OGH 7Ob573/83

OGH7Ob573/8314.4.1983

SZ 56/67

Normen

EO §331
MG §19 Abs4
EO §331
MG §19 Abs4

 

Spruch:

Die Zwangsverwaltung der Bestandrechte steht einer Überlassung der Mietrechte an nahe Angehörige nicht entgegen

OGH 14. 4. 1983, 7 Ob 573/83 (LGZ Wien 41 R 645/82; BG Innere Stadt Wien 47 C 477/81)

Text

Der am 6. 12. 1980 in Graz verstorbene Franz K hat im Jahre 1949 die im Hause der Kläger Wien 1, R-Platz im zweiten Stock gelegene Wohnung Nr. 19 gemietet. Dieses Mietverhältnis kundigen die Kläger aus dem Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z 11 MG auf.

Die beklagte Verlassenschaft und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten Rudolf P und Leopoldine T wendeten ua. mangelnde Passivlegitimation mit der Begründung ein, der seinerzeitige Mieter habe die Wohnung seiner damaligen Ehegattin und seinen im Jahre 1963 und 1965 geborenen Kindern überlassen. Er selbst sei damals ausgezogen.

Die Untergerichte haben die Kündigung aufgehoben, wobei das Berufungsgericht die Revision für zulässig erklärte. Sie gingen hiebei von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus: Franz K hat im Jahre 1963 Eleonore K geheiratet. Die beiden führten in der aufgekundigten Wohnung das gemeinsame Eheleben. Auch die beiden Kinder leben seit ihrer Geburt in dieser Wohnung. 1964 wurde die Ehe geschieden. Franz K zog aus der Wohnung aus und überließ diese seiner Gattin und den beiden minderjährigen Kindern. Eine Anzeige der Überlassung an die Hausverwaltung ist unterblieben. Die Mietrechte des Franz K wurden im Jahre 1960 in Zwangsverwaltung gezogen. Zum Zwangsverwalter wurde Rudolf P bestellt. Diese mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien 4 E 14037/61 bewilligte Zwangsverwaltung ist seither nicht eingestellt worden. Teile der Wohnung wurden vom Zwangsverwalter an Leopoldine T untervermietet. Die restlichen Teile der Wohnung benötigen die geschiedene Ehegattin des Franz K, der nach seinem Auszug nach Graz übersiedelt ist und ein zweites Mal geheiratet hat, sowie dessen minderjährige Kinder dringend zur Befriedigung ihres Wohnungsbedürfnisses.

Rechtlich vertraten die Untergerichte den Standpunkt, zumindest dem älteren der beiden Kinder seien die Mietrechte an der Wohnung nach § 19 Abs. 4 MG übertragen worden. Dadurch habe die Verlassenschaft ihre passive Legitimation zur Kündigung verloren. Die Zwangsverwaltung sei einer derartigen Übertragung der Mietrechte schon im Hinblick auf § 42 Abs. 4 MG nicht entgegengestanden. Der Vermieter erlange gegenüber dem Mieter durch die Zwangsverwaltung der Bestandrechte keine größeren Rechte. Die Bestimmung des § 331 EO sei keine Schutzbestimmung zugunsten des Vermieters.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Entgegen der Auffassung der Revision war es nicht erforderlich festzustellen, ob eine Überlassung der Mietrechte wirksam auch an die geschiedene Ehegattin des seinerzeitigen Mieters Franz K erfolgt ist oder nicht. Steht nämlich fest, daß zumindest dem älteren der beiden Kinder die Mietrechte übertragen worden sind, so steht dessen eigenes Recht der Passivlegitimation der Verlassenschaft auch dann entgegen, wenn die geschiedene Ehegattin des seinerzeitigen Mieters keine Rechte an der Wohnung erlangt haben sollte. Durch eine Überlassung nach § 19 Abs. 4 MG erlöschen nämlich die Bestandrechte des bisherigen Mieters. Es genügt daher, wenn eine solche Überlassung auch nur an eine Person feststeht.

Was nun die Überlassung an das ältere der beiden Kinder des seinerzeitigen Mieters anlangt, erkennt die Revision selbst, daß auch Minderjährigkeit des in der Wohnung zurückgebliebenen nahen Angehörigen kein Hindernis für die Überlassung der Mietrechte nach § 19 Abs. 4 MG bildet, wenn die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle vorliegen (MietSlg. 31 448, 16 403 ua.). Nach den getroffenen Feststellungen, an die der OGH gebunden ist, hat Franz K bei seinem Auszug im Jahre 1964 seine Mietrechte ua. auch seinem älteren Kind überlassen. Daß der Übertragungswille vorlag, steht somit für den OGH bindend fest. Die Überlassung kann auch schlüssig erfolgen (MietSlg. 32 413, 31 447, 30 449 ua.). Zumindest eine derartige schlüssige Annahme der Überlassung der Wohnung an das ältere Kind des seinerzeitigen Mieters wurde aber von den Untergerichten angenommen. Die gesamten Umstände des Einzelfalles sprechen auch dafür, daß eine solche Annahme erfolgt ist. Demnach muß von einer Überlassung nach § 19 Abs. 4 MG ausgegangen werden.

Einer derartigen Übertragung der Mietrechte steht auch die Zwangsverwaltung nicht entgegen. Nach den getroffenen Feststellungen werden Teile der Wohnung vom älteren Kind des seinerzeitigen Mieters zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses benötigt. Demnach sind gemäß § 42 Abs. 4 MG diese Teile der Wohnung einer Exekution entzogen. Die Tatsache der Exekutionsbewilligung besagt nichts Gegenteiliges, weil die Frage der Tauglichkeit des in Exekution gezogenen Objektes in das Gebiet des Vollzuges der Exekution fällt, weshalb die Verwertbarkeit des in Exekution gezogenen Rechts bei der Bewilligung der Exekution dann nicht geprüft werden muß, wenn die Unpfändbarkeit nicht von vornherein feststeht (vgl. Heller - Berger - Stix III 2336). Sohin werden jene Teile der Wohnung, die der Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses des älteren Kindes des seinerzeitigen Mieters dienen, von der Exekution nicht berührt. Hiezu kommt, daß durch die Zwangsverwaltung der Mietrechte das Verhältnis zwischen dem Verpflichteten und seinem Bestandgeber nicht berührt wird (Heller - Berger - Stix III 2459). Mit Recht haben daher die Untergerichte den Standpunkt vertreten, die Zwangsverwaltung könne die Rechte des Mieters gegenüber dem Vermieter nicht beeinträchtigen. Der Hinweis der Revision auf MietSlg. 2833 ist nicht zielführend. Es sei der Revision zugegeben, daß der veröffentlichte Rechtssatz mißverständlich ist. Die diesem Rechtssatz zugrunde liegende Entscheidung (2 Ob 450/53) hatte einen mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Sachverhalt zum Gegenstand. Ausdrücklich führt diese Entscheidung aus, daß das mit der Zwangsverwaltung verbundene Verbot privatrechtliche Verfügungen des Verpflichteten nur insoweit unwirksam macht, als sich diese zum Nachteil der betreibenden Partei auswirken, und auch nur dieser gegenüber. Von einer allgemeinen Unwirksamkeit auch Dritten gegenüber spricht diese Entscheidung nicht.

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