OGH 10Os192/82

OGH10Os192/821.3.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. März 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon.

Prof. Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführer in der Strafsache gegen Gino Rudolf A wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit a sowie § 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Oktober 1982, GZ 6 a Vr 10.474/81-29, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Herndlhofer, des Vertreters der Finanzstrafbehörde, Mag. Pichl, und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob - zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gino Rudolf A des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung (im Tenor unrichtig: des Finanzvergehens der vollendeten Abgabenhinterziehung und des Finanzvergehens der versuchten Abgabenhinterziehung) nach § 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit a sowie § 13 FinStrG schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, in Wien vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige- und Offenlegungspflicht durch die Unterlassung der Abgabe von Steuererklärungen eine zu niedrige Festsetzung von Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer, also von bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben, und zwar (1.) in den Jahren 1976 und 1977 in der Höhe von insgesamt 356.196 S für die Jahre 1975 und 1976 bewirkt sowie (2.) in den Jahren 1978 und 1979 in der Höhe von insgesamt 223.424 S für die Jahre 1977 und 1978 zu bewirken versucht zu haben, sodaß sich der strafbestimmende Wertbetrag auf 579.620,-- S beläuft (S 98).

Der auf § 281 Abs. 1 Z 4 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.

Nicht zielführend ist vorerst jene Rechtsrüge des Beschwerdeführers, mit der er die dem Schuldspruch zugrunde liegende, der Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 21. April 1977 (SSt 48/36 = RZ 1977/71 = EvBl 1977/166 = ÖJZ-LSK 1977/202) entsprechende Auffassung bekämpft, daß das Gericht vom Bestehen einer mit rechtskräftigem Bescheid der Abgabenbehörde festgesetzten Abgabenschuld dem Grund und der Höhe nach als Tatsache auszugehen hat: erörterungsbedürftige neue Argumente gegen die Richtigkeit dieser Rechtsansicht, zu deren Begründung ein Hinweis auf die vorerwähnte, mehrfach veröffentlichte Entscheidung genügt, vermag er mit seinen Einwänden nicht aufzuzeigen.

Demgemäß waren im Hinblick darauf, daß in Ansehung seiner hier aktuellen Abgabenschulden derartige Bescheide vorliegen, sowohl Feststellungen (Z 9 lit a) als auch eine Beweisaufnahme (Z 4) über jene 'tatsächlichen Umstände', auf denen die betreffenden Abgabenfestsetzungen beruhen, entbehrlich.

Soweit aber der Angeklagte die Konstatierung seines auf eine Verkürzung dieser Abgaben gerichteten Vorsatzes anficht, bringt er die Beschwerde nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil er weder bei seiner Rüge gegen die dahingehende Schlußfolgerung des Erstgerichts im Tatsächlichen (sachlich Z 5) noch bei seinem Einwand gegen die darauf bezogene rechtliche Beurteilung (Z 9 lit a) vom gesamten Inhalt der hiefür maßgebenden Entscheidungsgründe ausgeht. In faktischer Hinsicht hat nämlich das Schöffengericht seine Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB), eine Abgabenverkürzung zu bewirken, keineswegs allein daraus abgeleitet, daß er als Buchhalter infolge der Nichtabgabe von Steuererklärungen mit einer Schätzung (§ 184 BAO) rechnete, sondern vielmehr (in Verbindung mit seiner eigenen Verantwortung) vor allem (auch) aus dem Umstand, daß er der Abgabenbehörde anfangs mangelhafte Unterlagen zur Verfügung gestellt hatte und daß ihm deswegen klar war, sein Geschäftsvolumen und seine Einkünfte würden dementsprechend zu niedrig eingeschätzt werden, wie dies bis zu einer Betriebsprüfung (für die Jahre 1975 und 1976) auch tatsächlich geschah (S 101- 103); eben darauf jedoch hat es bei der rechtlichen Beurteilung die Annahme seines Verkürzungsvorsatzes gestützt und nicht etwa - worauf er in seinem Rechtsmittel abstellt -

bloß auf die Vorsätzlichkeit seines Verstoßes gegen eine abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht. Völlig verfehlt hinwieder ist die Beschwerdeansicht (Z 9 lit a, sachlich Z 10), für die Jahre 1975 und 1976 sei eine Abgabenverkürzung nach § 33 Abs. 3 (an einer Stelle irrig: Abs. 1) lit a FinStrG gar nicht eingetreten, weil die hier interessierenden Abgaben, mögen sie auch ursprünglich zu niedrig festgesetzt worden sein, letzten Endes dann doch - unter gleichzeitiger Aufhebung der seinerzeitigen Bescheide (§ 303 Abs. 4 BAO) - ohnedies in der richtigen Höhe bemessen worden seien: denn die Beurteilung, ob und gegebenenfalls inwieweit bescheidmäßig festzusetzende Abgaben 'zu niedrig' bemessen wurden, betrifft nach Sinn und Zweck des Gesetzes naturgemäß jene Abgabenfestsetzung, die durch das inkriminierte Tatverhalten herbeigeführt wurde, und nicht deren Korrektur nach der Aufdeckung dieser Tat.

