Spruch:
Die Übertretung der Vorschriften über die Zulassung von Kraftfahrzeugen macht nicht haftbar, wenn die Mängel des nicht zugelassenen Fahrzeuges weder den Unfallshergang noch die Schadenshöhe beeinflußt haben
OGH 24. 5. 1983, 7 Ob 53/82 (OLG Wien 2 R 89/82; KG Wiener Neustadt 1 Cg 1299/78)
Text
Der klagende Transportversicherer der A GesmbH (im folgenden kurz: A) begehrt auf Grund gesetzlicher und vertraglicher Zession den Ersatz der beim Transport einer Pfahlbohranlage von einem Fahrer der beklagten Partei verschuldeten und von ihm auf Grund der Transportversicherung an die A bezahlten Schadens.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen waren die Transporte der A von eigenen und fremden Baumaschinen aller Art, welche im Geschäftsbetrieb der A verwendet und mittels Straßenfahrzeugs oder Bahn innerhalb Österreichs befördert wurden, bei der klagenden Partei versichert.
Der Beklagte betreibt ein Fracht- und Speditionsgeschäft. Am 8. 5. 1978 verschuldete der bei ihm beschäftigte Fred M mit einem Sattelzugfahrzeug des Beklagten, auf das die mit einer Hinterachse ausgestattete Bohranlage der A als Anhänger aufgesattelt war, auf der Westautobahn infolge mangelnder Beobachtung der Fahrbahn (rk. Strafurteil) einen Auffahrunfall, bei dem der Sattelanhänger der A schwer beschädigt wurde. Dieser Anhänger trug ein polizeiliches Kennzeichen. Tatsächlich war die Anlage aber nicht zum öffentlichen Verkehr zugelassen oder einzelgenehmigt. Der Königszapfen des Anhängers wies ein zu kurzes Gewinde auf und trug keine Mutter. Dennoch konnten die normalen Beschleunigungs- und Verzögerungskräfte aufgenommen werden. Der Zapfen ist auch nicht beim Unfall gebrochen, sondern der Anhänger löste sich erst durch den Anprall und das Umkippen des Zugfahrzeuges von diesem, sodaß der Schaden allein auf das Verschulden des Lenkers des Zugfahrzeuges des Beklagten zurückzuführen ist. Die klagende Partei hat der A auf Grund des Versicherungsvertrages eine Abfertigung in der Höhe des Klagsbetrages geleistet, die A hat in der schriftlichen Abfindungserklärung ihre Ansprüche an die klagende Partei zediert.
Nach der Rechtsansicht des Erstrichters hafte der Beklagte für die allein durch seinen Fahrer zugefügten Schäden aus dem Frachtvertrag. Der Ersatzanspruch sei nach § 67 VersVG auf die klagende Partei übergegangen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es ging auf die Beweisrügen beider Parteien nicht ein, sondern hielt die Sache aus rechtlichen Gründen für noch nicht spruchreif. Zwar stehe das Verschulden des Lenkers des Fahrzeuges des Beklagten schon auf Grund des Strafurteils fest. Auch sei die Legalzession der Schadenersatzansprüche des Versicherungsnehmers an den zahlenden Versicherer von dessen Leistungspflicht aus dem Vertrag unabhängig. In der Übergabe eines nicht für den öffentlichen Verkehr zugelassenen Anhängers unter Verschweigung dieses Umstandes wäre aber infolge der Verwendung mit einer höheren als der für nicht zugelassene Anhänger erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h ein Mitverschulden der A iS des § 58 Abs. 1 Z 2 a KDV zu erblicken, das für die Verschuldensteilung von Bedeutung sei. Es werde daher zu erörtern sein, ob dem Fahrer des Beklagten eine allfällige Täuschungshandlung der A hätte auffallen müssen. Hingegen sei die Behauptung des Beklagten, daß er der Begünstigte aus dem Transportversicherungsvertrag sei, als unzulässige Neuerung des Berufungsverfahrens unbeachtlich.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien Folge und trug dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Entgegen der Meinung des Beklagten entspricht die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Schadenersatzansprüche des Versicherungsnehmers gemäß § 67 VersVG auf den Versicherer ohne Rücksicht auf die konkrete Leistungspflicht übergehen, nicht nur der vom Berufungsgericht angeführten Lehre, sondern auch der von Prölss - Martin, VVG[22] 400 dargestellten österreichischen Rechtsprechung. Die im Rekurs zitierte Entscheidung ZVR 1970/116 betraf den besonderen Fall der Befriedigung eines der Art nach nicht versicherten Schadens (vgl. Prölss - Martin aaO 397). Überdies hat sich hier die klagende Partei nach den Feststellungen des Erstrichters die Ersatzansprüche des Versicherungsnehmers anläßlich der an diesen geleisteten Zahlung auch iS des § 1422 ABGB abtreten lassen, sodaß es auf die Legalzession gar nicht ankäme.
