sanktionslosigkeit für eine - unfreiwillige und unvermeidbare - Schadensstiftung konstituiert aber gleichzeitig eine erhöhte Sorgfaltspflicht, die vom Nachbarn hinzunehmenden Störungen und Beeinträchtigungen so gering zu halten wie überhaupt nur möglich. Es wäre ja kein Grund einsichtig, daß auch vermeidbare Einwirkungen entschädigungslos hingenommen werden müßten. Eine andere Regelung wäre also unsachlich. Für die im zweiten Satz des §24 Abs5 BStG 1971 in der Fassung der Nov. 1975 enthaltene Regelung bedeutet dies, daß Verschulden immer dann anzunehmen ist, wenn eine Immission unter Berücksichtigung aller Umstände bei vorausschauendem Vorgehen nicht unvermeidbar war. Der Bundesgesetzgeber hat diese Zusammenhänge auch offensichtlich erkannt, da er - für seinen Bereich auf §1315 ABGB verzichtend - die Verschuldenshaftung auf seine Organe konzentrierte und damit diesen die Verpflichtung übertrug, durch vorausschauende Planung und sorgfältige Beaufsichtigung der Bundesstraßenbauten Beeinträchtigungen des Nachbarn auf das absolut unvermeidbare Ausmaß zu beschränken. Es kommt hiebei auch nicht darauf an, ob mit der Ausführung des Straßenbaus vom Bund private Unternehmen betraut werden oder ob in Eigenregie gebaut wird, da für die Haftung des Bundes bei Straßenbauten dieses Haftungsniveau unterschiedslos für jede Art der Bauabwicklung festgelegt ist. Daß für Sachschäden an Bauwerken - in gleicher Weise wie nach §364a ABGB - verschuldensunabhängig eine Ausgleichsverpflichtung besteht, steht - von der Zielrichtung der Regelung her gesehen - damit durchaus im Einklang, da schon durch die allgemeine Regelung die Organe des Bundes verhalten sind, Planung und Aufsicht, einschließlich der für die Ausübung von Kontrollrechten maßgeblichen Vertragslagen zu Dritten so sorgfältig zu behandeln, daß der Bund - als mittelbare Folge - von Zahlungspflichten möglichst freigehalten wird.

Dem zufolge kann dem Gesetzgeber, soweit er - im Gegensatz zur Regelung des zweiten Satzes des §24 Abs5 BStG 1971 in seiner Stammfassung, ja von dieser bewußt abrückend (vgl. 1459 BlgNR XIII. GP) - mit der Nov. 1975 eine vom ABGB insofern abweichende Regelung getroffen hat, als, abgesehen von Sachschäden an Bauwerken, dem Nachbarn Ersatzansprüche für Beeinträchtigungen nur dann zustehen, wenn Organe des Bundes hiefür ein Verschulden trifft, nicht entgegengetreten werden.

4.3.2. Der OGH vermeint jedoch weiters, die bekämpfte Regelung sei unsachlich infolge einer gleichheitswidrigen Privilegierung des Bundes. Der VfGH vermag sich auch dieser Ansicht nicht anzuschließen.

Daß eine mit dem zitierten Satz des §24 Abs5 BStG 1971 idF BGBl. 239/1975 inhaltlich übereinstimmende Regelung vom Landesgesetzgeber in Anwendung des Art15 Abs9 B-VG erlassen werden kann, wird auch vom antragstellenden Gericht - zu Recht - nicht ausgeschlossen. Der VfGH hat zwar Art15 Abs9 B-VG als Grundlage einer landesgesetzlichen Regelung dann nicht als ausreichend erachtet, wenn diese auf die bloße Tatsache gestützt wurde, daß sich eine an sich zivilrechtliche Maßnahme auf einen Bereich der Landesgesetzgebung beziehe, ohne in einer unerläßlichen Verbindung mit einer anderen Bestimmung zu stehen, die den Hauptinhalt des Gesetzes bilde (vgl. VfSlg. 8989/1980 und die dort zitierte Judikatur); in diesem Sinne hat der Gerichtshof bereits in VfSlg. 4605/1963 die landesgesetzliche Einschränkung der Haftung des Straßenerhalters auf grobes Verschulden für kompetenzwidrig erachtet. In diesem Erk. erachtet der VfGH es jedoch, gestützt auf Art15 Abs9 B-VG, für zulässig, daß der Landesgesetzgeber die Verpflichtung der Anlieger zur entschädigungslosen Duldung des Abflusses des Wassers von der Straße auf ihren Grund festlegt. Der Landesgesetzgeber könnte sich also auf Grund des inneren Zusammenhanges derartiger Regelungen bei der Erlassung einer der bekämpften Bestimmung inhaltsgleichen Norm auf Art15 Abs9 B-VG stützen.

Wenn es aber dem Landesgesetzgeber erlaubt ist, für seinen Bereich eine inhaltsgleiche Regelung zu treffen, wie dies durch die bekämpfte Bestimmung vom Bundesgesetzgeber für den Bereich der Bundesstraßen erfolgt ist, kann nicht davon gesprochen werden, daß die bekämpfte bundesgesetzliche Bestimmung deshalb mit Unsachlichkeit belastet ist, weil sie sich auf eine den Bundesstraßenbereich betreffende Regelung beschränkt. Von der behaupteten gleichheitswidrigen Privilegierung des Bundes kann somit keine Rede sein.

Damit treffen aber die vom antragstellenden Gericht gegen den zweiten Satz des §24 Abs5 BStG 1971 idF BGBl. 239/1975 erhobenen Bedenken insgesamt nicht zu.

Dem Antrage des OGH war in diesem Umfange somit keine Folge zu geben.

4.4. Was den Antrag des OGH auf Feststellung betrifft, daß der zweite Satz des §24 Abs5 BStG 1971 verfassungswidrig war, genügt es festzustellen, daß das unter 4.3.1. Gesagte, angewandt auf die Stammfassung, zur Unsachlichkeit der Regelung führt. Es war daher auszusprechen, daß der zweite Satz des §24 Abs5 BStG 1971 verfassungswidrig war.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art140 Abs5 erster und zweiter Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.

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