OGH 7Ob529/83

OGH7Ob529/835.5.1983

SZ 56/73

Normen

CMR Art3
CMR Art21
CMR Art3
CMR Art21

 

Spruch:

Die Schadenersatzpflicht eines internationalen Frachtführers nach Art. 21 CMR ist auf den Betrag beschränkt, den der Frachtführer für den Absender oder allenfalls für den von diesem verschiedenen Auftraggeber einzuziehen hat; Verzollungskosten, die ein Dritter vorgeschossen hat, fallen nicht darunter

Der internationale Frachtführer haftet nach Art. 3 CMR für seine Erfüllungsgehilfen nur im Umfang der eigenen Haftung nach der CMR

OGH 5. 5. 1983, 7 Ob 529/83 (LG Salzburg 32 R 443/82; BG Mittersill C 19/82 )

Text

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Betrages von 1 490 000 Lire (23 095 S) sA. Sie stützt ihr Begehren ausdrücklich auf die Art. 3 und 21 des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), BGBl. 1961/138, und bringt vor, die Beklagte habe am 2. 12. 1980 einen Transport Schnittholz, der von der Firma Jörg H in N an die Firma Sergio G nach Italien verkauft worden sei, verzollt. Bei Aushändigung der Verzollungspapiere an ihn habe der Kraftfahrer der Beklagten ein ihm vorgelegtes, in deutscher und italienischer Sprache abgefaßtes Schreiben unterzeichnet, aus dem sich ergebe, daß er die Ware beim italienischen Empfänger nur gegen Zahlung des Klagsbetrages abliefern dürfe. Bei Unterbleiben der Zahlung hätte der Fahrer die Ware an den Empfänger nicht ausfolgen dürfen, sondern die Klägerin telefonisch um Weisung ersuchen müssen. Der Kraftfahrer der Beklagten habe die Ware ungeachtet dieses Auftrages an die Käuferin ausgefolgt, ohne Zahlung erhalten zu haben.

