OGH 4Ob328/83

OGH4Ob328/8312.4.1983

SZ 56/56

Normen

KSchG §3
UWG §1
KSchG §3
UWG §1

 

Spruch:

Die Werbeaktion einer Tageszeitung, die den angesprochenen Personen für den Fall der Bestellung eines Jahresabonnements um 1078 S einen Marken-Kaffeeautomaten, der im Handel 730 S kostet, zum "Vorzugspreis" von 99 S anbietet, verstößt als sittenwidriges "Vorspannangebot" gegen § 1 UWG

Bei Bargeschäften ist der Unternehmer zur Ausstellung einer Vertragsurkunde nicht verpflichtet; in eine trotzdem ausgestellte Urkunde muß keine Belehrung des Vertragspartners über das ihm zustehende Rücktrittsrecht aufgenommen werden

OGH 12. 4. 1983, 4 Ob 328/83 (OLG Graz 3 R 16/83; LGZ Graz 19 Cg 807/82)

Text

Die Beklagte ist Eigentümerin und Verlegerin der in Graz erscheinenden K-Zeitung.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen, auf § 1 UWG gestützten Unterlassungsbegehrens beantragt die klagende Mitbewerberin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort zu verbieten, beim Vertrieb der "K-Zeitung" Werbeaktionen durchzuführen, bei denen Personen als Abonnenten angeworben werden, a) wenn diesen beim gleichzeitigen Beitritt zum "Club K-Zeitung" der Bezug eines M-Kaffeeautomaten der Type FA 6212, Art. Nr. 522, zum "Super-Klubpreis" von 99 S und der unentgeltliche Bezug von 1/2 kg Kaffee "E"-Kaffee oder ähnlich wertvoller Bedarfsartikel zu ähnlich herabgesetzten Preisen angeboten wird und/oder b) wenn die Abonnement-Bestellscheine keinen ausdrücklichen Hinweis auf das Rücktrittsrecht des Abonnenten nach § 3 KSchG enthalten.

Die Beklagte hat sich gegen diesen Antrag ausgesprochen. Die beanstandete Werbeaktion verstoße weder gegen das Verbot sitterwidriger "Vorspannangebote" noch gegen das Zugabengesetz; die von der Beklagten jetzt verwendeten Bestellscheine entsprächen auch den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes. Soweit sich die Klägerin auf ein am 16. April 1982 an Wilfried K gestelltes Werbeangebot beziehe, werde überdies Verjährung eingewendet.

Das Erstgericht erließ das zu lit. b beantragte Unterlassungsgebot (Verwendung von Bestellscheinen ohne Belehrung über das Rücktrittsrecht) und wies den darüber hinausgehenden Sicherungsantrag ab. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an: Der Angestellte Wilfried K aus Leoben erhielt von einer bei der K-Zeitung tätigen Zeitungsausträgerin F am 15. 4. 1982 einen Kaffeeautomaten der Marke M. Type 522, Code 200, im Wert von 730 S und 1/2 kg Kaffee der Marke "E" als Werbegeschenk, weil er die K-Zeitung für ein Jahr abonniert hatte; er zahlte für diese Werbegeschenke den von F verlangten Betrag von 99 S. Ein anderer Werber der K-Zeitung suchte etwa Mitte Oktober 1982 Edith R in ihrer Wohnung in Leoben auf und bot ihr einen Kaffeeautomaten der genannten Type zum Vorzugspreis von 99 S an, falls sie die K-Zeitung für die Dauer von zwölf Monaten abonniere. Edith M bestellte die K-Zeitung, worauf sie den Kaffeeautomaten gegen Zahlung von 99 S sofort überreicht erhielt. Der von der Beklagten früher verwendete, neben einer "Beitrittserklärung" zum "Club K-Zeitung" auszufüllende "Abonnement-Bestellschein" hatte keine Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG enthalten. Ein anderer "Abonnement-Bestellschein" der Beklagten, welcher von ihr in diesem Verfahren vorgelegt wurde, trägt unterhalb der Unterschrift des Bestellers den Vermerk: "Ein Rücktritt von dieser Bestellung ist binnen einer Woche schriftlich möglich". Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Beklagte weiterhin alte Formulare verwendet. In einem durchschnittlichen österreichischen Privathaushalt wird meist nur eine Tageszeitung im Abonnement bezogen.

