OGH 10Os22/83

OGH10Os22/8322.3.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.März 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführer in der Strafsache gegen Milo Kenneth A und einen anderen wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster und zweiter Fall) und 15 StGB. über die vom Angeklagten Milo Kenneth A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. September 1982, GZ. 20 b Vr 5097/82-35, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen der Verteidigerin, Rechtsanwalt Dr. Hämmerle, und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die vom Erstgericht über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB. unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3.September 1982, GZ. 1 a Vr 7371/82-24, auf 6 (sechs) Jahre Zusatzfreiheitsstrafe herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (u.a.) der am 13.Juli 1960 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Milo Kenneth A des Verbrechens des teils (nämlich in zwei Fakten) vollendeten, teils (in einem weiteren Faktum) versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster und zweiter Fall) und 15 StGB. schuldig erkannt. Unter anderem liegt ihm (zu I 2 des Urteilstenors) zur Last, am 30. April 1982 in Wien mit (dem wegen dieser Tat mit demselben Urteil rechtskräftig verurteilten) Dietmar B in Gesellschaft als Beteiligter der Margarete C dadurch, daß er ein Küchenmesser gegen sie richtete, sich äußerte, sie solle nicht schreien, sonst müsse er sie umbringen, und ihr die trotz der Bedrohung von ihr festgehaltene Brieftasche mit 10.000 S gewaltsam entriß, wobei Dietmar B vor der Trafik der Genannten Aufpasserdienste leistete, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben und mit Gewalt gegen ihre Person unter Verwendung einer Waffe einen Bargeldbetrag von 10.000 S mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Ausschließlich gegen die Beurteilung dieser Tat auch nach dem ersten Fall des § 143 StGB. und den ihr zugrundeliegenden Wahrspruch der Geschwornen, welche die entsprechenden Hauptfragen III (hinsichtlich Milo Kenneth A) und IV (hinsichtlich Dietmar B) stimmeneinhellig bejaht haben, richtet sich die auf die Z. 6, 8 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A. Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer einen bei Abfassung der Hauptfrage III unterlaufenen Verstoß gegen die Bestimmung des § 312 StPO. durch Unterlassung der Aufnahme aller gesetzlicher Merkmale der strafbaren Handlung in diese Frage, weil die Funktion des 'angeblich beteiligten Dietmar B' nicht umschrieben worden sei; es wäre erforderlich gewesen, in die Hauptfrage III aufzunehmen, ob B als Aufpasser fungierte und welche Handlungen er in dieser Eigenschaft gesetzt habe. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß seiner Auffassung zuwider der Bestimmung des § 312 StPO. in Ansehung der die Qualifikation des ersten Falles des § 143 StGB.

betreffenden gesetzlichen Merkmale durch Aufnahme der Worte 'in Gesellschaft des Dietmar B als Beteiligten (§ 12 StGB.)' bereits ausreichend Rechnung getragen worden ist (Mayerhofer-Rieder, E.Nr. 30 zu § 312 StPO. u.v.a.).

Eines näheren Hinweises auf die Aufpasserfunktion und auf die in dieser Eigenschaft gesetzten Handlungen des B bedurfte es (abgesehen davon, daß diese Umstände ohnedies Gegenstand der unmittelbar nachfolgenden, Dietmar B betreffenden Hauptfrage IV gewesen sind) schon deshalb nicht, weil sie weder zu den gesetzlichen Merkmalen der strafbaren Handlung, d.h. zu den in der gesetzlichen Definition des Deliktes bezeichneten Tatbestandsmerkmalen (Mayerhofer-Rieder, ENr. 19, 20 zu § 312 StPO.), zählen, welche nach dem Abs. 1 der zitierten Gesetzesstelle vollständig anzuführen sind, noch deshalb beizufügen gewesen wären, weil dies zur deutlichen Bezeichnung (Individualisierung) der Tat oder zur Schaffung einer Grundlage für die Entscheidung über Entschädigungsansprüche notwendig gewesen wäre.

Die in den Beschwerdeausführungen zur Z. 8 des § 345 Abs. 1 StPO. gerügte Unrichtigkeit (im Sinne einer Widersprüchlichkeit) der Rechtsbelehrung zu den Hauptfragen III und IV liegt gleichfalls nicht vor:

