OGH 10Os33/83

OGH10Os33/8322.3.1983

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian A und andere wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Christian A, Karl-Heinz B und Helmut C sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Jugendschöffengericht vom 15. Dezember 1982, GZ 8 Vr 989/82-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil in den Schuldsprüchen wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB (Pkt 1), gemäß § 290 Abs 1 StPO aber auch in jenen wegen der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1

StGB (Pkt 2) sowie des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (Pkt 3) - und damit zur Gänze - aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Auf diese Entscheidung werden die Angeklagten mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden gegen die zuletzt bezeichneten Schuldsprüche (Pkt 2 und 3) sowie mit ihren Berufungen und die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden zum einen Christian A, Karl-Heinz B und Helmut C, die zur Tatzeit das 15. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten, schuldig erkannt, am 12. Oktober 1982 in Mauerkirchen im bewußten und gewollen Zusammenwirken Bettina D, die damals etwa 12 1/2 Jahre alt war, zu Boden gestoßen, festgehalten, (teilweise) entkleidet und an den Brüsten sowie am Geschlechtsteil betastet zu haben. Dieses Tatverhalten lastete das Erstgericht ihnen allen (Pkt 1) als Vergehen der (mit Gewalt begangenen) Nötigung zur Unzucht (§ 204 Abs 1 StGB) sowie A und C überdies (Pkt 2) als (damit in Tateinheit zusammentreffendes) Verbrechen der (durch einen auf andere Weise als durch Beischlaf begangenen Mißbrauch getriebenen) Unzucht mit Unmündigen (§ 207 Abs 1 StGB) an; dem Angeklagten B billigte es in Ansehung des zuletzt angeführten Verbrechens Straflosigkeit nach § 207 Abs 3 StGB zu. Außerdem liegt dem Angeklagten A (Pkt 3) das Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen (§ 206 Abs 1 StGB) zur Last, begangen dadurch, daß er wenige Stunden nach der zuvor beschriebenen Tat mit D den außerehelichen Beischlaf unternahm.

Rechtliche Beurteilung

Den auf Z 4, 9 lit b und 10 sowie von A auch auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten, in einer gemeinsamen Rechtsmittelschrift ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden aller Angeklagten gegen dieses Urteil kommt teilweise Berechtigung zu.

Beizupflichten ist zunächst der Rechtsrüge (Z 10) der Angeklagten A und C, mit der sie die Annahme echter Idealkonkurrenz zwischen dem Verbrechen nach § 207

Abs1 StGB und dem Vergehen nach § 204 Abs 1 StGB bekämpfen:

letzteres wird nämlich im Hinblick darauf, daß es nach der Systematik des Gesetzes nur auf den Schutz anderer Tatobjekte als Unmündiger abzielt, von ersterem verdrängt, wobei die Begehungsmittel Gewalt und/oder gefährliche Drohung nur einen Erschwerungsgrund bilden (vgl JBl 1977,328, RZ 1978/62, ÖJZ-LSK 1979/329 ua; ebenso Pallin im WK, RN 14

zu § 207, RN 2 zu § 203; aA Leukauf-Steininger, StGB2, RN 14 zu § 204, Foregger-Serini, StGB2, Anm III zu § 203, Burgstaller in JBl 1978,396).

Eine sofortige Ausschaltung der die genannten Beschwerdeführer betreffenden Schuldsprüche nach § 204 Abs1

StGB (in Punkt 1 des Urteilssatzes) aus diesem Grund kommt jedoch nicht in Betracht, weil sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt hat, daß die bekämpfte Entscheidung auch in Ansehung der Schuldsprüche nach den Pkten 2 und 3 des Urteilssatzes zu ihrem Nachteil insofern mit einer von ihnen nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeit (Z 9 lit a, bezüglich § 207 Abs 1 StGB allenfalls Z 10) behaftet ist, als die Feststellungen zur subjektiven Tatseite des § 207 Abs 1 gleichwie des § 206 Abs 1 StGB zur Begründung der Annahme eines die Unmündigkeit des Opfers mitumfassenden Vorsatzes der (jeweiligen) Täter nicht ausreichen. Dazu hat nämlich das Jugendschöffengericht lediglich als erwiesen angenommen, A und C hätten bei der Tatbegehung 'zumindest ernstlich für möglich gehalten', daß Bettina D das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (S 88, 90). Solcherart wird aber, worauf der Oberste Gerichtshof schon zu wiederholten Malen hingewiesen hat (vgl EvBl 1975/282, RZ 1978/47 uva), bloß die Wissenskomponente des bedingten Vorsatzes umschrieben, die für sich allein zu dessen Annahme nicht ausreicht; dazu muß sich vielmehr der Täter mit der Tatbildverwirklichung auch innerlich - bewußt und damit positiv, obgleich nicht unbedingt billigend (vgl 10 Os 10/82 ua) - abgefunden haben (§ 5 Abs 1 aE StGB). Konstatierungen über eine dahingehende Willensbildung der genannten Angeklagten - die auch in Ansehung des Angeklagten C ungeachtet seines Zugeständnisses, das Alter des Mädchens gekannt zu haben, deshalb erforderlich gewesen wären, weil das Erstgericht selbst bei ihm nicht etwa ein Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) davon, sondern wie schon gesagt bloß eine der beiden Prämissen eines bedingten Vorsatzes angenommen hat - läßt das angefochtene Urteil indessen vermissen.