Dementsprechend kommt es insoweit sehr wohl auf die zu niedrige Festsetzung der in Rede stehenden Abgaben mit den ursprünglichen Bescheiden (vom 3. und 4. März 1977 sowie vom 14. und 15. Februar 1978) an und nicht, wie der Beschwerdeführer - solcherart die Möglichkeit einer Abgabenverkürzung faktisch überhaupt negierend - vermeint, auf ihre spätere endgültige Bemessung (mit den Bescheiden vom 19. und 20. Juni 1978), die nur einerseits die eingangs erörterte Feststellungswirkung in Ansehung der richtigen Abgabenhöhe und anderseits das Außerkrafttreten des bis dahin wirksamen (befristeten) Verhandlungsverbots zur Folge hat (§ 55 FinStrG). Für die Jahre 1977 und 1978 jedoch wurde der Eintritt einer Abgabenverkürzung, den darauf abgestellten Beschwerdeausführungen (Z 9 lit a, der Sache nach neuerlich Z 10) zuwider, ohnehin gar nicht angenommen; denn diesbezüglich hat das Erstgericht sowieso ausdrücklich festgestellt, daß die vom Angeklagten verheimlichten, für eine korrekte Abgabenbemessung maßgebenden Tatumstände im Weg einer Betriebsprüfung (rechtzeitig) aufgedeckt und die Abgaben dementsprechend sogleich in der richtigen Höhe festgesetzt wurden, woraus es ohnedies (zutreffend) die (rechtliche) Beurteilung des diesen Zeitraum betreffenden Tatverhaltens als bloßer Versuch einer Abgabenhinterziehung ableitete. Insoweit ist die Rechtsrüge demnach abermals nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Gleiches gilt für den darauf bezogenen weiteren Einwand (Z 9 lit a), die Annahme eines strafbaren Versuchs (§ 13 Abs. 1 und 2 FinStrG) sei deswegen rechtlich verfehlt, weil von einer der Ausführung einer Abgabenhinterziehung unmittelbar vorangehenden Handlung, ja sogar von einer strafrechtlich erfaßbaren Handlung überhaupt, solange nicht gesprochen werden könne, als der Täter 'nur im Geiste erwäge, daß ihm die Nichterklärung von Einnahmen eine Steuerersparnis bringen könnte'; setzt sich doch der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen darüber hinweg, daß er nach den Urteilsfeststellungen die Nichtabgabe der hier aktuellen Steuererklärungen zum Zweck der Abgabenverkürzung keineswegs bloß erwog, sondern nach Ablauf der jeweiligen Erklärungsfrist auch tatsächlich realisierte. Mit der darin gelegenen Verletzung seiner Offenbarungspflicht (§ 119 Abs. 2 BAO) aber hat er durchaus schon eine strafrechtlich relevante Handlung, und zwar eine (in Verbindung mit der vorausgegangenen Vorlage mangelhafter Unterlagen) der vorsätzlichen Herbeiführung des deliktischen Verkürzungserfolgs durch ein positives Tun gleichwertige Unterlassung (§ 2 StGB, Art I Abs. 1 StRAnpG; vgl auch

§ 1

FinStrG), begangen, die vom Tatbild des § 33 Abs. 1 FinStrG bereits direkt erfaßt wird und sich deshalb nicht bloß als eine der Ausführung des in Rede stehenden Delikts unmittelbar vorangehende Handlung (§ 13 Abs. 2 FinStrG), sondern sogar schon als eine - dem Kernbereich des strafbaren Versuchs (§ 13 Abs. 1 FinStrG) zuzuordnende - Ausführungshandlung darstellt.

Gleichfalls nicht stichhältig ist letztlich die Beschwerdeauffassung (Z 9 lit a), daß im vorliegenden Fall der Verkürzungsbetrag (§ 33 Abs. 5 FinStrG) - als strafbestimmender Wertbetrag - nicht die für eine gerichtliche Strafbarkeit des vom Angeklagten begangenen Finanzvergehens maßgebende Höhe von 500.000 S (§ 53 Abs. 1 lit b FinStrG) übersteige.

Soweit der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang damit argumentiert, daß im Hinblick auf die spätere endgültige Bemessung der Abgaben ohnehin überhaupt keine Verkürzung eingetreten sei, ist er in Ansehung der Jahre 1975

und 1976 auf das dazu bereits vorhin Gesagte zu verweisen; gerade in der Differenz zwischen den letzten Endes richtig festgesetzten und den durch sein inkriminiertes Tatverhalten ursprünglich zu niedrig bemessenen Abgabenbeträgen besteht ja die verpönte Verkürzung.

In bezug auf die Jahre 1977 und 1978 allerdings ist zwar - wie schon erwähnt - eine Abgabenverkürzung tatsächlich nicht eingetreten, weil dem Angeklagten insoweit sein darauf gerichteter Versuch mißlang, doch ist auch hieraus in Ansehung der Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages für ihn nichts zu gewinnen. Denn aus dem Begriff 'Verkürzungsbetrag' (§ 33 Abs. 5 FinStrG) als solchem ist, seinem dahingehenden Beschwerdeeinwand zuwider, keineswegs abzuleiten, daß ein solcher Betrag nur beim wirklichen Eintritt eines Verkürzungserfolgs, also im Fall der Deliktsvollendung, überhaupt aktuell werden könnte.