Die Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, sie habe ihren Kraftfahrer nicht ermächtigt, ein Schriftstück zu unterfertigen, durch das die Beklagte verpflichtet werden könne. Die Klageforderung sei verjährt. Der Beklagten fehle die Passivlegitimation, weil sie nicht Eigentümerin der Ladung gewesen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen: Die Beklagte führt sei etwa 20 Jahren Holztransporte nach Italien durch, ua. auch für die Firma Jörg H in N. Im Auftrag des Jörg H wurde am 2. 12. 1980 auf einen LKW-Zug der Beklagten im Sägewerk der Firma Jörg H Schnittholz verladen, welches für den Italienexport vorgesehen war. Jörg H als Absender der Ware hatte der Beklagten den Auftrag erteilt, den Transport nach Italien zu bewerkstelligen. Er stellte den Frachtbrief am 2. 12. 1980 in N aus. Darin wird als Absender Jörg H, als Empfänger Sergio G, Mailand, und als Frachtführer Klaus H, Internationale Transporte, bezeichnet. Tansportgut laut Frachtbrief war ein LKW-Zug Fichtenschnittholz. Nach den Weisungen des Absenders Jörg H im Frachtbrief sollte die Verzollung an der österreichisch-italienischen Grenze über die Klägerin erfolgen, da - laut Frachtbrief - der Empfänger der Ware bei der Klägerin Kunde sei. Der Transport der Schnittholzladung von N nach Italien zum italienischen Empfänger wurde von der Beklagten am 2. und 3. 12. 1980 durchgeführt. Die Verzollung erfolgte am Grenzübergang Winnebach-Innichen. Die Klägerin wird bei der Verzollung von Waren, die über den Grenzübergang Winnebach-Innichen nach Italien importiert werden, von der Firma Luciano C in I vertreten. Wenn von der Klägerin betreute Warentransporte zur Einfuhr in Winnebach einlangen, ist es in jedem Fall die Aufgabe eines Angestellten der Firma Luciano C, sich mit der Klägerin in Verbindung zu setzen und Weisungen einzuholen. Diese Weisungen der Klägerin können wie folgt aussehen: Falls es sich um Stammkunden der Klägerin handelt, wird der Firma C die Verzollung aufgetragen. Die Firma C erledigt diesfalls die nötigen Zahlungen und stellt sie der Klägerin in Rechnung. Handelt es sich hingegen um Kunden, die der Klägerin weniger vertraut sind, ist die Firma C verpflichtet, dem jeweiligen LKW-Fahrer eine Verpflichtungserklärung in italienischer und deutscher Sprache auszuhändigen und diese vom Fahrer unterfertigen zu lassen. Mit dieser Erklärung verpflichtet sich der Fahrer, bei Ablieferung der Ware die Zollgebühren und die Spesen sofort beim Empfänger der Ware zu kassieren oder - bei Weigerung des Empfängers - die Klägerin in P anzurufen, um genaue Weisungen einzuholen. In diesem Fall nimmt die Firma C die Verzollung der Importware erst nach Empfangnahme der vom Fahrer unterfertigten Erklärung vor. Bei dem gegenständlichen Transport handelte es sich um einen solchen, bei dem die Verzollung nach der zweiten Methode erfolgte. Von einem Angestellten der Firma C wurde dem Lenker des LKW-Zuges der Beklagten, Martin H, eine Erklärung in deutscher und italienischer Sprache ausgehändigt, wonach er sich im Falle des Unterbleibens der Zahlung verpflichtete, die Ware an den Empfänger nicht auszufolgen, sondern die Klägerin anzurufen, um von ihr Weisungen einzuholen. Diese Erklärung hat Martin H unterschrieben. Am 3. 12. 1980 hat Martin H die Ware beim Empfänger Sergio G abgeliefert, ohne die Zollgebühren und Spesen vom Empfänger einzukassieren und ohne sich mit der Klägerin in Verbindung zu setzen. Aus welchen Gründen dies nicht geschehen ist, ist nicht feststellbar. Es ist anzunehmen, daß der Empfänger der Ware bei der Ablieferung entweder nicht anwesend war oder dem Fahrer gegenüber erklärte, einen Scheck direkt an die Klägerin zu übersenden. Es ist wiederholt vorgekommen, daß Martin H trotz Unterfertigung der ihm vorgelegten Erklärung die Zollgebühren und Spesen nicht beim Empfänger eingehoben hat, da ihm die Empfänger erklärten, den Scheck direkt an den Zollspediteur zu senden. Es ist aber auch wiederholt vorgekommen, daß Martin H wegen der Zollgebühren und Spesen mit den Zollspediteuren Rücksprache hielt. Martin H, der seit 1971 laufend als Kraftfahrer Italientransporte bewerkstelligt, gilt bei seinem Arbeitgeber, der Beklagten, als durchaus zuverlässig. Die Beklagte hat von der Klägerin weder den Auftrag erhalten, den Transport von N nach Italien durchzuführen, noch hat die Beklagte der Klägerin den Auftrag erteilt, die Verzollung am Grenzübergang Winnebach-Innichen durchzuführen. Mit dem jeweiligen Spediteur, welcher die Zollformalitäten erledigt, tritt die Beklagte, wenn sie im Auftrag eines inländischen Absenders Italientransporte durchführt, nicht in Verbindung. Die Beklagte hat ausschließlich im Auftrag des Absenders Jörg H den Schnittholztransport von N bis zum italienischen Empfänger in Mailand durchgeführt. Dem Geschäftsführer der Beklagten waren deshalb die Klägerin und der italienische Empfänger völlig unbekannt.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die CMR sei im vorliegenden Fall nach Art. 1 Z 1 des Übereinkommens anzuwenden, zumal sowohl Österreich als auch Italien Vertragsstaaten seien. Eine Haftung der Beklagten nach Art. 21 des Übereinkommens komme jedoch nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht Absenderin der Ware gewesen sei. Auch eine Haftung des beklagten Frachtführers nach Art. 3 CMR sei nicht gegeben, weil die aufgetragene Geltendmachung und Einhebung der Zollspesen für die Klägerin nicht zu den dem Kraftfahrer Martin H von der Beklagten aufgetragenen Aufgaben und Pflichten gehört habe. Die Beklagte habe daher nicht für die Unterlassung ihres Dienstnehmers einzustehen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes vertrat es die Ansicht, es sei richtig, daß die Haftung des Frachtführers für seine Bediensteten gemäß Art. 3 CMR bei Ausführung der Beförderung auf jene Handlungen oder Unterlassungen beschränkt sei, die diese in Ausübung ihrer Verrichtungen setzen. Zwischen der Unterlassung der Einziehung der Verzollungsspesen durch den Kraftfahrer der Beklagten und den dem Kraftfahrer übertragenen Aufgaben, zu denen auch die Verzollung gehört habe, bestehe jedoch ein innerer Sachzusammenhang. Dieser Zusammenhang sei dadurch, daß die Firma C den Kraftfahrer (zusätzlich) angewiesen habe, für die Einziehung der Zollspesen beim Empfänger zu sorgen, nicht unterbrochen worden. Ausgehend von einer anderen Rechtsansicht habe das Erstgericht keine Feststellungen über die Höhe der Verzollungsspesen und zur Frage der von der Beklagten eingewendeten Verjährung getroffen. Das Verfahren sei in dieser Richtung zu ergänzen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Klägerin hat ihren Anspruch ausdrücklich auf Art. 3 und 21 der CMR gestützt. Die Anwendbarkeit der CMR haben die Untergerichte in zutreffender Weise bejaht. Nach Art. 1 Z 1 CMR gilt dieses Übereinkommen für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrag angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Dies ist hier der Fall; das Übereinkommen wurde in Ostereich mit BGBl. 1961/138 in Kraft gesetzt.