Rechtlich meinte das Erstgericht, daß im Hinblick auf den von der Beklagten für die Kaffeemaschine und 1/2 kg Kaffee verlangten, wenngleich stark reduzierten Preis von 99 S von einem Zugabenverstoß nicht gesprochen werden könne. Auch ein sittenwidriges Lockangebot liege nicht vor, weil der Preis eines Jahresabonnements der "K-Zeitung" mit rund 1100 S so weit über dem Betrag von 99 S liege, daß ein übersteigerter Kaufanreiz nicht zu befürchten sei. Das zu lit. b gestellte Sicherungsbegehren der Klägerin sei hingegen berechtigt. § 3 KSchG verpflichte den Unternehmer, in eine über das Rechtsgeschäft ausgestellte Urkunde auch eine Belehrung über das Rücktrittsrecht des Verbrauchers aufzunehmen. Die Mißachtung dieser Bestimmung widerspreche dem Wertgefühl aller billig und gerecht Denkenden und verstoße daher gegen § 1 UWG. Dadurch sei aber auch die Klägerin beschwert, weil ein zufolge Nichtausübung seines Rücktrittsrechtes mindestens ein Jahr lang an die Beklagte gebundener Abonnent ebensolange als Kunde der Klägerin ausfalle. Da die Beklagte nicht bewiesen habe, daß eine Verwendung ihrer früheren Formulare, welche keine Belehrung nach § 3 KSchG enthalten hatten, künftig ausgeschlossen sei, müsse auch die Wiederholungsgefahr bejaht werden. Der Verjährungseinwand sei schon deshalb nicht berechtigt, weil die Beklagte ein Dauerdelikt (§ 20 Abs. 2 UWG) begangen habe.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es die zu lit. a beantragte einstweilige Verfügung erließ und das Sicherungsbegehren zu lit. b abwies. Anders als das Gericht erster Instanz sah das Rekursgericht in der den Abonnenten der K-Zeitung eingeräumten Möglichkeit zum preisgünstigen Erwerb eines Kaffeautomaten im Handelswert von 730 S um nur 99 S ein sittenwidriges Vorspannangebot und damit einen Verstoß gegen § 1 UWG. Bei der Beurteilung solcher Angebote komme es entscheidend darauf an, wie weit der allgemein übliche Preis der Nebenware über dem tatsächlich verrechneten Preis liegt und in welchem Verhältnis diese Preisdifferenz zum Preis der Hauptware steht. Im vorliegenden Fall brauche der Abonnent für einen Kaffeeautomaten, der im Handel 730 S koste nur 99 S zu zahlen; vergleiche man den daraus resultierenden Vorteil von rund 630 S mit dem bis Dezember 1982 geltenden Abonnementpreis der K-Zeitung von 1078 S, dann hätten die angesprochenen Personen sehr wohl den Eindruck einer besonders günstigen Kaufgelegenheit gewinnen müssen. Der mit diesem preisgünstigen Angebot verbundene Lockeffekt habe das Urteil der Kunden trüben und sie aus sachfremden Gründen zum Kauf der Hauptware - also des Zeitungsabonnements - bestimmen können. Die Beklagte habe sich auf diese Weise einen Vorsprung vor jenen Zeitungsherausgebern verschafft, die ihren neuen Abonnenten keine oder zumindest keine ähnlichen Vorteile bieten könnten; sie habe damit gegen § 1 UWG verstoßen.