Die beklagte Partei kann auch gegen die Meinung des Berufungsgerichtes nichts Stichhaltiges vorbringen, daß ihre Berufungsausführungen zur angeblichen Mitversicherung des eigenen Interesses als unzulässige Neuerung unbeachtlich sind. Mit der bloßen Behauptung in erster Instanz, daß das Klagebegehren schon aus rechtlichen Gründen abzuweisen sein werde, und dem Beweisantrag auf Einsichtnahme in den Versicherungsvertrag hat der Rekurswerber entgegen seiner Behauptungs- und Beweislast keine konkreten Umstände in dieser erstmals in der Berufung behaupteten Richtung vorgebracht. Es kann dabei auch keine Rolle spielen, aus welchen Gründen der Beklagte ein weiteres Vorbringen in erster Instanz nicht erstattet hat. Im übrigen ergibt sich aus der Versicherungspolizze ohnehin klar, daß nur das Interesse der Eigentümer fremder, aber im Geschäftsbetrieb der A verwendeter und von ihr versendeter Maschinen mitversichert war.
Auch der klagenden Partei kann nicht gefolgt werden, soweit sie ein Alleinverschulden des Beklagten schon darin erblickt, daß sein Lenker die Fahrzeugpapiere des Anhängers der A nicht überprüft habe. Abgesehen davon, daß das Berufungsgericht gerade diese Frage noch für erörterungsbedürftig gehalten hat, würde eine solche Nachlässigkeit das (Mit-)Verschulden der A an der Übergabe eines nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuges nicht ausschließen, zumal dieses unerlaubterweise mit einem polizeilichen Kennzeichen versehen war. Eine andere behördliche Bewilligung der Verwendung des Sattelanhängers im öffentlichen Verkehr etwa für eine Probefahrt hat hingegen die klagende Partei in erster Instanz ebenfalls nicht behauptet, sodaß es sich auch dabei um eine unzulässige Neuerung handelt.
Bei der allseitigen rechtlichen Prüfung des angefochtenen Beschlusses kann der Oberste Gerichtshof aber die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht teilen, daß zwischen der Übergabe des nicht zum öffentlichen Verkehr zugelassenen Sattelanhängers zum Transport und dem eingetretenen Schaden auch der sogenannte Rechtswidrigkeitszusammenhang vorliege. Nach herrschender Ansicht ist die Bestimmung des § 1295 Abs. 1 ABGB, wonach "jedermann" berechtigt ist, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern, zu weit gefaßt. Aus § 1294 ABGB ergibt sich, daß der Schaden rechtswidrig zugefügt worden sein muß. Deshalb bleiben Nachteile, die in einer Sphäre liegen, die nicht durch das Verbot des Angriffs geschützt ist, außer Betracht (soweit das zutreffende Zitat von Koziol - Welser, Grundriß[6] I 352). Der Normzweck ist deshalb in zweifacher Richtung von Bedeutung: Erstens muß die Norm gerade den Schutz des Geschädigten bezwecken, zweitens muß auch die Art des Schadens vom Normzweck erfaßt sein. Bei der Frage, welche Schadensfolgen dem Haftenden noch zuzurechnen sind, muß stets untersucht werden, aus welchen Gründen die die Haftpflicht anordnende Norm aufgestellt wurde und welche Schäden, denen das Gesetz vorbeugen will, nach dem Zweck des Gesetzes von der Ersatzpflicht noch erfaßt werden sollten (Koziol, Haftpflichtrecht[2] I 152 f.). Die Vorschriften über die behördliche Zulassung und Führung eines amtlichen Kennzeichens eines Kraftfahrzeuges stellen in diesem Sinn zwar Schutzvorschriften gemäß § 1311 ABGB dar; ihr Zweck betrifft aber nicht die Verhinderung eines Schadens durch das Fahrzeug an sich, sondern nur eines spezifisch mit dem Erfordernis der Zulassung des Kraftfahrzeuges zusammenhängenden Schadens. Nur solche Mängel des nicht zugelassenen Fahrzeuges (hier: des Sattelanhängers der A) würden deshalb im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem eingetretenen Schaden (an diesem oder am Zugfahrzeug) stehen, die eine Zulassung des Fahrzeuges wegen Verkehrsuntüchtigkeit nicht gestattet hätten. War hingegen ein Unfall ausschließlich auf Verkehrsverstöße eines anderen Beteiligten (hier: des Lenkers des Fahrzeuges des Beklagten) zurückzuführen, dann macht die Übertretung der Zulassungsbestimmungen für sich allein den anderen Beteiligten nicht haftbar (ZVR 1972/111, zitiert bei Koziol aaO 153 FN 75; ZVR 1981/240; ähnlich auch Welser, Der OGH und der Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖJZ 1975, 4). Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang also nicht schon deshalb gegeben, weil ein Fahrzeug, das ohne behördliche Zulassung nur mit weitaus geringerer Geschwindigkeit hätte fahren dürfen, für den öffentlichen Verkehr nicht zugelassen war und dennoch eine höhere Geschwindigkeit einhielt. Dieser Umstand ist ohne Bedeutung, wenn nicht Mängel (hier: des Sattelanhängers der A) vorlagen, die den konkreten Unfallshergang oder die Schadenshöhe beeinflußten.
Infolge seiner unrichtigen Rechtsansicht hat das Berufungsgericht jene Feststellungen des Erstrichters, die vor allem die letztgenannten Fragen betreffen, trotz der Beweisrügen beider Parteien nicht geprüft. Darauf kommt es aber für die weitere rechtliche Beurteilung an. Die Rechtssache ist deshalb an die zweite Instanz zurückzuverweisen.
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