Mit Recht haben die Untergerichte eine Haftung der Beklagten nach Art. 21 CMR als nicht gegeben angesehen. Nach dieser Bestimmung des Übereinkommens hat der Frachtführer, wenn das Gut dem Empfänger ohne Einziehung der nach dem Beförderungsvertrag vom Frachtführer einzuziehenden Nachnahme abgeliefert wird, dem Absender - vorbehaltlich seines Rückgriffsrechtes gegen den Empfänger - bis zur Höhe des Nachnahmebetrages Schadenersatz zu leisten. Unter Nachnahme ist nur der Betrag zu verstehen, den der Frachtführer für den Absender oder allenfalls für den vom Absender verschiedenen Auftraggeber einzuziehen hat (Muth, Leitfaden zur CMR[4] 100). Die geltend gemachten Verzollungskosten sind schon deshalb kein Nachnahmebetrag iS des Art. 21 des Übereinkommens, weil die Klägerin nicht Absenderin war.

Auch aus den weiteren Bestimmungen der CMR, die die Haftung des Frachtführers selbst regeln (Art. 17 ff.), ergibt sich keine Haftung des Frachtführers für den eingeklagten Betrag.

Nach Art. 3 CMR aber haftet der Frachtführer für Handlungen und Unterlassungen seiner Bediensteten und aller anderen Personen, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, (nur) wie für eigene Handlungen und Unterlassungen, wenn diese Bediensteten oder andere Personen in Ausübung ihrer Verrichtungen handeln. Art. 3 CMR ist daher unanwendbar, wenn sich die Haftung des Beförderers nicht aus der CMR (sondern allenfalls aus den Vorschriften des subsidiär geltenden nationalen Rechts) ergibt (Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach der CMR 166; vgl. auch Muth aaO 46). Auf andere Bestimmungen als jene der CMR aber hat die Klägerin, wie dargelegt, ihr Begehren ausdrücklich nicht gestützt.

Die Entscheidung über die Berufung der Klägerin ist daher iS einer Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichtes spruchreif, ohne daß es der vom Berufungsgericht für erforderlich angesehenen ergänzenden Feststellungen bedürfte.

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