Der aus einer Verletzung der Belehrungspflicht nach § 3 KSchG abgeleitete Unterlassungsanspruch der Klägerin sei hingegen nicht berechtigt. Ganz abgesehen davon, daß ein einseitig vom Abonnenten unterfertigter Abonnement-Bestellschein keine Vertragsurkunde iS des § 3 Abs. 1 KSchG sei, wäre eine Verletzung dieser wertneutralen Vorschrift nur dann sittenwidrig, wenn sie dauernd und planmäßig begangen würde, um dadurch einen Wettbewerbsvorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen. Eine solche Absicht der Beklagten sei aber von der Klägerin nicht einmal behauptet worden.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen der Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

I. Zum Revisionsrekurs der Beklagten:

Ob das von der Beklagten für den Kaffeeautomaten (samt 1/2 kg Kaffee) verlangte Entgelt von 99 S ein bloßer "Scheinpreis" iS des § 1 Abs. 2 des Zugabengesetzes war, kann schon deshalb auf sich beruhen, weil die Klägerin - welche in diesem Zusammenhang selbst nur von einem außerordentlich günstigen Preis und einer besonders preisgünstigen Kaufgelegenheit gesprochen hat - ihren Unterlassungsanspruch nicht aus einer Verletzung des Zugabengesetzes ableitet, sondern nur ein sittenwidriges Lockangebot und damit einen Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG behauptet. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich aber das Sicherungsbegehren zu lit. a als berechtigt. Wie schon das Rekursgericht unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des OGH richtig hervorgehoben hat, verstoßen sogenannte "Vorspannangebote" - das sind Lockangebote besonderer Art, die den Absatz einer marktüblich angebotenen Hauptware dadurch fördern wollen, daß dem Kunden eine sehr preisgünstig erscheinende (meist branchen- oder betriebsfremde) Nebenware angeboten wird, welche er jedoch nur erwerben kann, wenn er auch die Hauptware kauft - dann gegen die guten Sitten, wenn der von ihnen ausgehende Lockeffekt so stark ist, daß er das Urteil des Kunden trüben und ihn aus sachfremden Gründen zum Kauf der Hauptware bestimmen kann, der durch das besonders günstig erscheinende Vorspannangebot hervorgerufene (übersteigerte) Kaufanreiz also geeignet ist, zum Kauf der angebotenen Hauptware ohne sachliche Begründung zu bewegen (ÖBl. 1982, 13 mit weiterem Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung; 4 Ob 313/82; 4 Ob 378/82). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Da die von den Werbern der Beklagten angesprochenen Personen für einen M-Kaffeeautomaten, welcher im Handel 730 S kostet, nur 99 S zu zahlen hatten, betrug ihre Ersparnis - ohne Rücksicht auf das zumindest im Fall K noch zusätzlich gewährte 1/2 kg Bohnenkaffee - tatsächlich rund 630 S und damit mehr als die Hälfte des damals geltenden Abonnementpreises der K-Zeitung von 1078 S. Dieses besonders günstige Kaufangebot war aber entgegen der Meinung der Beklagten sehr wohl geeignet, die angesprochenen Personen aus sachfremden Gründen - nämlich nur deshalb, um einen Marken-Kaffeeautomaten zu einem Bruchteil seines üblichen Preises erwerben zu können - zur Bestellung eines Jahresabonnements der K-Zeitung zu veranlassen. Gegenüber dieser von der Beklagten gebotenen Möglichkeit, beim Kauf einer Kaffeemaschine nicht weniger als 630 S und damit mehr als die Hälfte des Abonnementpreises der K-Zeitung zu ersparen, mußte die mit dem Abschluß des Abonnementvertrages notwendig einhergehende einjährige Bindung an die Zeitung der Beklagten bei einem zumindest nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Interessenten zweifellos stark an Bedeutung verlieren. Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich aber der vorliegende Fall sehr wesentlich von jenem Sachverhalt, wie er der mehrfach erwähnten Entscheidung 4 Ob 313/82 zugrunde gelegen war. Während bei einer Ersparnis von nur 310 S wie sie den neuen Abonnenten damals beim Erwerb eines Kombi-Quirl-Sets zum "Super-Club-Preis" von 195 S geboten worden war, ein besonderer Anreiz zum Abschluß eines Jahresabonnements der K-Zeitung zum Preis von immerhin rund 1100 S mit gutem Grund verneint werden konnte, liegen die Dinge im vorliegenden Fall, in welchem durch den gleichzeitigen Erwerb einer Kaffeemaschine mehr als die Hälfte des Zeitungs-Abonnementpreises sofort wieder hereingebracht werden konnte, doch wesentlich anders. Bei der hier gegebenen Sachlage hat das Rekursgericht die Eignung des beanstandeten Vorspannangebotes, das Urteil der angesprochenen Personen zu trüben, sie von der Hauptware abzulenken und nur aus sachfremden Gründen - nämlich aus dem Bestreben, den besonders preisgünstig erscheinenden Kaffeeautomaten zu erwerben - zum Abschluß eines Jahresabonnements der K-Zeitung zu bestimmen, mit Recht bejaht.