Reißt man die Erläuterung, wonach die Annahme eines räumlichen Nahverhältnisses nicht von einer generell begrenzbaren Entfernung abhänge, nicht aus ihrem Zusammenhang mit der wiederholten Betonung des Erfordernisses, daß sich der Raubgenosse in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufhalten müsse, so kann sie auch von Laien nur dahin verstanden werden, daß nicht von einer starren - in Entfernungsmaßen ausdrückbaren - Begrenzung des als unmittelbar tatortnah anzusprechenden Bereiches auszugehen, sondern - wie in der Rechtsbelehrung im folgenden auch ausdrücklich angeführt worden ist - in diesem Zusammenhang vielmehr auf die (physische) Möglichkeit der Vereinigung der verteilten Kräfte der Komplizen zur Durchführung des Raubes abzustellen ist. Diese Auffassung entspricht durchaus der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (vgl. hiezu insbes. die Ausführungen in Leukauf-Steininger2 RN. 77

zu § 127 StGB., welche weitgehend wörtlich in die Rechtsbelehrung übernommen worden sind). Die Form ihrer Wiedergabe ist auch keineswegs geeignet gewesen, einen Rechtsirrtum der Geschwornen über das Wesen der Raubgenossenschaft infolge eines Mißverständnisses herbeizuführen.

Für die in der Beschwerde behauptete Fehlinterpretation, welche einen bei rechtsrichtiger Beurteilung mit den Verfahrensergebnissen nicht zu vereinbarenden Wahrspruch nach sich gezogen haben soll, bestehen keine Anhaltspunkte; denn laut der Verantwortung des Angeklagten Dietmar B, auf welche sich die Geschwornen in der Niederschrift gemäß § 331 Abs. 3 StPO. ausdrücklich beziehen, ist dieser nach Betreten der Trafik durch Milo Kenneth A vorerst nur etwa 20 Meter weiter weggegangen, demnach zunächst in unmittelbarer Tatortnähe verblieben (S. 261; vgl. S. 127 a, letzter Absatz sowie S. 57 f.

und S. 61).

Soweit der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen zur Z. 12 des § 345 Abs. 1 StPO. schließlich vermeint, aus seinem bereits oben wiedergegebenen Vorbringen gehe hervor, daß die Qualifikation nach dem ersten Fall des § 143 StGB. zu Unrecht angenommen worden sei, weicht er von den im Wahrspruch getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Raubgenossenschaft ab und bringt damit den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung (Mayerhofer-Rieder ENr. 8 zu § 345 Abs. 1 Z. 12 StPO.).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. zu sieben Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es die Wiederholung der Raubüberfälle, weiters das Vorliegen einschlägiger - sogar rückfallsbegründender - Vorstrafen, den raschen Rückfall, die Verleitung des Mittäters Dietmar B und beim Faktum I/2 die zweifache Qualifikation zum schweren Raub als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis und den Umstand, daß es bei einem Faktum beim Versuch geblieben ist.

Der Berufung des Angeklagten, mit welcher eine Herabsetzung des Strafmaßes angestrebt wird, kann Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Zwar sind die von ihm reklamierten weiteren Milderungsgründe nicht gegeben. Das bloße Anerkenntnis eines Schadenersatzanspruches eines Geschädigten ist ebensowenig mildernd (ÖJZ-LSK. 1978/276) wie eine - selbst verschuldete - Notlage (die nach der Aktenlage auch auf Arbeitsscheu zurückzuführen ist, weil er nach der letz-

-

ten Haftentlassung am 4.März 1982 keine geregelte Beschäftigung zu erhalten suchte, sondern nur kurzfristig - und

-

unangemeldet - im Prater arbeitete und deswegen ohne Einkommen war, weshalb er auch die gegenständlichen Raubüberfälle beging; vgl. die eigenen Angaben des Angeklagten S. 29, 116 u.a.).

Mit Recht verweist der Berufungswerber jedoch darauf, daß er mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. September 1982, GZ. 1 a Vr 7321/82-24, wegen des in insgesamt 12 Fällen begangenen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 15 StGB. schuldig erkannt und zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, auf welches Urteil nunmehr gemäß den §§ 31, 40 StGB.

Bedacht zu nehmen ist, weil es mittlerweile (zufolge Bestätigung durch den Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 11.Jänner 1983, GZ. 9 Os 190/82-11) in Rechtskraft erwachsen ist.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes wäre nämlich bei gemeinsamer Aburteilung sämtlicher dem Angeklagten zur Last liegenden Straftaten unter Zugrundelegung aller erschwerenden und mildernden Strafzumessungsgründe keine höhere als eine achtjährige Freiheitsstrafe zu verhängen gewesen. Demnach war in Stattgebung der Berufung die Freiheitsstrafe - nunmehr als Zusatzstrafe mit Beziehung auf das soeben angeführte Urteil - auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß von sechs Jahren zu reduzieren. Eine weitere Herabsetzung konnte jedoch wegen des schweren Schuld- und Unrechtsgehaltes der Raubtaten nicht in Betracht gezogen werden.

Oberster Gerichtshof Wien, am 22. März 1983.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte