Spruch:
Ein auf Feststellung des Inhaltes oder auf Unterfertigung eines bestimmten Vertrages gerichtetes Klagebegehren ist zur Gänze abzuweisen, wenn es wesentliche Abweichungen vom wahren Vertragsinhalt zum Nachteil des Beklagten, die nicht einfach durch Streichung der vereinbarungswidrigen Bestimmungen ausgeschaltet werden können, enthält
OGH 23. 6. 1983, 7 Ob 727/82 (OLG Graz 6 R 90/82; LG Klagenfurt, 18 Cg 246/80)
Text
Die Beklagte übergab der Klägerin, einer ihrer Töchter, mit Vertrag vom 18. 12. 1968 ihren landwirtschaftlichen Besitz gegen ein Ausgedinge einschließlich eines Holzschlägerungsrechtes und eines Wohnungsrechtes zugunsten der weichenden Geschwister der Klägerin. Mit Vertrag vom 26. 7. 1973 vereinbarten die Parteien die Aufhebung des Übergabsvertrages, weil die Klägerin die Wirtschaft wegen einer Erkrankung ihres Mannes nicht führen könne. Die Beklagte verpflichtete sich aber, die Liegenschaft wieder an die Klägerin zu den gleichen Bedingungen des früheren Übergabsvertrages zu übergeben, wenn die Pflege und Wartung des Ehegatten der Klägerin nicht mehr notwendig sein sollte. Nachdem dieser Fall bereits Ende August 1973 eingetreten war, begehrte die Klägerin mit Klage vom 12. 7. 1978 die Übergabe der Liegenschaft "zu den gleichen Bedingungen" des alten Übergabsvertrages. In der letzten Verhandlungstagssatzung änderte sie dieses Klagebegehren unter gleichzeitigem Hinweis auf eine krankheitsbedingte tiefgreifende Abneigung der Beklagten gegen sie (sodaß ein Zusammenleben auf der Liegenschaft und die Versorgung der Mutter durch sie nicht mehr zweckmäßig erscheine) auf die Unterfertigung eines bestimmten neuen Vertrages ab, der auch eine Geldablöse des Ausgedings vorsieht.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab, weil der Urteilsantrag eine Reihe von Abweichungen vom ursprünglichen Übergabsvertrag enthalte, denen sich die Beklagte nicht unterworfen habe. Diese leide allerdings tatsächlich anlagebedingt und nicht durch ein Verhalten der Klägerin ausgelöst an einer gegen die Klägerin gerichteten paranoid fixierten Vorstellung, die ein Zusammenleben der Streitteile, wiederum weitgehend vom Verhalten der Klägerin unabhängig, kaum als möglich erscheinen lasse.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat gleich dem Erstrichter die Rechtsansicht, daß eine Änderung des im Klagebegehren formulierten Vertragstextes einen Verstoß gegen § 405 ZPO bedeuten würde und deshalb unzulässig sei. Abweichungen vom ursprünglichen Vertrag seien aber unschädlich, soweit sie zum Vorteil oder wenigstens nicht zum Nachteil der Beklagten ausfielen oder bloß gebührenrechtliche Neubewertungen enthielten. Zweifelhafte inhaltliche Änderungen müßten hingegen mit den Parteien erörtert werden. Sollten sich die Vertragsbedingungen sodann als sinngemäß gleich wie im ursprünglichen Vertrag erweisen, dann wären die Einwendungen der Beklagten ua. dahin zu prüfen, ob eine Übergabe der Liegenschaft wegen einer wesentlichen und nicht überwiegend von der Beklagten selbst zu verantwortenden Änderung der Verhältnisse, wie etwa der Unmöglichkeit des gedeihlichen Zusammenlebens der Streitteile, nicht mehr zumutbar sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge und trug dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Entgegen der früheren Rechtsprechung hat der OGH in neuerer Zeit ausgesprochen, daß auch bei einem auf Feststellung des Inhaltes oder auf Unterfertigung eines bestimmten Vertrages gerichteten Klagebegehren eine Teilabweisung durch Ausschaltung einzelner Vertragsbestimmungen ohne Verletzung des Grundsatzes des § 405 ZPO in Betracht kommt, wenn es sich um unwesentliche und quantifizierbare Bestimmungen handelt, die auch bei einem Leistungsbegehren gesondert beurteilt werden könnten (5 Ob 700/77 und MietSlg. 