II. Zum Revisionsrekurs der Klägerin:

Das von der Klägerin zu lit. b erhobene Sicherungsbegehren muß schon deshalb erfolglos bleiben, weil dem Konsumentenschutzgesetz eine Verpflichtung der Beklagten zu einer schriftlichen Belehrung ihrer Vertragspartner über deren Rücktrittsrecht nach § 3 Abs. 1 KSchG nicht entnommen werden kann. Daß gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz KSchG die einwöchige Rücktrittsfrist mit der Ausfolgung einer Urkunde, die zumindest den Namen und die Anschrift des Unternehmers sowie eine Belehrung über das Rücktrittsrecht enthält, beginnt, bedeutet noch nicht, daß der Unternehmer in jedem Fall eine solche Urkunde ausstellen und seinem Vertragspartner ausfolgen müßte. Nur bei Abzahlungsgeschäften iS der §§ 16 ff. KSchG muß der Vertrag gemäß § 24 Abs. 1 KSchG in der Form eines "Ratenbriefes" schriftlich festgehalten werden, wobei diese Urkunde (ua.) bei sogenannten "Haustürgeschäften" iS des § 3 Abs. 1 KSchG auch den Wortlaut dieser Bestimmung zu enthalten hat (Z 10). Hingegen hat der Gesetzgeber bei Bargeschäften bewußt davon abgesehen, den Unternehmer generell zur Ausstellung einer Vertragsurkunde zu verpflichten; unterbleibt eine schriftliche Beurkundung, dann hat dies nach dem letzten Satz des § 3 Abs. 1 KSchG nur eine Verlängerung der - sonst einwöchigen - Rücktrittsfrist auf einen Monat nach dem Zustandekommen des Vertrages zur Folge (so ausdrücklich die EB zur RV des KSchG, 744 BlgNr 14. GP 18 zu § 3; vgl. auch Schilcher in Krejci, Handbuch zum KSchG 311 f.; Kosesnik - Wehrle, KSchG[2] 38 f.).

Unbestritten ist, daß die hier in Rede stehenden Abonnementverträge der K-Zeitung keine Abzahlungsgeschäfte iS der §§ 16 ff. KSchG waren. Nach dem oben Gesagten bestand daher für die Beklagte keine gesetzliche Verpflichtung, ihren neu geworbenen Abonnenten überhaupt eine Vertragsurkunde iS des § 3 Abs. 1 KSchG auszufolgen. Daraus muß aber entgegen der - nicht weiter begrundeten - Auffassung von Kosesnik - Wehrle aaO 38 abgeleitet werden, daß eine von der Beklagten ohne gesetzlichen Zwang, also gewissermaßen freiwillig ausgestellte Urkunde, wie es der gegenständliche Abonnement-Bestellschein ist, keine Belehrung des Vertragspartners über das ihm zustehende Rücktrittsrecht zu enthalten brauchte; die Nichtaufnahme einer solchen Belehrung in die "Abonnement-Bestellscheine" der Beklagten hatte vielmehr auch hier nur eine Erstreckung der Rücktrittsfrist bis zum Ablauf von einem Monat nach dem Zustandekommen des Vertrages zur Folge.

Bei dieser Sachlage ist dem zu lit. b erhobenen, ausschließlich aus einem Verstoß der Beklagten gegen § 3 Abs. 1 KSchG abgeleiteten Sicherungsbegehren der Klägerin der Boden entzogen.

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