Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben sowie nach § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Eduard A wird von der Anklage, er habe zwischen dem 10. Jänner und dem 1. Februar 1980 in Wien als Beamter, und zwar in seiner Eigenschaft als (Oberamtsrat und) Leiter (Vorstand) der Abteilung Materialbewirtschaftung der C, ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes zugänglich gewordenes Geheimnis geoffenbart, indem er der Firma D & E OHG durch ihren geschäftsführenden Gesellschafter Günther E die Ansätze der Anbote, die auf Grund einer beschränktöffentlichen Ausschreibung vom 19. Dezember 1979 betreffend Altkupferkabel-Ausarbeitungen von Konkurrenzfirmen gelegt worden waren, preisgab, damit sich die genannte Firma im Zug einer erneuerten, nunmehr öffentlichen Ausschreibung bei der Anboterstellung daran orientieren konnte, um Bestbieter zu werden, wobei die Offenbarung des Geheimnisses geeignet gewesen sei, berechtigte private Interessen sowohl des Bestbieters auf Grund der ersten Ausschreibung als auch der Firma M. F OHG, die auf Grund der erneuerten Ausschreibung das zweitgünstigste Anbot legte, zu verletzen, und er habe hiedurch das Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Die Firmen M. F OHG sowie G & Co GmbH als Privatbeteiligte werden mit ihren Entschädigungsansprüchen nach § 366 Abs. 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eduard A gemäß der im Spruch wiedergegebenen Anklage des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt Berechtigung zu.
Beamter im Sinn des StGB ist nach § 74 Z 4 dieses Gesetzes jeder, der dazu bestellt ist, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechts, ausgenommen einer Kirche oder Religionsgesellschaft, als deren Organ allein oder gemeinsam mit einem anderen Rechtshandlungen vorzunehmen (erste Alternative), oder der sonst mit Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung betraut ist (zweite Alternative).
Beim strafrechtlichen Beamten-Begriff kommt es demnach nicht auf die dienstrechtliche Stellung des Betreffenden an, sondern ausschließlich auf die ihm eingeräumte Funktion (vgl EvBl 1978/72). Insoweit hinwieder hängt die Beamten-Eigenschaft bei Bediensteten von Gebietskörperschaften zwar nicht davon ab, ob sie in der Hoheits- oder in der Privatwirtschaftsverwaltung tätig sind, doch liegt bei der Führung der wirtschaftlichen Geschäfte der öffentlichen Hand im Rahmen eines sogenannten 'selbständigen Wirtschaftskörpers' eine staatliche Verwaltung im eigentlichen (engeren) Sinn gar nicht vor; dementsprechend sind die Bediensteten derartiger Unternehmen nach § 74 Z 4 - vgl auch § 305, insbes Abs. 4 - StGB nicht als Beamte anzusehen (vgl EvBl 1981/ 28 ua).
Im gegebenen Fall war der Angeklagte als Leiter der dem Bereich der Generaldirektion zugehörigen Abteilung für Materialbewirtschaftung der C tätig; letzteren mit ihren Teilunternehmungen (Elektrizitätswerke, Gaswerke, Verkehrsbetriebe und Städtische Bestattung) hat der Gemeinderat der Stadt Y nach § 71 der Stadtverfassung die Eigenschaft einer 'Unternehmung' zuerkannt, sodaß sie nach herrschender Auffassung, von der abzugehen kein Anlaß besteht, als selbständiger Wirtschaftskörper (in der zuvor relevierten Bedeutung) und ihre Bediensteten (ungeachtet ihrer dienstrechtlichen Stellung) nicht als Beamte im Sinn des StGB zu beurteilen sind (vgl 11 Os 53/82, EvBl 1961/89, 1955/352; Steininger, in ÖJZ 1980, 479; Liebscher, in JBl 1980, 665; Aicher in 'Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte', S 208, ua); dies gilt auch für die im Bereich der - für die Gesamtleitung der C, insbesondere für die wirtschaftliche, technische und organisatorische Koordinierung der Aufgabenbereiche der einzelnen Teilunternehmungen, kompetenten (vgl §§ 18 Abs. 1, 24 Abs. 3, 26 Abs. 2 des Statuts für die Unternehmungen der Stadt Y) - Generaldirektion tätigen Personen (idS in bezug auf die Bediensteten in der Generaldirektion der ÖBB, Steininger, aaO).
War aber demnach der Angeklagte, - der insoweit zutreffenden Rechtsrüge (Z 9 lit a) entsprechend - in seiner beschriebenen Funktion nicht, wie das Erstgericht annahm, Beamter (§ 74 Z 4 StGB), dann konnte er auch nicht Täter des ihm angelasteten Vergehens nach § 310 Abs. 1 StGB sein.
Einer Beurteilung seines im vorliegenden Fall inkriminierten Verhaltens als Vergehen der Geschenkannahme leitender Angestellter eines Unternehmens nach § 305 Abs. 1
StGB in der zur Tatzeit in Geltung gestandenen Fassung hinwieder steht nicht nur schon das Fehlen von Feststellungen darüber entgegen, daß er - was selbst in der Anklage nicht behauptet wurde - einen Vermögensvorteil gefordert, angenommen oder sich versprechen hätte lassen, sondern vor allem auch ein Mangel an Konstatierungen dahin, daß dies für die Vornahme (oder Unterlassung) von Rechtshandlungen geschehen wäre, die er als leitender Angestellter hätte vornehmen können. Feststellungen in jene Richtung hin wären - da er im hier aktuellen Zusammenhang nach der Aktenlage (vgl etwa S 253, 257 bis 261/I, 273 III) im wesentlichen nur die Unterlagen zu erstellen und Vorschläge zu erstatten hatte - auch gar nicht möglich, mit Rücksicht darauf, daß vor dem Inkrafttreten des Zweiten Antikorruptionsgesetzes eine Mitarbeiter-Haftung im Sinn des § 305 Abs. 3
StGB nF noch nicht vorgesehen war, für einen Schuldspruch nach der nunmehr in Rede stehenden Strafbestimmung indessen unerläßlich gewesen.
Die Frage schließlich, ob allenfalls eine Strafbarkeit des konstatierten Tatverhaltens nach §§ 122, 123 StGB oder nach §§ 10, 11 UWG in Betracht gekommen wäre, kann schon deshalb unerörtert bleiben, weil es sich bei jenen Vergehen durchwegs um Privatanklagedelikte handelt, ein dementsprechendes Verfolgungsverlangen jedoch nicht gestellt wurde.
In Stattgebung seiner Nichtigkeitsbeschwerde war daher der Angeklagte sogleich freizusprechen, ohne daß es erforderlich wäre, auf sein weiteres Vorbringen in diesem Rechtsmittel einzugehen. Mit seiner Berufung war er auf diese Entscheidung zu verweisen.
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