30 741; vgl. auch JBl. 1979, 153). Selbst bei Zugrundelegung dieses milderen Standpunktes müssen aber wesentliche Abweichungen zum Nachteil der Beklagten, die nicht einfach durch Streichung der vereinbarungswidrigen Bestimmungen ausgeschaltet werden können, zur Abweisung des ganzen Klagebegehrens führen. Soweit aber eine Klagsänderung notwendig wäre, bedarf es auch keiner Erörterung mit den Parteien, weil die Prozeßleitungspflicht des Gerichtes nach § 182 ZPO nicht so weit geht, den - hier anwaltlich vertretenen - Kläger anzuleiten, ein deutliches und bestimmtes Begehren in einer anderen Richtung abzuändern (RZ 1978/120 ua.).
In diesem Sinn weichen hier einige Bestimmungen des im Urteilsantrag vorgesehenen Vertrages zum Nachteil der Beklagten und ohne deren auch nur behauptete Zustimmung in unzulässiger und ohne Klagsänderung unheilbarer Weise von den vereinbarungsgemäß maßgebenden Bestimmungen des alten Vertrages ab. So hätte die beklagte Partei, wie der Erstrichter zutreffend erkannt hat, im Gegensatz zum alten Vertrag nun die katastermäßigen Grenzen der Liegenschaft zu gewährleisten (Punkt IV aE in Verbindung mit Punkt VII neu gegen Punkte III, VI alt). Die Beklagte wäre weiters für die Fütterung der ihr zustehenden Schweine auf "erforderliche Futtermittel" (Punkt VIII aE) statt der im alten Vertrag ausdrücklich der Gattung nach bestimmten Futtermittel (Punkt IX Abs. 4) verwiesen. Ebenso wäre ihr Holzschlägerungsrecht nicht nur (durch eine zwischenweilige Teilausübung allenfalls berechtigterweise) der Menge nach, sondern auch nach Art, Qualität und dem Zeitpunkt der Ausübung beschränkt (nämlich im Punkt X neu nicht wie früher Punkt IX Abs. 5, einfach "wie es fällt", sondern nach mittlerer Qualität und Bringungslage und nach forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten). Auch die Beschränkung auf verordnete Medikamente (Punkt VIII c des Urteilsantrages) und der Wegfall des an die Übernehmerin gerichteten Verbotes der Veräußerung jenes Zubehörs, das die Beklagte mitbenützen darf (Punkt XVI alt), stellen inhaltliche Änderungen zum Nachteil der Beklagten dar. Dasselbe gilt schließlich für die Einschränkung des ersatzweise eingeräumten Barausgedingsrechtes (keine Ablöse des Rechtes zur Viehhaltung, Änderung nur zu jedem Monatsersten und Bindung jeweils auf drei Monate; Punkt IX neu), womit die gesetzlichen Ansprüche der Übergeberin für den Unvergleichsfall (Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz. 5 zu § 530) beeinträchtigt werden können, und für die Einräumung eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes auch zugunsten des Sohnes der Klägerin, die eine gleichrangige Einverleibung dieses Rechtes ermöglichen und damit eine allfällige Durchsetzung der Rechte der Beklagten gefährden würde (vgl. Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz. 2 zu § 440).
Da somit dem Klagebegehren in der gestellten Form selbst nach einer Erörterung weiterer Punkte mit den Parteien nicht ohne Klagsänderung oder sonst ohne Verletzung des § 405 ZPO stattgegeben werden könnte, ist die Rechtssache iS der Bestätigung des Ersturteils spruchreif.
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