In Ansehung der Angeklagten A und C ist demnach eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz zu sämtlichen Anklagevorwürfen unumgänglich.

Im zweiten Rechtsgang wird unter Bedacht auf die bisher äußerst dürftigen Verfahrensergebnisse in bezug auf den (erst in der Hauptverhandlung zutage gekommenen) Tatverdacht gegen A in Richtung des Verbrechens nach § 206 Abs 1 StGB auf eine beruhigende Klärung des Sachverhalts insbesondere auch zur subjektiven Tatseite unter Berücksichtigung sämtlicher dafür allenfalls relevanter äußerer Begleitumstände, wie etwa Örtlichkeit, Tageszeit, Anwesenheit Dritter etc, zu achten sein. Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs nach § 207 Abs 1 StGB wird die Annahme eines eintätigen Zusammentreffens dieses Delikts mit jenem nach § 204 Abs 1 StGB aus den bereits dargelegten rechtlichen Erwägungen nicht in Betracht kommen.

Berechtigt ist aber auch die Beschwerde des Angeklagten B gegen den ihn betreffenden Schuldspruch wegen des zuletzt angeführten Straftatbestands.

Seine Rechtsrüge (Z 10, sachlich indessen Z 9 lit a), mit der er die Auffassung vertritt, die durch jene nach § 207 Abs 1 StGB verdrängte Strafbarkeit dieses Delikts (§ 204 Abs 1 StGB) lebe trotz der ihm zuteil gewordenen Straflosigkeit nach § 207 Abs 3 StGB nicht wieder auf, geht allerdings fehl; denn auf Grund des damit relevierten Strafausschließungsgrundes (iwS) wurde eine (zuvor erörterte) Verdrängung des Vergehens nach § 204 Abs 1 StGB von vornherein gar nicht aktuell (vgl EvBl 1978/216, 1979/28 ua sowie das insoweit einhellige Schrifttum).

Der Verfahrensrüge (Z 4) hingegen kann Berechtigung nicht abgesprochen werden.

In der Hauptverhandlung haben die Angeklagten, wie das Erstgericht im Ansatz richtig erkannte (S 92), gegen das Mädchen gerichtete Tätlichkeiten zwar zugegeben, die Anwendung überlegener physischer Kraft - wie sie für den Begriff der Gewalt (im § 204 Abs 1 StGB) erforderlich ist - aber dem Sinne nach in Abrede gestellt. Das Tatopfer hingegen hatte - möglicherweise, weil es zeitweilig in Gegenwart der Mutter und des Schuldirektors vernommen worden war - den von ihm geleisteten Widerstand, dessen Art und Ausmaß für die Beurteilung von dessen Ernstlichkeit und Erkennbarkeit bedeutsam ist, besonders 'herauszustreichen' gesucht (S 92).

Es kann daher, den weiteren Ausführungen des Erstgerichtes zuwider, keine Rede davon sein, daß zwischen den darauf bezüglichen Angaben aller Beteiligten keine wesentlichen Widersprüche bestehen. Vielmehr liegen gerade in Ansehung dieser entscheidungswesentlichen Umstände aufklärungsbedürftige Divergenzen in den Aussagen vor, die eine Vernehmung der ersichtlich als Zeugen für den Tathergang (vgl S 19, 79) namhaft gemachten Anita A und Karin E (S 78) notwendig machen. Auch hinsichtlich des Angeklagten B ist demgemäß eine Verfahrenserneuerung unerläßlich.

Nach Anhörung der Generalprokuratur war daher teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden und teils nach § 290 Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedarf.

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