Beim bloßen Versuch einer Abgabenhinterziehung - bei dem nach der soeben relevierten (verfehlten) Rechtsansicht des Beschwerdeführers mangels einer gelungenen Abgabenverkürzung sowohl die Anordnung einer gerichtlichen Zuständigkeit nach § 53 Abs. 1 lit b FinStrG als auch die Bestimmung einer Obergrenze für die in § 33 Abs. 5 FinStrG angedrohte Geldstrafe überhaupt obsolet wären - wird der Verkürzungsbetrag (§ 33 Abs. 5 FinStrG) als strafbestimmender Wertbetrag (§ 53 Abs. 1 lit a FinStrG) vielmehr durch das Maß jenes Abgabenausfalls bestimmt, auf dessen Herbeiführung die mißlungene Tat abgezielt hatte. Er entspricht demnach der Differenz zwischen der wahren Abgabenschuld und derjenigen, die bei einer tatplangemäßen Vollendung der versuchten Abgabenhinterziehung - hier: bei einer abermaligen Abgabenfestsetzung im Weg einer Schätzung nach § 184 BAO ohne vorausgegangene Betriebsprüfung beim Angeklagten -

hypothetisch festgesetzt worden wäre.

Der (zur Tatbestandsverwirklichung erforderliche, prinzipielle) Verkürzungsvorsatz des Täters hingegen muß sich, wie zur Vermeidung von Mißverständnissen klargestellt sei, auch in diesem Fall (einer bloß versuchten Abgabenhinterziehung) auf die konkrete Höhe des (außerhalb des Tatbestands gelegenen) strafbestimmenden Wertbetrages nicht erstrecken, weil letzterer als (einschränkend wirkende) Voraussetzung gerichtlicher Strafbarkeit - in Abgrenzung zur (lediglich) verwaltungsbehördlichen (§ 53 FinStrG) - gleichwie als Faktor der Strafrahmenobergrenze für die angedrohte Geldstrafe rein objektiv determiniert ist (vgl 10 Os 76/82, 10 Os 159/82 ua). Die vom Erstgericht für die Jahre 1977 und 1978 angenommenen Verkürzungsbeträge sind daher bei der Feststellung des strafbestimmenden Wertbetrages durchaus nicht, wie der Beschwerdeführer vermeint, schon deshalb als bloß 'fiktiv' auszuscheiden, weil die Abgabenhinterziehung insoweit beim Versuch blieb.

In Ansehung der konkreten Berechnung von solcherart hypothetischen Verkürzungsbeträgen hinwieder ist es keineswegs zu beanstanden, wenn zur Ermittlung jener Abgabenhöhe, die bei einer dem Tatplan entsprechenden Bemessung festgesetzt worden wäre, auf Bescheide, die (wie im vorliegenden Fall) nach einem gleichartigen Tatverhalten (in bezug auf andere Zeiträume) bereits früher ergangen sind, entsprechend Bedacht genommen wird. Inwiefern die dem angefochtenen Schuldspruch zugrunde liegende - ersichtlich aus der Anklageschrift übernommene (vgl S 98/101 iVm S 12/16) - Ermittlung der Verkürzungsbeträge für die Jahre 1977 und 1978 in diesem Zusammenhang oder sonst 'ein Problem' aufwerfen sollte, welches 'im Strafverfahren ohne gesetzliche Regelung nicht zum Nachteil des Angeklagten gelöst' werden dürfe, ist dem hiezu nicht näher substantiierten und darum einer weitergehenden sachbezogenen Erörterung nicht zugänglichen Beschwerdevorbringen (Z 9 lit a) nicht zu entnehmen.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 33 Abs. 5 FinStrG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 170.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 4 Monaten Ersatzfreiheitsstrafe. Dabei wertete es seine bisherige gerichtliche Unbescholtenheit, die nur geringfügige überschreitung der für die gerichtliche Strafbarkeit maßgebenden Grenze durch den strafbestimmenden Wertbetrag und den Umstand, daß die Hinterziehung teilweise beim Versuch geblieben ist, als mildernd, seine beiden finanzbehördlichen Vorstrafen und die Wiederholung der Straftat durch relativ lange Zeit hingegen als erschwerend.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt gleichfalls keine Berechtigung zu.

Die Höhe der Geldstrafe, gegen die der Berufungswerber (außer der Betonung seiner gerichtlichen Unbescholtenheit) nichts Konkretes vorzubringen vermag, wird sowohl seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld als auch seinen persönlichen Verhältnissen sowie seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, wie sie sich aus den Akten der Finanzbehörde ergibt, durchaus gerecht (§ 23 Abs. 1 bis 3 FinStrG);

eine bedingte Strafnachsicht kam im Hinblick auf seine beiden einschlägigen finanzstrafbehördlichen Vorverurteilungen aus Gründen der Spezialprävention nicht in Betracht (§ 26 Abs. 1 FinStrG, § 43 Abs. 1 StGB).

Auch der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

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